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Barcelona 1936, vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Juan Aguilar, gleichermaßen erfolglos als Dichter wie als Vertreter von Damenhandtaschen, erkennt sein geschäftliches wie privates Scheitern. Bei einem Autounfall verliert er vorübergehend die Sprache. Als Stummer nun wendet sich sein Schicksal, er gewinnt Umsätze und Zuwendung zurück. Er wird für alle, die ihn kaum mehr beachteten, interessant, man will sogar seine Geschichte verfilmen.Nach seiner Genesung entschließt er sich daher als Simulant zur Fortsetzung dieser erfreulichen Entwicklung. Aus der Distanz des beobachtenden Außenseiters…mehr

Produktbeschreibung
Barcelona 1936, vor Ausbruch des Bürgerkriegs. Juan Aguilar, gleichermaßen erfolglos als Dichter wie als Vertreter von Damenhandtaschen, erkennt sein geschäftliches wie privates Scheitern. Bei einem Autounfall verliert er vorübergehend die Sprache. Als Stummer nun wendet sich sein Schicksal, er gewinnt Umsätze und Zuwendung zurück. Er wird für alle, die ihn kaum mehr beachteten, interessant, man will sogar seine Geschichte verfilmen.Nach seiner Genesung entschließt er sich daher als Simulant zur Fortsetzung dieser erfreulichen Entwicklung. Aus der Distanz des beobachtenden Außenseiters entwickelt er Anteilnahme und echte Sympathie für die, die ihm nun wie einem Beichtvater Vertrauliches mitteilen. Und da der Krieg sich nähert, sind es nicht nur persönliche Geheimnisse, in die sich Juan nach und nach verstrickt. Schließlich kommt der Zeitpunkt, an dem für alle Beteiligten die schlichte Fortsetzung ihrer bisherigen Existenz nicht mehr möglich ist: Die politischen Ereignisse erzwingen grundsätzliche Entscheidungen für das weitere Leben. Mit seinem Roman verabschiedet sich der Emigrant Hans Meisel vom alten Europa und seinen literarischen Motiven, die er noch einmal in der Figur seines Aguilar vereinigt.Dieser Sprachskeptiker, Verführer, Heiratsschwindler und Flaneur des Fin de siècle muß nun den Schritt in eine neue Welt wagen, in der alles, auch Furchtbares, möglich ist.________________________HANS MEISEL, 1900 in Berlin geboren, ist Redakteur der Vossischen Zeitung, als ihm 1927 für seinen Romanerstling Torstenson der Kleist-Preis zuerkannt wird. Später arbeitet er als Lektor für Bermann-Fischer und übersetzt u.a. Sinclair Lewis, (It Cant Happen Here, Querido 1936). Seit 1934 lebt Meisel, der jüdischer Herkunft ist, nicht mehr in Deutschland, im November 1938 wird er Sekretär Thomas Manns in den USA. »Die stumme Zeit«, wie Aguilar ursprünglich hieß, reicht Meisel 1938 unter Pseudonym zu dem Romanwettbewerb der American Guild for German Cultural Freedom ein. Ausgerechnet Thomas Mann war sein Gutachter. 1940 beendet Meisel seine Tätigkeit für Thomas Mann, wird College-Lehrer und ist dann von 1945 bis 1970 Professor der Politischen Wissenschaften an der Universität von Ann Arbor, Michigan. 1991 ist Hans Meisel in Amerika gestorben.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.08.2002

Die wiedergefundene Stimme
Weimarer Republik in Barcelona: Hans Meisels großer Exilroman

Wer hat gesagt, mit der Literatur der deutschen Exilanten sei es zu Ende? Das kann nur gelten, solange nicht ein neues Exilbuch, wie dieser 1937 geschriebene Roman, in einem Nachlaß auftaucht und aufgelegt wird. Dabei kann es nicht ausbleiben, daß auch einiges über den Autor verlautet. Es stellt sich heraus, daß Hans Meisel, 1900 in Berlin geboren, Redakteur bei der "Vossischen Zeitung", 1927 für seinen Erstlingsroman "Torstenson" den Kleist-Preis erhalten hat, daß seine Theaterstücke auf renommierten Bühnen uraufgeführt wurden, daß er 1934 in die Emigration ging, Professor für Politologie in Amerika wurde, aber nach dem Untergang des Dritten Reiches lange Zeit vergebens Anschluß an das literarische Leben in Deutschland suchte. Dies und mehr erfährt man aus dem Nachwort von Klaus Täubert. Und plötzlich ist man wieder mittendrin in der Aufarbeitung des totgeglaubten deutschen "Exils" und der Verluste sowie der Gewinne, die ihm zu verdanken sind.

Gleichzeitig stellt sich aber wieder die alte Frage, ob denn ein solches Buch auch wirklich ein Exilroman oder nur ein von einem emigrierten Autor in seiner alten Manier geschriebener sei. Er spielt in Barcelona kurz vor dem Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs, Vorbote gesamteuropäischer Katastrophen, und hat auf den ersten Blick kaum etwas mit den deutschen Zuständen und der Exilerfahrung zu tun. Der Held ist ein echter Spanier (oder Katalane, der Unterschied wird nicht thematisiert), er ist arbeitslos, hat einen Autounfall, verliert vorübergehend seine Stimme, gefällt sich aber darin, die wiedergefundene nicht mehr zu gebrauchen. Seine Stummheit ist aber nur das äußerlich sichtbare Zeichen seiner inneren Anomie, und so geistert er als Entfremdeter durch die Stadt und seinen Freundeskreis, in dem es an Schwindeleien und Betrügereien, die der seinen nicht nachstehen, keineswegs mangelt. Vor allem zeigt sich die Korruptheit auf dem Gebiet der Liebe. Jede Ehe ist unterminiert, keine Liebschaft hält an, jeder Mann ist ein Schwindler, jede Frau bereit, ihren Partner zu hintergehen. Es wimmelt von abwegigen sexuellen Beziehungen. Auf diese Weise wird das Bild einer haltlosen Gesellschaft entworfen, in der die politischen Passionen hin und her schwanken, bis sie sich schließlich im Franco-Putsch entladen. Da alles Geschehen leicht absurd angehaucht ist, weiß man nicht recht, welcher der beiden großen Fronten die einzelnen Mitspieler zuneigen, und keine der beiden Seiten wird der Sympathie des Lesers empfohlen.

Allmählich eröffnet sich eine allegorische Tiefendimension, die spanische Oberfläche erweist sich als Metapher für die eigentliche Erfahrung, die des Exils. Stummheit kann vieles bedeuten, ihr Wesen führt geradezu zwangsweise zu Spekulationen, zur Suche nach Sinn. Sie kann zum Beispiel als "der Gestalt gewordene Protest der Menschheit gegen alles Unrecht, Gewalt, zu hohe Steuern, Armut" interpretiert werden. Befriedigender ist aber eine andere Auslegung: Die Unmoral des katalanischen Milieus, dessen Protagonisten hauptsächlich emigrierte Deutsche und Österreicher sind, erinnert an die Weimarer Republik.

Der Damentaschenverkäufer Aguilar, die Hauptperson, ist ein verhinderter Dichter, sein Verstummen offenbart die getarnte Spiegelung von Hans Meisels eigenem Schicksal, des Schriftstellers, dem die schnöde Welt das Wort abgeschnitten hat. Aguilars politische Neutralität zwischen links und rechts ist die des Autors selbst. Seine späte Entscheidung, sich am Kampf gegen Franco zu beteiligen, findet ihre Entsprechung in der Einsicht vieler unpolitischer Emigranten, daß angesichts der Weltbedrohung durch Hitler die verloren geglaubte Möglichkeit eines Engagements wiedergewonnen war. Die Flucht einer Reihe der Meiselschen Romanfiguren vor dem durch den Franco-Aufstand ausbrechenden politischen Chaos von Barcelona nach Frankreich mit ihren Torturen von Angst, Hoffnung und tödlicher Gefahr ähnelt den atemraubenden und albtraumartigen Erlebnissen Tausender und aber Tausender Hitler-Flüchtlinge. Hat man einmal den Blick für derlei Parallelen geschärft, erkennt man den Subtext des Exils, entschlüsseln sich leicht viele weitere Motive.

Den Wert dieses Buches bestimmen aber vor allem seine literarischen Qualitäten, seine lebensnahen, oft skurrilen Gestalten, jede mit ihrer charakteristischen Ausdrucksweise, ihre Verwicklung in spannende Abläufe, der Humor und die den Durchschnittsroman weit übertreffende Sprache mit ihren Wortspielen und Aphorismen, die vielen Gespräche mit ihren bissigen Repliken. Diesem Werk dürfte die Wiederanknüpfung an das deutsche Lesepublikum gelingen, für den Autor selbst freilich käme sie zu spät.

EGON SCHWARZ.

Hans Meisel: "Aguilar oder Die Abkehr". Weidle Verlag, Bonn 2001. 277 S., geb., 21,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Mit diesem 1937 geschriebenen und jüngst in einem Nachlass aufgetauchten Buch dürfte Hans Meisel gelingen, was ihm zu Lebzeiten versagt war, glaubt Egon Schwarz - der Anschluss an den deutschen Literaturbetrieb nach 1945. Meisel, 1900 in Berlin geboren, erhielt für seinen Debütroman 1927 den Kleist Preis, die steile Karriere als Schriftsteller wurde durch die Emigration 1934 jäh beendet. "Aguilar" nun handelt von einem Katalanen, der im korrupten Barcelona kurz vor Ausbruch des spanischen Bürgerkriegs so tut, als hätte er seine Stimme verloren. Ein echter Exilroman, befindet der Rezensent, denn unter der Oberfläche eröffne sich eine "allegorische Tiefendimension"; so erinnere etwa die "Unmoral des katalonischen Milieus" an die Weimarer Republik, die Stummheit der Empfindung des Dichters, dem im Ausland plötzlich das "Wort abgeschnitten" ist, und die Flucht einiger Romanfiguren aus dem ins Chaos versinkende Barcelona ähnele dem Schicksal Tausender Hitler-Flüchtlinge. Noch mehr als diese "allegorische Tiefendimension" beeindrucken Schwarz aber die "literarischen Qualitäten" Meisels, die "lebensnahen, oft skurrilen Gestalten", die Spannung und der Humor, die herausragende Sprache "mit ihren Wortspielen und Aphorismen" und nicht zuletzt die "vielen Gespräche mit ihren bissigen Repliken".

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr
"Diese in Barcelona vor dem Ausbruch des Bürgerkriegs spielende Geschichte ist eine eigenartige Leistung. Die Grundidee ist ein sehr fruchtbarer und eigentümlicher Einfall. Es handelt sich um einen Mann, der aus komplizierten und seelisch merkwürdigen Gründen Stummheit simuliert. Er erlebt dann die Zeit, seine Freunde, die Frauen aus diesem gewollten Schweigen heraus und eine seltsam dichterisch vertiefte, oft unheimliche, oft auch erheiternde Romanhandlung ergibt sich aus dieser Voraussetzung." (Aus dem Gutachten Thomas Manns)