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'Kanthapura wurde bisher nie ins Deutsche übersetzt, obwohl Rao zu den Altmeistern des indoenglischen Romans gehört. Erzählt wird die Geschichte eines südindischen Dorfes, das sich Gandhis Ideen verschreibt und sich dem gewaltlosen Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft anschließt. Anders als etwa Rushdie, der Sprache und Geschichte 'chutneyfiziert', verwendet Rao ein einfaches, wenig exotisches Vokabular und konzentriert sich ganz auf einen Erzählduktus. Die gelungene Übertragung von Ulrich Blumenbach zeigt viel Gespür für das jeweils angemessene Sprachregister und für die Musikalität von Raos Sprache.'Claudia Wenner, Neue Zürcher Zeitung…mehr

Produktbeschreibung
'Kanthapura wurde bisher nie ins Deutsche übersetzt, obwohl Rao zu den Altmeistern des indoenglischen Romans gehört. Erzählt wird die Geschichte eines südindischen Dorfes, das sich Gandhis Ideen verschreibt und sich dem gewaltlosen Kampf gegen die britische Kolonialherrschaft anschließt. Anders als etwa Rushdie, der Sprache und Geschichte 'chutneyfiziert', verwendet Rao ein einfaches, wenig exotisches Vokabular und konzentriert sich ganz auf einen Erzählduktus. Die gelungene Übertragung von Ulrich Blumenbach zeigt viel Gespür für das jeweils angemessene Sprachregister und für die Musikalität von Raos Sprache.'Claudia Wenner, Neue Zürcher Zeitung
Autorenporträt
Raja Rao, Schriftsteller und Philosoph, geboren 1908 in Hassan, Südindien. Er studierte in Madras und an der Sorbonne in Paris. Früh schloß er sich dem gewaltlosen Widerstand um Mahatma Gandhi an, bereiste später mit André Malraux Indien. Er starb 2006 in Austin, Texas. Sein Roman Kanthapura wurde im Jahr 2003 erstmals in deutscher Übersetzung veröffentlicht.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.06.2004

Gewaltlose Massenregie
Mahatma Gandhis Stadt: Raja Raos indisches Sittengemälde

Schon Jahrzehnte bevor indische Romane in der Nachfolge von Salman Rushdie bekannt und sogar Mode wurden, schrieben Inder auf englisch Romane. Die drei Begründer des Genres - Mulk Raj Anand, Raja Rao und R.K. Narayan - sind in Indien nahezu vergessen, obwohl die beiden ersten, hochbetagt und verstummt, noch leben. Sie alle begannen Mitte der dreißiger Jahre zu schreiben und haben, dem Literaturwissenschaftler Sisir Kumar Das zufolge, dem Genre "seinen wahren indischen Charakter, seinen Stil, seine Struktur und seinen Inhalt" verliehen. Das gilt besonders für Rao, dessen Romandebüt "Kanthapura" (1938) bewußt die orale Erzählweise indischer Mythen, der Puranas, nachahmt.

Im deutschen Sprachraum wurden Anand und Narayan wegen ihrer sozialpolitisch engagierten Prosa zunächst vom DDR-Verlag Volk und Welt übersetzt, während Raja Rao deutschen Lesern gänzlich unbekannt blieb. Darum ist es ein Verdienst des neugegründeten Dörlemann Verlags in Zürich, sich des bekanntesten Werks Raos anzunehmen. "Kanthapura" ist eine fiktive Kleinstadt im südindischen Karnataka zur Zeit des indischen Kampfs für die politische Unabhängigkeit. Eine alte, analphabetische Frau erzählt in kraftvollen Wortkaskaden aus dem Leben dieser Stadt, von den getrennt wohnenden Kasten und Klassen, vom Lebensgefühl in den Familien und dem komplexen Sozialgefüge. Unweit der Stadt liegt die Kaffeeplantage eines britischen Sahib, dessen Kulis in menschenunwürdigem Zustand dahinvegetieren. Der Roman breitet einen feingesponnenen epischen Lebensteppich aus, in dem es nur wenige durchgehende Handlungsfäden gibt. Spannung erhält der Roman durch die evokative Kraft der Schilderung, die derb, scharf und direkt ist und mit ungewöhnlichen Bildern arbeitet. Der Autor bedient sich pathetischer Wiederholungen, scharfzüngiger Dialoge und einer Reihungstechnik, die die Beschreibung oft zu einer geradezu schmerzlich-hymnischen Lebensintensität zu steigern vermag. Vor allem aber schaut Raja Rao dem Volk aufs Maul.

Die zentrale Gestalt ist Moorthy, ein heiligmäßiger Mann, der in der Nachfolge von Mahatma Gandhi die Bevölkerung zu einer gemeinsamen Bewegung gegen Mißstände in der Gesellschaft, gegen Ungerechtigkeit durch die Herrschenden und schließlich gegen die Unfreiheit des Landes inspiriert. Gegenspieler sind der Brahmane und Geldverleiher Bhatta und der Polizist Bade Khan; die Sympathisanten sind der Rechtsanwalt Sankar, die junge Witwe Ratna, der wohlhabende Bürgermeister Range Gowda sowie ein riesengroßes Gefolge von "Parias" (Unberührbaren), von Menschen aus der Töpfer-, Weber- und der Arbeiterkaste und von Brahmanen. Alle diese Menschen führt Raja Rao rasch hintereinander ein, bis dem Leser die Namen im Kopf durcheinanderwirbeln und der Eindruck einer symphonischen Menschen- und Stimmenvielfalt entsteht.

Die Erzählerin beschreibt, ohne zu werten und zu verurteilen. Sie sorgt sich auch nicht sonderlich darum, was Fakt und was Gerücht ist, unentwirrbar mischt sie Vermutung mit Erhofftem, Befürchtung mit Gesichertem. Der Hindu-Volksglaube in seinen Riten, seiner echten Frömmigkeit wie seiner Magie wird plastisch nacherlebbar. Angeführt durch Moorthy, bereitet sich die Dorfgemeinschaft nach und nach auf den gewaltlosen Kampf um Rechte und Freiheit vor. Zu den packendsten Episoden zählen die detailliert ausgeführten gewaltlosen Aktionen gegen die Polizei.

"Kanthapura" steht in der indischen Literatur am Anfang einer langen Reihe von Romanen über Mahatma Gandhi. Durch dieses Sozialgemälde wird das revolutionär Neue der Ideen und Aktionen Gandhis in einem kastengläubigen, konservativen Indien auf besondere Weise einsichtig. Gewiß: In den gut fünfundsiebzig Jahren seit Entstehen des Romans hat die Moderne tiefe Spuren in Indien hinterlassen. Doch in vielen Dörfern hat sich die Mentalität nicht grundlegend geändert. Auch Gandhis Ideen haben letztlich keine tiefen Wurzeln treiben können.

MARTIN KÄMPCHEN

Raja Rao: "Kanthapura". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Ulrich Blumenbach. Dörlemann Verlag, Zürich 2003. 256 S., geb., 18,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Kanthapura" ist ein 1938 erstmals erschienener Klassiker des indischen Romans in englischer Sprache - umso erstaunlicher findet es die Rezensentin Claudia Wenner, dass er nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegt. Der Roman erzählt die Geschichte eines die Nation widerspiegelnden Dorfes, das sich Mahatma Gandhis Widerstand anschließt, insbesondere in Gestalt des jungen und idealistischen Brahmanen Moorty. Als größtes Akzeptanzproblem erweise sich dabei Gandhis Ablehnung des Kastenwesens. Formal lehne sich das Werk an die epische Legendendichtung der "Sthalapurana" an; in die Erzählung einer als Erzählerin kaum hervortretenden alten Frau mischen sich, so die Rezensentin, "Zeitgeschichte, Folk-Tale und Tratsch". Dieses Buch, betont Wenner, ist nicht nur als Klassiker der indischen Literatur von Interesse, sondern als Erinnerung an einen heute verloren gegangenen Idealismus und als Mahnung in Zeiten, in denen ein Rechtsradikaler und Freund des Gandhi-Mörders wie Savarkar offiziell in die "Galerie der Nationalhelden" im indischen Parlament aufgenommen wurde.

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