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Kurz nach ihrem 23. Geburtstag verlässt Deborah Feldman die ultraorthodoxe chassidische Gemeinde der Satmarer Juden in Williamsburg, New York, und damit das Leben, das sie in Unorthodox ebenso packend wie anschaulich beschrieben hat. Eine Möglichkeit zurückzukehren gibt es für sie nicht. Sie folgt allein ihrem Traum, gemeinsam mit ihrem Sohn ein freies selbstbestimmtes Leben zu führen. Ihr Alltag wird aber zum Überlebenskampf, und trotz existentiell bedrohlicher Armut und andauernder Einsamkeit gelingt ihr das Unvorstellbare: Mit der Publikation ihres Bestsellers Unorthodox 2012 wird sie über…mehr

Produktbeschreibung
Kurz nach ihrem 23. Geburtstag verlässt Deborah Feldman die ultraorthodoxe chassidische Gemeinde der Satmarer Juden in Williamsburg, New York, und damit das Leben, das sie in Unorthodox ebenso packend wie anschaulich beschrieben hat. Eine Möglichkeit zurückzukehren gibt es für sie nicht. Sie folgt allein ihrem Traum, gemeinsam mit ihrem Sohn ein freies selbstbestimmtes Leben zu führen.
Ihr Alltag wird aber zum Überlebenskampf, und trotz existentiell bedrohlicher Armut und andauernder Einsamkeit gelingt ihr das Unvorstellbare: Mit der Publikation ihres Bestsellers Unorthodox 2012 wird sie über Nacht zum Medien-Star.
Doch spätestens da wird ihr klar, dass es nicht diese Art von Erfolg ist, die sie sucht, dass es ihr vielmehr seit jeher um eine innere Klarheit, die Integrität ihrer Persönlichkeit geht, die in ihrer religiösen Gemeinschaft mit ihren strengen Regeln immer wieder verletzt wurde. Sie verlässt New York, um auf dem Land die Werke der europäischen Literatur zu lesen,und beginnt zu ahnen, dass ihre Wurzeln in Europa liegen. Instinktiv begibt sie sich auf die Spurensuche ihrer geliebten Großmutter, die den Holocaust überlebt hat und die für sie in Williamsburg die einzige Person war, bei der sie sich sicher und angenommen fühlte.
Als sie zum ersten Mal nach Europa reist, ist sie noch hin- und hergerissen zwischen Ängsten, Vorurteilen und Zweifeln und dem ersten Gefühl eines Ankommens, wird sie schließlich in Berlin in genau jenem Land Wurzeln schlagen, das sie bei den Satmarer Chassidim als das Übel schlechthin kennengelernt hatte.
Bildstark und eindringlich erzählt Deborah Feldman diese Geschichte, in der die äußeren Stationen zugleich eine innere Entwicklung spiegeln. Sie ist das Zeugnis einer Frau, der es nach langem, erkenntnisreichem Weg gelungen ist, ihren Traum zu verwirklichen. Mit Überbitten stellt sie sich in einer verblüffend aktuellen Weise in die Tradition der Aufklärung des europäischen jüdischen Humanismus.
Dieses Buch ist ein faszinierendes Dokument der Versöhnung. Deborah Feldman schreibt dazu: "Der Begriff Iberbetn war in unserer Gemeinschaft so geprägt, dass er zu einem allgemeinen Ausdruck für unwahrscheinliche Eintracht wurde."
Autorenporträt
Feldman, Deborah
DEBORAH FELDMAN (geb. 1986, New York) wuchs in der chassidischen Gemeinde in Williamsburg, New York, auf. Ihre Muttersprache ist Jiddisch. Sie studierte am Sarah Lawrence College Literatur. Ihre autobiografische Erzählung »Unorthodox« erschien 2012 bei Simon & Schuster, wurde schlagartig ein spektakulärer New-York-Times-Bestseller und erreichte eine Millionenauflage. In gleichnamiger deutscher Übersetzung erschien der Titel 2016 und wurde zum Spiegel-Bestseller. Ihr zweites Buch, »Exodus«, ist bei Penguin erschienen, für den Secession Verlag hat sie in englischer Sprache »Überbitten« geschrieben, es handelt sich um eine weltweite Erstveröffentlichung. Die Autorin lebt mit ihrem Sohn in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.05.2017

Neue Heimat im verteufelten Berlin

Eine amerikanische Jüdin, die mit dem Fundamentalismus ihrer Kindheit gebrochen hat, begibt sich auf die Suche nach Identität: Deborah Feldman setzt ihre Lebensmitschrift in dem faszinierenden Buch "Überbitten" fort.

Am 20. April bestätigte das Oberlandesgericht Brandenburg ein Urteil des Landgerichts Neuruppin. Dieses hatte den Brandenburger Marcel Zech zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Er hatte zwei Jahre zuvor mit einem Tattoo des Auschwitz-Geländes, das sich um seinen speckigen Rumpf wand, in einem Spaßbad paradiert.

Den nun einsetzenden Prozess verfolgen nicht nur deutsche Beobachter der rechtsextremen Szene. Zur Urteilsverkündung erscheint auch Deborah Feldman. Sie war Marcel Zech ebenfalls im Schwimmbad begegnet. Und sie wird hinterher sagen: "Anders als Zech, wollte ich nie an der Vergangenheit festhalten. Ich habe immer so schnell wie möglich Richtung Zukunft rennen wollen, und aufgrund einer großartigen Wendung der Ironie war es nun Zech selbst, der mir half, mich von meinen Zwängen zu befreien."

Deborah Feldman ist die Autorin des Buchs "Unorthodox", das ihr vor fünf Jahren in den Vereinigten Staaten zu Berühmtheit verhalf. Denn sie hatte der jüdischen Gemeinschaft von Brooklyn, die von ihr heute klar als fundamentalistisch eingestuft wird, den Rücken gekehrt. Wenn ihr selbst nicht klar war, ob sie jemals die freie Person würde werden können, von der sie in all den Jahren der Abgeschiedenheit hinter den alten und neuen Mythen der chassidischen Gemeinschaft geträumt hatte, so wollte sie wenigstens für ihren Sohn ein anderes Leben. Sie hat erst Amerika, dann Europa bereist. Sie wollte das Land verstehen, in dem sie aufgewachsen war. Dann wollte sie wissen, wo ihre Vorfahren zu Hause gewesen waren, woher deren Rezepte, Akzente, vergilbte Fotografien stammten.

Für ihre Neugier wurde sie von ihren Verwandten angefeindet und von einer auf Happy Endings getrimmten Öffentlichkeit gefeiert. So kam es, dass die Medien ihr die Grenzen der neu gewonnenen Freiheit schnell vor Augen führten. Ihr zweites Buch "Exodus", das von ihrem neuen Leben handelte, wurde so großzügig auf die Bedürfnisse des amerikanischen Marktes hin designt, dass ihre deutschen Leser sich jetzt über eine Wiederaufnahme der ursprünglichen Buchidee freuen dürfen.

Christian Ruzicska hat für seinen Secessions Verlag mehr als siebenhundert Seiten dieses Work in Progress ins Deutsche gebracht. Und nun liest man diese Geschichte nach der Geschichte mit Ungeduld. Sie endet dort, wo der negative Gründungsmythos der chassidischen Gemeinschaft wurzelt: in Deutschland. Genauer, mit dem Prozess gegen den Neonazi Zech und dessen rechtskräftiger Verurteilung. Für Feldman war sie die "persönliche Zusicherung dafür, dass der Staat sich als zuverlässiger Hüter des Gesetzes" erwiesen hatte. Zu Hause in Brooklyn war die allgemeine Gefahr des Nazismus immer beschworen und als Grund für die Abschottung genannt worden. Über die realen Schrecknisse der Konzentrationslager brachte die Großmutter jedoch kein Wort über die Lippen. Ihre Unfähigkeit, den Schmerz auszudrücken, übertrug sich auf die Enkelin, die als treue Vollstreckerin einer stillen Rache die Bürde der Unfreiheit zu tragen hatte: "Meine Loyalität gegenüber ihrer Erinnerung verlangte von mir, dass ich die Flamme ihres Leidens in meinem eigenen Herzen lebendig hielt."

Jetzt, nach Jahren des Vagabundierens, ist Feldman in einer Stadt angekommen, die das Zeug hatte, für sie zur neuen Heimat zu werden: in Berlin. Wie eine Lebensmitschrift zur "Lebensversicherung" werden kann, davon erzählt sie in ihrem neuen Buch "Überbitten". Der Titel bezieht sich auf ein altes jiddisches Konzept. Mit "iberbetn" ist eine "unwahrscheinliche Eintracht" gemeint, die sich zwischen Menschen mit unüberbrückbaren Differenzen einstellen kann, da sie vom Glauben an Versöhnung getragen ist und nicht durch das Fallbeil der Vernunft. Dieses Prinzip bildet die Brücke zwischen der alten Welt, in der die Autorin ihre ersten Gewissheiten (und die ersten Zweifel daran) fand, und dem vorläufigen Endpunkt ihrer autobiographischen Erzählung als autarke Frau in Berlin. Was erlebte diese Frau in den Jahren ihrer "Befreiung"?

Feldman ließ die Sicherheit ihrer Herkunft hinter sich, um sie gegen die Unsicherheit des metropolitanen Alltags einzutauschen. Zwar ging sie aufs College, gewann erste Freunde, fand eine Vorschule für ihren Sohn. Doch kaum hatte sie sich aus dem Getto ihrer Kindheit in Brooklyn befreit, fand sie sich in einem anderen wieder: dem der reichen Juden an der Upper East Side. Dort erlebte Feldman existentielle Not, den Zynismus der Superreichen, die ihr ein Gefühl von Unzugehörigkeit vermittelten, und entschloss sich zur traumatischen Eizellenspende. Doch Feldman hielt auf Anraten ihrer Anwältin im juristisch liberalen Manhattan durch und gewann so den Sorgerechtsstreit gegen ihren ultrakonservativen Mann. Um die Rolle der Bestsellerautorin abzustreifen, zog sie aufs Land und eignete sich dort in diesmal selbstgewählter Abgeschiedenheit einen Kanon aufgeklärter jüdischer Autoren an. Mit Jean Améry, Primo Levi, Imre Kertész, Joseph Roth und vielen anderen Schriftstellern wird Deborah Feldmans Leben vollends zum Entwicklungsroman.

In New England lernt sie einen Künstler kennen, mit dem sie ihre ersten Reisen nach Europa unternimmt. Eine Jüdin, die mit dem Fundamentalismus ihrer Kindheit bricht, begibt sich auf die Suche nach jüdischen Identitäten und findet: philosemitische Begeisterung in Deutschland, neu erstarkenden Antisemitismus in Ungarn, gespenstische Abwesenheit jüdischen Lebens in Spanien, jüdische Folklore in Paris - so ziemlich alles, nur keinen entspannten Umgang mit dem jüdischen Erbe. Ein globales Judentum scheint sich in Europa vorerst nicht realisieren zu lassen. Am ehesten noch eine gelebte Alltagstoleranz ausgerechnet im Land der Yekkes, einer aufgrund ihres Assimilationswillens von Chassiden besonders verachteten Gruppe von Juden. Denn hatte nicht auch deren Weg geradewegs in die Konzentrationslager geführt? Ein Leben in Deutschland ist für viele Juden, mit denen Feldman spricht, noch immer ein Tabu.

In Berlin kommt sie trotz dieser Widersprüche zur Ruhe. Es klingt unwahrscheinlich, aber ein Kreis schließt sich. Sprachlich, denn das Jiddische besteht zum Großteil aus deutschen Lehnwörtern. Biographisch, denn großväterlicherseits weist Feldmans Stammbaum nach Deutschland. Und mit dem Fall Marcel Zech endlich auch psychologisch. Man liest all das mit wachsendem Interesse. Wer möchte, kann in Feldmans autobiographischem Bericht aber noch zu tieferen Einsichten kommen. Denn von Beginn an hat die Autorin mehr als eine Enthüllungsstory verfassen wollen. "Überbitten" gliedert sich in sieben Kapitel, die der Struktur des landwirtschaftlichen Zyklus im alten Israel nachempfunden sind: Alle sieben Jahre muss ein Acker ein Jahr lang ruhen. Dieses Schabbat-Jahr folgt der Übersiedelung Deborah Feldmans nach Berlin.

Doch es gibt noch eine zweite, tiefere Verbindung zur Überlieferung. Die seltsame Idee nämlich, dass der tote Buchstabe einen lebendigen Glauben begründen kann. Das Alte Testament wird für das Volk Israel zum Träger einer neuen vergeistigten Form von Identität, die Jan Assmann einmal "portatives Vaterland" genannt hat. Das eigentlich Faszinierende an Deborah Feldmans Lebensmitschrift ist das Anknüpfen an diese jüdische Tradition - an den Versuch, im aufnotierten Wort eine dauerhafte Behausung zu finden.

KATHARINA TEUTSCH

Deborah Feldman: "Überbitten". Eine autobiografische Erzählung.

Aus dem Englischen von Christian Ruzicska. Secessions Verlag für Literatur, Zürich 2017. 704 S., geb., 28,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 14.08.2017

Unwahrscheinliche Eintracht
Von Brooklyn nach Neukölln: Deborah Feldman findet in Berlin ihr geheimes Paradies
„Überbitten“, ein im Deutschen seit Langem ungebräuchlicher Ausdruck, bezeichnet in seiner jiddischen Form „iberbeten“ die Verpflichtung zur Versöhnung, das Überreden des Gegenübers zur Barmherzigkeit, wenngleich man sich der eigenen Schuld bewusst ist.
In der jüdisch-chassidischen Gemeinde in New York-Brooklyn, in der die Autorin Deborah Feldman die ersten 17 Jahre ihres Lebens verbrachte, diente das „Iberbeten“ als eine Art Sicherheitsfunktion für die Vergebung von Sünden, die man eventuell unbewusst begangen haben könnte. An Fest- und Fastentagen, so erzählt Feldman in ihrem dritten Roman „Überbitten“, befragt man Freunde und Nachbarn, ob man sie eventuell vor den Kopf gestoßen habe und bittet auch dann, wenn diese verneinen, prophylaktisch um Entschuldigung – um Gott nicht gegen sich aufzubringen.
Diese nicht eben lebensleichte Annäherung an die Frage nach Schuld und Verantwortung überträgt Feldman, die mit ihrem Erstling „Unorthodox“ über ihre Flucht aus der Zwängen der ultraorthodoxen Gemeinschaft in New York 2012 einen Besteller landete, nun auf das Verhältnis zwischen orthodoxem Judentum und dem europäischen Erinnerungsdiskurs an den Holocaust.
Das ist schon aufgrund der bis heute gerade in West- und Osteuropa höchst unterschiedlich geführten Debatten über historische Schuld und gegenwärtige Verantwortung ein gewagtes Vorhaben. Deborah Feldman wuchs in der Vorstellung auf, dass der Holocaust eine von Gott verhängte Strafe gegen unfromme Juden gewesen sei und das Deutschsein bis heute das personifizierte Böse in der Welt repräsentiere.
Sieben Jahre nach ihrer Flucht aus der chassidischen Gemeinde in Brooklyn, die ihren 120 000 Mitgliedern zwar eine gewisse Sicherheit, aber keinerlei Freiheiten zubilligt, reflektiert Feldman an der Seite ihres Berliner Lebensgefährten über die „unwahrscheinliche Eintracht“ und darüber, dass sie sich zu allererst selbst dafür verzeihen muss, dem Glück so lange aus dem Weg gegangen zu sein.
„Überbitten“ ist ein Entwicklungsroman par excellence, in dem die Autorin sich mithilfe ihres „eingewurzelten Glaubens an die Gesetze narrativer Entwicklung“ für ein eigenständiges Leben rüstet. Nicht nur ihrem Publikum, sondern zugleich sich selbst erzählt sie die Geschichte ihrer eigenen Entfaltung vom Leben in strikter religiöser Unterwerfung bis zur Existenz als freie Autorin in Berlin-Neukölln. Ein Work in progress im engsten Sinne, an dem der Leser so unmittelbar Anteil hat, dass ihm nichts verborgen bleibt, vom Sex mit einem Nazi-Abkömmling bis hin zur schreibenden Verfertigung einer seelischen und identitären Orientierung.
Deborah Feldmans Text ist ein autobiografischer Erlebnisbericht aus dem Maschinenraum der Seele, ein Bericht über die befreiende Wirkung von Literatur und des eigenen Schreibens, über die Loslösung von der eigenen Herkunft und die Selbstverortung einer jungen jüdischen Frau.
Nicht selten wirken Feldmans von ihrem Verleger und Übersetzer Christian Ruzicska ins Deutsche übertragenen Sätze so, als seien sie im Schockzustand geschrieben, wie eine literarische Gegenreaktion auf die anerzogene Inhibition voller seelischer und körperlicher Berührungsängste. Nachdem Feldmann sich mit ihrem Bestseller „Unorthodox“ aus der finanziellen Not und später auch aus der Ehe mit dem Vater ihres Sohnes befreit hat, wähnt sie sich am Ziel, und bemerkt kurz darauf, dass sie in Wahrheit vor dem Nichts steht.
Den medialen und monetären Erfolgen als junge Starautorin des Erstlings „Unorthodox“ kann sie nichts abgewinnen und macht sich aufgrund der „alles konsumierenden Hässlichkeit dieses kapitalistischen Paradieses“ von New York aus auf einen Roadtrip durch die Vereinigten Staaten. An dessen Ende steht die Erkenntnis, dass ihr eigene Identität begrenzt ist auf die einer orthodoxen Jüdin, die die Welt, in der sie lebt, weder kennt, noch als Ort der Geborgenheit erleben kann.
Nach einer ersten Reise nach Paris wird der Autorin Europa zum Hort von Stil, kreativer Sinnlichkeit und intellektueller Tiefe. Gerade in Ungarn, Österreich und in Deutschland aber stößt sie immer wieder auf den tiefen inneren Konflikt zwischen ihrer chassidischen Prägung und der Suche nach einer eigenständigen Identität als Jüdin und der unauslöschlichen Gegenwart der Geschichte.
Die zehn Geschwister ihrer ungarischen Urgroßmutter wurden von kollaborierenden Truppen deportiert und schließlich in Auschwitz ermordet. Kein Zeichen des Andenkens daran findet sie im Heimatdorf ihrer Vorfahren. In Berlin irritieren sie die Stolpersteine zum Gedenken an die Opfer des Holocaust ebenso sehr wie ein Kinderspielplatz, der einst ein jüdischer Friedhof war: „Was für eine Wirklichkeit ist dies, dass Kinder auf genau den Wegen großgezogen werden, auf denen so viel Blut vergossen worden war?“
Feldman betrachtet die Vergangenheit und die Spuren, die sie im Bewusstsein der Menschen und in den Gedenkkulturen Europas hinterlassen hat, mit den staunenden Augen eines Kindes. Nicht immer sind diese Reflexionen stringent ausformuliert. Sie ähneln häufig eher kursorischen Tagebucheintragungen einer Reisenden, die einen Kontinent und damit auch ihre eigenen Wurzeln jeden Tag neu entdeckt.
In Berlin, der Stadt, die am „endlosen Kampf um Geld und Statussymbole nicht teilzunehmen scheint“, findet Feldmann zwischen unzähligen Buchläden, einer bunten Menge an „Grenzläufern“, die sich hier nicht als Außenseiter fühlen müssen, und den kreativen Freiberuflern im Café auf der Neuköllner Sonnenallee schließlich ihr „geheimes Paradies“.
Ihr Weg dahin ist eine seelische Abenteuerreise, an deren Ende der Begriff „Überbitten“ eine neue Bedeutung gewinnt. Nach ihrer Einbürgerung in Deutschland erkennt Feldman die therapeutische Gelegenheit, Verletzlichkeit miteinander zu teilen.
CORNELIUS WÜLLENKEMPER
„Überbitten“ ist ein
Erlebnisbericht aus dem
Maschinenraum der Seele
Deborah Feldman: Überbitten. Roman. Aus dem Englischen von Christian Ruzicska, Secession Verlag für Literatur, Zürich 2017, 704 Seiten, 28 Euro.
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»Ein autobiografischer Erlebnisbericht aus dem Maschinenraum der Seele, über die befreiende Wirkung von Literatur und des eigenen Schreibens.« Cornelius Wüllenkemper, Süddeutschen Zeitung