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Alf I. Veber entschließt sich, das neue Jahrtausend abgeschieden in den Bergen zu begrüßen. Ein Nullpunkt, und ein Höhepunkt: Als er nur knapp einen Schneesturm überlebt, will er sein Leben neu ausrichten. Er reist nach London, um seine große Liebe wiederzufinden, muss aber erkennen, dass seine Hoffnungen falsch waren. Er kehrt der Zivilisation den Rücken und taucht in den urbanen Dschungel ein, getrieben vom Wunsch, das große Muster im Chaos aufzudecken, er beginnt durch die Abenteuer seiner Vergangenheit zu verstehen, warum er an diesem Ort und zu dieser Zeit angekommen ist. Hier in Europa:…mehr

Produktbeschreibung
Alf I. Veber entschließt sich, das neue Jahrtausend abgeschieden in den Bergen zu begrüßen. Ein Nullpunkt, und ein Höhepunkt: Als er nur knapp einen Schneesturm überlebt, will er sein Leben neu ausrichten. Er reist nach London, um seine große Liebe wiederzufinden, muss aber erkennen, dass seine Hoffnungen falsch waren. Er kehrt der Zivilisation den Rücken und taucht in den urbanen Dschungel ein, getrieben vom Wunsch, das große Muster im Chaos aufzudecken, er beginnt durch die Abenteuer seiner Vergangenheit zu verstehen, warum er an diesem Ort und zu dieser Zeit angekommen ist. Hier in Europa: einem kulturellen Schmelztiegel. Auf Europa: einem von vielen Jupitermonden. Im Untergrund findet er eine neue Liebe - doch um die Queen of Jupiter zu erobern, muss er selbst ein König ohne Land werden.
"Der König von Europa" ist ein Kompendium der postmodernen Zeit, ein Roman über verbrannte Brücken und neue Möglichkeiten. Über die entscheidenden Begegnungen, die einen immer weiterführen- die fesselnde Geschichte, der andere Mensch oder die unvergessliche Reise. Jan Kjærstad beschreibt eine Hauptfigur, die verzweifelt versucht, die Prozesse zu beeinflussen.
Autorenporträt
Kjaerstad, Jan
Jan Kjærstad ist einer der bedeutendsten skandinavischen Schriftsteller der Gegenwart. Der Träger der wichtigsten literarischen Auszeichnung Skandinaviens, des »Literaturpreises des Nordischen Rates« zeichnet sich durch ein umfassendes Werk aus. Unter seinen Publikationen finden sich Essays, Kurzgeschichten, Artikel sowie Bilder- und Kinderbücher. Außerdem war er Herausgeber der wichtigen norwegischen Literaturzeitschrift Vinduet. Berühmtheit erlangte Jan Kjærstad jedoch durch seine Romane, von denen seit 1982 zwölf erschienen sind. Seine Bücher sind vor allem eines: großartige Literatur. Und spannend. Wie in einem Krimi wird man durch Erzählungen geleitet, die einen immer auf das große Ziel hinzuführen - zu der Antwort auf die einfache Frage: Warum? Die Ausgangssituationen sind dabei genauso mannigfaltig wie die überwachsenen Denkpfade, die uns Jan Kjærstad dabei literarisch freischlägt. Auch wenn sich der Autor dem Begriff der Postmoderne verwehrt, so ist er brandaktuell in seinen Themen und virtuos in den Spielarten seiner Romane. Jan Bürger meinte dazu 2004 in Literaturen: »Im Laufe der Jahre hat sich Kjærstad Formen erschrieben, in denen die unterschiedlichsten Themen und Stilebenen wie Zahnräder ineinandergreifen.«
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.01.2017

Eine Million Fakten, keine Weisheit
Jedes Wissen braucht einen, der es zusammenbringt: Jan Kjærstads "König von Europa" versucht es immer wieder

Als Karl Ove Knausgård sein sechsbändiges Romanprojekt "Min Kamp" herausbrachte, hätte er eigentlich seinem Landsmann Jan Kjærstad einen Dankesbesuch abstatten müssen. Kjærstad hatte die Norweger in den neunziger Jahren mit einer dickleibigen Trilogie für die literarische Langstrecke trainiert - wenn auch vollkommen anders als Knausgård.

Der beschrieb den "größten postmodernen Autor Norwegens" einmal so: "Kjærstads Bücher waren voll mit diesen Tausendundeinenacht-Bezügen, mit Erzählungen in den Erzählungen, und außerdem schien er diese Welt zusammen mit einer Unzahl anderer Welten in unsere Welt hineinzuziehen. Zumindest kam es mir so vor. Was das bedeutete, wusste ich nicht, aber mir gefiel es intuitiv."

Umgekehrt hält Kjærstad allen entgegen, die sich für Knausgårds Brutalo-Realismus erwärmen: "Der Letzte, auf den man sich verlassen kann, ist ein Schriftsteller." Denn wenn eines in Kjærstads kunstvoll zusammengewobener, aus unterschiedlichen Perspektiven erzählten Trilogie um den "Verführer", "Eroberer" und "Entdecker" Jonas Wergeland verlässlich ist, dann die Unzuverlässigkeit der Erzähler. Und der Glaube an unsere Vorstellungskraft natürlich, wie begrenzt sie auch sei.

Für den "Eroberer" erhielt Kjærstad 2001 den wichtigen skandinavischen Literaturpreis, die Auszeichnung des Nordischen Rates. Der weiteren Produktion mochten deutschsprachige Verlage trotzdem nur zögerlich folgen. Bis vor kurzem lagen allein die Wegeland-Trilogie und die Frühwerke "Homo Falsus oder der perfekte Mord" und "Rand" übersetzt vor. Dann plötzlich, vor drei Jahren, erschien im Wiener Septime Verlag Kjærstads "Ich bin die Walker Brüder". Und nun der "König von Europa": ein Siebenhundert-Seiten-Backstein.

Den Zugang zu diesem Roman aus dem Jahre 2005 hat der Verlag leider erschwert. Im Norwegischen tänzeln die Gedankenketten Kjærstads melodiös vor sich hin, aber sein Montageplan geht im Deutschen nicht immer auf, und die Übersetzung findet dafür keine Lösung; stellenweise wirkt sie unlektoriert.

Die Geschichte ist gewohnt originell. Im Zentrum steht diesmal Alf Veber, ein IT-Unternehmer mit intellektuellem Missionsbewusstsein, übersteigertem Geltungsdrang und ausgeprägter Sehnsucht nach cleveren Frauen. Er begrüßt das Jahr 2000 mit einer Nacht im Gebirge, verläuft sich, überlebt und beschließt, einen Teil seines Geldes in fast zweihundert Serien des Konversationslexikons "Store Norske" zu stecken. Ein typisch kjærstadscher Plan: Veber will die Bände verschenken, und zwar nicht an Norweger, "die diese gegen Kochbücher tauschen würden", sondern an Zuwanderer, die das Wissen vielleicht "auf eine Weise nutzen" konnten, "zu dem die eingeborene Bevölkerung nicht fähig war".

Das Vorhaben scheitert. Veber schichtet die Bücher daher auf den Hügeln am Rande Oslos zu einem Portal auf und zündet sie an. Als sie lichterloh brennen, "eine Faktenhölle" (aber was sind schon Fakten: "Eine Million Fakten, keine Weisheit"), springt er theatralisch hindurch. Anschließend reist er nach London, wo er sich bei einem Botschaftsempfang fast um Kopf und Kragen plaudert.

In "Portalerlebnisse" ist Veber vernarrt. Und solche Portale, die einen verändern, sieht er überall. Er baute gar eines, ein Online-Portal, das die Norweger mit dem kulturellen Reichtum Europas vertraut machen sollte. Kaum hatten ihn die Zeitungen damals als "König von Europa" bezeichnet (ein Titel, den Veber auch eine Jugendfreundin verlieh, als sie einen Steinbruch allein durch ihre sagenhafte Phantasie in den Jupiter-Mond Europa verwandelt hatte), lief das Projekt aus dem Ruder. Neue Investoren machten aus dem Europaportal für die abgeschotteten Norweger ein Norwegenportal, das Europa mit den Glanzleistungen Norwegens vertraut machen sollte.

An solchen Stellen ist Kjærstad, den man sich als leisen Menschen mit verschmitztem Grinsen vorstellen muss, in seinem Roman als spöttischer Kommentator seines Landes in Hochform. Ermüdender ist es, den endlosen Assoziationen und Klügeleien zu folgen, die Veber durch den Kopf rasen, während er sich - auf der Suche nach einer alten Liebe und sich selbst - in London verliert. Des Pfiffigen ist das oft zu viel. Viele Botschaften, die der Autor auf der Schwelle zum Informationszeitalter loswerden will, sind außerdem wenig subtil, aber umso öfter werden sie wiederholt.

Gleichzeitig liegt in der iterativen Vorgehensweise der besondere Reiz. Vebers Gedanken werden hier versammelt wie in einem durch die Frequenzen jagenden Weltempfänger. Der Mann sog das Wissen zwar seit Kindheitstagen wie wenige auf (sein Vater war Forscher, seine Mutter eine Verlagsfrau, die aber Bücher nie las). Vieles jedoch, das relevant wäre, entgleitet auch ihm, während die seltsamsten Details präsent sind. Und die Anwendung, die Verflechtung im Namen der Aufklärung, ist mühsam, eine Sisyphusarbeit.

Wie schwer sie ist, hat Veber als Mitglied der studentischen Intellektuellengruppe "Akbars Hof" erlebt. Sie war derart von ihrer Geisteskraft überzeugt, dass sie Norwegens Monarchie mit Hilfe einer kleinen viralen Textkampagne abschaffen zu können glaubte, was natürlich nicht gelang. Veber erlebt es auch als Autor: Sein Buch über "das neue Barock", das von "der Möglichkeit" handelte, "die Grenzen zwischen der Wirklichkeit und Unwirklichkeit aufzulösen, um kreuz und quer in der Zeit denken zu können", bleibt zunächst missverstanden. In London wiederum, der Stadt mit den tempelhaften Museen, sind die Zuhörer überschaubar, wenn Alf Veber, der selbst zwischen den Beinen einer Frau - ja, gerade dort - an Delphi denken muss, am Speakers' Corner über "Tristram Shandy" predigt.

Das Buch ist ein herausfordernder, oft fast märchenhafter Entwicklungsroman. Er erzählt Vebers Leben unchronologisch von der Kindheit bis zu dem Moment, an dem er als Stadtstreicher und Straßenmusikant durch London läuft. Zweihundert Seiten kürzer, und das Unter-, Über- und Nebeneinander der Handlungs- und Gedankenstränge, vermutlich kartierbar wie ein U-Bahn-System, würde nach einer in Brüssel oder andernorts in Kontintaleuropa spielenden Fortsetzung rufen.

MATTHIAS HANNEMANN.

Jan Kjærstad: "Der König von Europa". Roman.

Aus dem Norwegischen von Alexander Riha. Septime Verlag, Wien 2016. 688 S., geb., 26,- [Euro].

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