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Vater und Sohn ganz für sich um nichts anderes geht es in diesen Aufzeichnungen des großen Nathaniel Hawthorne, der sich mit seinem Roman "Der scharlachrote Buchstabe" als einer der ersten amerikanischen Autoren in die Weltliteratur eingeschrieben hat. Mitten im 19. Jahrhundert und mitten in den Wäldern von Massachusetts lebte er mit seiner Familie in einem roten Holzhaus. Als eines Tages Frau und Töchter für ein paar Wochen in die Stadt ziehen, bleiben Hawthorne und sein fünfjähriger Sohn Julian allein zurück. Ganz allein sind die beiden dann aber doch nicht, denn da ist ja noch Bunny, das…mehr

Produktbeschreibung
Vater und Sohn ganz für sich um nichts anderes geht es in diesen Aufzeichnungen des großen Nathaniel Hawthorne, der sich mit seinem Roman "Der scharlachrote Buchstabe" als einer der ersten amerikanischen Autoren in die Weltliteratur eingeschrieben hat. Mitten im 19. Jahrhundert und mitten in den Wäldern von Massachusetts lebte er mit seiner Familie in einem roten Holzhaus. Als eines Tages Frau und Töchter für ein paar Wochen in die Stadt ziehen, bleiben Hawthorne und sein fünfjähriger Sohn Julian allein zurück. Ganz allein sind die beiden dann aber doch nicht, denn da ist ja noch Bunny, das Kaninchen, das Julian die Zeit vertreiben soll. Und es gibt die Nachbarn, die, zu denen man geht, um sich Milch zu holen, und die, die einem einen unerwarteten Besuch abstatten, Herman Melville zum Beispiel, auch er ein Nachbar der Hawthornes. Es sind ruhige Tage, in denen der Vater seinen kleinen Gentleman, wie er den Sohn gern nennt, so nah ist wie vielleicht noch nie. Paul Auster hat zu diesem Tagebuch ein ausführliches Nachwort geschrieben und zeigt dabei, wie gern auch er sich dem Zauber dieser Lebenswelt überlassen hat. Anderen Vätern und nicht nur denen wird es ebenso ergehen.
Autorenporträt
Nathaniel Hawthorne (1804-1864) stammte aus einer puritanischen Neuengland-Familie. Er war Journalist, arbeitete als Zollinspektor und wurde Konsul in Liverpool. Nach einer mehrjährigen Europa-Reise in die Heimat zurückgekehrt, starb er, erschüttert über den amerikanischen Bürgerkrieg. Hawthorne gilt als Begründer des psychologischen Romans in den USA.

Alexander Pechmann, geb. 1968 in Wien, studierte Soziologie, Psychologie sowie englische und amerikanische Literaturwissenschaft. Er arbeitet als Autor, Herausgeber und Übersetzer und übertrug u. a. Werke von Herman Melville, Mary Shelley, W. B. Yeats und die Liebesbriefe Mark Twains ins Deutsche.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2011

Paradiesäpfel aus Neuengland

Zwei kleine amerikanische Schätze sind nun auch bei uns gehoben: Der große Nathaniel Hawthorne stöbert im puritanischen Pfarrhaus und übt sich als alleinerziehender Vater.

Von Werner von Koppenfels

Doch, es gibt sie noch, die etwas anderen Bücher, die sich leise an ihre Leser heranpirschen, um ihnen ein paar Stunden ungetrübten Lektüreglücks zu schenken. In dieser Saison gelingt dies beispielsweise dem als Melancholiker der menschlichen Abgründe verdächtigen Nathaniel Hawthorne gleich mit zwei sehr schlanken, höchst humanen, dabei recht unterschiedlichen Texten. Es sind späte, gut übersetzte und liebevoll eingeführte Überraschungsgeschenke vom Autor des "Scharlachroten Buchstabens" an die deutschen Leser.

Sie entstanden um die Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, in jener heroischen Jugendzeit der amerikanischen Literatur, als sich in Boston und Umgebung die schöpferischen Geister des neuen Aufbruchs in loser Formation zusammenfanden: darunter Emerson und Thoreau, Hawthorne und Melville. Es sind kostbare Bruchstücke einer Autobiographie, die freilich mehr von Eigensinn als von Gruppengeist zeugt: auf Brook Farm, einer Art philosophisch-sozialem Kibbuz unter der Ägide Emersons, hatte Hawthorne es nur ein halbes Jahr ausgehalten; schuld war das ewige Gerede, die Knochenarbeit und die fehlende Privatsphäre.

Ein beschaulicheres Refugium fand er in dem Pfarrhaus (auf gut Presbyterianisch "Manse" genannt) von Concord, einer Kleinstadt unweit von Boston. Emersons Großvater hatte es als Ortsgeistlicher erbaut, und dem Enkel war ebendort, in einer "allerreizendsten kleinen Studierstubenecke", sein pantheistisches Glaubensbekenntnis in Gestalt des berühmten Essays "Natur" aus der Feder geflossen. Hawthorne lebte darin nach der Nervenprobe von Brook Farm, frischverheiratet mit seiner geliebten Sophia, drei glückliche Jahre lang, die mit dem Auszug der Familie wegen Mietschulden endeten. Rückblickend und als Einleitung zu einer 1846 erschienenen Erzählsammlung schrieb er die reizvolle Skizze "The Old Manse". Der als Romanautor nicht ganz unbekannte Karl-Heinz Ott hat sie übersetzt und herausgegeben.

Hawthorne liebte dieses Haus, aber die schwärmerische Perspektive Emersons, der überall assyrische Morgenröten und zyprische Sonnenuntergänge sah, war ihm fremd. Gerade auf der Studierstube, dem innersten Rückzugsort des Schriftstellers, lagen einige Schatten der Vergangenheit; und nicht alle ließen sich so leicht vertreiben wie die grimmigen Porträts der puritanischen Geistlichen, die aussahen, als hätte die rußige Wildheit des Teufels, mit dem sie ständig ringen mussten, auf sie abgefärbt - die wurden kurzerhand durch eine Madonna Raffaels und Ansichten vom Comer See ersetzt. Aber war der Blick aus dem Fenster auf die verträumte Flusslandschaft mit Brücke nicht die reine Idylle? Genau durch dieses Fenster und an dieser Brücke hatte der einstige Pfarrherr das erste Gefecht des Unabhängigkeitskrieges aus nächster Nähe erlebt. Dem Nachmieter stand die blutige Szene sogleich lebhaft vor Augen.

Bei anhaltendem Regenwetter durchstöberte der passionierte Bücherwurm auf der Suche nach dem geistigen Schatz seiner Vorgänger ihre im Speicher entsorgten theologischen Wälzer; doch die Fahndung nach dem lebendigen Geist blieb vergeblich. Das puritanische Erbe erwies sich als modrig, "Gedanken schimmeln". Solch geringe Haltbarkeit geistiger Produkte hat, zumal für Autoren, etwas Demütigendes. Aber auch die Schwarmgeister und Nachtvögel, die Emersons Licht des neuen Denkens am anderen Dorfende anlockte, wurden mit Skepsis betrachtet. Der verborgene Schatz schien anderswo zu liegen: vielleicht in den unscheinbaren Funden aus einem uralten Indianercamp, die Freund Thoreau gelegentlich ausbuddelte, oder im Himmelsglanz, gespiegelt von einem Fluss, dessen Zauber sich Hawthorne rückhaltlos hingab, und sicherlich im leuchtenden Apfelgold des unerschöpflichen Obstgartens mit seinen Früchten, die "für meinen unorthodoxen Geschmack allergrößte Ähnlichkeit mit denen besitzen müssen, die im Garten Eden wuchsen". Aber Eden ist endlich. "Im Märchenland misst man die Zeit nicht", das tun nur die anderen draußen. Handwerker rückten an, dem Hort der Stille drohte gründliche Renovierung, und aus dem Pfarrhaus ging es, zum schnöden Geldverdienen, ab in ein Zollhaus.

Hawthorne ist nach eigenen Worten ein Individuum, das gern sein Gesicht verbirgt, keiner "dieser äußerst spendablen Leute, die ihr eigenes, köstlich zubereitetes, mit Hirnsoße gebratenes Herz ihrem geliebten Publikum als Leckerbissen vorsetzen". Dabei führte er hingebungsvoll und ausführlich Tagebuch, genau wie, in freundschaftlichem Abstand, sein Concorder Gegenüber Emerson. Sein diaristisches Sudelbuch birgt die erstaunlichsten Schätze, denn es zeigt den scheuen, bisweilen strengen Schriftsteller immer wieder aus nächster Nähe, humorvoll, warmherzig, en famille. Einer dieser Schätze, genannt "Zwanzig Tage mit Julian und Little Bunny", wurde vor ein paar Jahren mit einer großzügigen Einführung von Paul Auster und zur Freude des lesenden Publikums in Amerika gehoben. Jetzt ist er auch bei uns zu haben - nur die hübschen Familienporträts fehlen.

Ort der Handlung: ein kleines rotes Farmhaus in den Berkshire-Hügeln von Massachusetts, in dem die Hawthornes und ihre mittlerweile drei Kinder für eine nominelle Miete wohnen; Zeit: 28. Juli bis 16. August 1851, als Sophia mit den beiden Töchtern zu einem Besuch ihrer Mutter das ländliche Heim verlässt und Nathaniel mit dem fünfjährigen Julian zurückbleibt.

Plot: Es geschieht fast nichts - sommerlich frühes Aufstehen, vergeblicher Kampf mit Julians Haarwust, frugale Mahlzeiten, Waldspaziergänge, Faulenzen am See (das heißt, der Vater faulenzt, der Sohn benützt "mit der Gesetztheit eines uralten Fischers" einen leeren Stock als Angel), Krieg Julians mit den Disteln, Gang zum Postamt in der Hoffnung auf Sophias Briefe, seltene Besuche in der näheren Umgebung, früher Bettgang des "alten Knaben", Versiegen seines nimmermüden Plapperstroms, endlich Abendfrieden und Tagebuch für den Vater. Nebenhandlung: die Geschicke des Hasen Bunny, der ein geheimnisvolles Innenleben führt und kurz vor dem Happy End von Sophias Rückkehr ganz unmotiviert das Zeitliche segnet.

Das Tagebuch ist zugleich Rechenschaftsbericht und Protokoll einer Entdeckungsreise. Entdeckt wird, Jahrzehnte vor Mark Twain, das amerikanische Kind als eigenwillig fremde, abenteuerlustige Kreatur in freier Wildbahn, dem die Freiheit der umgebenden Natur wieder selbst zugestanden wird, im Zeichen paradiesischer Unschuld. Der nicht mehr ganz junge, allzu ernste Vater, der seine wichtigsten Werke bereits geschrieben hat, erlebt - mit viel Humor, nie von oben herab - in diesem "Kind des Paradieses" den Inbegriff von Wachstum und Vitalität: "Ich denke nicht, dass er Gefahr läuft, ein so einsames Leben zu führen wie ich."

Vor allem aber ist Julian die dichterische Phantasie in Person. Einmal klettert er auf einen Apfelbaum, unter dem sein Vater behaglich im Grase ruht, und lässt aus dem Grün seinen Schwall von Geplapper herabprasseln wie Sommerregen: er will für immer auf Bäumen leben, sich ein Nest aus Blättern bauen, als Vogel davonfliegen, aus einem tiefen Loch einen Sack Gold holen und Mama auf seinem Rücken nach Hause tragen. Auch sonst zeigt er die richtigen Instinkte, etwa bei dem Ausflug zu einer Shaker-Siedlung (für seinen Vater eine Zwangsanstalt: "je früher die Sekte ausgelöscht wird, desto besser"), wo er sich alsbald auf ein stilles Örtchen begibt, um ein gehöriges Zeichen seiner Wertschätzung zu hinterlassen.

Der wichtigste Kontakt mit der Außenwelt ist Herman Melville, ein großer Bewunderer des älteren Schriftstellerkollegen. Aber wie diskret sind seine Besuche behandelt! "Nach dem Abendessen brachte ich Julian ins Bett und Melville und ich hatten ein Gespräch über Zeit und Ewigkeit, Dinge von dieser Welt und der nächsten, über Bücher und Verleger . . ., das bis tief in die Nacht andauerte." Eine Woche, ehe die Hawthornes ihr kleines rotes Haus verließen, überreichte Melville dem Freund das erste Exemplar von "Moby-Dick". Der Brief, in dem Hawthorne auf seine Lektüre reagierte, ist verloren, nicht aber Melvilles Antwort: "Woher kommst du, Hawthorne? Mit welchem Recht trinkst du aus meinem Lebenskrug? Und wenn ich ihn an meine Lippen setze - siehe, es sind die deinen, nicht meine . . . Dich zu kennen überzeugt mich mehr noch als die Bibel von unserer Unsterblichkeit."

Nathaniel Hawthorne: "Zwanzig Tage mit Julian und Little Bunny".

Nachwort von Paul Auster. Aus dem Englischen übersetzt und mit Anmerkungen versehen von Alexander Pechmann. Jung und Jung Verlag, Salzburg und Wien 2011. 123 S., geb., 18,- [Euro].

Nathaniel Hawthorne: "Das alte Pfarrhaus".

Übersetzt und mit einem Nachwort von Karl-Heinz Ott. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2011. 96 S., geb., 10,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Höchst beschwingt und tief bewegt bespricht der bekannte Anglist Werner von Koppenfels zwei kleine Neuübersetzungen von Texten Hawthornes, die an ganz unterschiedlichen Stellen herauskommen und doch zusammenzugehören scheinen. Überdies sind beide gut übersetzt und kundig eingeführt, versichert der Rezensent. Das eine ist das bei Hoffmann und Campe erschienene "Alte Pfarrhaus" eine dichte Skizeze über ein Pfarrhaus in der Nähe Bostons, in dem einst die großen Emersons wohnten und das für Hawthorne für drei Jahre Domizil war. Die ganze große frühe amerikanische Literatur ist präsent, Thoreau, Emerson und Melville - und auch der amerikanische Bürgerkrieg. Das andere Buch ist "Zwanzig Tage mit Julian und Little Bunny", ebenfalls eine laut Koppenfels höchst dicht gestrickte, stille und präzise Idylle, ein Tagebuch von drei Wochen, die Hawthorne mit seinem Sohn Julian und dessen Kaninchen und übrigens ab und an auch Melville verbrachte, während der Rest der Familie auf Reisen war. In den USA hat Paul Auster dieses Buch wiederentdeckt. Beide Bücher legt Koppenfels uns als "Überraschungsgeschenke" ans Herz.

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