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Das Buch versteht sich als Plädoyer für eine Erneuerung des Mittelalter-Unterrichts an der modernen Schule. Das Mittelalter wird nicht nur als fremde Gegenwelt, sondern auch in seinem einen Bezug zur Gegenwart gesehen. Damit wird ermöglicht, diese Epoche ausgehend von der Lebenswelt der Kinder zu unterrichten.

Produktbeschreibung
Das Buch versteht sich als Plädoyer für eine Erneuerung des Mittelalter-Unterrichts an der modernen Schule. Das Mittelalter wird nicht nur als fremde Gegenwelt, sondern auch in seinem einen Bezug zur Gegenwart gesehen. Damit wird ermöglicht, diese Epoche ausgehend von der Lebenswelt der Kinder zu unterrichten.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 25.08.2008

Mittelalter für die Schule

Kein Fachhistoriker findet heute so leicht den Weg auf eine Professur wie sein Kollege von der historischen Didaktik. Spätestens seit Einführung der neuen Bachelor- und Master-Studiengänge ist die Fachdidaktik in der Ausbildung der Studierenden gleichberechtigt neben die Geschichtswissenschaft selbst getreten, ohne dass dafür genügend qualifizierte Kandidat(inn)en zur Verfügung stünden.

Die Bewerberlage ist so desolat, dass manche Berufungskommissionen schon erwägen, ihren Auftrag zurückzugeben; anderswo können Studienräte, die vor einigen Jahren mit sehr gutem Ergebnis promoviert worden waren, auf eine wissenschaftliche Karriere aber schon verzichtet hatten, nach einem passablen Vortrag mit dem Ruf auf eine Didaktik-Professur rechnen. So deprimierend der fehlende Wettbewerb für Universitäten auch ist, die ihre Standards wahren wollen, sind sie doch gezwungen, den Vorgaben der Bildungspolitik zu folgen. Nach dem Willen der Ständigen Konferenz der Kultusminister sollen Lehrerinnen und Lehrer ihre grundlegenden Kompetenzen neben den Fachwissenschaften auch in den Fachdidaktiken jetzt und künftig im Studium selbst aufbauen.

In dieser Lage kann man nur begrüßen, dass mit Thomas Martin Buck ein bereits bestallter Professor für Geschichte und ihre Didaktik an der PH Freiburg einen breit ausgeführten und gut durchdachten Versuch unternommen hat, wenigstens für den Mittelalterunterricht an der Schule eine neue Didaktik zu entwickeln ("Mittelalter und Moderne". Plädoyer für eine qualitative Erneuerung des Mittelalter-Unterrichts an der Schule. Forum Historisches Lernen. Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 2008. 431 S., Abb., br., 49,80 [Euro]). Der Verfasser hatte sich erst nach seiner Habilitation für den Wechsel ans Gymnasium entschieden, von wo er nach drei Jahren auf eine C-3-Professur berufen wurde. Zu Recht kann Buck geltend machen, dass sein Entwurf aus der Schulpraxis hervorgehe; insbesondere wollte er der Einführung des achtjährigen Gymnasiums Rechnung tragen, durch die der Geschichtsunterricht (in Baden-Württemberg) in die siebte Klasse vorgezogen werde und das Mittelalter in kindgemäßer Weise zu unterrichten sei.

Den gebotenen Ansatz bei der Lebenswelt der Kinder verbindet Buck mit dem Ziel, das Mittelalter als eine Epochenkonstruktion begreiflich zu machen, die dem Bedürfnis der Moderne nach Selbstvergewisserung durch Kontrastierung folge. Im Mittelalterunterricht gehe es also um die Bildung von Geschichtsbewusstsein überhaupt. Die Epoche, die für Buck bis zur Moderne im Zeitalter der Revolutionen um 1800 reicht, werde durch die Prinzipien "Alterität", "Kontinuität" und "Identität" im Verhältnis zur neuesten Zeit und Gegenwart vermessen.

Bucks konstruktivistische Auffassung von Geschichte ist für Fachwissenschaftler gewiss nicht originell, und man wundert sich, dass er 400 Seiten zu brauchen meint, um den immer gleichen Gedanken seinen Didaktik-Kollegen nahezubringen. Eher in die Forschung der siebziger Jahre zurück weist auch sein einziges ausführlich vorgestelltes Beispiel für einen zeitgemäßen Mittelalterunterricht. Anhand der "funktionalen Dreiteilung" der Gesellschaft, nach der im christlichen Westen Europas "Beter", "Bauern" und "Krieger" ihre je eigenen Aufgaben im wechselseitigen Dienst an den anderen und am Ganzen wahrzunehmen hatten, will er die Andersartigkeit einer zugleich transzendental begründeten sozialen Ordnung vorführen.

Trotz beachtlicher Literaturkenntnisse scheint der Verfasser neuere Entwicklungen verpasst zu haben. Zwar ist die Einsicht unhintergehbar, dass jede historische Erkenntnis nur in Relation zu dem auch zeitgeschichtlich bedingten Standort und zu den problemorientierten Fragen des Forschers "wahr" ist, doch verlangen neue geschichtliche Stoffe zugleich nach einer kritischen Verarbeitung; dazu gehören alle Einsichten, die durch die Ausweitung des historischen Blicks im Kontext mit der Europäisierung und Globalisierung des Geschichtsbildes möglich und nötig werden. Keineswegs naiv, sondern philosophisch geschult drängen begabte Studierende über den Relativismus historischer Erkenntnis hinaus, um bei aller Erinnerungskritik anhand der Überlieferung doch zu "Tatsachen"-Aussagen vorzustoßen.

Auch scheint Gesellschaftsgeschichte, etwa als "Stände- oder Gruppengeschichte" wie bei Buck, bei den Entwürfen der deutschen Bundesländer für das neue Geschichtsstudium angehender Lehrer nicht mehr eingeplant zu werden, wenn man von den auch anthropologisch gedeuteten "urbanen Lebensformen" absieht. Vor allem fragt es sich, ob sich der Mittelalterunterricht auf den punktuellen Vergleich mit der Moderne beschränken darf und nicht auch mit einer Auswahl von Themenfeldern den historischen Wandel seit der Antike zur Anschauung bringen muss. Buck würde auf diese Vorhaltung wohl nicht ohne Grund auf die viel zu eng bemessene Unterrichtszeit hinweisen, doch darf diese unbefriedigende Feststellung eben nicht die letzte Antwort bleiben.

MICHAEL BORGOLTE

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Als "breit ausgeführten und gut durchdachten" Versuch, eine neue Didaktik für den Mittelalter-Unterricht an der Schule zu entwickeln, betrachtet Michael Borgolte dieses Buch von Thomas Martin Buck, Professor für Geschichte und ihre Didaktik. Besonders hebt er Bucks Ziel hervor, das Mittelalter als eine Epochenkonstruktion zu vermitteln und verständlich zu machen, dass es im Mittelalter-Unterricht um die Bildung von Geschichtsbewusstsein überhaupt geht. So sehr Borgolte das Buch angesichts der desolaten Lage der historischen Didaktik begrüßt, kommt er doch nicht umhin, einige Kritikpunkte anzubringen. Bucks einziges Beispiel für einen zeitgemäßen Mittelalter-Unterricht führt in seinen Augen etwa in die Forschung der siebziger Jahre zurück. Zudem vermisst er die Einbeziehung neuerer Entwicklungen der Geschichtswissenschaft, denn Bucks konstruktivistische Auffassung von Geschichte scheint ihm nicht mehr sonderlich originell.

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