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Die Aufgeregtheit des Publikums angesichts jedes neuen Krieges steht in deutlichem Kontrast zur geringen systematischen Beachtung, die dem Militär gewidmet wird. Volker Heins und Jens Warburg beleuchten den dramatischen Wandel militärischer Institutionen und Praktiken in den Gesellschaften der Gegenwart und stellen Verbindungen her zwischen neuen Berufsbildern und Aufgabenfeldern der Soldaten, der Rolle von Echtzeit-Technologien, des Medienpublikums und seiner Moral sowie veränderter Geschlechterverhältnisse. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob wir in einem soziologisch genauen Sinne in einer…mehr

Produktbeschreibung
Die Aufgeregtheit des Publikums angesichts jedes neuen Krieges steht in deutlichem Kontrast zur geringen systematischen Beachtung, die dem Militär gewidmet wird. Volker Heins und Jens Warburg beleuchten den dramatischen Wandel militärischer Institutionen und Praktiken in den Gesellschaften der Gegenwart und stellen Verbindungen her zwischen neuen Berufsbildern und Aufgabenfeldern der Soldaten, der Rolle von Echtzeit-Technologien, des Medienpublikums und seiner Moral sowie veränderter Geschlechterverhältnisse. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob wir in einem soziologisch genauen Sinne in einer nach-militärischen Gesellschaft leben oder ob sich lediglich das Gesicht dessen, was lange Zeit als "Militarismus" kritisiert worden ist, verändert.
Autorenporträt
Heins, Volker M.Volker M. Heins (Prof. Dr.) ist Permanent Fellow am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen (KWI) sowie Mitglied des Leitungsteams am Käte Hamburger Kolleg / Centre for Global Cooperation Research, Universität Duisburg-Essen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.03.2005

Zivil prägt den Stil
Die bewaffnete Macht in der nachmilitärischen Gesellschaft

Volker Heins/Jens Warburg: Kampf der Zivilisten. Militär und Gesellschaft im Wandel. Transcript Verlag, Bielefeld 2004. 162 Seiten, 16,80 [Euro].

Wird es künftig noch Kriege geben, "richtige" Kriege? Wie werden diese aussehen? Und welche Rolle werden darin die Streitkräfte spielen? Nach dem Ende des Kalten Krieges hat es kaum einen Bereich gegeben, der so tiefgreifenden Veränderungen ausgesetzt war wie der militärische. Gerade in Deutschland ist der Prozeß dieser Neuorientierung noch längst nicht abgeschlossen. Das betrifft vieles - die Sicherheitsdoktrin ebenso wie die Organisation der Armee, deren Selbstverständnis ebenso wie ihr Ansehen in der Öffentlichkeit. Sicher ist vorerst nur, daß in Deutschland alles Militärische noch immer ein ungeliebtes Stiefkind ist. Auch in der Soziologie ist diese Haltung weit verbreitet. Um so mehr ist daher diese kompakte, faktenreiche und kluge Bestandsaufnahme zu begrüßen, die sowohl den traditionellen Forschungsfeldern Rechnung trägt wie auch den aktuellen Entwicklungstrends. Die beiden Autoren - ein Politologe aus Frankfurt am Main und ein Soziologe aus Gießen - verstehen ihre Studie als Einführung in die sozialwissenschaftliche Militärforschung. Sie bieten entschieden mehr als nur den Forschungsüberblick klassischer Art. Denn hier beginnt sich, wenn auch vorsichtig, abzuzeichnen, welche Bedeutung und welche Funktion "das" Militärische momentan hat beziehungsweise künftig haben könnte. Wohin geht also die Reise?

Um dies zu beantworten, resümieren die Autoren in einem ersten Teil die traditionellen Themen und Ergebnisse der sozialwissenschaftlichen Militärforschung: Da ist zunächst die Phänomenologie der klassischen Konfliktaustragung mit all ihren Spielarten - von den konventionellen Kriegen zwischen einzelnen Staaten bis hin zu jenen "Kleinen Kriegen", die nach 1945 zunehmend das internationale Geschehen beherrschten. Da ist dann die Position des einzelnen Soldaten in der militärischen Organisation (ein sozialwissenschaftliches Thema, an dem der militärische Dienstherr selbst ein eminent großes Interesse hat), und da sind schließlich die komplizierten und vielschichtigen Beziehungen zwischen ziviler Führung und Militär: Warum vollzieht sich immer wieder das "Wunder", daß sich die bewaffnete Macht der zivilen unterordnet, obwohl sie ihr doch faktisch überlegen ist? Und in welchem Moment ist dieses System gefährdet?

Zumindest in Deutschland hat all das nach 1949 und vor 1990 gut funktioniert: Ein Militärputsch war nie zu befürchten, Kriege fanden nicht statt, und selbst wenn man den deutschen Gesellschaften Wehrfreudigkeit nur noch schwer bescheinigen kann, so brauchten doch Bundeswehr und NVA nie wirklich um ihren personellen Nachwuchs zu bangen. Aber nun? Mit dem Ende der ganz großen Konfrontation muß sich nicht nur die deutsche Gesellschaft mit einer fundamental neuen Situation auseinandersetzen, in der sich eine alte historische Erfahrung erneut bestätigen könnte: Daß innenpolitische Umwälzungen so viele Kräfte freisetzen, daß diese zwangsläufig im Außenpolitischen ihr Ventil suchen. Welche Zukunft hat also der Krieg und welche das Militär?

Eine der interessantesten jener fünf großen Trends, welche die Autoren erkennen, ist sicherlich der zur ethischen Normierung des Kampfes. Zumindest in den westlichen Demokratien werden Selbstverständnis und Selbstdarstellung der Armeen davon zunehmend geprägt. Mittlerweile wachen nicht nur zivile Behörden, Non-Governmental Organizations oder neue soziale Bewegungen streng über die Einhaltung humanitärer Normen. Auch für eine Armee wie die amerikanische ist dies inzwischen selbstverständlich.

So werden etwa in der Offiziersausbildung Kriegsverbrecherprozesse simuliert, um dem Nachwuchs zu verdeutlichen, wie wichtig das Kriegsrecht ist. Das erklärt etwa, warum das amerikanische Militär den Folter-Skandal im Irak als schwere Niederlage empfindet. Mit diesem Trend einher geht ein zweiter, eine zunehmende Tendenz zur "Verpolizeilichung" des militärischen Handelns: Während große Konflikte zwischen hochentwickelten Industriestaaten immer unwahrscheinlicher werden, wird es zunehmend zu einer Aufgabe des Militärs, in Regionen mit schwachen staatlichen Strukturen internationales Recht durchzusetzen. Am wichtigsten ist in dieser Hinsicht mittlerweile das Konzept des "peacekeeping" geworden. Ermöglicht hat diese Situation - der dritte und wohl folgenreichste Trend - die politische, wirtschaftliche und nicht zuletzt eben militärische Dominanz der Vereinigten Staaten, deren Position als hegemoniales "Imperium" vorerst nicht ernsthaft gefährdet zu sein scheint. In seinem Schatten kann man es sich bequem einrichten und sich zugleich den "unschätzbaren Dünkel" gönnen, "sich den USA moralisch überlegen und engen nationalen Interessen enthoben fühlen" - so das berechtigte Urteil der Autoren.

Neben den beiden anderen Trends - einer veränderten Wahrnehmung des Krieges infolge seiner veränderten Repräsentation in den Medien, aber auch in Kriegsspielen sowie einem sich wandelnden Geschlechterverständnis des Militärs - beschäftigen sich die Autoren mit der zentralen Frage: Sind diese Veränderungen dafür verantwortlich, daß wir bereits in einer nachmilitärischen Gesellschaft leben? Ihrer Schlußfolgerung, daß die klassischen Grenzen zwischen dem "Militärischen" und dem "Zivilen" momentan mehr und mehr verschwimmen, läßt sich nur schwer widersprechen. Denn es ist ein fundamentales Kennzeichen des gegenwärtigen Wandels, daß die Welt des Militärs zunehmend von zivilen Wertvorstellungen, Verhaltensweisen und vor allem auch Aufträgen durchdrungen wird. Dieses Fazit ergibt sich freilich aus der Analyse der Gegenwart. Unter einer weiter reichenden historischen Perspektive sind hingegen genügend Beispiele dafür überliefert, daß Phasen wie die gegenwärtige höchst fragile Gebilde sind. Die empfehlenswerte Analyse von Volker Heins und Jens Warburg ist daher als aktuelle Momentaufnahme einer Entwicklung zu verstehen, deren Ende man aber vorerst noch nicht kennt.

CHRISTIAN HARTMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Das Militärische hat etwas Anrüchiges, auch in der Soziologie, weshalb es Christian Hartmann sehr begrüßenswert findet, dass sich ein Politologe und ein Soziologe daran begeben, den tiefgreifenden Wandel zu analysieren, den es im militärisch-zivilisatorischen Bereich seit Ende des Kalten Krieges gegeben hat. Denn die Grenzen zwischen dem Militärischen und dem Zivilen verschwimmen immer mehr, lautet eine der wichtigsten Schlußfolgerungen von Heins/ Warburg, die fragen: Leben wir bereits in einer nachmilitärischen Gesellschaft? Das Autorenteam bietet weit mehr als einen klassischen Überblick über das Forschungsfeld, lobt Hartmann, der ihren Beobachtungen zum gewandelten Selbstverständnis des Militärischen - dazu zählen die "Verpolizeilichung" des militärischen Handelns, die gestiegene Bedeutung des Kriegsrechts, die veränderte Wahrnehmung des Krieges in den Medien, das gewandelte Geschlechterverständnis beim Militär selbst - nicht widersprechen mag, aber diesen Wandel für ein vorläufig sehr "fragiles Gebilde" hält.

© Perlentaucher Medien GmbH
»Die empfehlenswerte Analyse ist [...] als aktuelle Momentaufnahme einer Entwicklung zu verstehen, deren Ende man vorerst noch nicht kennt.« Christian Hartmann, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23.03.2005 »Das Besondere an der Qualität dieser Botschaften ist, dass die Wirkungen eines gesellschaftlichen Teils auf einen anderen auch mit ihren Rückwirkungen beschrieben werden.« Soziologische Revue, 29 (2006)