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Ob es um den Kopftuchstreit geht oder um die Bedeutung von anständig bezahlter Arbeit, um die Pflichten gegenüber Armen oder um den Umgang mit Tieren und der Natur: 'Respekt' und 'Anerkennung' gehören zu den wichtigsten moralischen Begriffen unserer Zeit. In allen Fällen geht es grundlegend um die Frage, was Menschen einander und anderen Lebewesen moralisch schulden und warum. Allerdings ist in der philosophischen Diskussion vielfach unklar, was die Begriffe jeweils bedeuten und ob sie konzeptionell zusammenpassen. Es ist daher ein Anliegen dieses Buches, die Begriffe grundlegend zu klären,…mehr

Produktbeschreibung
Ob es um den Kopftuchstreit geht oder um die Bedeutung von anständig bezahlter Arbeit, um die Pflichten gegenüber Armen oder um den Umgang mit Tieren und der Natur: 'Respekt' und 'Anerkennung' gehören zu den wichtigsten moralischen Begriffen unserer Zeit. In allen Fällen geht es grundlegend um die Frage, was Menschen einander und anderen Lebewesen moralisch schulden und warum. Allerdings ist in der philosophischen Diskussion vielfach unklar, was die Begriffe jeweils bedeuten und ob sie konzeptionell zusammenpassen. Es ist daher ein Anliegen dieses Buches, die Begriffe grundlegend zu klären, eine vermeintliche Konkurrenz aufzulösen und beide Prinzipien in eine Konzeption zu integrieren. Der erste Begriff 'Respekt' ist dabei als ein basales normatives Prinzip zu verstehen, welches sich auf fundamentale moralische Ansprüche richtet, das heißt im Fall von Menschen auf ihren Anspruch, in ihrer Würde, ihrer Autonomie, ihrer Freiheit und ihren grundlegenden Interessen geachtet zu werden. Allein dies reicht aber für ein würdevolles und gutes Leben nicht aus: Der zweite Begriff der 'Anerkennung' geht darüber hinaus und richtet sich auf konkrete Bedürfnisse und Leistungen. Berücksichtigt man dann noch die Wichtigkeit von verwandten moralischen Einstellungen wie Toleranz, Rücksicht und Mitgefühl, so entsteht ein anspruchsvolles multikriterielles Ethikmodell, welches adäquat auf die Herausforderungen unserer pluralen und multikulturellen Gesellschaften antwortet.
Autorenporträt
Susanne Schmetkamp, geb. 1977, studierte Philosophie, Germanistik und Italienisch in Bonn. Von 2003-2006 war sie Stipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs 'Globale Herausforderungen. Transnationale und transkulturelle Lösungswege' an der Universität Tübingen. Promotion 2008 in Bonn, seit 2008 Oberassistentin am Lehrstuhl für Praktische Philosophie an der Universität Basel und seit vielen Jahren Kulturjournalistin für verschiedene Medien. Forschungsschwerpunkte: Normative Ethik, Politische Philosophie und Ästhetik
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.07.2012

Bedürfnisse besonderer Art
Tugenden sind eine Sache der richtigen Balance: Susanne Schmetkamp laboriert an der Ethik der Anerkennung

Der altertümliche Begriff der Tugend feiert seit einigen Jahrzehnten in der Moralphilosophie, zuweilen als Identität und Identitätssuche zeitgemäß drapiert, fröhliche Urständ. Die in der Tradition Kants stehende Prinzipienethik, die Tugend lediglich als Bereitschaft versteht, das als richtig Erkannte in die Tat umzusetzen, ignoriert, so die dahinterstehende Kritik, dass moralische Urteilsfähigkeit nicht so sehr eine kognitive Disposition ist als vielmehr Ergebnis eines (selbst-)therapeutischen Prozesses der Herausbildung eines Charakters, der selbstbewusstes Glücksstreben mit Sensibilität für die Nöte anderer Menschen in sich vereint. Diese Identität entwickeln kann nur derjenige, der sich anerkannt fühlt: nicht nur als moralische Person, sondern mit all seinen Bedürfnissen, Emotionen, Leidenschaften.

Offensichtlich aber ist nicht jeder Wunsch nach Anerkennung moralisch legitim. Mancher möchte für vermeintliche Leistungen anerkannt werden, die von anderen nicht oder nur gering geschätzt werden. Gerade der Wunsch nach Anerkennung provoziert nicht selten Ablehnung. Während also Anerkennung nicht erzwungen werden kann, ist die Achtung des anderen, jedes anderen ein fundamentales moralisches Prinzip. Kant zufolge bin ich verpflichtet, auch diejenigen zu achten, die mir fremd oder unsympathisch sind. Achtung, nach einer Fußnote in der "Grundlegung zur Metaphysik der Sitten" "kein durch Einfluß empfangenes, sondern durch einen Vernunftbegriff selbstgewirktes Gefühl", gilt letztlich dem sittlichen Gesetz, das mir Respekt vorschreibt und mich motiviert, ihm gemäß zu handeln. Achtung als universelle Pflicht und als Anerkennung der Besonderheit anderer stehen in einer Spannung, die aufzulösen im Namen von Differenz und Partikularität ein philosophisches Desiderat geworden ist - nicht erst seit der Konjunktur vor allem aus Frankreich importierter Theorien.

Susanne Schmetkamps Buch ist eine Auseinandersetzung vor allem mit der Theorie Axel Honneths. Wie dieser unterscheidet sie zwischen drei Formen der Anerkennung: Liebe und Fürsorge gegenüber Nahestehenden, moralische Achtung gegenüber jedermann, Wertschätzungen von Fähigkeiten und Leistungen, die jemand in einer Gesellschaft oder Gemeinschaft erbringt. Liebe und Wertschätzung sind partikular und graduell, Achtung hingegen ist universell, kategorisch und absolut. Schmetkamp kritisiert, dass in diesem Drei-Sphären-Modell eine Dimension übersehen wird: Rücksicht auf besondere Bedürfnisse jenseits von personalen Nahbeziehungen. Nicht nur gegenüber Behinderten sei erhöhte Sensibilität geboten, die allerdings nicht kategorisch eingefordert werden könne, sondern eine "milde Verpflichtung" sei.

Bei dieser "Gratwanderung zwischen Offenheit für das Andere und identitärer Festschreibung" aber besteht die Gefahr, dass wir Personen mit einer moralischen Rücksicht gegenübertreten, die nicht ihrem Selbstverständnis entspricht, zum anderen werden vielleicht Überzeugungen und Verhaltensweisen toleriert, die nicht akzeptiert werden sollten. Vor allem die Debatte um die Integration ethnischer und religiöser Minderheiten in die multikulturelle Gesellschaft zeigt, wie schwierig es ist, die Rechte von Kollektiven und die des Einzelnen auszutarieren.

Schmetkamps Formel, eine gerechte, Marginalisierungen verhindernde Politik erfordere Inklusion und Destruktion, die Anerkennung der Differenz und zugleich den Versuch, starre Grenzen zu überwinden, benennt das Problem, aber löst es nicht. Darf die Freiheit der Kunst, wenn sie religiöse Gefühle verletzt, eingeschränkt werden? Sind soziale Auseinandersetzungen um die Verteilung gesellschaftlichen Reichtums als Kämpfe um Anerkennung zu verstehen, oder wird dadurch der Begriff überdehnt? Wer von Identität redet, meint meist auch ökonomische Interessen. Dabei geraten die drei Prinzipien der Anerkennung zuweilen miteinander in Konflikt. Einerseits scheint ein fairer Diskurs über moralische und politische Normen nur möglich, wenn neben wechselseitiger Achtung auch ein Minimalstandard ökonomischer und finanzieller Sicherheit für alle Beteiligten, etwa durch Mindestlöhne oder ein bedingungsloses Grundeinkommen, gewährleistet ist, andererseits wird dadurch das Leistungsprinzip verletzt.

Schmetkamps Erweiterung der Anerkennungstheorie um das Postulat der Rücksicht auf die spezifischen Bedürfnisse benachteiligter Individuen kann diesen Konflikt nicht definitiv lösen, nicht wegen mangelnder begrifflicher Schärfe, sondern weil die Tugenden, die sie einfordert, nichts anderes sein können als Orientierungspunkte, zwischen denen immer aufs Neue, in der Philosophie, im Alltagsleben, in der Politik, eine heikle Balance herzustellen ist.

GERD SCHRADER.

Susanne Schmetkamp: "Respekt und Anerkennung".

Mentis Verlag, Münster 2012. 244 S., br., 34,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In "Respekt und Anerkennung" versucht Susanne Schmetkamp, Axel Honneths Theorie der Anerkennung zu erweitern, erklärt Gerd Schrader, der ebenfalls mehrere von Honneths Büchern rezensiert hat. Die Autorin sei eine Vertreterin der Tugendethik, die in den letzten Jahren wieder zunehmend an Popularität gewonnen habe. Im Gegensatz zu anderen Moralvorstellungen messe diese Ethik der Herausbildung eines moralischen Charakters besondere Bedeutung bei. Im Zentrum dieses anspruchsvollen Unterfangens stehe bei Schmetkamp - wie bei Honneth - die Anerkennung. Der Autorin kommen bei Honneth allerdings die besonderen Bedürfnisse mancher Menschen zu kurz, zum Beispiel jene von behinderten Menschen. Außerdem sehe sie einen größeren Antagonismus zwischen notwendiger Integration und Destruktion von Ansprüchen Einzelner und der Gemeinschaft. Schrader findet die Einwände Schmetkamps zwar berechtigt, findet bei ihr aber keine wirklichen Lösungsvorschläge für die von ihr angeführten Probleme. Solche Lösungen müssen in der Philosophie und im Alltagsleben immer aufs Neue ausgehandelt werden, schließt der Rezensent.

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