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Alfred Schütz und Eric Voegelin sind herausragende Klassiker der Sozialwissenschaften, deren Werke durch Gesamtausgaben vollständig dokumentiert werden. Wer sich über die Motive, Positionen und Entwicklungen ihres Denkens informieren möchte, dem bietet die Edition ihres Briefwechsels nicht nur eine an Authentizität unüberbietbare Quelle, sondern auch den Schlüssel zum Verständnis. Denn beide Klassiker formulierten ihre Werke seit ihrer Wiener Studienzeit in den 1920er Jahren im Dialog. Nachdem sie der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich 1938 ins US-amerikanische Exil nach New York bzw.…mehr

Produktbeschreibung
Alfred Schütz und Eric Voegelin sind herausragende Klassiker der Sozialwissenschaften, deren Werke durch Gesamtausgaben vollständig dokumentiert werden. Wer sich über die Motive, Positionen und Entwicklungen ihres Denkens informieren möchte, dem bietet die Edition ihres Briefwechsels nicht nur eine an Authentizität unüberbietbare Quelle, sondern auch den Schlüssel zum Verständnis. Denn beide Klassiker formulierten ihre Werke seit ihrer Wiener Studienzeit in den 1920er Jahren im Dialog. Nachdem sie der Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich 1938 ins US-amerikanische Exil nach New York bzw. Baton Rouge gezwungen hatte, setzten sie den Dialog in brieflicher Form fort. Diese Briefe zeugen von der Zeit des Exils wie sie auch das tastende Entstehen jener Theorien der Lebenswelt und der Gnosis dokumentieren, die man heute mit den Namen Schütz und Voegelin verbindet. Nicht zuletzt zeugen sie von einer Freundschaft, die ein Leben ausgehalten hat. Der vorliegende Band ist die erste vollständige, auf neuester Textkritik und Editionstechnik basierende und durch Kommentare erschlossene Ausgabe der Korrespondenz dieser Klassiker.

Mehr zu Alfred Schütz unter http://www.uvk.de/asw
Autorenporträt
Alfred Schütz, geboren 1899 in Wien - soziologischer Klassiker und bedeutender Phänomenologe, Studium in Wien Rechts- und Staatswissenschaften. Arbeit dann - bald leitend - für verschiedene Banken. 1932 erste Buchveröffentlichung. 1938/39 Emigration über Paris nach New York, wo er weiterhin für ein Wiener Bankhaus arbeitet. Ab 1944 Lehrtätigkeit an der New School of Social Research. Weitere Publikationen, u. a. auch sozialwissenschaftliche Aufsätze. Der Autor verstarb 1959 in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.11.2004

Ich kann Ihnen nicht ganz folgen
Der Briefwechsel zwischen Alfred Schütz und Eric Voegelin

Der umfangreiche Schriftverkehr zwischen Alfred Schütz (1899 bis 1959) und Eric Voegelin (1901 bis 1985) umfaßt die Zeit von Juli 1938 bis April 1959. Die Freunde kannten sich vor dieser Zeit aus ihrem Studium in Wien, wo sie den Juristen Hans Kelsen und den Soziologen Othmar Spann gehört hatten. Der Briefwechsel setzt erst mit dem Exil in den Vereinigten Staaten ein, wohin Voegelin 1938, Schütz 1939 emigrierte. Beide Wissenschaftler gelten heute als Klassiker der Soziologie und der Politikwissenschaften, doch von diesen Disziplinen ist in dem Buch wenig die Rede. Man liest statt dessen über die Möglichkeiten von Theoriebildungen und systematischem Philosophieren.

Die Briefe sind höflich, jeder beginnt mit "Lieber Freund", man endet "mit lieben Grüßen" und bedankt sich für "den lieben Brief". Man bleibt beim höflichen Sie und grüßt die Familie oder speziell die Frauen, doch sie spielen in diesem Gespräch unter Männern keine Rolle.

Die sorgfältige Edition ist großzügig gestaltet, ein Personenregister und ein Index der Briefe erleichtern das Finden von Personen und Themen. Die Kommentierung ist knapp und beschränkt sich meistens auf den Nachweis der von den Gelehrten zitierten Werke. Jeder Brief beginnt mit einer neuen Seite. Dieses Prinzip ist so streng durchgehalten, daß manche Seiten nur wenige Zeilen enthalten. Den Höhepunkt dieses sich ins Absurde steigernden Verfahrens findet man auf Seite 412; auf ihr steht nur das Ende eines Briefes in Gestalt der Unterschrift: "Ihr Alfred Schütz." Viele Briefe sind belanglos - wie geht es Ihnen, wann sehen wir uns, haben Sie schon jenes von mir gelesen, kennen Sie den, haben Sie von jenem gehört? Dennoch lohnt sich die Lektüre der Briefe, Nichtssagendes kann man ja schnell überschlagen.

Im März 1949 beschäftigte sich Eric Voegelin mit Luther und Calvin: "Eben habe ich Luther und Calvin fertig. Bei näherer Untersuchung stellten sie sich als zwei höchst unerfreuliche Erscheinungen heraus. Im besonderen hatte ich bisher nicht so klar gesehen, zu welchem Grade sie für die Zerstörung systematischen Denkens verantwortlich sind. Sehr interessante Parallelen zwischen der Argumentationstechnik Calvin's und seiner pragmatischen Mörderei in Genf. Das war schon ein ganz ausgewachsener Nazi." Jeder, der unbefangen die Geschehnisse in Genf um Calvin betrachtet, muß Voegelin zustimmen, daß es sich in Genf um eine "pragmatische Mörderei" gehandelt hat. Aber wer sagt es schon so ungeschützt? Nicht nur in dieser Passage, Voegelin geht es immer um systematisches Denken.

Davon handelt der Briefwechsel. Ein Streit bricht 1943 aus bei der Lektüre von Edmund Husserls großem Aufsatz über "Die Krisis der europäischen Wissenschaften" (1936). Voegelin stellt apodiktisch fest, dieser Aufsatz, "wie die anderen Arbeiten Husserls", sei nur eine Erkenntniskritik, doch mit der Grundlegung der Erkenntniskritik sei keine "Philosophie grundgelegt" worden. Alle Arbeiten Husserls seien zwar zu verstehen als ein Vorwort zu, aber seien "nicht selbst ein fundiertes philosophisches Unternehmen". Husserl habe "nicht ein einziges Mal ein philosophisches Fundamentalproblem berührt". Außerdem sei Husserls Erkenntniskritik "averroistisch", da seine Philosophie von dem Primat einer Kollektivseele über die Einzelseelen ausgehe. Sie sei darum "den Kollektivspekulationen des Kommunismus, Nationalsozialismus und Faschismus" vergleichbar. Der Phänomenologe und Husserl-Schüler Schütz ist entsetzt und beginnt seinerseits Husserl zu verteidigen: "Erkenntniskritik ist nach meiner Meinung eine Beschäftigung, die einem Philosophen wohl ansteht." Vorsichtig versucht Schütz im folgenden, die Grundzüge von Husserls Phänomenologie zu skizzieren. Immer wieder geht es so: Voegelin stellt steile Thesen auf, Schütz versucht behutsam zu entgegnen: "Ich kann Ihnen nicht ganz folgen."

Neben Husserl geht es den Gesprächspartnern besonders um die Interpretation von Aristoteles und Platon, um die Frage, was eine Theorie sei und wie das Christentum zu interpretieren sei, ob philosophische Theorienbildungen nur innerhalb des Christentums möglich seien. Man hat den Eindruck, daß Voegelin der Dominierende ist, souverän formulierend, attackierend, kühne Konstruktionen aufstellend für die ersten Bände seines großen Werkes "Order and History". Doch der Mitherausgeber der Zeitschrift "Philosophy and Phenomenological Research", Schütz, steht ihm in nichts nach, denn seine Fragen und Kommentare zeigen, wie belesen er ist und wie vorsichtig-kritisch er den großen Würfen von Voegelin begegnet. Gerade weil Voegelin einmal feststellen kann, er "lebe in einer anderen Welt" als Schütz, gibt es in diesem Dialog kein schnelles Zustimmen oder höfliches Loben.

Auf jeden Fall achten sich diese beiden Denker, denn auch wenn Voegelin von der Phänomenologie nichts hält, so schätzt er doch den Phänomenologen Schütz, dem er nach der Lektüre von dessen Aufsatz "On Multiple Realities" (1945) bescheinigt, er habe mit der Restriktion des Philosophierens auf die Erkenntnistheorie gebrochen. Ein größeres Lob kann Voegelin nicht aussprechen.

Manchmal taucht Leo Strauss auf, doch er kommt nicht gut weg, er scheint sich Voegelin angebiedert zu haben. Schütz vermutet im Dezember 1951, daß Strauss einer jener merkwürdigen Fälle sei, "in denen ein wirklich vernünftiger Mann und guter Kenner der Philosophie immerfort über seine eigenen Minderwertigkeitsgefühle stolpert". Voegelin entgegnet, daß er bei Gesprächen mit Strauss einen "unfaßbaren Widerstand" bei Strauss spüre, dessen Gründe er nicht kenne. Trotzdem sei er einer der wenigen, die wirklich etwas von Philosophie verstünden - im Gegensatz zum Beispiel zu Ernst Cassirer, dessen Schriften zum "Erkenntnisproblem in der Philosophie" schlicht als "Wischi-Waschi" abgetan werden.

1952 geistert auch Jacob Taubes durch Amerika, dieser "ganz außerordentlich begabte Mann" (Schütz). Leo Strauss habe "speziell für ihn ein Maimonides-Seminar gegeben". (Wirklich? Im Juni 1952 schrieb Strauss an Gershom Scholem, Taubes verbreite nur "Rhapsodien über Themata von andern und ungeheuer hoch-tönendes Zeug ohne innere Haltung".) Schon nach einem Monat geht Schütz auf Distanz: Er stimme der Kritik von Taubes an Voegelin nicht zu, halte sie für mißverständlich und überhaupt: "Er hätte besser getan, mit seiner Kritik zuzuwarten, bis er Ihr Buch gelesen hat."

Wie wichtig dieser Briefwechsel, der von dem Mitherausgeber Gilbert Weiß in einem eigenen Buch rekonstruiert worden ist, für Voegelin war, sagt dieser rückschauend 1966: "Der philosophische Dialog wurde durch Schütz' Tod abgebrochen. Aber wurde er abgebrochen? Nahezu vier Jahrzehnte gemeinsamen Denkens und wechselseitiger Kritik hinterlassen nicht nur Spuren im Werk - sie hinterlassen auch die Gewohnheit, bei der Arbeit sich zu fragen, was wohl der andere dazu sagen würde. Einer der feinsten philosophischen Köpfe unserer Zeit ist noch immer der stille Partner meines Denkens."

FRIEDRICH NIEWÖHNER

Alfred Schütz, Eric Voegelin: "Eine Freundschaft, die ein Leben ausgehalten hat". Briefwechsel 1938-1959. Herausgegeben von Gerhard Wagner und Gilbert Weiss. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz 2004. 609 S., geb., 98,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Friedrich Niewöhner nimmt Anstoß an der großzügigen Aufmachung dieses Briefbandes, der jeden Brief mit einer neuen Seite beginnen lässt, was manchmal zu so absurden Erscheinungen führt, dass bloß ein Gruß auf einer Seite steht. Gerade die braven Grüße an die jeweiligen Ehefrauen oder Familien sollten aber nicht darüber hinwegtäuschen, erklärt Niewöhner, dass es sich bei diesem Gespräch ausschließlich um ein "Gespräch unter Männern" handelt. Und was für Männer! Alfred Schütz und Eric Voeglin gelten heute als Klassiker der Soziologie, beide emigrierten nach Amerika und in diese Zeit fällt auch der Beginn ihres Briefwechsels, der neben einigen Belanglosigkeiten, wie der Rezensent anmerkt, sonst eher Schwergewichtiges verhandelt, nämlich Fragen des systematischen Denkens. Darunter fällt auch ein Streit zwischen den beiden Gelehrten über den Phänomenologen Husserl. Niewöhner hatte zunächst den Eindruck, berichtet er von seiner Lektüre, Voegelin sei der Dominierende gewesen, kühne Thesen aufstellend und souverän verteidigend. Doch bei genauerem Hinschauen merke man, dass Schütz ihm in nichts nachstand, meint Niewöhner. Es hätte in diesem Wissenschaftlerdialog "kein schnelles Zustimmen oder höfliches Loben" gegeben. Was Netteres kann man ja eigentlich nicht sagen.

© Perlentaucher Medien GmbH…mehr
"Zwei große Philosophen philosophieren in Briefen über die Philosophie." Michael Naumanns Geschenkempfehlung in der Zeit "Was für ein fesselndes Buch für alle Zeitgenossen, die verstehen wollen, was Politik und Philosophie miteinander zu tun haben!" Das Parlament "Ein Zeugnis davon, welch existenzielle Denkleidenschaft die beiden aus Wien emigrierten Freunde zeit ihres Lebens verband. Als einzigartiges Dokument ihrer wissenschaftlichen Entwicklung zeigt dieser Briefwechsel, wie sehr sich beide Autoren gegenseitig inspiriert und geistig beflügelt haben. Gegen den gesamten positivistischen Mainstream der damaligen Zeit entwickeln die Denkpartner in beidseitiger Anteilnahme die spezifische Kontur ihres eigenen Denkens." Zeitschrift für Politikwissenschaft "Aufschlussreich, belehrend, mitunter geradezu bewegend ist die Lektüre der von Gerhard Wagner und Gilbert Weiss verlässlich editierten und knapp, aber instruktiv kommentierten Korrespondenz: Was 'Theorie' eigentlich sei und für die Selbstverständigung vergesellschafteter Individuen zu leisten vermag, ist die zentrale Fragestellung, um deren Achse sich der gesamte Briefwechsel dreht." Frankfurter Rundschau