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Eine Reise voller Unwägbarkeiten in eine der gefährlichsten und gefährdetsten Regionen der Erde
Die Sundarbans in der Bucht von Bengalen - ein unbesiedelbares Land der Ebbe, zusammengehalten von den graugrünen Wurzeln der Mangroven, beherrscht von Bengalischen Königstigern. Schon seit Jahrzehnten setzen sich westliche Tierschutzorganisationen für den Erhalt der gefährlichen Raubkatzen ein und haben deshalb in den Sundarbans das »Projekt Tiger« ins Leben gerufen. Auf Kosten der Menschen - so sehen das zumindest die Bewohner der Inselwelt, die jährlich rund hundert von Tigern gerissene Opfer…mehr

Produktbeschreibung
Eine Reise voller Unwägbarkeiten in eine der gefährlichsten und gefährdetsten Regionen der Erde

Die Sundarbans in der Bucht von Bengalen - ein unbesiedelbares Land der Ebbe, zusammengehalten von den graugrünen Wurzeln der Mangroven, beherrscht von Bengalischen Königstigern. Schon seit Jahrzehnten setzen sich westliche Tierschutzorganisationen für den Erhalt der gefährlichen Raubkatzen ein und haben deshalb in den Sundarbans das »Projekt Tiger« ins Leben gerufen. Auf Kosten der Menschen - so sehen das zumindest die Bewohner der Inselwelt, die jährlich rund hundert von Tigern gerissene Opfer zu beklagen haben. Für sie ist jeder, der eine Großkatze erlegt, ein Held.
Die amerikanische Meeresbiologin Piya ist in diesen gefährlichen Archipel gekommen, um Delfine zu erforschen. Der Fischer Fokir beeindruckt sie tief durch sein Gespür für das Wasser, denn er kann sie zu den nur schwer auffindbaren Delfingründen rudern. Während er seine Krebsnetze auswirft, beobachtet sie die stahlgrauen
Autorenporträt
Amitav Ghosh, wurde 1956 in Kalkutta geboren und studierte Geschichte und Sozialanthropologie in Neu-Delhi. Nach seiner Promotion in Oxford unterrichtete er an verschiedenen Universitäten Indiens und Amerikas. Ghosh lebt mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in New York, verbringt jedoch jedes Jahr mehrere Monate in Indien.
Rezensionen
"In der Tat ist 'Der Glaspalast' ein Werk, das mit einer geradezu unvernünftigen Leichtigkeit Landesgrenzen überspringt, Generationen überlebt und historische Ereignisse aneinanderreiht. 'Der Glaspalast' ist Familiensage, Liebesroman, Geschichtsbuch und Anklage in einem."
Süddeutsche Zeitung

"Amitav Ghosh ist ein großer Fabulierer, ein Meister der Sprache."
Die Zeit

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.03.2005

Im Reservat der Tiger
Amitav Gosh und sein Roman „Hunger der Gezeiten”
Amitav Gosh, 1956 in Kalkutta geboren, lebt in New York. Der promovierte Historiker und Sozialanthropologe, der seit seinem Roman „Bengalisches Feuer” als einer der erfolgreichsten indischen Autoren gilt, schreibt auf Englisch. Seine Bücher sind für einen internationalen Markt verfasst, dem die spezifischen Probleme Indiens nahe gebracht werden sollen. Das Kalkül geht durchaus auf. Auch wenn der gebildete europäische Leser auf pädagogische Absichten eher kühl reagiert, wird der Unterhaltung Suchende gut bedient, während er von Dingen erfährt, die er sonst vielleicht nicht zur Kenntnis nähme. Einen langen Atem braucht er allerdings, denn der Autor lässt sich Zeit.
Schauplatz des Romans „Hunger der Gezeiten” ist das aus dreihundert Inseln bestehende Archipel der Sundarbans im Delta von Ganges und Brahmaputra. Eine indischstämmige Meeresbiologin aus Seattle sucht nach einem Forschungsprojekt, das ihre Neugier auf viele Jahre binden soll. Der Orcaella, ein Flussdelfin, hat es ihr angetan. Mit seiner stumpfen Schnauze eher plump und hässlich, gehört er zu den vom Aussterben bedrohten Arten. Piya, wie die junge Frau genannt wird, ist für die bevorstehende Arbeit technisch bestens gerüstet. Dennoch fügt es sich günstig, dass ihr Fokir, ein verschlossener Fischer ungefähr ihres Alters, über den Weg läuft. Er besitzt eine außergewöhnliche Intuition. Zwar ist er Analphabet und spricht nur Bengali, aber das Wasser liest er wie andere Leute alte Handschriften. Zwischen den beiden entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die ohne Worte und ohne Sexualität auskommt.
Doch die Zeichen der Verständigung fliegen nur so hin und her: Blicke, Gesten, Laute, sanfte, scheinbar immer pragmatisch motivierte Berührungen; eine Beziehung wechselseitiger Resonanz, den Echos von Delfinen näher als menschlicher Sprache. Ein anderer Mann, der Großstadt-Single Kanai, der in Neu-Delhi ein Dolmetscherbüro leitet und auf die fiktive Insel Lusibari gekommen ist, um das Notizbuch seines verstorbenen Onkels zu lesen, bietet den beiden seine Übersetzerdienste an - was die Sache eher kompliziert, nicht zuletzt, weil sein Interesse erotischer und nicht meeresbiologischer Natur ist.
Der Onkel und das Massaker
Das Dreieck aus den zwei extrem unterschiedlichen Männern und der knabenhaften Forschungsnomadin ist zwar in menschlicher Hinsicht überaus labil, erzähltechnisch aber leitet es den Autor sicher durch die Untiefen seines Romans. Dessen großes Thema ist der Antagonismus von Naturgewalt und kulturellen Errungenschaften, zwischen dem „Hunger der Gezeiten” und den menschlichen Anstrengungen, die Natur in Zaum zu halten. Dabei wird die Praxis sentimentaler Umwelt- und Tierschützer ebenso in Frage gestellt wie die einheimische Politik, die nur zu gern vermeintlich übergeordnete Ziele anführt, wenn es darum geht, die Schwächsten der Schwachen niederzuhalten. Das historisch verbürgte Massaker auf Morichjhãpi, einer Insel des Archipels, ist in die fiktive Geschichte eingearbeitet. Dort hatten sich 1978 Flüchtlinge aus Bangladesch ein neues Zuhause geschaffen, bis das als Tigerreservat ausgewiesene Territorium von Regierungstruppen gewaltsam geräumt wurde.
Kanais verstorbener Onkel Nirmal, dessen Notizbuch wie ein Logbuch durch den Roman führt, war bei dem Massaker dabei und hat in seinen Aufzeichnungen Zeugnis davon abgelegt. Er war einst Schriftsteller und Marxist, entsagte aber seiner Leidenschaft, um die Kinder auf Lusibari zu unterrichten. Nilima, seine Frau, hat in jahrelanger Kleinarbeit ein Krankenhaus aufgebaut und eine soziale Infrastruktur geschaffen. Am Ende ihres Lebens ist sie, die in zahlreichen Gesprächen überaus plastisch wird, stolz auf ihr Lebenswerk, aber auch unglücklich darüber, dass sich ihr Mann kurz vor seinem Tod von ihr losgesagt hat. Noch einmal wollte Nirmal die Idee der Revolution feurig verteidigen, nachdem er den größten Teil seines Lebens die Politik der kleinen Schritte seiner Frau begleitet hatte.
Am Beispiel dieses Paars diskutiert Amitav Gosh die Spannung zwischen Pragmatismus und hochfliegenden Idealen. Zweifellos ist er der Meinung, man brauche beides. Denn „Hunger der Gezeiten” liest sich, als habe der Autor beweisen wollen, dass die Furcht der stärksten Figur seines Romans unbegründet ist. „Kanai”, sagt Nilima in einem Anflug von Bitterkeit zu ihrem Neffen, „Träumer haben immer jemanden, der für sie spricht. Aber die Geduldigen, die stark zu sein versuchen, die etwas aufzubauen versuchen - darin sieht keiner Poesie, nicht wahr?”
MEIKE FESSMANN
AMITAV GOSH: Hunger der Gezeiten. Roman. Aus dem Englischen von Barbara Heller. Karl Blessing Verlag, München 2004. 459 Seiten, 22 Euro.
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Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Durchaus angetan zeigt sich Meike Fessmann von Amitav Goshs neuem Roman "Hunger der Gezeiten" - auch wenn man dafür einen langen Atem brauche, weil sich der Autor Zeit lasse. Im Mittelpunkt des Geschehens steht laut Fessmann eine Dreiecksgeschichte zwischen einer indischstämmigen Meeresbiologin aus Seattle, die im Archipel der Sundarbans Delta von Ganges und Brahmaputra den Orcaella, einen Flussdelfin erforscht, einem verschlossenen Fischer und einem Großstadt-Single. Das Dreieck aus den zwei extrem unterschiedlichen Männern und der knabenhaften Forschungsnomadin findet Fessmann in menschlicher Hinsicht zwar "überaus labil". Erzähltechnisch aber leite es den Autor sicher durch die Untiefen seines Romans. Dessen großes Thema sieht die Rezensentin im "Antagonismus von Naturgewalt und kulturellen Errungenschaften". Dabei stelle Gosh die Praxis sentimentaler Umwelt- und Tierschützer ebenso in Frage wie die einheimische Politik, die nur zu gern vermeintlich übergeordnete Ziele anführe, wenn es darum gehe, die Schwächsten der Schwachen niederzuhalten. So habe er auch das historisch verbürgte Massaker auf Morichjhapi, einer Insel des Archipels, in die Geschichte eingearbeitet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.03.2005

Das ist die Liebe der Delphine
Amitav Ghosh bereist in seinem neuen Roman das Ganges-Delta

Amitav Ghosh ist ein Phänomen unter den indischen Schriftstellern, die in englischer Sprache schreiben. In Kalkutta geboren, hat er seine Jugend in mehreren Ländern verbracht, hat anthropologische Feldstudien in Ägypten betrieben und wohnt seit vielen Jahren in New York, wo er auch Anthropologie gelehrt hat. Dennoch ist sein Kompaß auf seine Geburtsstadt Kalkutta geeicht, wie er kürzlich bekannte: "Ein Punkt ist in Kalkutta festgemacht, und der andere bewegt sich um die ganze Welt." Schreibend finde er "irgendwie" immer nach Kalkutta zurück. Schon sein erster Roman, "Bengalisches Feuer oder Die Macht der Vernunft" (1989), lebt vom Milieu dieser Stadt, ebenso wie "Schattenlinien" und "Das Calcutta Chromosom". Im Interview gibt er eine andere, scheinbar widersprüchliche Eigenart zu: "Ich glaube, ich bin einer der sehr wenigen Autoren, die über das nichtstädtische Indien schreiben." Die Bewegung seiner Romane geht nämlich meist von Kalkutta hinaus aufs Land.

Entsprechend beginnt "Hunger der Gezeiten" in Kalkutta, und dann wandert die Handlung südlich zu den Dörfern der Sundarbans, ins Mündungsdelta des Ganges. Kaum hundert Kilometer südlich der lauten, übervölkerten Großstadt Kalkutta beginnt dieses dünnbesiedelte, von Mangrovenwäldern überwachsene Gebiet, das von breiten und schmalen Flüssen in zahllose Inseln zergliedert wird und darum fast unzugänglich ist. Geschickt wählt Ghosh als Identifikationsfiguren keine analphabetischen Dörfler, sondern eine amerikanische Studentin indischer Abstammung, Piya Roy, und einen Geschäftsmann aus Delhi.

Die Meeresbiologin Piya fährt in die Sundarbans, um das Leben der Delphine zu erforschen. Kanai Dutt, der Geschäftsmann, besucht nach vielen Jahren seine Tante auf einer der Inseln. Diese energische Frau hatte mit ihrem Mann Nirmal früh Kalkutta verlassen und auf der Insel ein Krankenhaus gegründet, während Nirmal in einer Schule unterrichtete. Als Nirmal starb, hinterließ er ein Notizheft mit Aufzeichnungen, addressiert an Kanai. Nun nimmt dieser das Bündel in Empfang.

Das ist die Ausgangssituation. Was folgt, ist die Geschichte von Piyas Forschungsreise auf einem Schiff in den Sundarbans im filmisch-scharfen Szenenwechsel mit Kanais Lebensgeschichte. Es bedarf der ganzen handwerklichen Meisterschaft Amitav Ghoshs, um diese beiden disparaten Erzählstränge plausibel und fesselnd miteinander zu verflechten. In seine Erzählung verwoben sind Einzelheiten über das Leben der Delphine, über Flora und Fauna der Sundarbans und das Leben seiner Bewohner, nicht zuletzt über Bon Bibi, deren machtvolle Schutzgöttin. Einige Kapitel sind von Fakten so reportagehaft überfüllt, daß die Erzählung auseinanderzubrechen droht. Amitav Ghosh ist dafür bekannt, sorgfältig recherchierte wissenschaftliche Zusammenhänge romanhaft aufzubereiten, so wie er im "Calcutta Chromosom" die Entdeckung des Malaria-Erregers in eine verzwickte Kriminalgeschichte eingebunden hatte.

In der zweiten Hälfte des Buches vereinen sich die beiden Erzählstränge. Kanai, der um Piya wirbt, bietet sich als Dolmetscher auf ihrer zweiten Forschungsreise an. Nun begleitet der Lebensbericht des Onkels, den Kanai unterwegs liest, die dramatischen Ereignisse. Die Reise kulminiert in einer Begegnung mit einem der im ganzen Delta gefürchteten Tiger und in einem vernichtenden Wirbelsturm. Nirmals Lebensbericht arbeitet die Geschichte der Sundarbans auf, er beschreibt die Besiedlung und Kultivierung der Gegend am Lebensschicksal einiger Familien. Als geheime Hauptfigur des Romans entpuppt sich der ungebildete Fischer Fokir. Begabt mit einer geheimnisvollen Kommunikationsfähigkeit und Intuition, ohnmächtig verliebt in Piya, bewegt sich Fokir wortlos durch die so wortgewaltigen Kapitel. Um Piya vor dem Sturm zu retten, stirbt er einen Liebestod. Dieses Unglück verleiht dem Roman gen Ende eine melodramatische Grundstimmung, die selbst der überflüssige Epilog, welcher der Tragik ein künstliches Happy-End aufsetzt, nicht zerstören kann.

Die Kritik in Indien feierte den Roman überschwenglich. Amitav Ghosh ist ihr der liebste unter den an Amerika verlorenen literarischen Söhnen. Man lobte das "bengalische Aroma" des Werks, verursacht durch die reichlich eingestreuten bengalischen Worte und Sätze, die in einem Glossar erläutert werden, und den Rhythmus der Dialoge. Ghoshs elegant-flüssige, dramaturgisch geschickte Prosa kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, daß dem Werk die Tiefe bedeutender Literatur fehlt. Bei aller faktischen Kompetenz spürt man, daß Ghosh die Sundarbans lediglich studienhalber bereist hat. Indische Schriftsteller können stets die mythische Dimension einbringen, die im indischen Leben bis heute spürbar ist. Diesen Vorteil nutzt Ghosh nicht, sondern bleibt ein im westlichen Sinn realistischer und auch lesenwerter Schriftsteller.

Für deutsche Leser hält "Hunger der Gezeiten" noch ein Schmankerl bereit. Nirmal ist ein glühender Verehrer Rainer Maria Rilkes und hat seinen Aufzeichnungen immer wieder Zeilen aus den "Duineser Elegien" als Fazit beigegeben. Rilke wird im Buch stets nur "der Dichter" genannt - eine Ehrbezeichnung, die in Bengalen sonst ausschließlich dem Nationaldichter Rabindranath Tagore vorbehalten ist.

MARTIN KÄMPCHEN

Amitav Ghosh: "Hunger der Gezeiten". Roman. Aus dem Englischen übersetzt von Barbara Heller. Blessing Verlag, München 2004. 448 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Der indischstämmige, in den USA lebende Autor ist ein Meister des Abseitigen. Ghoshs Schilderung der Naturkatastrophe und des Überlebenskampfs der Menschen ist atemberaubend, schauderhaft präzise." (ie tageszeitung)