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The Kid, ein einsamer junger Mann, kommt wegen einer Dummheit ins Gefängnis. Nachdem er seine kurze Haftstrafe abgebüßt hat, wird er während der Bewährungszeit rund um die Uhr elektronisch überwacht. In seiner Stadt darf er sich fortan nicht mehr frei bewegen. Er hat keine andere Wahl, als ein Dasein unter einer Autobahnbrücke am Rande der Gesellschaft zu fristen.
Russell Banks beschreibt das Leben der Außenseiter und Geächteten von heute, die den Elementen und der staatlichen Überwachung gleichermaßen ausgesetzt sind. Kid bleibt nur die Flucht in die Wildnis. Doch auch hier holt ihn die
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Produktbeschreibung
The Kid, ein einsamer junger Mann, kommt wegen einer Dummheit ins Gefängnis. Nachdem er seine kurze Haftstrafe abgebüßt hat, wird er während der Bewährungszeit rund um die Uhr elektronisch überwacht. In seiner Stadt darf er sich fortan nicht mehr frei bewegen. Er hat keine andere Wahl, als ein Dasein unter einer Autobahnbrücke am Rande der Gesellschaft zu fristen.

Russell Banks beschreibt das Leben der Außenseiter und Geächteten von heute, die den Elementen und der staatlichen Überwachung gleichermaßen ausgesetzt sind. Kid bleibt nur die Flucht in die Wildnis. Doch auch hier holt ihn die Vergangenheit wieder ein. In seinem Schicksal spiegeln sich die Abgründe der amerikanischen Justiz und der modernen Informationsgesellschaft, die kein Recht auf Vergessen duldet.
Autorenporträt
Russell Banks, geb. 1940 in New Hampshire, arbeitete als Schuhverkäufer und Klempner, fing an zu malen, studierte und lebt heute als freier Schriftsteller und Dozent in Princeton, New Jersey. Für sein umfangreiches Werk hat er zahlreiche Preise und Stipendien erhalten, u.a. den John-Don-Passos-Preis. John Brown, mein Vater wurde für den PEN/Faulkner Award sowie für den Pulitzerpreis nominiert.

Barbara Christ studierte Literatur- und Theaterwissenschaften und arbeitete als Dramaturgin und Verlagslektorin. Seit 1997 übersetzt sie aus dem Englischen, unter anderem Werke von David Greig, Doris Lessing, Rosamund Lupton, Anthony Neilson, Bruce Norris, Jane Smiley und Simon Stephens.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.03.2015

Wohin mit den Brückenmenschen?
In seinem abgründigen Roman "Verstoßen" erzählt Russell Banks vom Umgang mit Sexualstraftätern in Amerika

Kid will nicht, dass über sein Leben geschrieben wird. Wie ein Kind sieht dieser dünne kleine Kerl wirklich noch aus, der sich "The Kid" nennt. Doch er ist zweiundzwanzig Jahre alt, trägt eine elektronische Fußfessel und muss mindestens 750 Meter entfernt von Orten wohnen, wo regelmäßig Kinder sind. Kid spricht mit einem Autor, der ihn an Ernest Hemingway erinnert. Sein Leben sei privat, sagt Kid, also solle der Autor nicht darüber schreiben. Dieser beruhigt ihn beim Abschied: "Keine Sorge, Kid, das ist gar nicht meine Materie."

Russell Banks' abgründiger Roman "Verstoßen" setzt sich über Kids Wunsch nach Privatheit hinweg. Der Autor, der darin als Figur auftaucht, ähnelt mit dem Bart und den kurzen weißen Haaren nicht nur Hemingway, sondern auch Banks selbst. Mit solchen Kniffen spinnt Banks, Jahrgang 1940, in seinem zwölften Roman eine packende Geschichte über undurchschaubare Identitäten - und über den Umgang mit Sexualstraftätern in Amerika. Denn deshalb trägt Kid die Fußfessel, deshalb darf er Schulen und Kindergärten nicht zu nahe kommen: weil er nach einem Sexualdelikt in Haft saß und nun eine zehnjährige Bewährungsfrist läuft.

Banks lehrte als Professor für Kreatives Schreiben in Princeton und sieht sich in der Tradition des sozialkritischen Romans mit Vorgängern wie John Dos Passos und Zeitgenossen wie E. L. Doctorow. Einen verurteilten Sexualstraftäter zur Hauptfigur zu machen ist ein erzählerisches Wagnis. Banks stellt eine ganze Siedlung von ihnen vor, ein Lager unter einer Brücke, das sie sich geschaffen haben, weil die 750-Meter-Regel fast nirgendwo sonst einzuhalten ist. Das ist keine dystopische Zukunftsvision, die Banks sich hätte ausmalen müssen. In Miami gab es so eine Brückenkolonie tatsächlich. "Verstoßen" erzählt von der Zeit, in der wir leben.

Die "Brückenmenschen", wie die Zeitungen sie nennen, sind Pädophile, Exhibitionisten oder Vergewaltiger. Als Sexualstraftäter wurden sie in einer Internetdatenbank registriert, was die Wohnungs- und Stellensuche nach der Haftentlassung erheblich erschwert. Unter der Brücke haben sie sich in Zelten und Hütten eingerichtet. Dem Wetter - ein Hurrikan ist ein zentrales Ereignis des Romans - sind sie ebenso ausgesetzt wie den Launen der Politik, die Banks am Beispiel einer Razzia beschreibt. Da Wahlen anstehen, räumt die Polizei das Lager: Problem gelöst! Bald sind die Männer aber wieder da. Es gibt keinen anderen Ort für sie.

Kid ist kein Pädophiler, Exhibitionist oder Vergewaltiger, sondern ein junger pornosüchtiger Außenseiter, der wegen der Verbreitung von Pornographie aus der Armee flog und sich über das Internet mit einer Vierzehnjährigen verabredet, die er mit Bier, Kondomen, Gleitgel und einem Pornofilm besucht in der Hoffnung, endlich seine Jungfräulichkeit zu verlieren. Doch er wird vom Vater des Mädchens und von der Polizei erwartet. Die Anbahnung von Sex mit einer Vierzehnjährigen bringt dem unbedarften Kid die Haft ein, die elektronische Fußfessel und den Datenbankeintrag.

Nach der Razzia sucht ein Soziologieprofessor die Brückensiedlung auf, der über obdachlose Sexualstraftäter forscht und mit Kid ein Interview vereinbart. Der Professor ist in mehrfacher Hinsicht eine kolossale Figur. Körperlich ist er ein Riese, bärtig und korpulent, ein Mann von unstillbarem Hunger. Auch geistig überragt er fast alle, wurde in Yale promoviert, gehört der exklusiven "Prometheus Society" für Höchstbegabte an. Und er hat (vielleicht) mehr als bloß eine Identität, könnte aus dem Lager der studentischen Vietnamkriegsgegner auf die Seite der Regierung gewechselt sein, um sich im In- und Ausland als Informant zu verdingen, bevor er schließlich Professor wurde.

Mit rund 550 Seiten ist der Roman bisweilen ähnlich gefräßig wie der Professor. Banks kann die Geschichte trotzdem in Gang halten, indem er uns damit überrascht, wie er die rätselhafte Vergangenheit des Professors mit Kids Schicksal verknüpft und wie er zwischen Erzähl- und Interviewpassagen die Darstellungsformen variiert. Zwei Texte erweisen sich als wesentliche Bezugspunkte für "Verstoßen": die Bibel mit den Motiven der Schlange und des Sündenfalls, Mark Twains "Abenteuer des Huckleberry Finn" mit den Motiven der Zivilisationsflucht und der Identitätssuche in Amerika.

Banks inszeniert ein düsteres Wechselspiel der Identitäten, in dem sich seine Figuren an den Grenzen von Fiktion und Wirklichkeit bewegen. Einerseits betont Banks die Literarisierung, wenn Miami hier Calusa heißt, oder wenn Kid auf Dolores Driscoll trifft, die Busfahrerin aus seinem vermutlich bekanntesten, von Atom Egoyan erfolgreich verfilmten Roman "Das süße Jenseits". Kid, die Romanfigur, pocht aber darauf, die Kontrolle über die Verwendung seines Lebens zu behalten: Der Autor soll ja nicht über ihn schreiben, und der Professor soll ihm die Interviews zur Freigabe vorlegen.

Für die besorgten Bürger von Calusa stellen die Brückenmenschen eine Gefahr dar, gegen die chemische Kastration empfohlen wird, "oder besser lebenslange Haftstrafen ohne Bewährung oder noch besser Hinrichtung, möglichst gefolgt von ewiger Verdammnis". Der Professor hat sich vorgenommen, an Kid und den Brückenmenschen ein Forschungs- und Reformvorhaben durchzuführen, das auch seiner Karriere dienen könnte. Nicht nur wegen der Ambivalenz der Absichten des Professors bleiben viele Fragen offen in diesem erstaunlichen Buch.

Wenn man Fragen nicht beantworten könne, schreibe man darüber, damit jemand anderes die Chance habe, sie zu beantworten, sagt im Buch der Autor. Kid fragt ihn, ob das funktioniere. "Manchmal."

THORSTEN GRÄBE

Russell Banks: "Verstoßen". Roman.

Aus dem Englischen von Barbara Christ. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2015. 543 S., geb., 24,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Russell Banks' Mut, einen verurteilten Sexualstraftäter zur Hautfigur seines Romans zu machen, zahlt sich aus, meint Rezensent Thorsten Gräbe nach der Lektüre von "Verstoßen". Er lernt hier den jungen, gerade mal 22-jährigen Kid kennen, der wegen einer sexuellen Verabredung mit einer Vierzehnjährigen festgenommen wird, sich nach seiner Haft nur noch mit Fußfesseln und Abstand von Kindergärten und Schulen bewegen darf, mit Vergewaltigern, Exhibitionisten und Pädophilen in einer Brückenkolonie lebt und bald von einem mysteriösen Soziologieprofessor, der Interviews mit ihm führt, aufgesucht wird. Dieser Roman ist aber nicht nur ein herausragendes Buch über den Umgang mit Sexualstraftätern in Amerika, sondern auch ein ebenso fesselndes wie brillant inszeniertes Werk über undurchschaubare Identitäten, meint der erstaunte Kritiker, der mit einigen Fragen zurückbleibt.

© Perlentaucher Medien GmbH