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Was, wenn ein Mädchen sich entscheidet, als Mann zu leben? Ihre Haare abschneidet, Männerkleidung trägt und ihr Verhalten der neuen Rolle anpasst? Was, wenn sie die fremde Identität mit der Zeit immer mehr verinnerlicht? "Ganz von vorn beginnen, ein neuer Mensch, selber zusammengenäht, selber gestrickt in der Finsternis." "Catalina": Das ist die Geschichte von Catalina de Erauso, die im 17. Jahrhundert lebte, eine schmale Autobiographie hinterließ und ein unglaubliches Leben führte. Markus Orths erfindet dieses Leben noch einmal neu: packend, rasant, kenntnisreich und voll unglaublicher Ereignisse und Wendungen.…mehr

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Produktbeschreibung
Was, wenn ein Mädchen sich entscheidet, als Mann zu leben? Ihre Haare abschneidet, Männerkleidung trägt und ihr Verhalten der neuen Rolle anpasst? Was, wenn sie die fremde Identität mit der Zeit immer mehr verinnerlicht? "Ganz von vorn beginnen, ein neuer Mensch, selber zusammengenäht, selber gestrickt in der Finsternis." "Catalina": Das ist die Geschichte von Catalina de Erauso, die im 17. Jahrhundert lebte, eine schmale Autobiographie hinterließ und ein unglaubliches Leben führte. Markus Orths erfindet dieses Leben noch einmal neu: packend, rasant, kenntnisreich und voll unglaublicher Ereignisse und Wendungen.

Autorenporträt
Markus Orths, 1969 in Viersen geboren, studierte Philosophie, Romanistik und Anglistik. Seit 1999 ist er Mitherausgeber der Literaturzeitschrift "Konzepte". Er lebt in Karlsruhe.
Für seine Erzählungen wurde er mit dem Moerser Literaturpreis, dem "Open mike" der literaturWERKstatt Berlin, dem Marburger Literaturpreis, dem Limburg-Preis und dem Förderpreis NRW ausgezeichnet. Markus Orths lebt in Karlsruhe.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.09.2005

Hundert Schlitze dem Narren, der eure Ehre verteidigen würde!
Ein Buch, das mit dem Film, der darin steckt, nicht konkurrieren kann: Der historische Roman „Catalina” von Markus Orths
Die kleine Catalina, sechstes Kind einer Familie im spanischen Baskenland um 1600, wächst unter den Fittichen ihres großen Bruders Miguel auf, den sie abgöttisch liebt. Doch dieser wird, kaum achtzehn Jahre alt, in die Neue Welt geschickt, um dort sein Glück zu machen. Nur ein Wunsch beseelt das Mädchen von nun an: ihren Bruder wiederzufinden. Als Frau kann sie nicht in die Fremde ziehen; also muss Catalina zum Mann werden. Eine lange Verpuppungszeit verbringt sie im Schutz eines Nonnenklosters, dann, sobald sie einigermaßen für erwachsen gelten kann, flieht sie, näht ihre Kleider um und schifft sich als Francisco Loyola in Sevilla ein.
Den Bruder findet sie tatsächlich wieder, in Chile; doch der hat für sie kaum mehr als Gleichgültigkeit übrig. Die enttäuschte Catalina bleibt bei der Rolle, mit der sie inzwischen fest verwachsen ist, und schlägt sich als Haudegen durchs wilde Südamerika. Am Fuß des Galgens, an dem sie hängen soll, greift sie zum Rettungsmittel, sich zu entkleiden und, zur Bestürzung des gaffenden Volks, ihr wahres Geschlecht preiszugeben. Der überforderte Gouverneur überstellt sie direkt dem Papst in Rom. Dort gelangt sie als „Leutnantnonne” zu Berühmtheit. Sie erhält vom Papst die freie Wahl, ob sie als Mann oder Frau weiterleben will. Catalina/Francisco entscheidet sich für die männliche Identität und geht zurück nach Amerika, wo ihre Spur sich verliert.
Das, sollte man meinen, gibt einen wunderbaren Romanstoff ab. Aber er hat einen Haken: er hat seine Form schon gefunden. Doch ist es weniger die Konkurrenz der gleichfalls romanhaften Bearbeitungen von Thomas De Quincey oder Eduardo Blasco, die dem Roman von Markus Orths das Wasser abgräbt - von denen könnte er sich durch neue Akzente absetzen. Fatal jedoch müssen ihm zwei andere Dinge werden.
Zum einen gibt es den authentischen Bericht der Catalina de Erauso, den sie ihrem Begleiter in die Feder diktiert hat; er dient allen Bearbeitern als Hauptquelle. Orths findet ihn allzu karg und macht sich daran, über das, was ihm als bloßes Gerüst erscheint, seine Draperien zu werfen. Er tut es mit angewandter Psychologie nach Art der heutigen Ratgebeberliteratur. „Es war die Zeit des Austestens, des Überprüfens, wer man wirklich ist, wie man wirkt und was man erreichen kann, eine Zeit, in der alles erlaubt ist, weil man noch kein endgültiges Bild von sich selbst hat, weil man an diesem Bild erst malt und die unterschiedlichsten Stile kopiert, eine Zeit, in der man alles intensiv empfindet . . . ” usw., der Satz ist noch lang nicht zu Ende. Das will seiner Heldin ganz nah sein und bleibt doch im schwammig Allgemeinen kleben.
Catalina de Erauso selbst (sie ist soeben vom Papst zurück) äußert sich in ihrem Lebensbericht in einem anderen Ton: „Da hörte ich das Kichern zweier ,Frauen’, die gegen eine Wand lehnten und gerade zwei junge Männer angesprochen hatten. Sie sahen mich an, und ich sah sie an, und eine von ihnen sagte: ,Senora Catalina, wohin gehst du, so ganz allein?’ - ,Meine lieben Huren’, antwortete ich, ,ich bin gekommen, euch hundert Schläge auf eure hübschen kleinen Nacken zu geben und hundert Schlitze mit dieser Klinge dem Narren, der eure Ehre verteidigen würde!‘ Die Frauen verstummten, und dann eilten sie davon.” Das hält sich ganz ans Äußere und schließt doch mehr komplexe Empfindung in sich als alle routinierte Einfühlerei. Orths zitiert es, ohne zu merken, wie der Glanz solchen Stils seine eigenen Bemühungen verdunkeln muss.
Ein hübscher Januskopf
Nein, auf dem Weg der Einfühlung ist diesem Zwitterwesen nicht beizukommen. Man muss es, soll es seine verwirrende Macht entfalten, von außen anschauen - genauer, man muss wissend den Anderen, die nicht wissen, beim Schauen zusehen. Orths kommt dieser Einsicht einmal nahe, wenn er seine Heldin auf der Bühne scheitern lässt: Das Publikum ahnt nicht, dass die Rolle eines als Frau verkleideten Mannes von einer als Mann verkleideten Frau gespielt wird, und folgerichtig buht es Francisco/Catalina aus, weil es den Mann vermisst, der durch die Frauenkleider durchschiene.
Alles das weist - zweitens - auf den Film als die einzig mögliche Kunstform, die sich des Catalina-Stoffs erfolgreich annehmen könnte. Tatsächlich liegen, wie Orths mitteilt, mehrere Verfilmungen vor, eine aus dem Jahr 1944, „mit der so unglaublich hübschen María Félix als Catalina”. Orths sagt es schmunzelnd anekdotisch und spürt nicht, zu was für einem Januskopf und Medusenhaupt sich dieses scheinbar so leichte Attribut „hübsch” hier auswachsen muss. Er spürt überhaupt sehr wenig - am allerwenigsten, dass die bloße Existenz dieser Filme, selbst wenn sie kein Mensch mehr sähe, ausreicht, um dem Roman das Lebenslicht auszublasen.
Das sind die speziellen Gebrechen des Buchs. Daneben hat es noch Anteil an sämtlichen Plagen, von denen der historische Roman im allgemeinen heimgesucht wird. Neben der Kunst des Erzählens will unbedingt auch der Fleiß der Recherche auf seine Kosten kommen. Dass er alle dreizehn Namen herausgefunden hat, unter denen die heilige Kümmernis (die gekreuzigte Heilige mit Vollbart) europaweit verehrt wird, verkleidet Orths in einen Dialog von peinlichster Unwahrscheinlichkeit. Und wenn Catalina sich in einer Höhle versteckt, so erblüht dem Autor daraus nicht nur ein Anlass, sich zu den Cro-Magnon-Menschen zu verbreiten, er flicht auch die Entdeckung der Höhle durch zwei baskische Speleologen im Jahr 1939 ein, was beides nicht den geringsten Bezug zur Handlung hat.
Dieses Verfahren stellt jedoch mitnichten Vergangenheit her, sondern liefert, wie in einer Vitrine, des Zusammenhangs beraubte Einzelexponate. Syntaktisch schlägt sich das Manko (wie so oft beim historischen Roman) in langen Paraden von Substantiven nieder, die nichts beieinander hält als ein allerdürftigstes Notprädikat: „Es vögelten die grandes, Fürsten, Markisen und Grafen, die im Beisein der Königin die Kopfbedeckung aufbehalten durften, es vögelten die caballeros der Ritterorden von Alcántara, Montesa, Calatrava und Santiago, es vögelten die verarmten Hidalgos, die wegen ihrer Verdienste bei der Reconquista geadelt worden waren, es vögelten die Bürger in den Städten, die Soldaten, die zahllosen Dichter und Studenten, die Bauern, die den größten Teil der Steuern zahlen mussten (. . .)” und so weiter und so fort, bis hinab zum bunten Treiben der Kesselflicker, Garköche und Marionettenspieler. Orths hätte ebensogut schreiben können „es atmeten”; aber er glaubt, dass seine Bildungsnotate ohne solch anbiedernden Schmiss nicht bestehen können - womit er zuletzt Recht hat.
Nein, es ist nichts mit den historischen Romanen. Aus welchen Löchern kommen sie bloß plötzlich alle hervorgekrochen? Warum trägt heute die Fantasy den Sieg über die Science Fiction davon, die Biografie über die Monografie, der historische Roman über die Biografie, das Vergnügen am Wiedererkennen über die Freude an der Erkenntnis, das dümmere über das intelligentere Genre? Ein Buch ist Zeitverschwendung, wenn es dem Leser nicht etwas Neues schenkt, welcher Art auch immer - will das niemand mehr wissen? Orths wollte dem Goldenen Zeitalter Spaniens zu Leibe rücken. Was er in Wahrheit treibt, ist ein Zweitaufguss des 19. Jahrhunderts. BURKHARD MÜLLER
MARKUS ORTHS: Catalina. Roman. Schöffling Verlag, Frankfurt am Main 2005. 310 Seiten, 19,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Was für ein Stoff für einen historischen Roman, stöhnt Tobias Rüther: eine transsexuelle Nonne im Baskenland des 17. Jahrhunderts! Das hätte vielleicht 1995 die Herzen der Kulturwissenschaftler, Historiker, Gender Studierenden höher schlagen lassen, mosert er, als man noch an Ego-Quellen und Körperpolitiken interessiert gewesen sei. Aber jetzt? Jetzt muss man wie der Karlsruher Autor Markus Orths das historisch verbürgte Geschehen möglichst konventionell wiedergeben, ohne Stimmenzersplitterung, gebrochene Perspektiven, verborgene Zeichen. Das ist Orths auf sattsame Weise gelungen, stellt Rüther klar: sein Roman sei ein richtiger Historienschinken, der sich "saftig, deftig, schillernd, schaurig" lese. Der also mit Wonne in Stichwunden wühlt, Eiterbeulen platzen sieht, Kurpfuscher bei der Arbeit beobachtet und die Pest sich ausbreiten lässt. Das alles ist mit soviel "Fingerfertigkeit" erzählt, dass sie Rüther etwas ratlos lässt, denn die ganze Kunstfertigkeit führe irgendwann zu Langeweile - trotz des gebildet-exotischen Sujets, stellt er fest. In den gelungensten Passagen, tritt der Rezensent dann wieder zur Ehrenrettung des Buches an, sei es aber eine "Hymne auf das Erzählen" selbst, und auch wenn man das als Rezensent nicht mehr schreiben dürfe, stimme es in diesem Fall einfach.

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