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Ariel Dorfman hat die Prozesse gegen Pinochet - der 1998 anlässlich eines Besuches in London festgenommen und wegen Folter und Völkermord angeklagt wurde - begleitet und sein Prozessbericht, der sich wie ein Krimi liest, wird ergänzt durch Rückblicke auf den Putsch im September 1973 und das Terrorregime Pinochets. Der Autor schildert einfühlsam und eindringlich die Bedeutung der Verhaftung Puinochets für die überlebenden Opfer und die Angehörigen der Toten und Vermissten sowie die Tatsache, dass der gefürchtete Diktator erstmals angreifbar und mit seinen Taten und Opfern konfrontiert wurde. Er…mehr

Produktbeschreibung
Ariel Dorfman hat die Prozesse gegen Pinochet - der 1998 anlässlich eines Besuches in London festgenommen und wegen Folter und Völkermord angeklagt wurde - begleitet und sein Prozessbericht, der sich wie ein Krimi liest, wird ergänzt durch Rückblicke auf den Putsch im September 1973 und das Terrorregime Pinochets.
Der Autor schildert einfühlsam und eindringlich die Bedeutung der Verhaftung Puinochets für die überlebenden Opfer und die Angehörigen der Toten und Vermissten sowie die Tatsache, dass der gefürchtete Diktator erstmals angreifbar und mit seinen Taten und Opfern konfrontiert wurde. Er geht auch der Frage nach, wie Pinochet und sein Regime möglich wurden und beleuchtet die Verantwortung anderer Staaten, insbesondere der USA.
Autorenporträt
Ariel Dorfman, geb. 1942 in Argentinien, aufgewachsen in Chile. Berater der Regierung Allende. Nach dem Militärputsch 1973 Flucht nach Argentinien. Er lebt und arbeitet heute als Schriftsteller und Professor an der Duke University in North Carolina, USA. Seine Buchveröffentlichungen wurden in mehr als dreißig Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2004

Erprobte Gegnerschaft
Ariel Dorfmans eindrucksvolle Abrechnung mit dem chilenischen Diktator Pinochet

Ariel Dorfman: Den Terror bezwingen. Der lange Schatten General Pinochets. Aus dem Englischen von Ulrike Borchardt. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2003. 191 Seiten, 15,- [Euro].

Für den chilenischen Schriftsteller Ariel Dorfman wurde der 16. Oktober 1998 zu einem der wichtigsten Tage in seinem Leben. An diesem grauen Herbsttag wurde in einer Londoner Klinik der General Augusto Pinochet auf Antrag des spanischen Untersuchungsrichters Garzón verhaftet. Der entscheidende Tag im Leben Ariel Dorfmans war allerdings ein 11. September gewesen, und der hatte auch wieder mit dem General Pinochet zu tun: Am 11. September 1973 hatte der General als chilenischer Heereschef einen Putsch gegen die demokratisch gewählte und linksgerichtete Regierung Allende angeführt und 17 Jahre lang sein Land diktatorisch beherrscht.

Dorfman arbeitete damals für die gewaltsam und mit großem Blutvergießen gestürzte Regierung als Berater des Ministers Fernando Flores, der später in den Vereinigten Staaten zu einem erfolgreichen und angesehenen Theoretiker der sozialen Marktwirtschaft wurde. Dorfman ging ebenfalls ins Exil nach Nordamerika, wo er als Kind und Jugendlicher lange Jahre gelebt hatte und später eine Professur an der Universität erhielt. Von Kind auf zweisprachig, schreibt er die meisten seiner Essays und Romane auf spanisch und auf englisch. Sein Theaterstück "La muerte y la doncella" (Der Tod und das Mädchen, 1991) wurde in vielen Ländern der Welt aufgeführt und von Roman Polanski verfilmt. Außer seiner schriftstellerischen und wissenschaftlichen Arbeit widmete sich Dorfman vor allem dem Kampf gegen die Diktatur. Er veröffentlichte zahlreiche politische Artikel - mehrere auch in dieser Zeitung -, um auf die Verbrechen des Pinochet-Regimes hinzuweisen. Er forderte immer wieder, die Diktatoren - die rechten wie die linken - wegen Verstößen gegen die Menschenrechte auch außerhalb ihres Heimatlandes abzuurteilen. Die Festnahme Pinochets in London und schließlich auch die Tatsache, daß der damals 83 Jahre alte Diktator bei der Untersuchung durch umstrittene Ärzte Geistesschwäche fingieren mußte, um die Auslieferung nach Spanien zu verhindern, wurden von ihm als Erfolge in dem unermüdlichen Kampf gegen die Diktaturen gewertet, wenn er auch lieber Pinochet vor einem Gericht gesehen und ihm das Schicksal des Serben Milosevíc gewünscht hätte.

"Den Terror bezwingen" ist ein zeitgeschichtliches, aber auch ein literarisches Buch. Die Chronik der Ereignisse während Pinochets Haft in England wechselt mit politischen Stellungnahmen und Erinnerungen an Mordtaten und Folterungen des Regimes. Mit vielen der Opfer hatte der Diktator vor dem Putsch engen Umgang gepflegt. Es machte ihm offenbar nichts aus, auch gute persönliche Freunde umbringen zu lassen. Die Reaktion des Diktators auf diese Mordtaten ist in ihrer Gefühlskälte besonders erschreckend. Dorfman konnte sich, etwa wenn er beschreibt, wie sich der General gegenüber den Witwen und Kindern der mit seiner Billigung getöteten Minister Allendes verhielt, auf zuverlässige Zeugen stützen. Die Ermordung seines früheren Vorgesetzten, des Verteidigungsministers Letelier, dem er immer so dienstbeflissen die Aktentasche tragen wollte, hatte er sogar selbst in Auftrag gegeben.

Die erprobte Gegnerschaft zu Pinochet führt Dorfman keineswegs zu unbewiesenen Anklagen und leichtfertigen Vorwürfen. Die Folterungen und anderen Verbrechen der Diktatur waren schon längst bekannt, auch als manche europäische und noch mehr nordamerikanische Politiker sich um gute Beziehungen zu dem grausamen Diktator bemühten. Die Militärjunta unter Pinochet hatte in den ersten Monaten ihre schlimme Repression keineswegs verheimlicht. Sie meinte, damit den von ihr offensichtlich überschätzten Widerstand gegen den Putsch und seine Folgen abzuschrecken. Hatte Pinochet nicht selbst in einem Interview gesagt: "Man muß diese Marxisten doch ordentlich foltern, sonst sagen diese Kerle ja nicht aus."

Dorfman schreibt, daß er sich von 1973 bis heute wie ein Besessener vorgekommen sei: besessen von der Figur Pinochet. Er habe von dem General geträumt, sich ihn immer wieder als Angeklagten vor Gericht oder in einem Kerker vorgestellt. Das Buch beginnt mit jener ergreifenden Gedenkfeier am 13. März 1990, zu der der neugewählte demokratische Präsident Aylwin gleich nach seinem Amtsantritt die Angehörigen der ermordeten und verschwundenen Männer und Frauen des Widerstandes, die neue Regierung und auch ausländische Gäste ins Nationalstadion eingeladen hatte - das gleiche "Estadio Nacional", das die Putschisten in ein großes Konzentrationslager verwandelt hatten und in dem Tausende von politischen Gefangenen mißhandelt wurden. Unvergeßlich wird allen, die damals auf den Rängen des Stadions dabeisein konnten, der von den Frauen der Verschwundenen dargebotene "cueca", der chilenische Nationaltanz, bleiben. Die Witwen tanzten ihn als "cueca sola", allein, ohne Partner, nur mit den Fotos ihrer von der Diktatur ermordeten Männer in der Hand.

In allem, was Pinochet und Chile betrifft, berichtet Dorfman sehr genau und tatsachengetreu. Er erklärt auch die recht trockenen Argumentationen der verschiedenen britischen Gerichte über Pinochets Auslieferung korrekt und in verständlicher Form. Nur bei den Ausführungen über den effizienten Untersuchungsrichter Garzón unterläuft Dorfman ein kleiner Fehler: Nicht Mitglieder der damaligen spanischen Regierung, sondern Polizeiführer hatten "illegale Trupps zu Folterung und Eliminierung von Eta-Terroristen ins Leben gerufen". Einige Mitglieder der Regierung hätten früher und entschlossener gegen den Polizeiterrorismus vorgehen sollen. Die Trennung - auch im Schriftbild - zwischen der Chronik der Ereignisse und den von Emotionen mitbestimmten Erinnerungen und Kommentaren erweist sich für den Leser als nützlich.

WALTER HAUBRICH

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.09.2003

Tod durch Vergessen
Ariel Dorfman träumt vom Prozess gegen den früheren chilenischen Diktator Pinochet
ARIEL DORFMAN: Den Terror bezwingen. Der lange Schatten General Pinochets. Konkret Literatur Verlag, Hamburg 2003. 191 Seiten, 15 Euro.
Es ist schon bewundernswert, wie Ariel Dorfman, Exil-Chilene seit dem Putsch von 1973, seine Hoffnungen und Energien darauf richtet, den einstigen Diktator General Augusto Pinochet vor Gericht gebracht zu sehen. Die Verve, mit der er zu verhindern sucht, dass der General und seine Schergen ihren Lebensabend ohne Angst vor der Justiz genießen können, tut vielleicht jenen vielen Landsleuten Dorfmans gut, deren Angehörige der General ermorden ließ.
Der 11. September 1973, der Militärputsch gegen den gewählten Präsidenten Salvador Allende, war ebenso monströs wie der 11. September 2001. Mit dem Unterschied allerdings, dass US-Politiker wie Henry Kissinger, der Weltkonzern ITT und die CIA dem General als Steigbügelhalter dienten und den Terror, den er in den folgenden 17 Jahren entfachte, nicht nur duldeten, sondern auch unterstützten.
Der Autor nimmt Partei für die Geschundenen und beschreibt sehr einfühlsam, was die Regimegegner zu erleiden hatten. Er versucht in einer psychologischen Annäherung an Pinochet zu ergründen, „wie jemand, der dermaßen normal und sogar mittelmäßig wirkt, so viel Übel in die Welt bringen kann”. Er erzählt, beschreibt und analysiert im Wechsel, typographisch gegeneinander abgesetzt, sodass die Lektüre auch Nicht-Experten packen wird.
Es war nach der Rückkehr zur Demokratie von 1990 an strittig, wie sich die Verfolgten des Pinochet-Regimes verhalten sollten. Während der Ex-Diktator seine Mittäter mit einer Amnestie und sich selbst durch die Ernennung zum Senator auf Lebenszeit dem Zugriff der Justiz zu entziehen versuchte, hat man den Opfern zumuten wollen, um des Friedens und der noch fragilen Demokratie willen stillzuhalten. Eine „heuchlerische Versöhnung”, empört sich Dorfman.
„Tod durch Vergessen, Verdrängen und Distanz”: Das ist das moralische Debakel, das der lateinamerikanische Schriftsteller fürchtet. Er kämpft deshalb beharrlich gegen die Gefahr einer kollektiven Amnesie an. Erfolg kann diesem Bestreben nur beschieden sein, wenn dem ehemaligen Diktator der Prozess gemacht wird. Dorfman träumt von der Stunde der Wahrheit, in der das Urteil gegen Pinochet ergeht. Und von dem Tag, an dem Schluss sein wird mit der Straffreiheit für einstige Diktatoren.
Der Autor schildert minutiös die juristischen Ereignisse im Fall Pinochet, von der Verhaftung durch Scotland Yard in London am 18. Oktober 1998 auf Anordnung des spanischen Richters Baltasar Garzón bis zum Scheitern des in Chile dann doch gegen ihn eröffneten Verfahrens. Im Juli 2002 lehnte das Oberste Gericht die Anklage wegen der vermeintlichen Demenz Pinochets endgültig ab. Trotzdem war das Engagement Dorfmans und vieler Gleichgesinnter nicht umsonst. Der Autor: „Der Fall Pinochet wird ein grundlegender Schritt zur Verwirklichung der Menschenrechte bleiben.” Diesen Optimismus kann man nach der Lektüre dieses aufschlussreichen, mit Emphase geschriebenen Buches teilen.
FRANK NIESS
Demonstration der Stärke: Eine Woche nach dem Sturz des gewählten Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 salutieren die Mitglieder der Junta (zweiter von links vorne: General Augusto Pinochet) zum Unabhängigkeitstag.
Foto: AP
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

"Rezensent Walter Haubrich zeigt sich beeindruckt von diesem Buch, das ihn nicht nur als zeitgeschichtliches Dokument, als Chronik der Ereignisse nach dem 11. September 1973, sondern auch literarisch überzeugt hat. Nützlich erweist sich für ihn auch die bis ins Schriftbild vollzogene Trennung zwischen Chronik, den von Emotionen mitbestimmten Erinnerungen an Mordtaten und Folterungen und Ariel Dorfmans Kommentaren. Bewegt zeigt sich der Rezensent besonders von den Beschreibungen der kaltblütigen Ermordung selbst persönlich guter Freunde und Wegbegleiter Augusto Pinochets, vom Diktator teilweise selbst in Auftrag gegeben. In allem, was Pinochet und Chile betreffe, berichtet Dorfman nach Ansicht des Rezensenten trotz erprobter Gegnerschaft sehr genau und tatsachengetreu. Korrekt und in verständlicher Form findet er auch die recht trockene Argumentation der verschiedenen britischen Gerichte über Pinochets Auslieferung erklärt. Nur bei Dorfmans Ausführungen über den "effizienten Untersuchungsrichter Garzon" hat Haubrich einen kleinen Fehler gefunden.

© Perlentaucher Medien GmbH"