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In der Pizzeria Da Mario im Bahnhof einer Kleinstadt, die vom Mittagstisch für Fahrschüler und wenige Durchreisende lebt und abends nach 20 Uhr eins der wenigen Lokale vor Ort ist, die noch geöffnet haben, taucht eines Tages ein Herr Korn auf. Er ist Antiquitätenhändler und bewohnt am Stadtrand ein luxuriöses Haus. Bald kommt er regelmäßig, und zwischen ihm und dem italienischen Wirt entwickelt sich eine gewisse Vertrautheit.
Und dann taucht Sylvia Wolken auf, zwei Rollkoffer hinter sich herziehend, und Herr Korn und Frau Wolken kommen ins Gespräch Es entspinnt sich eine funkelnde Situation
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Produktbeschreibung
In der Pizzeria Da Mario im Bahnhof einer Kleinstadt, die vom Mittagstisch für Fahrschüler und wenige Durchreisende lebt und abends nach 20 Uhr eins der wenigen Lokale vor Ort ist, die noch geöffnet haben, taucht eines Tages ein Herr Korn auf. Er ist Antiquitätenhändler und bewohnt am Stadtrand ein luxuriöses Haus. Bald kommt er regelmäßig, und zwischen ihm und dem italienischen Wirt entwickelt sich eine gewisse Vertrautheit.

Und dann taucht Sylvia Wolken auf, zwei Rollkoffer hinter sich herziehend, und Herr Korn und Frau Wolken kommen ins Gespräch Es entspinnt sich eine funkelnde Situation aus Andeutung und Geheimnis, Anziehung und Rückzug. Züge kommen an und fahren ab, und die zwei Gäste geraten in die funkelnde Stimmung einer Zwischenstation.

Dialogisch geschrieben, war dieser Text fürs Theater gedacht und hatte 2002 in Winterthur seine Uraufführung. Er liegt jetzt erstmalig als Buch vor.
Autorenporträt
Gerd Fuchs, geboren 1932 in Nonnweiler (Saar), arbeitete als freiberuflicher Publizist, als Feuilleton-Redakteur bei der Welt, als Kultur-Redakteur beim Spiegel, und ist seit 1968 freiberuflicher Schriftsteller. Er wurde ausgezeichnet mit dem Förderpreis des Lessing-Preises der Stadt Hamburg, dem Förderpreis für Literatur der Stadt Hamburg und dem Kunstpreis der Stadt Saarbrücken. Er ist Mitglied des PEN und lebt in Hamburg. 2007 erhielt Gerd Fuchs den Italo-Svevo-Preis.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.07.2015

Blitz und Wolke
Gerd Fuchs inszeniert einen
Tanz um verpasste Gelegenheiten
Dass ein Bahnhof ein transitorischer Ort ist, an dem alles flüchtig und ungewiss bleibt, ist keine besonders bahnbrechende Erkenntnis. Aber es kommt ja darauf an, was man damit anfängt. Zumal der Bahnhof in Gerd Fuchs’ Novelle die klassische Vorstellung dessen, was an einem Bahnhof geschieht, außer Kraft setzt: Weder kommt hier jemand an, noch fährt jemand weg. Hin und wieder hält ein Zug.
  Doch das Entscheidende ist nicht der Verkehrsfluss, sondern die Gaststätte, die von Mario geführt wird. Mario wurde in Deutschland geboren. Als er sieben Jahre alt war, gingen seine Eltern nach Sardinien zurück; mit dreizehn durfte er wieder nach Deutschland, zu seinem Onkel, in dessen Restaurant er schuftete, bevor er hier, irgendwo in der norddeutschen Provinz, sein eigenes Restaurant eröffnete.
  Die Gaststätte wird zur Bühne einer Romanze, erzählt von Mario, beobachtet durch die Durchreiche von der Küche zum Gastraum. Ein kleiner, begrenzter Ausblick auf die Welt, ein Guckkasten. Was Mario dort sieht, ist der charmante Tanz einer späten Liebe, eine Umgarnung mit surrealen Zügen.
  Da ist Herr Korn, Antiquitätenhändler im Ort, noch nicht lange verwitwet und seit dem Tod seiner Frau Stammgast mit einem Hang zur Schwermut. Und eines Tages schwebt Frau Wolken herein, zwei Rollkoffer hinter sich herziehend, und der berüchtigte Blitz schlägt ein. Das ist ein wenig altmodisch, wie auch die Sprache in „Liebesmüh“ sich bewusste Anachronismen leistet (wer benutzt heute noch das Wort „Backfisch“ im Zusammenhang mit jungen Frauen?), aber fein ausbalanciert und vor allem mit subtilem Humor inszeniert. Herr Korn und Frau Wolken, verbunden in gegenseitiger Anziehung, immer wieder auseinandergerissen dadurch, dass entweder der oder die eine im richtigen Augenblick das Falsche tut oder sagt. Frau Wolken hat noch einen Ehemann. Der tut ihr leid. Denn im Grunde, so sagt sie, habe sie ein Problem mit Männern: „In der Niederkritisierung des Mannes gipfelt die einzig wahre und richtige Welterleuchtung.“ Der Zug, den Frau Wolken nehmen will, um von hier zu verschwinden – er wird stets ohne sie abfahren. Und eines Tages sind sie beide verschwunden, so plötzlich, wie sie gekommen sind: Die Villa des Herrn Korn ist verkauft, sein Geschäft geschlossen.
  In diesem Augenblick offenbart sich der melancholische Kern der Novelle: Einsam ist in Wahrheit derjenige, der uns das alles erzählt. Mario heißt in Italien „der Deutsche“ und in Deutschland „der Italiener“. Er hat keine Heimat und keine Freunde und nun auch kein Schauspiel mehr, das er von der Küche aus verfolgen kann. Das Glück der anderen erträgt der Unglückliche nur mit Mühe: „Ich knallte die Klappe zur Durchreiche herunter. Ich hätte es schon viel früher tun sollen.“
CHRISTOPH SCHRÖDER
Gerd Fuchs: Liebesmüh. Novelle. Edition Nautilus, Hamburg 2015. 96 Seiten, 18 Euro.
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