Produktdetails
  • Verlag: ars una
  • Seitenzahl: 303
  • Erscheinungstermin: 27. August 2008
  • Deutsch
  • Abmessung: 245mm
  • Gewicht: 674g
  • ISBN-13: 9783893918607
  • ISBN-10: 3893918604
  • Artikelnr.: 24822349
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.09.2008

Strauß für Feinschmecker
Der CSU-Politiker aus der Sicht seines engsten Vertrauten
Bücher über Politiker, die von engen Weggefährten geschrieben werden, haben ihre natürliche Beschränkung, aber auch einen ganz eigenen Reiz. Die Beschränkung liegt darin, dass praktisch nie ein umfassendes, objektives Bild des Beschriebenen zu erwarten ist. Denn dazu steht ihm der Autor in aller Regel zu nahe, politisch und emotional. Das führt meist dazu, dass Verständnis und Nachsicht walten, wo ein Schuss kritischer und vielleicht auch selbstkritischer Distanz angebracht wären. Der spezielle Reiz solcher Bücher liegt andererseits gerade in der großen Nähe des Autors zu seinem Objekt. Denn dadurch werden Detailschilderungen möglich, die für einen Außenstehenden unmöglich wären. Man ist, wenn diese Schilderungen über das rein Anekdotische hinausreichen, aus der Perspektive des Betroffenen hautnah dabei. Ein gänzlich neues Bild entsteht dadurch in der Regel zwar nicht, aber das alte Bild erhält möglicherweise neue Facetten, wird schärfer und vielschichtiger. Das macht den eigentlichen Wert solcher Bücher aus.
Das Buch von Wilfried Scharnagl über Franz Josef Strauß, das rechtzeitig vor dessen 20. Todestag am 3. Oktober fertig geworden ist, macht da keine Ausnahme. Bereits der Titel „Mein Strauß” macht klar, dass es um eine sehr persönliche Sicht auf den CSU-Politiker geht. Dafür steht auch die Person des Autors. Scharnagl, der langjährige Chefredakteur des CSU-Parteiorgans Bayernkurier ist einer der engsten Vertrauten von Strauß gewesen, politisch sowieso, aber auch persönlich. Scharnagl hat Strauß einst als „Faszinosum” bezeichnet – und seine Bewunderung ist bis auf den heutigen Tag ungebrochen. Insofern ist klar, dass Scharnagl die Politik von Strauß an keiner Stelle in Zweifel sieht. Strauß war sicherlich eine der großen Gestalten der deutschen Nachkriegspolitik, und seine Partei wäre froh, wenn sie heute auch nur eine „Reklamausgabe” (so eine Strauß-Sottise, gemünzt auf in seinen Augen unfähige CDU-Politiker) von ihm besäße. Aber er war eben auch ein großer Polarisierer. Wohl kaum ein anderer Politiker hat auf der einen Seiten so glühende Bewunderung, auf der anderen Seite hingegen so scharfe Ablehnung erzeugt. Strauß ließ niemanden kalt, der jemals mit ihm zu tun hatte.
Scharnagl hält mit seinem Strauß-Buch die Sicht der Bewunderer noch einmal fest, für die Strauß, vor allem ein politischer Visionär war, der weit über dem politischen Tagesgeschäft schwebte. Selbst das schwärzeste Kapitel im politischen Leben von Strauß, die Spiegel-Affäre, wird bei Scharnagl in ein mildes Licht getaucht, nur ein kleines Eingeständnis ringt er sich ab: „Es muss eingeräumt werden, der Spiegel und die Spiegel-Affäre haben bei Teilen der Deutschen das Bild von Strauß zum Zerrbild werden lassen . . .”.
Regelrecht spannend wird Scharnagls Buch hingegen, wenn er über die Verwerfungen und Spannungen innerhalb der Union, aber auch innerhalb der CSU selbst berichtet. Und zwar mit einer Offenheit, die erstaunlich ist bei einem Mann, der während seiner Bayernkurier-Jahre über Interna stets eisern geschwiegen hat. Die Schilderung der Konflikte, die Strauß mit seiner eigenen Partei ausgefochten hat, gehören zu den lesenswertesten Kapiteln des Buches und machen ganz nebenbei noch einmal deutlich, welche unglaubliche Autorität Strauß in seiner eigenen Partei hatte. Die Auseinandersetzungen über die christliche Gemeinschaftsschule in Bayern, das Ausmaß der Gebietsreform oder die brachiale Kraft, mit der Strauß 1973 das bayerische Kabinett unter Alfons Goppel zu der Verfassungsklage gegen den Grundlagenvertrag zwang, sind Beispiele dafür. Strauß hat seine Interventionen von Bonn aus, also quasi von außen unternommen. Es war schon zur Zeit von Theo Waigel als CSU-Chef undenkbar und wäre heute völlig ausgeschlossen, dass der Bonner oder jetzt der Berliner Teil sich derart massiv in die Münchner Angelegenheiten der CSU einmischen könnte.
Auch persönliche Erlebnisse mit Strauß kann Scharnagl, der den CSU-Chef auf vielen Reisen begleitete, natürlich beisteuern. Wie Strauß zum Beispiel bei einer China-Reise dem Pfarrer einer katholischen Kirche, die er gegen den Widerstand seiner Gastgeber besuchte, den Inhalt seiner „wohlgefüllten Brieftasche” spendete. Oder wie er kurz vor seinem Tod auf seinem letzten Flug in die USA stundenlang englische Fachaufsätze über Flugzeugtechnik las, jedes unbekannte Wort im Lexikon nachschlug und anschließend „feinsäuberlich in ein Vokabelheft eintrug”. Wilfried Scharnagl liefert natürlich keine objektive Analyse über seinen Freund Strauß. Aber er serviert einen Strauß für Feinschmecker und Liebhaber. PETER FAHRENHOLZ
WILFRIED SCHARNAGL: Mein Strauß. Staatsmann und Freund. Verlag Ars Una, Neuried 2008. 303 Seiten, 29,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.12.2008

Franz Josef Strauß ist tot!
Der größte Intimus und Strauß' Sohn blicken zurück

Seit 20 Jahren hoffen Freunde und Feinde des am 3. Oktober 1988 verstorbenen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß, dass endlich Licht ins Dunkel um Vermutungen und Unterstellungen gebracht wird, die untrennbar mit seiner Person und seiner Politik verbunden sind. Doch bleiben viele Fragen noch unbeantwortet. Die große Aufarbeitung des umfänglichen Strauß-Nachlasses steht noch aus. Bleibt also nur zu hoffen, dass Zeitzeugen und Weggefährten das Schweigen zwischenzeitlich brechen und die interessierte Öffentlichkeit an ihren Erinnerungen teilhaben lassen.

Mit diesem Ziel vor Augen hat der frühere Chefredakteur des "Bayernkuriers" Wilfried Scharnagl ein Buch vorgelegt, das die Schlucht zwischen, wie Scharnagl meint, "veröffentlichtem Klischee und politischer wie menschlicher Wirklichkeit" einebnen und die "verleumderischen Zerrbilder" glätten soll. Scharnagl kann sich dabei auf die große Nähe zu Strauß und dessen Familie berufen, die er auf vielen Reisen begleiten durfte und der er häufig beistand. Es besteht kein Zweifel, dass er vieles gehört und gesehen haben muss, was nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Doch (leider) bewahrt Scharnagl dem Freund und Staatsmann gegenüber Loyalität und schweigt wie ein Grab. Stattdessen betet er einen 300 Seiten langen Kreuzweg von Strauß' Geburt in der Münchner Schellingstraße bis hin zu seinem Tode in einem Regensburger Krankenhaus herunter - einem Tod, den der Freund gleich mehrfach erleiden muss: zu Beginn des Buches, am Ende des Buches und zwischendurch auch das eine oder andere Mal. Auf den Seiten 273 bis 277 beginnen neun Absätze in Folge mit den Worten "Franz Josef Strauß ist tot". Scharnagls Mantra zeigt, was er und die halbe CSU bis heute nicht verwunden haben: Der große Vorsitzende ist nicht mehr!

Wer sich zuvor gelegentlich mit Straußens Leben und Wirken beschäftigt hat, erfährt - von einigen Anekdoten abgesehen - kaum etwas Neues über die Person und die Politik des faszinierend widersprüchlichen Bajuwaren. Kritik an Strauß sucht man in Scharnagls Werk vergebens. Die Mehrzahl der Leser wird das kaum stören, denn wer sich zum Kauf eines Werkes mit dem Titel "Mein Strauß. Staatsmann und Freund" entschließt, der weiß, was ihn erwartet.

Auch der jüngere Strauß-Sohn Franz Georg hegt den Wunsch, einiges "richtig darzustellen". Das Ergebnis ist ein kurzweiliges, hier und dort etwas sprunghaftes, aber immer unterhaltsames Buch über das letzte Lebensjahrzehnt des Vollblutpolitikers. Der Verfasser ist selbstkritisch genug, um einzuräumen, dass sich seine Erinnerungen und Einschätzungen nicht durch Objektivität auszeichnen können, doch ist festzustellen, dass er sich um ein Mindestmaß an Distanz bemüht und in Darstellung und Urteil auch kontroverser Episoden größtmögliche Ausgewogenheit anstrebt. Freilich, die üblichen Lobgesänge auf die überragende Intelligenz, insbesondere auf das phänomenale Gedächtnis und die unglaubliche Lernfähigkeit des Übervaters, dürfen auch bei ihm nicht fehlen. Doch die Preisungen werden konterkariert durch das für ein Familienmitglied erstaunliche Eingeständnis, dass der Franz Josef gelegentlich auch Fehler gemacht habe. Besondere Aufmerksamkeit ist der Familie gewidmet, zuvörderst der 1984 verunglückten Ehefrau und Mutter Marianne, aber auch den Großeltern väterlicher- und mütterlicherseits, der Schwester beziehungsweise Tante Maria und im Rahmen privater und beruflicher Anekdoten natürlich auch dem Verfasser selbst.

Unglaubwürdig erscheinen die rechtfertigenden Passagen über die Verbindungen zu Karlheinz Schreiber, dem private Gelder der Familie zur Vermehrung anvertraut worden waren, bis sich schließlich herausstellte, dass Schreiber nicht zum Anlageberater taugte und der größte Teil des Vermögens verloren war. Kannte der ehemalige Bundesfinanzminister tatsächlich keine zuverlässigeren Berater als diesen windigen Schreiber im fernen Kanada? Verfügte Strauß nicht selbst über genügend Sachverstand, um sich der gewinnbringenden Anlage seines Vermögens persönlich zu widmen? Ein besonderer Reiz des Buches von Franz Georg Strauß geht von zahlreichen Reiseerlebnissen aus, die er zu schildern vermag, da er seinen Vater oft begleiten durfte. Nicht zuletzt deswegen sind diese Erinnerungen eine empfehlenswerte Lektüre und darüber hinaus ein weiteres Plättchen im immer noch nicht vollendeten großen Strauß-Mosaik.

STEFAN FINGER

Wilfried Scharnagl: Mein Strauß. Staatsmann und Freund. Verlag Ars Una, München 2008. 303 S., 29,80 [Euro].

Franz Georg Strauß: Mein Vater. Erinnerungen. Herbig Verlag, München 2008. 295 S., 19,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Seine Annahme, dass von einem Strauß-Freund keine objektive oder kritische Darstellung zu erwarten sei, sieht Peter Fahrenholz bestätigt. Und er ist nicht weiter überrascht, in einem Buch mit dem Titel "Mein Strauß" zum 20. Todestag einen "Strauß für Feinschmecker und Liebhaber" zu finden. Überraschend waren für den Rezensenten nur Interna über Spannungen in der Union und der CSU, die Strauß durch sein autoritäres Auftreten ausgelöst hat. Im "Bayernkurier", dem CSU-Hausblatt, dessen Chefredakteur der Autor lange Jahre war, schwieg sich Scharnagl darüber aus, so der Rezensent. Die Politik des mächtigen Freundes ziehe er nie in Zweifel: Selbst die "Spiegel"-Affäre, wohl eines der schwärzesten Kapitel in Strauß' Karriere, findet der SZ-Kritiker in ein mildes Licht getaucht.

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