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Am 20. Februar 2005 hat sich Hunter S. Thompson das Leben genommen. In diesem Band erweist sich Hunter S. Thompson als großer Briefeschreiber, dessen Prosa, wie The New Republic einmal schrieb, getränkt war von »einer Art Rimbaud'schen Delirium«, wie es nur »wenigen Genies« eigen ist.

Produktbeschreibung
Am 20. Februar 2005 hat sich Hunter S. Thompson das Leben genommen. In diesem Band erweist sich Hunter S. Thompson als großer Briefeschreiber, dessen Prosa, wie The New Republic einmal schrieb, getränkt war von »einer Art Rimbaud'schen Delirium«, wie es nur »wenigen Genies« eigen ist.
Autorenporträt
Hunter S. Thompson wurde 1937 in Louisville, Kentucky geboren. Er begann seine Laufbahn als Sportjournalist, bevor er Reporter für den Rolling Stone und als Begründer des Gonzo-Journalismus zu einer Ikone der Hippiebewegung wurde. Hunter S. Thompson nahm sich am 20.02.2005 in seinem Wohnort Woody Creek, Colorado, das Leben.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Jens Uthoff weiß genau, wen er vor sich hat in diesen Briefen. Dass Hunter S. Thompson nicht nur den Bewusstseinsstrom in den Journalismus brachte, sondern auch unkorrumpierbar war und in seinen Flüchen, die noch lange nach der Lektüre dieser erstmals auf Deutsch erscheinenden Briefe an Kollegen, Verleger und Politiker nachwirken, sich vor allem die Wut eines politisch Engagierten niederschlägt, daran hat Uthoff keinen Zweifel. Vor allem die Schnapsideen des Gonzos bleiben dem Rezensenten in Erinnerung, und ein bisschen scheint es Uthoff zu bedauern, dass Lyndon Johnson den Autor dereinst nicht erhörte und ihn nicht zum Gouverneur von Samoa machte.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.06.2015

Lieber Tom, Du Abschaum von einem verfluchten Bastard
Briefe von Hunter S. Thompson sind ein grobianisches Vergnügen, doch hinter der Inszenierung als "Outlaw" steht ein Moralist

Der Journalismus geht unter, seit er existiert. Dass "aus Zeitungsleuten eine Brut unbrauchbarer Schreiberlinge und Klatschreporter geworden ist", scheint den Medienkritikern unserer Tage aus der Seele gesprochen. Allerdings stammt der Satz bereits aus dem Jahr 1959, und er geht noch weiter, erkennt den Ursprung dieses journalistischen Abstiegs in der "psychopathisch anmutenden Selbstgefälligkeit" der Öffentlichkeit, die sich aus wiederum von der Presse mitzuverantwortender Unbildung eben nach Klatsch sehne.

Hunter S. Thompson, ein junger, unbekannter Journalist, hatte dies an William Kennedy geschrieben, den Verleger des "San Juan Star" auf dem fernen Inselchen Puerto Rico. Vorausgegangen war eine Bewerbung Thompsons, in der er weidlich über die Presse geflucht hatte, schließlich hatte ihn der "Daily Record" nach dem Eintreten eines Süßigkeitenautomaten soeben gefeuert. Auf Kennedys leicht höhnische Ablehnung des Jobgesuchs reagierte der Zurückgewiesene mit der Ankündigung, "dass ich Ihnen zuerst die Zähne einschlagen und Ihnen dann eine Bronzetafel tief in Ihren kleinen Darm rammen werde". Das imponierte dem Provinzverleger derart, dass er bei Thompson einen Artikel über den Journalismus in Amerika bestellte. Auch wenn daraus nichts wurde, blieb die Brieffreundschaft mit Kennedy ein Leben lang bestehen.

Spätestens in diesem Moment dürfte Thompson gemerkt haben, welche Macht in der Cowboy-Attitüde lag. Pöbeln war bereits die halbe Miete für eine Kometenkarriere als Kamikaze-Journalist. Natürlich brauchte es auch die andere Hälfte, erzählerisches Talent, über das er aber zu Genüge verfügte. Der Aufstieg zum wildesten Hitzkopf des "New Journalism" konnte beginnen, auch wenn sich Thompson gegen dieses Etikett immer gewehrt hat, und zwar aus dem einfachen Grund, dass Tom Wolfe das Copyright darauf hielt. So sehr er Wolfe auch bewunderte - geradezu liebevoll kreativ klingen die Anreden: "Du kleptomanischer, warzenübersäter Haufen Albino auf Beinen"; "Du Abschaum von einem verfluchten Bastard", "Dein schmieriger weißer Anzug wird nur noch ein Leichentuch sein" -, so wollte Thompson doch als Solitär durchgehen, nicht als Adept. Er sprach schließlich von "Gonzo", meinte aber ebenso literarisch überhöhte, hemmungslos persönliche Reportagen. Das Faszinierende daran war der Abstand zum medialen Normalbetrieb, aber durchaus auch der dröhnende Vollgas-Stil. Zu Recht zählen die Werke des lautesten aller Ich-Sager, der sich nach einem Nahkampf-Leben an den Fronten des Gesellschaftskriegs schließlich in einer Art Festung in Woody Creek verbarrikadierte und vor zehn Jahren das Leben nahm, heute zu den modernen Klassikern der amerikanischen Literatur.

Endlich ist nun ein großer Teil der Briefe von Hunter S. Thompson auf Deutsch erschienen, und zwar in einem Doppelband, der eine gute Auswahl aus den beiden ersten "Gonzo Letters"-Bänden von 1998 und 2000 trifft. Diese von Douglas Brinkley herausgegebenen Bände hatte der Autor noch selbst und quasi als Autobiographie-Ersatz autorisiert. Dass Thompsons Draufgängerstil in der Übersetzung nicht albern oder aufgesetzt wirkt, ist das Verdienst des Übersetzers (und "Blumenbar"-Gründers) Wolfgang Farkas, der sich um harte Vokabeln nicht drückt, wo sie nötig sind.

Die Briefe an Freunde, Freundinnen, Konkurrenten wie Anthony Burgess ("Erheben Sie Ihren wertlosen Arsch"), Verlagsmenschen ("Agenten, Lektoren, Verleger - der ganze Abschaum") und andere Feinde waren immer zur Veröffentlichung gedacht. Der Autor fertigte in erstaunlich penibler Pingeligkeit Durchschläge an und schleppte die Kopien seiner etwa zwanzigtausend Briefe wie einen Schatz durch sein unstetes Leben. In ihnen, das macht eine solche Zusammenschau deutlich, wird eine Persönlichkeit kreiert, eine öffentliche Figur, der Klassensprecher der Gegenkultur.

Zu dieser Figur gehört die Dauerklage über Geldknappheit, auch wenn die Angepumpten wohl nur selten Geld geschickt haben dürften. Selbst als Thompsons Publikationen Bestsellerstatus erreichen, kommt kaum ein Brief ohne die Erwähnung aus, dass der Autor "völlig am Ende" sei, "nur noch zweihundert Dollar" besitze oder mit Zehntausenden beim Finanzamt in der Kreide stehe. Nichts war so wichtig wie der Underdog-Ruf. Um diesen nicht zu gefährden, erlegte sich der Autor sogar eine gewisse Zurückhaltung bei der Markierung des harten Kerls auf. Noch im Juli 1958 gibt er damit an, bei einer Party von "Time Life"-Verleger Henry Luce betrunken randaliert und haufenweise Krempel gestohlen zu haben. "Thompsonismen" nennt er das prahlerisch. In den späteren Briefen beschränkt sich Thompson in puncto Imagepflege auf das Ausmalen der eigenen Kaputtheit und auf Wutausbrüche gegen die Verkommenheit der Gegenwart.

Die Bedeutung von Labels wie "Gonzo" oder "Outlaw-Journalist" war Thompson bewusst. In den Briefen lässt sich nachvollziehen, wie es zu dem berühmten "Angst und Schrecken"-Markenzeichen kam, das bald eine ganze Reihe seiner Reportagen zieren sollte. Erstmals rutscht Thompson die Wendung am 22. November 1963 anlässlich der Ermordung J. F. Kennedys heraus, und es scheint ihm ein passendes Etikett zu sein für die Ära, "in der uns die ganze Scheiße um die Ohren fliegen wird". Bezogen auf den Vietnam-Krieg, traf diese Prophezeiung sogar einigermaßen zu. Und dass Thompson einer der schärfsten Kritiker dieses Krieges war, zeigen die Briefe besonders deutlich, wobei er immer wieder - so auch in einem Schreiben an Präsident Lyndon B. Johnson vom März 1965 - als Patriot argumentiert, der das Verheizen amerikanischer Soldaten anprangert: "Man kann jemanden wie mich kaum als politisch unvermögenden, windigen, liberalen Ostküsten-Minderheiten-Beatnik-Halunken abtun."

Und doch war er im Herzen ein Moralist und der Ostküsten-Gegenkultur bei allem Waffengefuchtel näher, als er tat. Weder die Subversion der Kommunalpolitik in Colorado im Namen der "Freak-Power-Bewegung", bei der Thompson 1970 beinahe zum Sheriff von Pitkin County gewählt worden wäre (zum Wahlprogramm gehörte die Umbenennung der Stadt Aspen in "Fat City"), noch diese satirische Aktion, das zeigen die Briefe, meinte er vollkommen ernst. Der Antrieb war eine tiefe Verachtung für das politische Establishment.

Seine berühmteste Verwendung fand das "Fear and Loathing"-Label wohl bei jener Reportage über Las Vegas, die sich als Chronik eines einzigen Drogentrips gibt. Da mag mancher Bewunderer enttäuscht sein, wenn er nun durch einen Brief an den Random-House-Verleger Jim Silberman erfährt, dass Thompson in Las Vegas keineswegs Drogen konsumiert hat, sondern dass der Text "ein sehr bewusster Versuch war, einen Drogenausraster zu simulieren". Frei erfunden sei das aber trotzdem nicht, sondern ihm aus anderen Zusammenhängen gut bekannt. Es ist vielleicht gerade das in diesem Eingeständnis sichtbar werdende Kalkül, das den großen Schriftsteller kennzeichnet, auch wenn es dem "Outlaw-Journalisten" - eine Schwundstufe des alten Genies - etwas von seiner Faszination nimmt.

OLIVER JUNGEN.

Hunter S. Thompson: "Die Odyssee eines Outlaw-Journalisten". Gonzo-Briefe 1958-1976.

Edition Tiamat, Berlin 2015. 608 S., geb., 28,- [Euro].

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