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In Korea gilt die Lyrik als die Königsdisziplin der Literatur; Kim Chi-ha ist ihr herausragender zeitgenössischer Vertreter.Das Buch erscheint zum Länderschwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2005.In den siebziger Jahren galt Kim Chi-ha in Korea als einer der radikalsten Regimegegner, er wurde zum Tode verurteilt, zu »lebenslänglich« begnadigt, freigelassen, tauchte unter, wurde erneut verhaftet (insgesamt fünfmal), ertrug schließlich sechs Jahre in Einzelhaft, die seine Gesundheit ruinierten. Kim Chi-ha wurde zur Leitfigur der Demokratiebewegung seines Landes, zum Inbegriff der politischen…mehr

Produktbeschreibung
In Korea gilt die Lyrik als die Königsdisziplin der Literatur; Kim Chi-ha ist ihr herausragender zeitgenössischer Vertreter.Das Buch erscheint zum Länderschwerpunkt der Frankfurter Buchmesse 2005.In den siebziger Jahren galt Kim Chi-ha in Korea als einer der radikalsten Regimegegner, er wurde zum Tode verurteilt, zu »lebenslänglich« begnadigt, freigelassen, tauchte unter, wurde erneut verhaftet (insgesamt fünfmal), ertrug schließlich sechs Jahre in Einzelhaft, die seine Gesundheit ruinierten. Kim Chi-ha wurde zur Leitfigur der Demokratiebewegung seines Landes, zum Inbegriff der politischen Lyrik Koreas und zum Vorbild für die gesamte engagierte Literatur dieser Zeit. Die Gedichte dieses Bandes stammen aus den neunziger Jahren; sie sind Ausdruck der Wende des Autors hin zu einer »Philosophie des Lebens«. Das Erlebnis der Haft, die Erfahrung des Zurückgeworfenseins auf das Existentielle spielen dabei eine ebenso entscheidende Rolle wie die Auseinandersetzung mit der Welle von Selbstverbrennungen demonstrierender Studenten in Korea. Nichts schien dem Dichter die Opferung jungen, unschuldigen Lebens zu rechtfertigen. »Hört mit dem Totentanz auf!« rief Kim Chi-ha besorgt denen zu, die sich in seiner Tradition glaubten, die er selbst jetzt aber in Zusammenhang mit der Kamikaze-Ideologie des japanischen Faschismus brachte. Kim Chi-ha sieht seine Aufgabe nunmehr in der Feier der kleinen Dinge der Natur und des Alltags in sparsamen, tastenden Sprachbewegungen.
Autorenporträt
Kim Chi-ha, geb. 1941 in der Hafenstadt Mokpo (Provinz Süd-Chulla), geriet schon als zwanzigjähriger Student in Konflikt mit der Syngman-Rhee-Diktatur. 1971 organisierte er die große Demonstration der Katholiken in Wonju, in deren Folge die Notstandserklärung erlassen wurde. 1981 wurde er auf Grund massiver Proteste aus dem In- und Ausland (u.a. organisiert von Heinrich Böll, Willy Brandt, Jean-Paul Sartre und Noam Chomsky) nach sechsjähriger Einzelhaft entlassen. Sein Werk ist in viele Sprachen übersetzt (deutsch: Die gelbe Erde, 1983); in Japan gibt es eine Gesamtausgabe seines Schaffens.

Matthias Göritz, geb. 1969, ist ein vielfach ausgezeichneter Lyriker, Theaterautor, Übersetzer und Romancier. Er veröffentlichte die Gedichtbände »Loops«, »Pools« und »Tools« sowie die Romane »Der kurze Traum des Jakob Voss« (2005), für den er den Mara-Cassens-Preis erhielt, »Träumer und Sünder« (2013), der mit dem Robert-Gernhardt-Preis ausgezeichnet wurde, und »Parker« (2018). Außerdem erhielt Göritz den William H. Gass Award. Derzeit lehrt er an der Washington University in St. Louis, USA. Göritz ist Kurator des Slowenischen Buchmesseauftritts in Frankfurt 2023.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 16.12.2005

Tanz des Alls
Quirlbilder: Das allegorische Spätwerk Kim Chi-has

Der 1941 geborene Kim Chi-ha, Koreas Dissidentendichter und unermüdliches Sprachrohr der Demokratiebewegung, ist leise geworden. Seine aufwühlenden, düster-agitatorischen Gedichte wie "So schwärze dich!" zählten zur Zeit der Militärdiktatur Parks in den sechziger und siebziger Jahren zur Pflichtlektüre der oppositionell eingestellten Studenten. Seine Ballade und Satire auf die Machthaber "Die fünf Banditen" machte ihn 1970 zum Freiheitssymbol und roten Tuch der Staatsgewalt. Kim Chi-ha, der während seiner Dichterkarriere fünfmal verhaftet wurde und nach dem wiederaufgehobenen Todesurteil von 1974 sechs Jahre in Einzelhaft verbrachte, kam erst 1981 auf internationalen Druck wieder frei.

Ein Querschnitt durch das expressive Frühwerk erschien 1983 unter dem Titel "Die gelbe Erde", eine exzellente Sammlung, deren Wiederauflage der Suhrkamp Verlag zum koreanischen Buchmessenschwerpunkt versäumt hat. Der Wallstein Verlag widmet sich nun mit der im Original 1994 unter dem Titel "Leiden der Mitte" erschienenen Anthologie weniger der Widerstandspoesie als der Natur- und Alterslyrik Kim Chi-has. Dieser sieht es nunmehr, wie er im Vorwort schreibt, als seinen Auftrag, "mit der Sprache sparsam umzugehen, um die Lücken zu öffnen. Durch die Lücken möchte ich das Leben ein- und ausgehen und erklingen lassen."

Der Reiz seiner trugbilderreichen Poesie liegt also gerade in der Transparenz der Assoziationen. In fließenden Sprachbewegungen erzählt er vom "Tanz des Alls" und vom kosmischen Einssein der belebten und unbelebten Natur, wobei sich Leben und Tod relativieren: "Ich bin ein endlos sterbendes, nichtsterbendes Leben." Eine an die koreanische Tuschemalerei erinnernde Dynamik von Entleerung, Kargheit und Jahreszeitenwechsel prägt seine Dichtkunst: "Liegt draußen Rauhreif? Ich friere an den Zähnen, die Fäden durchbeißen. Eingehüllt in die Wärme der knopflosen Jacke vom letzten Jahr."

Als Reaktion auf die Selbstverbrennungswelle von Studenten der Demokratiebewegung Anfang der neunziger Jahre beleuchtet er in Gedichten wie "Auslöschung" die Irrwege der Revolution und Irrlichter der Radikalität. Die Abkehr von politischer Agitation im allegorisch aufgeladenen Spätwerk zugunsten einer religiösen Universalität und ökologisch angehauchten Schöpfungsschau war eine Kehrtwende, die die koreanische Kritik nicht nur wohlwollend aufnahm.

Sind einige Gedichte dem Atem der Natur abgelauschte Quirlbilder des Lebens, so zählen die Umweltseufzer über sauren Regen zur weniger inspirierten Lyrik. Man mag es nun bedauern oder nicht, aber der Duktus des Untergrundpoeten ist Kim Chi-ha im koreanischen Demokratisierungsprozeß abhanden gekommen.

STEFFEN GNAM

Kim Chi-ha: "Blütenneid". Gedichte. Aus dem Koreanischen übersetzt von Yang Han-ju und Matthias Göritz. Mit einem Nachwort der Übersetzer. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 80 S., geb., 14,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.11.2005

Nachts auf der Pfingstrose
Dichten gegen die Selbst-Auslöschung und für das Leben: Kim Chi-has Gedichtband „Blütenneid” zeigt seine lyrische Wendung ins Unpolitische
Von Jörg Drews
Ein Lyriker, der dem politischen Kampf verbunden ist und entdeckt, dass es daneben und darüber noch andere Verpflichtungen dem Leben und der Lyrik gegenüber gibt, läuft Gefahr, gescholten zu werden. Lesend werden wir Zeugen der Gedichte, für die Kim Chi-ha Anfang der neunziger Jahre in Korea getadelt wurde. Nach einem gerade noch zu langer Haft abgemilderten Todesurteil und dann nach sechs Jahren Einzelhaft öffnete sich ihm eine - sagen wir es in westeuropäischer Behelfsterminologie - existenzielle Erfahrung, die Leben, intensive und vielfältige Daseinserfahrung heißt und die politisch gemeinte Kampfaktionen wie zum Beispiel Selbstverbrennungen (damals in Korea anzutreffen) verabscheuen muss. So wird der Kampflyriker, die Personifikation südkoreanischen Befreiungswillens, ein Anderer, ein anderer Dichter, einer, für den (Selbst-)„Auslöschung” ein „falscher Weg” ist.
An seinen Gedichten können wir als westliche Leser eine poetische Bilderwelt erfahren, deren Provenienz wir oft nur ahnen können, die aber in vielen Details unserer Lyrik gar nicht so fremd ist, und das hält einen bei der Lektüre in Spannung: dass wir die religiösen Bilder, die Redensarten, die Pflanzensymbolik nicht kennen, aus denen geschöpft und mit denen gespielt wird; sie aber doch nach und nach uns lesend konstruieren, erschließen können, angeleitet ein wenig auch durch die Erläuterungen am Ende des Bandes „Blütenneid”.
Dies Wort bezeichnet übrigens den Moment, an dem ein nochmaliger Kälteeinbruch an den Frühlingsblüten frisst, sie zerstören will, und nun kann man verfolgen, was man mit diesem Begriff und Bild (und ähnlichen anderen) lyrisch machen kann. Wenn Kim Chi-ha „Naturgedichte” schreibt (was zu sagen ja nicht falsch ist) - aus welchem Bildreservoir schöpft er dann, und wie kann einer sich mit der „Natur” verbunden fühlen, wenn er im x-ten Stock eines Hochhauses eines Vorortes von Seoul wohnt, der 800 000 Einwohner hat, an einer Stelle, die vor 15 Jahren noch ganz unbebaut war, mittendrin ein Schrein auf einem heiligen Berg, und nun total mit Hochhäusern bestückt - und der Autor wohnt just in diesem „Ilsan”? Was bedeuten in solcher Umgebung Sonne, Mond, Sterne oder Schnee? Kann man Gedichte machen, in denen um der Wahrhaftigkeit willen „Müllberge”, „Appartementhäuser” und „Grillroste” vorkommen müssen? Kann man im Ein-Zimmer-Appartement im Hochhaus noch lyrisch-sangbare Erfahrungen machen? Wie transzendiert man solche Umgebung, solche Beengungen, ohne nur verblasen zu wirken?
Kim Chi-ha führt auf eine hinreißende und bewegende Art vor, wie er auch noch hier die Wörter und die Bilder ineinander sich verwandeln lassen kann, wie man den Fluss „aus lauter faulen Wassertropfen” durch „Wiedergeburt” schließlich zu „weißen Wolken am blauen Himmel” sich wandeln lassen kann, man auch ein Haus zu einem umhüllenden dreibeinigen Topf und diesen zu den drei Elementen der koreanischen Kosmologie changieren lassen kann, oder wie er als koreanischer Lyriker die drei das Jenseits begrenzenden Ströme Samdo, Acheron und Jordan übereinander blenden darf.
Manche Gedichte scheinen uns europäischen Lesern in Rätseln zu sprechen - aber sprechen so nicht auch viele Gedichte von Paul Celan oder Friederike Mayröcker? Meist beginnt man zu ahnen, aus welchen historischen und bildlichen Haushalten und Schatzhäusern durch die Zeiten hindurch, über die Zeiten hinweg diese Gedichte sich nähren. Am bewegendsten sind vielleicht die bildkargen, wie versehrten Liebesgedichte, die hart über jenes Phänomen, eben: die Liebe, sprechen, das sonst so gerne lyrisch besäuselt wird. Neben den Texten des wiederentdeckten Yisang, geschrieben vor 70 Jahren und heute eine historische Offenbarung, die ganz andere „songlines” quer über die literarische Welt des 20. Jahrhunderts plötzlich zu hören erlauben, sind Kim Chi-has Gedichte wohl das Aufregendste, was uns die koreanische Literatur in diesem Herbst in deutscher Sprache - und das heißt hier: in der wunderbaren Übersetzung von Yang Han-ju und Matthias Göritz - beschert hat.
Kim Chi-ha:
Blütenneid
Gedichte. Aus dem Koreanischen von Yang Han-ju und Matthias Göritz. Mit einem Nachwort der Übersetzer. Wallstein Verlag, Göttingen 2005. 80 Seiten, 14 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Man könnte", schreibt Katharina Borchardt, "die Geschichte des modernen Korea und seiner Literatur durchaus als eine Geschichte der Inhaftierung seiner Dichter schreiben." Kim Chi-ha (geboren 1941) war während der Militärdiktatur sieben Jahre in Einzelhaft - er hatte populäre satirische Gedichte verfasst. Seine hier versammelten neueren Gedichten machen weniger Worte, klingen "stiller, ausgedünnter", gewinnen gerade dadurch aber eine große Intensität. Es geht, so Borchardt, um ein "Gefühl der inneren Leere"; kleine Dinge "wie Kirschblüten, Schnee oder Grashalme" rücken in die Mittelpunkt - ganz wie in der traditionellen, buddhistisch geprägten Naturlyrik.

© Perlentaucher Medien GmbH