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Kurztext:
Zwar stehen Literatur und Naturwissenschaften seit Jahrhunderten in vielfältigen Wechselwirkungen zueinander, die Verständigung ist aber nach wie vor problematisch. Geistes- und Naturwissenschaftler leisten in diesem Sammelband einen Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen den akademischen Kulturen.
Inhalt:
Ernst Peter Fischer: Wovon man nicht reden kann, davon muß man erzählen
Siegmar Döpp: Welt aus Atomen: Das lateinische Lehrgedicht des Lukrez
Klaus Grubmüller: Laiengelehrsamkeit: Über volkssprachliche Wissenschaft im Mittelalter
Wilhelm Schmidt-Biggemann:
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Produktbeschreibung
Kurztext:
Zwar stehen Literatur und Naturwissenschaften seit Jahrhunderten in vielfältigen Wechselwirkungen zueinander, die Verständigung ist aber nach wie vor problematisch. Geistes- und Naturwissenschaftler leisten in diesem Sammelband einen Beitrag zur Überwindung der Kluft zwischen den akademischen Kulturen.

Inhalt:
Ernst Peter Fischer: Wovon man nicht reden kann, davon muß man erzählen
Siegmar Döpp: Welt aus Atomen: Das lateinische Lehrgedicht des Lukrez
Klaus Grubmüller: Laiengelehrsamkeit: Über volkssprachliche Wissenschaft im Mittelalter
Wilhelm Schmidt-Biggemann: Kosmos und Kabbala in der Frühen Neuzeit
Ulrich Joost: Georg Christoph Lichtenberg und das naturwissenschaftliche Denken in der Göttinger Aufklärung
Otto Krätz: Naturwissenschaftliches in Goethes "Märchen" und den "Wahlverwandtschaften"
Dietrich von Engelhardt: Macht und Ohnmacht des Forschers. Mary Shelleys "Frankenstein oder Der moderne Prometheus"
Peter-André Alt: Kartographie des Denkens: Literatur und Gehirn um 1800
Gerhard Wagenitz: Adelbert von Chamisso: Der Dichter und sein "geliebtes Heu"
Manfred Eigen: Thomas Mann und die Evolution
Norbert Elsner: Hoffmanns Erzählungen von Puppen und Automaten
Werner Frick: Poetische Wissenschaftsskepsis von Goethe bis Büchner
Peter Sprengel: Metaphysischer Darwinismus in der Literatur um 1900
Olaf Breidbach: Gottfried Benns "Gehirne" und die Hirnforschung nach 1900
Helmut Koopmann: "Für organische Chemie interessieren Sie sich also auch?" Wissenschaft als Thema in der Erzählkunst der klassischen Moderne
Klaus-Detlef Müller: Brechts "Leben des Galilei" und die Folgen. Physiker als Gegenstand literarischer Phantasie
Autorenporträt
Norbert Elsner, geb. 1940, ist Professor für Zoologie in Göttingen. Arbeitsschwerpunkte: Neuro-, Sinnes- und Verhaltensphysiologie, insbesondere Untersuchungen der neuronalen Grundlagen des Verhaltens und der akustischen Kommunikation von Insekten. Er ist Mitherausgeber des Bandes "Das Gehirn und sein Geist"
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 03.01.2005

Darwin im Vers
Ein Band verkuppelt Literatur und Naturwissenschaften

Von ihnen müßte es mehr geben: Literaturwissenschaftler, die sich Texten mit naturwissenschaftlichem Hintergrund annehmen, und Naturwissenschaftler, die von ihrer Warte aus literarische Texte durchleuchten. Dann wären Snows "two cultures" tatsächlich der Schnee von gestern, als der sie oft kritisiert werden. Der vorliegende Band ist eine jener publizistischen Raritäten, die das Wechselspiel von Literatur und Naturwissenschaften in exemplarischen Einzelanalysen untersuchen.

So geht der Wissenschaftshistoriker Ernst Peter Fischer entsprechenden systematischen Zusammenhängen eingehender nach, doch wird ein unmittelbarer Zusammenhang von Literatur und Naturwissenschaft eher als selbstverständlich vorausgesetzt als gefragt, auf welche Weise sich denn nun Literaten aus dem Wissens- und Bilderarsenal der exakten Wissenschaften bedienen oder was mit diesem Material in den poetischen Werken geschieht. Wenn Fischer dafür plädiert, den Erkenntnissen der Wissenschaft eine poetische Form zu geben, oder meint, die Literatur sei besser geeignet, ein "Public understanding of science" zu erreichen, als die bisher eingesetzten Verfahren, so schimmert dahinter jedenfalls ein reduktionistischer Literaturbegriff durch, welcher der Dichtung lediglich die Vermittlung des wissenschaftlich längst Bekannten zuweist.

Dem "Metaphysischen Darwinismus in der Literatur des frühen 20. Jahrhunderts" geht der Literaturwissenschaftler Peter Sprengel nach. Er skizziert zunächst den "materialistischen Schock", der in den Thesen Darwins enthalten war, und stellt zwei Strategien vor, diesen aufzufangen oder gar in ein positives Heilsversprechen zu verwandeln: Zum einen wurde die Natur, die nun nicht mehr durch das schöpferische Wirken Gottes zu erklären ist, dem Menschen analog als sinnvoll, ja ästhetisch organisierte Sphäre und keineswegs als tote Materie aufgefaßt (Sprengel spricht von "Spiritualisierung"), und zum anderen wurde unter selektiver Rezeption der Lehren Darwins das alte, idealistische Teleologieprinzip restauriert: Die Natur ist nicht nur sinnvoll organisiert, sondern durch ihre fortlaufende Höherentwicklung auch dem Fortschritt verpflichtet.

Wilhelm Bölsche und Ernst Haeckel hebt Sprengel als Hauptprotagonisten dieser so produktiven wie einseitigen Darwin-Rezeption hervor und verfolgt die Spur ihrer Werke in den Dichtungen Gerhart Hauptmanns, Carl Sternheims oder Gottfried Benns. Tendenziell gilt hier, was schon Werner Frick in bezug auf Goethe, Kleist und Büchner festgestellt hat oder Klaus-Detlef Müller an modernen Physikerdramen herausarbeitet: Die Literatur formuliert häufig Einwände gegen blinden Fortschrittsglauben oder naturwissenschaftlichen Machbarkeitswahn und stellt eindringliche, ambivalent besetzte Zukunftsvisionen vor Augen, sei es in der Schöpfung des Homunculus in Goethes "Faust II" oder in der Frankensteins in Mary Shelleys gleichnamigem Roman, den Dietrich von Engelhardt unter die Lupe nimmt.

Zu kurz kommt leider die Gegenwartsliteratur. Auch wenn Dichterärzte wie Gottfried Benn oder Alfred Döblin wohl der Vergangenheit angehören, dürfte es doch genügend Autoren geben, deren Werke entsprechende Untersuchungen nahelegen - Durs Grünbein ist hier nur ein prominenter Name. Erfreulich ist hingegen die opulente Bebilderung des Bandes, die etwa Klaus Grubmüllers Ausführungen über volkssprachliche Wissenschaft im Mittelalter zu einem Augengenuß macht oder zeitgenössisches Anschauungsmaterial zu E.T.A. Hoffmanns Puppen und Automaten liefert, die Norbert Elsner analysiert.

THOMAS MEISSNER

Norbert Elsner/Werner Frick (Hg.): "Scientia poetica". Literatur und Naturwissenschaft. Wallstein Verlag, Göttingen 2004. 406 S., br., 19,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Viel zu selten gibt es Publikationen wie diese, die sich der Wechselwirkung zwischen Literatur- und Naturwissenschaften widmen, freut sich Thomas Meissner. An den Einzelanalysen des Bandes hat er dann doch das ein oder andere auszusetzen. Im Text des Wissenschaftshistorikers Ernst Peter Fischer wird Literatur schon von vornherein auf eine Vermittlungsfunktion des wissenschaftlich längst Bekannten reduziert. Dagegen weist der Literaturwissenschaftler Peter Spenglers in seiner Studie zu Darwin gerade nach, wie literarische Visionen, beispielsweise Goethes Homunculus oder Mary Shellys Frankenstein, Gegenentwürfe zu "blindem Fortschrittsglauben oder naturwissenschaftlichen Machbarkeitswahn" transportieren können. Außerdem hat Meissner an vielen Stellen der Bezug zur Gegenwartsliteratur gefehlt. Uneingeschränkt zufrieden ist er mit der "opulente Bebilderung" des Bandes, die viele Ausführungen zu einem "Augengenuss" macht.

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