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Was wäre, wenn ... man irgendwann aus Armen und Kranken einen ganz neuartigen Profit schlagen könnte? Schließlich besitzen sie kostbare Organe ...
Man schreibt das Jahr 2015, der große Weltenbrand hat sich bereits ereignet und die Menschheit ist um eine Illusion ärmer geworden. Nach wie vor gibt es einige wenige Mächtige und nach wie vor gibt es Arm und Reich. Zu den Ärmsten der Armen aber zählen die vielen behinderten Kinder, die nach dem Super-GAU zur Welt gekommen sind. Zu ihnen gehören auch Bedfords Geschwister, die mit ihm zusammen in den Straßen Londons auf Beutezug um Nahrung gehen.…mehr

Produktbeschreibung
Was wäre, wenn ... man irgendwann aus Armen und Kranken einen ganz neuartigen Profit schlagen könnte? Schließlich besitzen sie kostbare Organe ...

Man schreibt das Jahr 2015, der große Weltenbrand hat sich bereits ereignet und die Menschheit ist um eine Illusion ärmer geworden. Nach wie vor gibt es einige wenige Mächtige und nach wie vor gibt es Arm und Reich. Zu den Ärmsten der Armen aber zählen die vielen behinderten Kinder, die nach dem Super-GAU zur Welt gekommen sind. Zu ihnen gehören auch Bedfords Geschwister, die mit ihm zusammen in den Straßen Londons auf Beutezug um Nahrung gehen. Zu Hause bei der dicken Ma sind sie dennoch gut aufgehoben. Für die alte Frau sind alle Menschen gleich, egal ob gesund, verlaust oder zurückgeblieben. Ihre kleine Familie aus Findelkindern bildet einen Hort der Menschlichkeit in einer Stadt, deren Bürger von einer kalten Bürokratie verwaltet werden. Für Bedford ist das alles selbstverständlich.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.10.2000

Helden
London im Jahr 2015
Bedford Peddle, so um die 16 Jahre alt, hätte es eigentlich ahnen müssen: Wenn sie plötzlich die Schule in ein Sondereinstufungszentrum umfunktionieren, stimmt etwas nicht! Bedford wird sich später schwere Vorwürfe machen, die Aktion der weiß bekittelten Damen vom Amt für Gesundheit nicht gleich durchschaut zu haben. Das liegt nicht nur am hohen Intelligenzquotienten des Jungen, sondern vor allem an seiner Pflegemutter, der dicken Ma, die all ihre Findelkinder mit Herzenswärme nach „alten” humanistischen Ideen erzogen und so den Grundstein zu mitfühlendem Denken gelegt hat.
Die Zeit der Handlung: ein bisschen in die Zukunft verschoben, „2015, nach dem großen Weltenbrand”. Der Ort der Handlung: London, Region Picadilly, Leicester Square, Covent Garden, hier „Bezirk Mitte 1” genannt, „Sektor des Schutzes und der Fürsorge. Ein Platz für Jedermann”. Das klingt freundlich-sozial, spiegelt jedoch mit seinem Zynismus die grausame, erst nach und nach durchschaubare Handlung von Beutejäger. Hält man Bedford, Rachel Andersons naiven, jedoch keineswegs unsympathischen Hauptakteur, anfangs für einen solchen Jäger – schließlich geht er ja auf „Beutezug” – keimt, beim Blick auf das erhoffte Beutegut, schon erster Zweifel auf.
In Bedfords Welt gibt es nämlich nichts von Wert zu finden. Der Junge wühlt im Abfall. Den produzieren ausländische Touristen, „kranke Pazifik Anrainer, Mitleid erregende Wracks mit aschfahler Haut, die an Sauerstoffflaschen hängen”. Die lassen sich in Londons Hotels und Spitälern irgendwie aufpäppeln. Neben diesen von weit angereisten „A-Klasse-Menschen” leben im Bezirk „Mitte 1” nur D-Klasse-Typen, Underdogs, Penner, Säufer und Bricolage-Familien nach Ma Peddles Muster: Da gibt es den schlaksigen debilen Rah, die taube Picadilly, Netta, die weder sitzen noch sprechen kann, die quirlige mongoloide Dee und eben Bedford. Alle außer ihm wären für ein „Betreutes Beschleunigtes Ableben” vorgesehen gewesen. Jetzt sammeln süß lächelnde „Helferinnen” die Kranken ein, als Ersatzteil-Lieferanten für zahlende Ausländer. Als Bedford erkennt, dass auch er nicht verschont bleiben wird, flieht er. Um den Häscherinnen des Amts für Gesundheit zu entkommen, opfert er sogar seine Lieblingsschwester Dee. Dieser schreckliche Höhepunkt des Romans signalisiert sowohl die Sinnlosigkeit von Bedfords Unterfangen wie die Unmöglichkeit, in einer unmenschlichen Gesellschaft Mensch zu bleiben. Aus Rachel Andersons starr gefügtem Gesellschaftssystem gibt es kein Entkommen, jede und jeder hat seinen festen Platz.
Beutejäger ist dramatisch, abschreckend und aufrüttelnd zugleich. Der Denkansatz steht in bester warnutopischer Tradition, folgt Vorreitern wie Birgit Rabischs Duplik Jonas 7 und Gudrun Pausewangs Post-Atomkatastrophen-Szenarien. Dass trotz der konsequent durchgezogenen düsteren Idee die Trauerstimmung nicht dominant ist, liegt zum einen am flüssigen, hochspannenden Stil der englischen Autorin – von Gaby Wurster mitreißend ins Deutsche übertragen. Zum anderen an der glaubhaft und sehr differenziert angelegten Hauptfigur Bedford. Der Junge hat Charme und strahlt dabei etwas Parzivalesk-Unschuldiges aus, denn er denkt von seiner Zeit, deren Herrschern und überhaupt allen Menschen nur das Beste. Und, obwohl er immer wieder erkennen muss, dass er irrt, sucht er weiter nach Auswegen, hofft aufs Unmögliche. (ab 13 Jahre)
RENATE GRUBERT
RACHEL ANDERSON: Beutejäger. Aus dem Englischen von Gaby Wurster. Verlag Beltz & Gelberg 2000 (Programm Anrich). 160 Seiten, 19,80 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Um eine ziemlich finstere Science-fiction Story aus dem London des Jahres 2015 scheint es sich hier zu handeln, aber Renate Grubert berichtet ziemlich fasziniert über dieses Buch, in dem sich ein kluger, und doch naiver Held gegen ein Sozialsystem wehrt, das bei bestimmten Bevölkerungsgruppen schlicht ein "betreutes beschleunigtes Ableben" vorsieht. Ein frohes Ende scheint der Roman nach Gruberts Artikel nicht zu haben, aber dennoch schildert sie seine Erzählkraft als so mitreißend, dass es schwer zu sein scheint, den Roman aus der Hand zu legen.

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