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"Wach bleiben, so lange wie möglich. Die Müdigkeit niederringen. Die Rechnung ist einfach: In einer Stunde kann ich 30 falsche Ausweise herstellen. Wenn ich eine Stunde schlafe, sterben 30 Menschen " 1943 beginnt Adolfo Kaminsky, für die französische Résistance gefälschte Papiere herzustellen Ausweise, die Tausende von Juden vor Deportation und sicherem Tod bewahrten. Der siebzehnjährige Färberlehrling und geniale Autodidakt, der selbst aus einer russischstämmigen jüdischen Familie kommt, weiß damals noch nicht, dass er eine Lebensentscheidung getroffen hat. Denn auch nach dem Krieg wird…mehr

Produktbeschreibung
"Wach bleiben, so lange wie möglich. Die Müdigkeit niederringen. Die Rechnung ist einfach: In einer Stunde kann ich 30 falsche Ausweise herstellen. Wenn ich eine Stunde schlafe, sterben 30 Menschen " 1943 beginnt Adolfo Kaminsky, für die französische Résistance gefälschte Papiere herzustellen Ausweise, die Tausende von Juden vor Deportation und sicherem Tod bewahrten. Der siebzehnjährige Färberlehrling und geniale Autodidakt, der selbst aus einer russischstämmigen jüdischen Familie kommt, weiß damals noch nicht, dass er eine Lebensentscheidung getroffen hat. Denn auch nach dem Krieg wird Kaminsky 30 Jahre seines Lebens im Untergrund verbringen und die großen Widerstandsbewegungen des 20. Jahrhunderts mit falschen Papieren und Identitäten versorgen, immer auf der Flucht vor der Entdeckung, gehetzt von seinem Gewissen und ohne je Geld für seine Arbeit zu nehmen. Vom Algerienkrieg und den südamerikanischen Befreiungsbewegungen bis zu den Aufständen gegen Diktatoren wie Salazar, Franco, die griechischen Obristen und der südafrikanischen Anti-Apartheidsbewegung: Kaminsky hat sie, aus Überzeugung und mit technisch immer ausgefeilteren Methoden, alle mit falschen Papieren unterstützt.
Autorenporträt
Sarah Kaminsky ist die Tochter Adolfo Kaminskys. Sie wurde 1979 in Algerien geboren, kam mit drei Jahren nach Frankreich und erfuhr erst spät von der Geschichte ihres Vaters. Sie lebt als Schauspielerin und Drehbuchautorin in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.10.2011

Das geheime Leben des Monsieur Joseph
Der Fälscher Adolfo Kaminsky stellte seine Künste in den Dienst der Verfolgten und Unterdrückten – jetzt hat seine Tochter ein Buch über ihn geschrieben
Als Kind dachte Sarah Kaminsky, ihr Vater sei ein ganz normaler Fotograf. Erst auf Umwegen und durch Andeutungen von außerhalb der Familie erfuhr sie, dass ihr Vater nicht immer ein unbescholtener Staatsbürger und braver Familienmensch war. Ein Artikel in einer rechtsradikalen Zeitung benannte Adolfo Kaminsky als ehemaligen Fälscher, der während des Algerienkrieges für die algerische Befreiungsfront gearbeitet habe. Dann entdeckte Sarah zufällig einen Brief und fand heraus, dass ihr Vater im Zweiten Weltkrieg Mitglied der französischen Résistance war.
Adolfo Kaminsky hatte nie über diese Phasen in seinem Leben gesprochen und so ergriff seine Tochter schließlich die Initiative. In langen Gesprächen brachte sie ihrem Vater dazu, von seiner Vergangenheit zu erzählen. Und erfuhr Erstaunliches, wie ihrem jetzt in Deutschland erschienenen Buch „Adolfo Kaminsky. Ein Fälscherleben“ zu entnehmen ist.
Sarah Kaminsky hat die Erzählung ihres Vaters in der Ich-Perspektive belassen und zum ebenso informativen wie packenden Real-Krimi verdichtet. Sachlich und detailgenau berichtet Adolfo Kaminsky, wie er fast dreißig Jahre lang als Dokumentenfälscher tätig war. Nicht aus Verlangen nach Geld, sondern stets aus dem Bedürfnis heraus, verfolgten und unterdrückten Menschen zu helfen.
So wie er selbst einst die Hilfe anderer benötigte, um zu überleben: In den 1940er Jahren erleben die Kaminskys, Juden mit argentinischer Staatsangehörigkeit, die Judenverfolgungen im besetzten Frankreich. Adolfos Mutter wird von den Nazis ermordet, der Rest der Familie entkommt nur knapp dem Sammellager Drancy, von dem aus Transporte in die Vernichtungslager abgehen. Dem Kontaktmann der Résistance, der ihnen falsche Papiere verschafft, fällt Adolfo auf. Gerade 18 Jahre alt, hat er bereits fundierte chemische Kenntnisse und außerdem eine Färberlehre absolviert – optimale Voraussetzungen, um Ausweise zu fälschen.
Fortan arbeitet Adolfo für die Résistance und erweist sich als Meisterfälscher, dem die Bedeutung seiner Arbeit vollauf bewusst ist: „Die Rechnung ist einfach. In einer Stunde kriege ich dreißig Blankopapiere fertig. Wenn ich eine Stunde schlafe, werden dreißig Personen sterben.“ Diese Überzeugung, durch seine Tätigkeit Menschenleben retten und Diktaturen bekämpfen zu können, verlässt ihn auch nach Kriegsende nicht.
In Adolfos Rückblick spiegelt sich in seiner eigenen Geschichte der Beginn der zweiten Jahrhunderthälfte. Es ist eine Zeit der gesellschaftlichen Umbrüche, des allmählichen Aufbegehrens gegen Unterdrückungssysteme. Adolfo ist ein Diener vieler Herren, steht aber stets auf der Seite der Verfolgten: Nach 1945 fälscht er Visa für Holocaust-Überlebende, die nach Palästina emigrieren wollen. In den 1950ern unterstützt er den algerischen Aufstand gegen die französische Kolonialmacht, in den 1960er Jahren stehen seine Dienste lateinamerikanischen Revolutionären, südafrikanischen Widerstandskämpfern und amerikanischen Vietnamkriegs-Deserteuren gleichermaßen zur Verfügung.
Der Leser lernt Adolfo Kaminsky im Buch als ebenso erfindungsreichen wie charakterstarken Menschen kennen. Immer wieder stößt der Fälscher auf neue technische Herausforderungen, die es ihm in kurzer Zeit zu lösen gelingt, getreu dem Credo: „Nichts ist fälschungssicher. Was von Menschen gemacht ist, kann zwangsläufig von Menschen nachgemacht werden.“ Er ist zudem ein Mann mit festen Prinzipien: Wenn er sich mit dem Ziel oder den Methoden eines Kampfes nicht identifizieren kann, lehnt er Aufträge konsequent ab.
Um seine Unabhängigkeit behalten zu können, weigert sich Adolfo auch beharrlich, Geld für seine Fälschungen anzunehmen. Stattdessen lebt er von den Einkünften als Fotograf, auch wenn er oft Tag und Nacht arbeiten muss, um über die Runden zu kommen. Sein Ruf als Ausnahmefälscher wird dadurch ebenso gefestigt wie durch seine Präzision, Zuverlässigkeit und Diskretion. Jahrelang weiß nur eine Handvoll Personen, dass er jener „Monsieur Joseph“ ist, der Widerstandsnetzwerke auf der ganzen Welt mit gefälschten Ausweisen, Pässen, Führerscheinen und Urkunden beliefert. Solange, bis er spürt, dass das Risiko der Entlarvung immer größer wird: 1971 schließlich gibt Adolfo seine Karriere als Fälscher auf, auch hierbei nur auf sein eigenes Urteil vertrauend. Die Tage im Untergrund sind von da an vorbei. Mit fast fünfzig Jahren fängt er noch einmal ein neues Leben an und gründet eine Familie.
Sarah Kaminsky hat ihren Vater erzählen lassen und ihre eigene Position der Fragenden fast ganz zurückgenommen. Dennoch ist ihr Buch keine ungebrochene Heldenfabel geworden. Hinter der spannenden Erzählung von Adolfos technischem Genie, seinem Mut und seiner Opferbereitschaft scheint noch eine andere Geschichte auf, die Geschichte eines Getriebenen. Die Erfahrungen des Krieges, die Gefühle von Schuld, weil er überlebte, während viele Menschen, die er kannte und liebte, umgebracht wurden, lassen Adolfo nicht wieder los. Dem Zwang, Hilfe leisten zu müssen, ordnet er auch sein Privatleben unter. Er hat nur wenige Freunde, kaum Kontakt zu seiner Familie. Immer wieder zerbrechen die Beziehungen mit Frauen, weil sie hinter seiner nächtlichen Abwesenheit andere Gründe vermuten. Doch seine Fälschertätigkeit ist ihm wichtiger als eine dauerhafte Bindung. Die kann er erst nach seinem radikalen Bruch mit dem Leben in der Illegalität eingehen.
Ohne dass Adolfo oder seine Tochter es aussprechen, handelt „Ein Fälscherleben“ auch von den traumatischen Folgen der am eigenen Leib erlebten Verfolgung und ist daher auch eine eindrückliche Studie über ein jahrelanges Leben der Einsamkeit.
MARIUS NOBACH
SARAH KAMINSKY: Adolfo Kaminsky. Ein Fälscherleben. Aus dem Französischen von Barbara Heber-Schärer. Verlag Antje Kunstmann, München 2011. 217 Seiten, 19,90 Euro.
Er lieferte gefälschte Dokumente
für Widerstandsnetzwerke
auf der ganzen Welt
In Vaters Foto-Labor: Sarah und Adolfo Kaminsky. Foto: Benjamin Boccas
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Rudolf Balmer ist hingerissen von Sarah Kaminskys Buch über das Leben ihres Vaters Adolfo Kaminsky. Packend schildert die Autorin für ihn, wie ihr Vater während des Zweiten Weltkriegs dem Pariser Untergrund angehörte und Ausweispapiere fälschte, die vielen Menschen, Juden, Widerstandskämpfern das Leben retteten. Auch die Zeit nach dem Krieg, als Kaminsky unter anderem für die algerische Widerstandsbewegung FLN fälschte, wird von der Autorin laut Rezensent fesselnd beschrieben. Besonders die handwerkliche Perfektion Kaminskys, der immer ohne Bezahlung arbeitete, aber auch seine Bescheidenheit und humanistische Grundeinstellung beeindrucken Balmer ungemein. Sein Fazit: eine imponierende, spannend und unterhaltsam aufgeschriebene Lebensgeschichte.

© Perlentaucher Medien GmbH