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Eine Reise in ein fast unbekanntes Land, die Wiederbegegnung mit der großbürgerlichen Welt seiner Mutter und der rumänischen Vorfahren, eine reizvolle, von Fourier inspirierte Partie durch alte und neue Liebesverhältnisse und schließlich die Entdeckung eines tragischen Geheimnisses...
Die 'Rumänische Reise' wird für Nicolaus Sombart zu einer Reise in das Leben seiner Mutter, Corinna Léon, die in Rumänien aufwuchs, eine große Karriere als Wissenschaftlerin vor sich hatte, dann aber plötzlich nach Berlin fortging, wo sie seinen Vater, den berühmten, erheblich älteren Professor Werner Sombart…mehr

Produktbeschreibung
Eine Reise in ein fast unbekanntes Land, die Wiederbegegnung mit der großbürgerlichen Welt seiner Mutter und der rumänischen Vorfahren, eine reizvolle, von Fourier inspirierte Partie durch alte und neue Liebesverhältnisse und schließlich die Entdeckung eines tragischen Geheimnisses...
Die 'Rumänische Reise' wird für Nicolaus Sombart zu einer Reise in das Leben seiner Mutter, Corinna Léon, die in Rumänien aufwuchs, eine große Karriere als Wissenschaftlerin vor sich hatte, dann aber plötzlich nach Berlin fortging, wo sie seinen Vater, den berühmten, erheblich älteren Professor Werner Sombart heiratete. Anlaß der Reise ist eine Einladung zu einer Internationalen Konferenz für Zukunftsforschung in Bukarest im Jahr 1972. Er soll einen Vortrag über den utopischen Revolutionär Charles Fourier halten, über das Glück und die Emanzipation in einer freien, egalitären Gesellschaft - ein ironischer Kontrast zu dem politischen Rahmen, in dem dieser Kongreß stattfindet. Ganz im Sinne Fouriers steht die Reise auch im Zeichen einer exzentrischen Liebesbeziehung - die Steigerung erotischer Erfahrungen im Amour à trois. Im Zentrum aber steht die Geschichte seiner Mutter, seines Großvaters, der bürgerlichen Großfamilie, die Sombart als kleiner Junge in den zwanziger Jahren bei Besuchen in Rumänien mit seinen Eltern noch erlebt hatte und in euphorischer Erinnerung hielt. Er besucht das Anwesen 'Crévédia', den luxuriösen Familienpalast, Schauplatz vieler familiärer Feste - und nun, nach der Enteignung, grausam verunstaltet als Kantine für Medizinstudenten. Er begegnet Freunden und Verehrern seiner Mutter, besucht Cousinen und Cousins - und erfährt schließlich den wahren Grund der plötzlichen Flucht seiner Mutter aus Rumänien: das Geheimnis einer tragischen Liebe.
Autorenporträt
Nicolaus Sombart, 1923 in Berlin geboren, studierte in Heidelberg, Neapel und Paris. Gründungsmitglied der Gruppe 47. Ab 1954 arbeitete er für den Europarat in Straßburg. Seit 1982 lebt er wieder in Berlin. Er starb am 4. Juli 2008.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.04.2006

In acht Romanen um die Welt
Ab durch die Mitte: Die deutsche Literatur ist in diesem Frühjahr international, wagemutig und abenteuerlustig wie lange nicht mehr

Während die letzten Popliteraten noch durch Berlin-Mitte streifen auf der verzweifelten Suche nach dem Aufbruch und dem neuen Leben, das sich zur Zeit wohl nirgendwo so wenig findet wie eben dort, haben sich viele andere deutsche Schriftsteller, deren Bücher in diesem Frühjahr erscheinen, auf in die Welt gemacht. In chinesische Wüsten und afrikanische Folterlager, nach Mekka und nach Tibet, nach Indien, Algerien, in die Antarktis und nach Rumänien, um sich selbst zu erkunden und die eigene Vorgeschichte, frühe Abenteuergeschichten nachzuerleben, neu zu erleben, Religionsgeschichte und -geschichten zu beschreiben, Touristeninfernos, Textforschungsreisen, Liebe, Rache und Politik. Viele schöne Bücher sind dabei entstanden und einige mittelmäßige. Aber alle mit Wagemut, Neugier, Aufbruchswillen und einem neuen Blick auf eine alte Welt.

Über zwei der besten deutschsprachigen Neuerscheinungen dieses Frühjahrs ist schon viel geschrieben worden. Ilija Trojanows "Weltensammler" und Feridun Zaimoglus "Leyla" sind Welterkundungsbücher, die den Leser durch ihre Sprachmacht und -kraft geradezu überwältigen. Die eine fremde Welt in überbordenden Bildern so wirkungsvoll beschreiben, daß man sich kaum entziehen kann, und die trotz oft märchenhafter Bilder nie dem Kitsch verfallen, weil sie den Blick nicht abwenden vom Häßlichen, dem Ekel und der Gefahr. Vor allem aber kennen sich die beiden aus in der Welt, die sie beschreiben. Zaimoglu, der in seinem Buch die archaische Herkunftswelt seiner eigenen Eltern in der ostanatolischen Provinz beschreibt, tänzelt so detailsicher durch das Buch, daß sich der Leser selbst in dieser fremden Welt am Ende fast zu Hause fühlt. Und der wohl internationalste deutsche Gegenwartsschriftsteller Ilija Trojanow, der in Sofia geboren wurde, mit seinen Eltern nach Deutschland floh und in Kenia aufwuchs, hat jahrelang an den Orten, an denen sein Roman, der den Spuren des Welterkunders Sir Richard Burton folgt, recherchiert und gelebt. In Indien, Ägypten und Ostafrika, hat wie sein Vorbild an einer Pilgerfahrt nach Mekka teilgenommen und einen Roman darüber geschrieben, wie die Kulturen der Welt miteinander kommunizieren können, wie Religionen und Traditionen durch bloßes Erzählen voneinander profitieren, sich befruchten und vorantreiben. Ein utopischer Roman aus einer alten, fremden Welt von einem, der selbst all die scheinbaren kulturellen Widersprüche in sich trägt, der sich selbst einen aufgeklärten Sufi und anarchistischen Mystiker nennt.

Der Kampf der Uiguren

Auch Ulrich Schmid ist ein Weltreisender. Als Auslandskorrespondent der "Neuen Zürcher Zeitung" läßt er sich von Land zu Land versetzen und hat jetzt seinen zweiten Roman geschrieben, der in Teilen der Erde spielt, in denen wohl noch nie zuvor ein deutscher Roman spielte, der von Konflikten weiß, von denen kein anderer deutscher Autor etwas ahnt. Alles beginnt mit der Entführung eines Deutschen in der Wüste Taklamakan, in der chinesischen Provinz Xinjiang. Er wird befreit, doch der enttäuschte Befreier muß erfahren, daß der Deutsche freiwillig eine Abenteuerentführung gebucht hatte und über die Befreiung entsprechend ungehalten ist. Wir erfahren nebenbei vom Konflikt der muslimischen Uiguren mit den Eroberern, den Han-Chinesen, und geraten am Ende sogar bis nach Addis Abeba und in die Folterlager zu den Zeiten des Roten Terrors, die zum Teil von ostdeutschen "Beratern" aufgebaut und unterhalten wurden. Schmid vermerkt am Ende, daß gerade diese Teile aus Äthiopien nicht erfunden wurden, sondern auf eigener Recherche beruhen, und er verweist auf den Skandal, daß keiner jener ostdeutschen Berater in Deutschland je vor Gericht gekommen ist. Manchmal will Schmid in dem Roman ein wenig viel und ein wenig viel beweisen, an Sprachkraft bleibt er hinter einem Trojanow weit zurück, aber an Weltkenntnis kommt er ihm fast gleich.

Dagegen wirken die Reiseromane von Eva Demski und Mirko Bonné fast ein wenig brav und bieder. Die Frankfurter Autorin und Essayistin Demski läßt in ihrem Buch "Das siamesische Dorf" eine Journalistin und einen Fotografen am Rande eines thailändischen Urlaubsparadieses in unheimlichem Geschehen fast versinken, und der vierzigjährige Mirko Bonné, der bislang vor allem als Lyriker und Lyrikübersetzer bekannt war, verfolgt die Spuren des Forschungsreisenden Ernest Shackleton, der zu der Zeit, als in Europa der Erste Weltkrieg begann, sich aufmachte, um als erster Mensch die Antarktis zu Fuß zu durchqueren. Doch Bonné wagt wenig, hält sich eng an die historische Vorlage und hat zu wenig Mut und Willen zur eigenen Geschichte.

Daß man nicht unbedingt verreisen muß, um große Bücher zu schreiben, das beweist der Essayist, Literaturforscher und frühere "Zeit"-Redakteur Dieter E. Zimmer. Wie der uns in seinem Buch "Nabokov reist im Traum in das Innere Asiens" durch die Quellen wirbelt, die Nabokov für seinen Reise-, Abenteuer und Vaterroman "Die Gabe" verwendete, das ist schon toll. Zimmer wollte immer schon wissen, wie Nabokov das gemacht hat, so kenntnisreich und detailverliebt unerforschte Gebiete wie Ostturkestan, die Mongolei und abgelegene Gebiete Tibets zu beschreiben, ohne je auch nur in ihrer Nähe gewesen zu sein. Zimmer hat Quelle für Quelle Nabokovs entdeckt und jetzt in einem spannend zu lesenden Reiseliteraturkompendium zusammengestellt. Zimmer staunt: "Wie wir nachgewiesen haben, extrahierte er aus mindestens siebzehn Quellen etwa hundert konkrete Einzelheiten. Daraus destillierte er eine Art Essenz der innerasiatischen Entdeckungsreisen im späten 19. Jahrhundert - eine poetische Essenz, in der aber jedes Detail richtig ist. Wer sie damals als Reiseführer mitgenommen hätte, hätte sie auf Schritt und Tritt bestätigt gefunden."

Die Liebe der Rumänen

Der Erotomane, Salonlöwe und Mitbegründer der Gruppe 47 Nicolaus Sombart hat in den Quellen seiner eigenen Vergangenheit gestöbert und das Tagebuch einer Reise in die Heimat seiner Mutter, nach Rumänien, gefunden, das er 1972 in französischer Sprache schrieb. Jetzt hat er es übersetzt und erstmals veröffentlicht, und es ist wie immer eine Freude, sich vom Glückskind Sombart eine Welt zeigen zu lassen, auch wenn er darin meistens nur sich selbst und seine zahlreichen Geliebten sieht: "Natürlich, es wäre nicht nötig gewesen, hierher zu kommen, aber was soll's. Es war der ideale Ort, um mit meiner Freundin ganze vierundzwanzig Stunden völlig sorglos und ungestört zu verbringen. Mit ihr zusammenzusein, lange zusammenzusein - die Erforschung unbekannter Territorien, die ich mit ihr und durch sie weiter voranzutreiben hoffte - das war es, was zählte."

Für den großen Reisenden Michael Roes, der vor einigen Jahren mit seinem Jemen-Roman "Rub' al-Khali - Leeres Viertel" einen fulminanten Einstand in den Literaturbetrieb feierte, der sich jedoch in den folgenden Büchern die Freude am Erzählen durch ein Übermaß an Theorie etwas eintrüben ließ, zählt diesmal wieder das Erlebnis. Sein neuer Roman "Weg nach Timimoun" ist ein Road-Roman aus der algerischen Wüste. Ein Abenteuerroman aus einer Welt zwischen westlichen Einflüssen und fundamentalistischer Beharrung. Der junge Algerier Laid, der sich mühsam von der traditionellen Welt seiner Herkunft in der Wüstenstadt Timimoun emanzipiert hatte und in die weltoffene Stadt Bejala umgesiedelt war, wird von seiner Familie zurückgerufen, um den Tod des Vaters zu rächen. Seine rasante Fahrt durch das Land ist zugleich eine Fahrt durch die verschiedenen Stufen der Religiosität, eine Fahrt im Tunnel der Geschichte, zurück zu den Anfängen des Landes, der Religion. Zu seinen eigenen Anfängen. Daß Roes seine Geschichte anhand der Folie des antiken Orest-Mythos nachzeichnet, wird dem Leser erst nach und nach bewußt, und diese Konstruktion wirkt an keiner Stelle störend oder bemüht. Es ist ein Abenteuerbuch aus der heutigen Zeit, aber im Wissen um seine Vorbilder, die Roes geschickt und kundig weiterschreibt. In der scheinbaren Leere eine Fülle an Details entdeckend: "Ich habe genug Wüsten in meinem Leben erlebt, um euch versichern zu können, daß es nichts Aufregenderes gibt als eine wahre, das heißt ganz und gar wüste Wüste", heißt es in dem Roman.

Die Welt ist groß, und Geschichten lauern überall. Schon lange nicht mehr haben deutsche Schriftsteller so viele davon gefunden.

VOLKER WEIDERMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.06.2006

Die Freudenbücher der freien Liebe
Zukunft und Paarung: Nicolaus Sombart emanzipiert sich in seinem rumänischen Mutterland von seinem Vater
Für Nicolaus Sombarts Jahrgang 1923 sind Glück und Zukunft eigentlich keine geschichtlichen Grundbegriffe. Die prominenten intellektuellen Köpfe dieses Jahrgangs - Reinhart Koselleck, Ernst Nolte oder Wilhelm Hennis - sind nicht nur allem Hedonistischen abhold. Sie sind Geschichtspessimisten, Antiutopisten, dezidierte Gegner aller Projektemacherei. Von Glück und Zukunft bedenkenlos zu faseln, ist dem Jahrgang 1923 im Dritten Reich und im Krieg verleidet worden. Erst waren sie von Hitler um den Idealismus ihrer Jugend gebracht, später an der Front fast ausgeblutet. Wer noch einmal davon gekommen war, war gegen neue Glücksversprechen fortan geimpft mit Nüchternheit und Skepsis. Noch weniger als die Zukunft, die für den Geschichtstheoretiker Koselleck nur als „vergangenes” Projekt von Interesse war, liegt dem Jahrgang 1923 die große freizügige, indiskrete Geste. Dagegen sind Exhibitionismus und spekulatives Zukunftsdenken das Material, aus dem Nicolaus Sombarts Freudenbücher sind. In seinem asketischen Soldatenjahrgang ist er die große libertäre Ausnahme.
Ein lustvolles Versprechen
Schon im Heidelberg der fünfziger Jahre, als sein Studienfreund Reinhart Koselleck ein schwarzes Geschichtsbuch („Kritik und Krise”) über den Weltbürgerkrieg schrieb, hat Sombart sich auf den utopischen Pläneschmied Saint-Simon kapriziert. Nicht die dunklen Schattenlinien, die das kritische Ermächtigungsdenken des 18. Jahrhunderts mit den Katastrophen des 20. Jahrhunderts verband, fesselten Sombart - sondern das große emanzipatorische Versprechen, das die Aufklärung in die Welt setzte. Geschichtsphilosophie und Utopie haben bei Sombart noch nichts von ihrer Unschuld verloren. Wie den vielen Damen und Liebschaften, die sich später auf seinem Diwan die Ehre gaben, wohnt auch dem spekulativen Zukunftsdenken ein lustvolles Versprechen inne: Eroberung folgt sogleich!
Noch nie aber haben sich Zukunft und Paarung so glücklich bei Sombart verbunden wie auf seiner „Rumänischen Reise”. 1972 wird der europäische Beamte Sombart zum „Dritten Internationalen Kongress für Zukunftsforschung” nach Bukarest eingeladen - aber das eigentliche Projekt, das Sombart auf seiner dreiwöchigen Reise zielgerichtet verfolgt, ist, seine Freundin „Isabelle” zu einer Ménage à trois zu bewegen. Sombart hat es immer verstanden, seine erotischen Obsessionen spekulativ zu verkleiden - und weil „Isabelle” ein wenig bürgerlich zickt, muss mit Charles Fourier, über den er auf dem Kongress in Bukarest vortrug, auch ein Theoretiker der freien Liebe aus dem 18. Jahrhundert her.
Der frivole Denker Fourier lehrte Gesetze „leidenschaftlicher Anziehung”, die zu „universeller Harmonie” führen, und ist als Sombarts liebste private Eros-Quelle in allen seinen Büchern präsent. Mit französischen Theorieschnipseln bearbeitet er „Isabelle”, versucht sie drei Wochen von ihrer „repressiven” monogamen Moral zu befreien und für das „Fouriersche Experiment” - vulgo: den flotten Dreier - vorzubereiten. „So gesehen ist nur der Fourierist”, notiert er am 3. September 1972 in seinem, an losen Tagebuchnoten aufgereihten Reisebericht, „wer bereit ist, die Thesen Fouriers in die Tat umzusetzen, also - wenn man so will - die Praxis der Leidenschaft systematisch zu kultivieren.” Immer wieder setzt Sombart zum großen Monolog an - bis „Isabelle” wohl irgendwann der Kragen platzt. „Die stimmen doch hinten und vorne nicht, deine Theorien, das weißt du doch selbst. Du bist ein Sexbesessener, genau das bist du! Geh dir deine Tussen besorgen und lass mich in Ruhe, sprechen wir nie wieder darüber!”
Als Anfang der siebziger Jahre das Paradies der freien Lieben in der alten Bundesrepublik im ewigen WG-Küchengespräch vorläufig zu enden droht, entdeckt Sombart ausgerechnet im so wenig dandyhaft anmutenden Rumänien einen neuen Sehnsuchtsort. Sombarts erotische Reise zum Zukunftskongress ist gleichzeitig auch eine Reise in die Vergangenheit - eine Spurensuche im Lande seiner rumänischen Mutter „Corinna”. Als Kind hatte der kleine Nicolaus im Orient-Express das Balkan-Fürstentum bereist und an langen, feudalen Tafeln gespeist. Aus der Erinnerung taucht zwischen den Reisenotaten das mythische Rumänien wieder auf - Orte wie Jassy oder Crevedia voller Pracht und Glanz, die „Bukarest wie ein Collier umgeben und den Zauber seiner Umgebung ausmachen”. Nichts weist von hier auf die bäuerlich-sozialistische Wirklichkeit der siebziger Jahre, auf das Rumänien Ceausescus, dessen hölzernes Grußwort auf dem Zukunftskongress verlesen wird.
Der überzeugte Warmduscher
Nach Rumänien hatte sich Anfang der zwanziger Jahre auch der Gelehrte Werner Sombart aufgemacht, um die dreißig Jahre jüngere „Corinna” zu heiraten. Immer wieder drängelt sich Nicolaus Sombarts übermächtiger Vater auf der „Rumänischen Reise” ins Bild. Schon bei seiner Geburt habe Werner Sombart gespottet, dass aus dem Jungen nichts Großes werden würde. „So liebte ich es auch”, erinnert sich der überzeugte Warmduscher Sombart an seinen kalten Vater, „im Warmen, bei aufgedrehter Heizung, zu schlafen. Er kam jeden Abend in mein Zimmer, um sie abzustellen.” Eines Tages wird der geliebte Diwan weggesperrt - und spätestens von diesem Augenblick muss dem Sohn klar gewesen sein: „Jede Emanzipation muss mit der Wiedereroberung des Horizontalen beginnen.”
Aus Liebe zum Diwan erklärt sich auch später Nicolaus Sombarts Leidenschaft für die Psychoanalyse, ist sie doch die einzige Wissenschaft, in der nach allen Regeln der Kunst „flachgelegt” wird. Von Carl Schmitt („Die deutschen Männer und ihre Feinde”) bis Wilhelm II. („Sündenbock und Herr der Mitte”) hat Nicolaus Sombart später imaginierte Väter der deutschen Geschichte auf die Couch gelegt. Und auch mit seiner Reise ins rumänische „Mutterland”, mit der Nicolaus Sombart seiner autobiographischen Trilogie („Jugend in Berlin”, „Pariser Lehrjahre”, „Rendezvous mit dem Weltgeist”) einen mehr episodischen, vierten Teil zufügt, emanzipiert sich der Salonmensch Sombart noch einmal von seinem begriffsstrengen Vatererbe.
Sombarts Reisebericht ist über weite Strecken eine anzügliche, etwas klebrige Lektüre. Schon bei seiner Ankunft in Rumänien bekommt er einen „Ständer”, und auch während des Zukunftskongresses verschont er uns nicht mit seiner aufgewärmten Altmänner-Erotik. „Ich nutzte die Gelegenheit, um meine Hand zwischen die Knie von Isabelle gleiten zu lassen, die mich spüren ließ, das es ihr angenehm war.” Solche unangenehmen peinlichen Stellen enthüllen, dass Sombart eigentlich nie ein ehrwürdiges Mitglied des bürgerlich diskreten „Jahrgangs 1923” war, sondern schon immer praktizierender Kommunarde, der etwas ältere Bruder der Achtundsechziger-Generation. Nicht nur verbindet Sombart mit der Studentengeneration ein Vaterkonflikt. In der Mehrzahl bevölkerten Achtundsechziger in den letzten Jahren seinen West-Berliner Salon und nutzten ihn als Rekrutierungslager für ihre Paarungen. Und längst suchen die avancierten akademischen Köpfe dieser Generation, Friedrich Kittler etwa oder Hans-Ulrich Gumbrecht, auf Sombarts Spuren das erotische Erbe und sinnlich rauschhafte „Erlebnis” hinter den Begriffen. Das alte Sombart-Projekt - die Abwertung der Theorie und die Feier des realen Lebens - hat heute scheinbar wieder Zukunft.
STEPHAN SCHLAK
NICOLAUS SOMBART: Rumänische Reise. Ins Land meiner Mutter. Transit Verlag, Berlin 2006. 256 S., 18,80 Euro.
Der Mann des Salons: Die Liebe zum Diwan erklärt viele von Nicolaus Sombarts Leidenschaften.
Foto: Dietmar Gust
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Gewissenhaft macht sich Stephan Schlak zunächst daran, die Themen dieses als Tagebuchnotizen lose verbunden Berichts einer Rumänienreise Nicolaus Sombarts von 1972 herauszufiltern, um ganz am Schuss zu gestehen, dass ihn die "Altmänner-Erotik" peinlich berührt und auch ein wenig anekelt. Der Autor, Jahrgang 1923, gilt dem Rezensenten als freizügige Ausnahmeerscheinung seiner Generation und er entpuppt sich auch in diesem Buch, das sich als Fortsetzung seiner dreiteiligen Autobiografie erweist, als später Achtundsechziger, so Schlak. So geht es dem Autor auf der Reise, die er zu einem Kongress für Zukunftsforschung unternimmt, einerseits darum, seine Freundin zu einem "flotten Dreier" zu überreden, andererseits ist er auf Spurensuche im Geburtsland seiner Mutter, schließlich versucht Sombart, sich von seinem übermächtigen Vater zu emanzipieren, erklärt der Rezensent. Unangenehm sind ihm die erotischen Details dieser Reise und er sieht in diesem Buch einmal mehr erwiesen, dass der Autor kein klassischer Vertreter seiner Generation ist, sondern der "etwas ältere Bruder der Achtundsechziger-Generation."

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