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Ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award
Bestsellerautor Stephen Greenblatt führt uns in seinem neuen Buch an die Zeitenwende zwischen dem Ende des Mittelalters und dem Beginn der Renaissance. Er folgt dabei den Spuren von Lukrez' "De rerum natura" - einem antiken Text, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, das Denken der Menschen radikal veränderte und die Welt in die Moderne führte.
An einem kalten Januartag des Jahres 1417 fällt dem Humanisten Poggio Bracciolini in einem deutschen Kloster ein altes Manuskript in die Hände. Damit rettet er das
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Produktbeschreibung
Ausgezeichnet mit dem Pulitzerpreis und dem National Book Award

Bestsellerautor Stephen Greenblatt führt uns in seinem neuen Buch an die Zeitenwende zwischen dem Ende des Mittelalters und dem Beginn der Renaissance. Er folgt dabei den Spuren von Lukrez' "De rerum natura" - einem antiken Text, der zu Beginn des 15. Jahrhunderts wiederentdeckt wurde, das Denken der Menschen radikal veränderte und die Welt in die Moderne führte.

An einem kalten Januartag des Jahres 1417 fällt dem Humanisten Poggio Bracciolini in einem deutschen Kloster ein altes Manuskript in die Hände. Damit rettet er das letzte vorhandene Exemplar von Lukrez' antikem Meisterwerk "De rerum natura" vor dem Vergessen, nicht ahnend, dass dieses Buch die damalige Welt in ihren Grundfesten erschüttern wird. Denn der antike Text mit seinen unerhörten Gedanken über die Natur der Dinge eröffnet den Menschen des ausgehenden Mittelalters neue Horizonte, befeuert die beginnende Renaissance und bildet die Basis unserer modernen Weltsicht.

Farbenfroh und spannend beschreibt Stephen Greenblatt, wie die Verbreitung des Buches die Renaissance beeinflusste und bedeutende Künstler wie Botticelli und Shakespeare, aber auch Denker wie Giordano Bruno und Galileo Galilei prägte. Greenblatt bietet einen neuen Blick auf die Geburtsstunde der Renaissance, der zugleich zeigt, wie ein einzelnes Buch dem Lauf der Geschichte eine neue Richtung geben kann.
Autorenporträt
Stephen Greenblatt ist Professor für Englische und Amerikanische Literatur und Sprache an der Harvard Universität. Als führender Theoretiker des New Historicism ist er einer der angesehensten Forscher zu Shakespeares Werk sowie zu Kultur und Literatur in der Renaissance. Greenblatt ist der Herausgeber der Norton Anthology of English Literature, Gründer und Mitherausgeber der Zeitschrift Representations sowie Autor mehrerer Bücher, darunter die hochgelobte Shakespeare-Biographie Will in der Welt. Für seine Arbeit wurde er mit zahlreichen Preisen geehrt. Er lebt in Cambridge, Massachusetts, und in Vermont.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Wann begann die Renaissance? Der amerikanische Literaturwissenschaftler Stephen Greenblatt weiß es sogar auf den Tag genau. Es war, als der Papstvertraute Poggio das einzig noch existierende Exemplar von Lukrez' progressiver Schrift "De rerum natura" entdeckte. Greenblatt erzählt diese Geschichte und die von der unterdrückten Rezeption des Textes durch die Kirche als Populärhistorie, die Martin Mulsow außerordentlich gut gefällt, weil der Autor Forschung vermittelt und erzählerisch die unterschiedlichsten Bereiche aus Philosophie und Geschichte erhellt, und zwar in einer Breite, die Mulsow einfach eindrucksvoll erscheint. Am Ende weiß der Rezensent auch, was Greenblatt hier recht eigentlich unternimmt: Nichts Geringeres nämlich als ein flammendes Plädoyer für den "pädagogischen Eros" von Schriftkultur und säkularem Denken, den er bei Lukrez findet und der sich in der Errettung des Textes vor dem Vergessen und Verdrängen niederschlägt. Vor dem Hintergrund kreationistischer und fundamentalchristlicher Tendenzen in Greenblatts Heimat USA, meint Mulsow, erscheint das Buch auch noch höchst aktuell.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 25.04.2012

Da sausen sie,
die Atome
Ein Schmöker: Stephen Greenblatt sucht den Beginn
der Neuzeit in der Entdeckung eines alten Manuskripts
Ein Buch, das von der Auffindung der Abschrift eines schwierigen antiken Dichterphilosophen vor 600 Jahren handelt, bekommt den Pulitzerpreis und kommt als gefälliger Schmöker daher, als Spitzentitel. Wie kommt es dazu? Der Autor, der Harvard-Professor Stephen Greenblatt, ist ein intellektueller Star. Und nachdem er als Literaturtheoretiker und als Interpret elisabethanischer Dichtung hervorgetreten war, gelangte er mit seinem populären Shakespeare-Buch „Will in the World“ im Jahr 2004 in die Sphäre der Weltbestseller.
Sein neues Werk „Die Wende – wie die Renaissance begann“ lässt schon nach den ersten Seiten keinen Zweifel: Stephen Greenblatt will in dieser Sphäre der Bestseller bleiben. Er hat Blut geleckt. Daher folgt er dem Muster des Abenteuer- und Entdecker-Romans, das auch der Wissenschaftsjournalismus gerne anwendet, wenn es um historische Themen geht: Ein unentdecktes Geheimnis, in diesem Fall der Text des epikureischen Lehrgedichts „De rerum natura“ des römischen Dichters Lukrez aus dem ersten vorchristlichen Jahrhundert, wird aus einem dunklen Versteck, in diesem Fall einer süddeutschen Klosterbibliothek, wahrscheinlich in Fulda, hervorgeholt – und die Entdeckung des Schatzes verändert dann die Welt.
Poggio Bracciolini, aus einem Städtchen in der Toskana gebürtig, war einer der bedeutenden Humanisten des frühen 15. Jahrhunderts. Poggio war, wie viele seiner Weggefährten, von Sprachen und Literatur des klassischen Altertums besessen, er hatte eine unfassbar schöne Handschrift, die auch die Gestaltung des frühen Buchdrucks beeinflusst hat. Er schrieb in ausgesuchtem lateinischen Stil ebenso moralische Dialoge wie derbe Witzgeschichten über das Treiben am päpstlichen Hof („Facetiae“), und er war ein berühmter Bücherjäger, der mittelalterliche Kopien von antiken Autoren wie Cicero, Manilius oder Quintilian ans Licht brachte. Dieser Poggio ist nun, neben Lukrez, der Held von Stephen Greenblatts Erzählung.
Poggio verlor seinen Posten als apostolischer Sekretär, als sein Dienstherr – der erste der beiden Päpste mit dem Namen Johannes XXIII. – vom Konzil zu Konstanz abgesetzt und aus der Liste der Päpste gestrichen wurde, womit das abendländische Schisma, die Zeit der Gegenpäpste, zum Ende kam. Poggio reiste daraufhin auf eigene Faust in Deutschland herum. Im Winter 1417 stieß er in einer Bibliothek auf ein heute verlorenes Exemplar eines sechs Bücher umfassenden Lehrgedichts in lateinischen Hexametern. Es war dies eine umfassende Welterklärung in Versen. Die Verse beschrieben den Kosmos materialistisch, im Sinne des griechischen Philosophen Epikur: Die Welt ist zusammengesetzt aus Atomen, also kleinen Teilchen, die ohne göttlichen Plan permanent herumschwirren. Es gibt keine Vorsehung und kein Leben nach dem Tod. Und das höchste ethische Ziel des Menschen ist die Lust, die, aus der Suche nach Erkenntnis heraus, Gelassenheit und Glück bringt.
Poggio ließ das gehaltvolle philosophische Epos umgehend abschreiben, wodurch der Text daheim in Italien bekannt wurde. Denn der Bücherjäger hatte nach einem Blick auf den Titel der Handschrift gleich gewusst, womit er es hier zu tun hatte: Den Namen des lange Zeit ungelesenen Autors, Titus Lucretius Carus, kannte er von anderen klassischen Schriftstellern, etwa von Ovid, der in seinen „Amores“ gedichtet hatte: „Die Gedichte des erhabenen Lukrez werden erst dann vergehen, / wenn ein einziger Tag alle Welt vernichten wird.“ (Carmina sublimis tunc sunt peritura Lucreti, / exito terras cum dabit una dies.)
Nun also war der Lukrez-Text durchs Mittelalter hindurch tatsächlich nicht vergangen, sondern wurde durch die stille Kopierarbeit der Mönche in den Skriptorien der christlichen Klöster bewahrt, wie überhaupt die Reste der Literatur des Altertums vor allem auf diesem indirekten Wege überliefert sind. Worin aber bestand nun „die Wende“, die der Titel von Greenblatts Buch verkündet?
Zum einen spielt diese „Wende“ auf einen wichtigen Begriff in der Lehre des antiken Atomismus an: Nach dieser Überzeugung entsteht alles in der Welt durch kleine Abweichungen in der Bewegung der Atome, durch plötzliche Richtungswechsel der Materie, die minimal sind, aber eine Kette von Kollisionen auslösen. Diese Zufallsbewegungen – lateinisch clinamen oder declinatio, englisch „The Swerve“, so der Originaltitel des Buches – sind gleichsam auch der Urgrund für den freien Willen.
Zugleich ist die „Wende“ der Atome ein Bild für die allgemeine Bewegung, welche die Wahrnehmung der antiken materialistischen Philosophie in das europäische Denken der Neuzeit gebracht hat. Selbst wenn jene Lehre in einzelnen Zitaten griechischer Philosophen aufscheint, und wenn auch über den Epikureismus bei Cicero nicht zu knapp diskutiert wird (etwa in dem Dialog „De finibus“), so wird die Wiederentdeckung des kompletten Lukrez-Textes bei Stephen Greenblatt symbolisch zum „Beginn“ der Renaissance.
Diese Bedeutung erhält Poggios Fund von 1417 (später wurden auch andernorts weitere Lukrez-Manuskripte hervorgeholt, darunter auch textkritisch wertvollere) deswegen, weil die dort entfalteten Gedanken – die Atome, die Ungeschaffenheit und Unendlichkeit der Welt, der Zweifel an der Unsterblichkeit der Seele, das Ziel des Lustgewinns – deutlich mit zentralen Auffassungen der christlichen Tradition kollidierte. Schon Kirchenväter wie Laktanz hatten gegen die Epikureer polemisiert; Ende des 15. Jahrhunderts hat der florentinische Bußprediger Savonarola in seinen Fastenpredigten auch antike Philosophen kritisiert: „Sie sagen, diese Welt sei aus Atomen gemacht, aus solchen winzigen Teilchen also, die durch die Luft fliegen . . .“ Die gegenreformatorische, tridentinische katholische Kirche verdammte ausdrücklich den antiken Materialismus.
Und in der Tat haben die rationalistische Kosmologie und die anti-metaphysische Ethik der Epikureer starke Wirkungen gehabt, bis hin zur neuzeitlichen Naturwissenschaft. Machiavelli hat den kompletten Lukrez eigenhändig abgeschrieben, die Abschrift ist in der Vatikanischen Bibliothek erhalten. Marsilio Ficino hat Lukrez gründlich studiert, dann aber neuplatonisch verworfen. „De rerum natura“ wurde rezipiert von Giordano Bruno, von Shakespeare, Montaigne, Francis Bacon. Der Inquisitor im Fall Galileo Galilei attestierte diesem atomistische Einflüsse.
Auch Isaac Newton las Lukrez und nannte sich einen Atomisten; Albert Einstein erkannte in einem Vorwort zu einer Übersetzung des Lukrez an, dass der wiederentdeckte antike Atomismus auch die Experimente mit angeregt hat, aus denen sich schließlich der moderne Atomismus ergab – der allerdings letztlich erkennen musste, dass die Atome gerade nicht, wie man einst dachte, unteilbar sind. Lukrez-Fan war auch Thomas Jefferson: Der amerikanische Gründungsvater besaß mindestens fünf lateinische Editionen plus diverse Übersetzungen, bezeichnete sich als Epikureer, und selbst die Formel vom „pursuit of happiness“ in der Unabhängigkeitserklärung der USA atmet epikuräischen Geist, auch wenn ähnliche Formulierungen auch bei den englischen Utilitaristen vorkamen.
Von all dem berichtet Stephen Greenblatt nun so schwungvoll, wie ein epikureisches Atom durch die Gegend saust. Auf seinem Weg bietet er lauter kleine Einführungen in die kulturgeschichtliche Umgebung: Philologie und Humanismus seit Petrarca, Klosterwesen und Textkritik, die verschütteten Bibliotheken der antiken Vesuvstädte und die Kultur der römischen Villa, der Katalog von Alexandria, die Diskussionskultur des Altertums und die florentinische der Renaissance, der korrupte päpstliche Hof und die christliche Sündenlehre. . . All diese Exkurse sind so eine Art „Was ist was“ für Erwachsene, und damit es nicht zu lexikalisch wird, sind immer wieder dramatische Wende-Formeln dazwischengeschaltet. Etwa: „Es muss etwas geschehen sein in der Renaissance, etwas, das anbrandete gegen die Dämme und Grenzen . . .“ Oder: „In einer der großen Transformationen der Kultur triumphierte das Streben nach Schmerz über das nach Lust.“ Lukrez, sagt Stephen Greenblatt, habe in ihm schon zu Studienzeiten „eine tiefe Saite zum Klingen“ gebracht, und man glaubt es ihm.
Für diesen gezielt gesuchten Bestseller-Ton ist allerdings ein Preis zu zahlen. Es ist weniger der, dass bei dieser Schreibweise zu stark auffällt, dass zu demselben Thema schon mehrere andere, dichtere Bücher erschienen sind, gerade auch in letzter Zeit: „De rerum natura: The Return of Lucretius to Renaissance Florence“ von Alison Brown (2010) oder „The Lucretian Renaissance: Philology and the Afterlife of Tradition“ von Gerard Passannante“(2011); und dass etwa der deutsche Philologe Karl Lachmann, der nicht zuletzt anhand von Lukrez die moderne Textkritik erst begründete, noch nicht einmal erwähnt ist.
Nein, das eigentliche Problem dieser Schreibweise ist es, dass der Autor dafür auf altmodischste Schwarz-Weiß-Klischees vom dunklen Mittelalter und von der hellen Renaissance zurückgreifen muss. Es macht immer wieder Spaß, so etwas zu lesen. Doch wären es gerade die plumpen Gegensätze von Finsternis und Aufklärung, von Glaube und Wissen, an denen sich das Gespür für kleine, aber wichtige Abweichungen zu beweisen hätte.
JOHAN SCHLOEMANN
STEPHEN GREENBLATT: Die Wende. Wie die Renaissance begann. Aus dem Englischen von Klaus Binder. Siedler, München 2012. 345 Seiten, 24,99 Euro.
Savonarola glaubte nicht
an die „winzigen Teilchen, die
durch die Luft fliegen“
Das Weltgedicht des Römers Lukrez begeisterte die Renaissance – oben eine Handschrift von 1483. Wiederentdeckt wurde der Text 1417 von dem Humanisten Poggio (unten rechts), für den sich wiederum der Literaturforscher Stephen Greenblatt (links) begeistert. Abb.: Biblioteca Vaticana, Rose Lincoln, oh
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