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Hanna Mandels Lebenserinnerungen berichten von jüdischem Leben in Europa vor der NS-Zeit, vom Leben und Sterben im KZ, vor allem aber auch vom Weiterleben in der Nachkriegszeit und im Deutschland der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. "Auch die Geschichte vor der Deportation, das Leben der Familie Mandel in einem kleinen ungarischen Ort sollte Platz haben, denn jüdisches Leben in Europa hat nicht immer nur Verfolgung und Tod bedeutet. Genauso wenig sollte das Buch mit der Befreiung der Konzentrationslager enden. Es sollte nicht zu dem Missverständnis beitragen, 'danach' habe ganz…mehr

Produktbeschreibung
Hanna Mandels Lebenserinnerungen berichten von jüdischem Leben in Europa vor der NS-Zeit, vom Leben und Sterben im KZ, vor allem aber auch vom Weiterleben in der Nachkriegszeit und im Deutschland der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. "Auch die Geschichte vor der Deportation, das Leben der Familie Mandel in einem kleinen ungarischen Ort sollte Platz haben, denn jüdisches Leben in Europa hat nicht immer nur Verfolgung und Tod bedeutet. Genauso wenig sollte das Buch mit der Befreiung der Konzentrationslager enden. Es sollte nicht zu dem Missverständnis beitragen, 'danach' habe ganz selbstverständlich das 'normale' Leben wieder begonnen ..."Der Theologe Norbert Reck ließ sich von Hanna Mandel in ihrem Wohnzimmer die Geschichte/n ihres Lebens erzählen. Ihre Erinnerungen, im Wortlaut dokumentiert, sind lebhaft, facettenreich, von verblüffender Präzision und voller Lebensklugheit. Eine ebenso bedrängende wie bereichernde Lektüre - und eine Geschichte, die wir nicht vergessen wollen.
Autorenporträt
Hanna Mandel, geboren 1927 in Oradea/Rumänien, wuchs in Vásárosnamény/Ungarn auf, von wo aus sie 1944, im Alter von 17 Jahren, mit ihrer Familie nach Auschwitz-Birkenau deportiert wurde. Als einzige Überlebende ihrer Familie heiratete sie nach der Befreiung ihren Cousin und lebte mit ihm in Rumänien. 1948 flohen sie nach Ungarn und ließen sich dann in Wien nieder, wo Hanna Mandels erste Tochter zur Welt kam. 1952 zog die Familie nach Fürth und baute sich nach und nach eine Existenz in Import-Export-Geschäften auf. 1956 übersiedelten sie nach München, weil die Nähe zum Flughafen wichtig für die Geschäfte war. In München brachte Hanna Mandel noch drei Töchter zur Welt. 1975 kam es zur Scheidung. Es folgte eine Ausbildung zur Bürokauffrau, dann lange Arbeitslosigkeit. Schließlich fand sie Arbeit als Verwaltungsangestellte, was sie bis zur Rente blieb. Seit Mitte der 1970er Jahre sprach Hanna Mandel in Schulen und auf öffentlichen Veranstaltungen über ihre KZ-Erfahrungen und über die
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 24.11.2008

Ein Leben nach Auschwitz
Der lange Kampf der ungarischen Jüdin Hanna Mandel
Die Mehrheit der ungarischen Juden, die erst im Frühjahr 1944 in den deutschen Machtbereich geriet, ahnte nicht, was ihr bevorstand. Vom 15. Mai 1944 an verschleppte die SS in weniger als zwei Monaten 438 000 Juden aus Ungarn nach Auschwitz-Birkenau, wo die meisten von ihnen sofort ermordet wurden. Eine der Verschleppten war – zusammen mit ihren sieben jüngeren Geschwistern, ihren Eltern, ihrem Großvater sowie einer Tante mit einem Baby – die damals 17-jährige Hanna Mandel. Sie kamen aus dem kleinen, nahe der russischen Grenze liegenden, Ort Vásárosnamény, in dem etwa 200 jüdische Familien lebten. Alle Familienangehörigen, mit Ausnahme des Vaters, den Hanna während ihres zweimonatigem Aufenthalts in Auschwitz aber nur noch einmal sah, und einer jüngeren Schwester, von der sie nach kurzer Zeit getrennt wurde und die ebenfalls später in Auschwitz umkam, wurden sofort nach ihrer Ankunft ermordet. Hanna Mandel überlebte, weil sie nach zwei Monaten von Auschwitz zunächst zum Arbeitseinsatz bei den VW-Werken im niedersächsischen Fallersleben und nach Salzwedel, einem Außenlager des KZ Neuengamme, gebracht wurde. Dort wurde sie am 14. April 1945 durch Einheiten der US-Armee befreit. Von den 113 Mitgliedern der Familie hatten fünf Personen überlebt.
Auch nach ihrer Befreiung aus dem KZ blieb Hanna Mandels Lebensweg schwierig und über viele Jahre hinweg einsam und unglücklich. Nach dem gescheiterten Versuch, in der alten Heimat wieder Fuß zu fassen, und der Eheschließung mit einem Cousin folgten die Flucht ins Exil, zunächst nach Österreich und dann nach Deutschland und ein jahrzehntelanger Kampf um die Schaffung einer neuen Existenz. Die Katastrophe, über die sie nicht sprechen konnte, begleitete und belastete sie Tag und Nacht. Allmählich begann sie, die strengen Gesetzesvorschriften des orthodoxen Judentums und ihre Rolle als Frau, die sich unterzuordnen hatte, infrage zu stellen. Schließlich trennte sich Hanna Mandel von ihrem Mann und baute für sich und ihre Töchter, trotz großer materieller Schwierigkeiten, ein neues, selbstbestimmtes Leben auf.
Als Hanna Mandel im Jahr 1993 im Alter von 66 Jahren begann, dem Theologen und Historiker Norbert Reck kontinuierlich über ihr Leben zu berichten, hatte sie einen langen Kampf um ein autonomes Leben hinter sich. Sie hatte sich aus eigener Kraft zu einer selbständig handelnden, gut informierten Zeitgenossin entwickelt, die sich politisch und kulturell auf vielfältige Weise engagierte und leidenschaftlich für eine bessere Zukunft einsetzte. Ihre schreckliche Vergangenheit war unverändert präsent und sie fühlte sich noch immer entwurzelt. Hanna Mandel blieb eine Fremde in Deutschland, wo ihr immer wieder versteckter und offener Antisemitismus entgegenschlug und ihr vor allem bei ihren Bemühungen, in den Beruf zu finden, Untertanengeist, Feigheit und Kleinmütigkeit begegneten. Aber sie hatte sich durchgekämpft und gelernt, sich gegen Ungerechtigkeit zu wehren. Sie hatte akzeptiert, dass die Vergangenheit für sie immer Gegenwart bleiben würde, und sie fühlte sich zunehmend verpflichtet, über ihr Schicksal zu berichten. Dabei interessierten sie vor allem die Fragen junger Menschen. Es ging ihr nicht in erster Linie um die Vermittlung historischer Fakten, sondern, wie sie sagte, „um das Nachdenken über Erfahrungen, wie Hass und Vorurteile mörderisch werden können”.
Der Dialog zwischen Mandel und ihrem Gesprächspartner und Chronisten dauerte in unterschiedlicher Intensität zehn Jahre an. Er fand sein Ende im Jahr 2003, als Hanna Mandel im Alter von 76 Jahren starb. Sie schilderte im Verlauf dieser Jahre in großer Offenheit und in eindrücklichen Bildern ihr Leben. Ihre Erinnerungen an eine glückliche, behütete Kindheit und Jugend, die durch die Katastrophe „Auschwitz” ein abruptes Ende fand, aber auch an den weiteren Verlauf ihrer unheilbar beschädigten Existenz. Aus den Aufzeichnungen der Gespräche entsteht das Bild einer Frau, die als junges Mädchen ein entsetzliches Trauma erlitten hat, das den Rest ihres Lebens überschattet. Es begegnet dem Leser aber auch eine Frau, der es gelungen war, sich aus eigener Kraft aus ihrer Unselbständigkeit zu befreien, und die sich mit Leidenschaft am politischen Diskurs beteiligte. Fünf Jahre nach Hanna Mandels Tod liegt dieses bewegende Zeugnis nun als Buch vor. Dem Herausgeber ist bewusst, „dass kein Buch das Gespräch mit den Überlebenden ersetzen kann”. Er hofft trotzdem, dass es dazu beiträgt, dass „das Nachdenken über Hanna Mandels Erfahrungen und Gedanken weitergeht”. BARBARA DISTEL
HANNA MANDEL: Beim Gehen entsteht der Weg. Gespräche über das Leben vor und nach Auschwitz. Herausgeber: Norbert Reck. Argument Verlag, Hamburg 2008. 288 Seiten, 17,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als "bewegendes Zeugnis" hat Rezensentin Barbara Distel dieses Buch gelesen, in dem Hanna Mandel im Gespräch mit dem Historiker und Theologen Norbert Reck von ihrem Leben erzählt. Die ungarische Jüdin Mandel ist 1944 von der SS verschleppt worden, überlebt jedoch anders als der Großteil ihrer Familie das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, weil sie, die 17-Jährige, als Zwangsarbeiterin ausgebeutet werden konnte. Mandel überlebt, natürlich tief traumatisiert und lernt erst nach und nach, von den Geschehnissen zu berichten. Auch Hanna Mandels Lebensweg nach Auschwitz hat Distel mit Interesse verfolgt, der sie von Ungarn über Österreich nach Deutschland führte, durch einige unschöne Erlebnisse des neualten Antisemitismus, der Feigheit und des Kleingeists.

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