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Das Bild des Denkens von Gilles Deleuze kann als Netz gesehen werden, das Bücher, Artikel, Interviews, Vorlesungen, Filmgespräche umfasst."wünschenswert kritisch und dankenswert verständlich" (FAZ)"Heiterkeit der tabula rasa" (SZ)Platz 6 der "Sachbücher des Monats" April 2000.

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Produktbeschreibung
Das Bild des Denkens von Gilles Deleuze kann als Netz gesehen werden, das Bücher, Artikel, Interviews, Vorlesungen, Filmgespräche umfasst."wünschenswert kritisch und dankenswert verständlich" (FAZ)"Heiterkeit der tabula rasa" (SZ)Platz 6 der "Sachbücher des Monats" April 2000.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2000

Heiterkeit der Tabula rasa
Martin Stingelin untersucht das Netzwerk von Gilles Deleuze
„Gnade”, röchelte Gilles Deleuze, „mein Gott . . . Er hat mich zerschlagen. Sprechen ist zerbrechlich, wißt ihr . . . . . . Ich werde dich eine Stunde sprechen lassen, wann du willst, aber nicht jetzt. ” Das ist natürlich ein Ausnahmefall, diese Bitte, weiterreden zu dürfen, fortfahren mit seiner Vorlesung. Gespieltes Pathos – fast immer hat Deleuze die Intervention seiner Zuhörer geduldet, sie zum Bestandteil seines Diskurses werden lassen: Vorlesung als Musik, „ein bißchen wie ein Rockkonzert”. Eine Praxis der Unterbrechungen, die es schwer macht, die Bücher richtig zu lesen, die dann aus den Vorlesungen entstanden sind.
Um die Einübung ins Dialogische bei Deleuze zu erleichtern, hat Martin Stingelin sein Buch geschrieben. Der Zeitpunkt ist gut gewählt – 1997 hat das Unternehmen web Deleuze begonnen, inzwischen gibt es, trotz gewisser Stockungen und etlicher Schwierigkeiten, etwa 80 der Vorlesungen im Internet, die Deleuze zwischen 1971 und 1987 an der Universität Paris-VIII Vincennes (später in Saint-Denis) gehalten hat: 2000 Seiten, in spanischer und englischer Sprache, nach den Tonbandmitschnitten transkribiert.
Martin Stingelin nähert sich dem Werk von Deleuze von außen, ganz pointiert – was bisweilen auch den Einsatz kleiner Pointen erlaubt: wenn Lacan zum Beispiel den Philosophen zu sich bestellt und über seine nichtsnutzigen Schüler lamentiert: „Es ist jemand wie Sie, der mir fehlt. ” Oder die scharfe Abgrenzung gegen die Wittgensteinianer: „Das sind Mörder der Philosophie. ”
Die Philosophie war ein Teil des Lebens von Deleuze, aber er hat gewusst, das nicht die Philosophen allein, dass auch alle Künstler Philosophie betreiben. Nun also Deleuze und das Internet – das jenes wuchernde Rhizom zu realisieren scheint, das Deleuze und Félix Guattari entwickelten in ihrem Buch Mille Plateaux, ein Denken, das azentrisch ist, nicht hierarchisch, asignifikant: „Es hat kein organisierendes Gedächtnis und keinen zentralen Automaten, und wird einzig und allein durch eine Zirkulation von Zuständen definiert. ” Martin Stingelins Buch ist eine Momentaufnahme, noch lässt sich nicht sagen, ob das Internet wirklich jenen Satz von Foucault eingelöst hat: „Eines Tages wird das Jahrhundert vielleicht deleuzianisch sein. ” (Und wie sieht es dann aus mit dem jungen neuen Jahrhundert?)
Stingelin skizziert einen subtilen Vergleich von Deleuze und Foucault – auch der war ein Meister des Vorlesungsdiskurses. „Indem Deleuze die Gegenwart, die mit den philosophischen Begriffen ihre Probleme verliert, in eine quälende Ereignislosigkeit zerfallen lässt, schafft er jenen Freiraum des Denkens neu, in dem jeder Begriff, der die Gegenwart vor ein bislang unbekanntes Problem stellt, ihre Lebendigkeit herausfordert. Die Philosophie von Descartes, Leibniz, Kant oder Nietzsche beginnt von vorn. Foucaults Gedankenexperimente gehen den umgekehrten Weg. Indem er ein aktuelles und in seinen Auswirkungen weitreichendes gerichtspsychiatrisches Gutachten vorliest, dessen Terminologie und Ideologie aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, stürzt er die Gegenwart zurück in jenen anhaltenden Sturm der Ereignisse, in dem jeder Standpunkt nur als vorübergehendes Provisorium erkämpft werden kann . . . Sein Humor entspringt dem Grimm, dass die Verhältnisse nicht so grotesk bleiben dürfen, wie sie sind, während Deleuzes Humor der Heiterkeit der tabula rasa entspringt. ”
Wichtiger als diese Konfrontation sind aber die vielen kleinen Berührungen, von denen Stingelin erzählt: mit Baruch Spinoza, dem großen Vorbild, oder mit den fröhlichen Verweigerern Bartleby, in der Erzählung von Melville, und Wakefield, in der Erzählung von Nathaniel Hawthorne. Die schönsten Reaktionen hat Deleuze offensichtlich auf sein Leibniz-Buch Die Falte erlebt, von der Vereinigung der Papierfalter und von einer Gruppe von Surfern: „Das sind Begegnungen. ”
FRITZ GÖTTLER
MARTIN STINGELIN: Das Netzwerk von Deleuze. Immanenz im Internet und auf Video. Merve Verlag, Berlin 2000. 139 Seiten, 18 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit seinem Begriff des Rhizoms, des dezentralen, nicht hierarchisierten Luftwurzelwerks, sei Deleuze, ohne es zu wissen, ein Vordenker des Internets gewesen, merkt Fritz Göttler in seiner Kritik des Buchs an - und nun existiert im Internet offensichtlich ein Deleuze-Projekt, bei dem die Vorlesungen des Philosophen von 1971 bis 87 veröffentlicht werden. An Stingelins Buch gefällt Göttler, das er sich dem Werk des Philosophen von außen nähere. Auch auf Stingelins Vergleich zwischen Deleuze und Foucault, die er in systematischer Weise gegeneinander zu profilieren scheint, weist Göttler in seiner sehr wohlwollenden Kritik hin.

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