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Ins Deutsche übertragen und mit einem Essay versehen von Friedhelm Kemp, ins Englische von Howard Fine. Nur sechs Gedichte hielt die Schriftstellerin Catherine Pozzi am Ende ihres Lebens für würdig, veröffentlicht zu werden. "Ich möchte, dass man sie als Büchlein herausgebe; auch Sappho hat nicht mit mehr Versen die Zeit überdauert." Sechs Gedichte sind die Essenz von Catherine Pozzis lyrischem Schaffen.

Produktbeschreibung
Ins Deutsche übertragen und mit einem Essay versehen von Friedhelm Kemp, ins Englische von Howard Fine.
Nur sechs Gedichte hielt die Schriftstellerin Catherine Pozzi am Ende ihres Lebens für würdig, veröffentlicht zu werden. "Ich möchte, dass man sie als Büchlein herausgebe; auch Sappho hat nicht mit mehr Versen die Zeit überdauert." Sechs Gedichte sind die Essenz von Catherine Pozzis lyrischem Schaffen.
Autorenporträt
Friedhelm Kemp, geb. 1914, Essayist und Übersetzer vor allem aus dem Französischen (u.a. Werke von Maurice Sceve, Charles Baudelaire, Simone Weil, Saint-John Perse, Marcel Jouhandeau, Yves Bonnefoy, Philippe Jaccottet); er erhielt 1998 den Joseph Breitbach-Preis. Friedhelm Kemp lebt in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.03.2003

Form des Leidens, Vers um Vers
Die "Sechs Gedichte" der Catherine Pozzi, der Geliebten Valérys

Zwei außerordentliche Ereignisse hat Paul Valéry als entscheidend für sein "geheimes Leben" verzeichnet: die sogenannte Nacht von Genua und seine Begegnung mit Catherine Pozzi. In jener Genueser Sturmnacht 1892 schleuderte Valéry den Blitzstrahl auf alles, was er damals war, und sagte der Dichtung für lange Jahre ab, um zum "maître de sa pensée" zu werden und das Funktionieren des Denkens zu ergründen. 28 Jahre später fand er sich getroffen von einem anderen Strahl - er kam von den Lippen ebenjener Catherine Pozzi.

Sie, die Tochter jenes erfolgreichen Arztes, der das Vorbild für Prousts Doktor Cottard lieferte, war dabei, sich von ihrem Mann Edouard Bourdet, einem erfolgreichen Bühnenautor und Leiter der Comédie Française zu trennen, als sie am 17. Juni 1920 Paul Valéry bei einem Abendessen kennenlernte. Es war der Beginn eines geistigen und erotischen Abenteuers, in dem beide Partner mit hohem Einsatz spielten. Catherine vor allem; und sie tat es ohne Rückhalt und Kompromiß. Die distinguierte, sportliche, intellektuell trainierte Enddreißigerin, sensibilisiert durch die Anfälle einer Tuberkulose, war bereit und fähig, an Valérys Denken und Arbeit teilzunehmen. Etwa indem sie die morgendlichen Niederschriften seiner "Cahiers" sichtete, ordnete und mit ihm diskutierte.

In ihrem eigenen Tagebuch beteuert sie einmal, sie wolle ein "Kind guten Willens" sein und "gleichsam ewig durchsichtig für wer weiß welche Sonne". Aber das ist nicht der Gestus von Unterwerfung, sondern Ausdruck einer Unbedingtheit, die über den Freund als direkten Adressaten weit hinaus zielt: "Durch dich hindurch gehe ich zu Gott", schreibt sie und rühmt eine Liebe, "die nicht kennt und, dennoch, findet".

Ihrem Partner konnte sie mehr als ihren leidenschaftlichen Charakter entgegenhalten, mehr auch als ihre metaphysische Liebesidee. Nämlich ein OEuvre, das in seiner Vielfalt Ausdruck einer emphatischen Einheit ist. Catherine Pozzi hat neben ihren Tagebüchern und der Erzählung "Agnès" einen großen Traktat über die Einheit von Körper und Seele verfaßt - und eben "Die sechs Gedichte", deren lapidarer Titel fast überdeutlich den hohen Anspruch der Autorin markiert. Diese Gedichte sind nicht nur groß gedacht und hoch stilisiert. Sie enthalten auch, wie Einschlüsse in Bernstein, Spuren von Erdenresten - Spuren von Leid, Liebesleid. Catherine begann sie zu schreiben, nachdem sie Valérys Frau das Geständnis ihrer Liaison gemacht hatte. Die Gedichte entstanden zwischen 1926 und 1934, das letzte im November 1934, vier Wochen vor ihrem Tod.

Das erste Gedicht, "Vale", entstand im Schlafwagen Vence-Paris und unter dem Einfluß einer Morphiumspritze. Im Rhythmus des Zuges, schreibt sie, "sang ich vor mich hin und erfand langsam die Form des Leidens, Vers um Vers". "Vale" ist der Abschied von "Le grand amour": "Die große Liebe, die du mir gegeben hattest / Zerbrochen sind im Wind der Tage ihre Strahlen." Die Klage eröffnet einen Disput zweier Liebesauffassungen. Mehr noch: Sie ist eine Absage an die Version des Mannes. Ihm wird für die Zukunft eine mindere Gegenwart prophezeit: "Was du auch trinkst, dein einziger Rausch / Bleibt der verlorene Wein." Hier spielt - in Versen, die den artistischen Standard der Lyrik Valérys halten - Catherine auf "Le vin per-du", ein Sonett aus "Charmes" an. Dagegen setzt das lyrische Ich das stolze Bekenntnis: "Ich fand das Himmlische und Wilde wieder / Das Paradies, wo Angst Verlangen ist." So rettet die Dichterin ihre Schmerzens-Liebe in eine Zukunft nach dem Tod.

Diese Vorstellung von der Vollendung der Liebe bestimmt auch "Ave". Es ist ein Lobgesang auf die "Sehr hohe Liebe" (Très haut amour), die aus tausend Körpern einst neu erschaffen wird. Ein Gedanke, den Catherine Pozzi der "Erhebung zu Jesus Christus" des Kardinals Bérulle entnimmt: "O reine, himmlische und göttliche Liebe! Liebe, die keines Unterhalts und keines Gefühls bedarf." Man mag auch an Rilkes Idee einer den Partner transzendierenden Liebe denken - mit Rilke hat Catherine übrigens korrespondiert.

Friedhelm Kemp gibt für die Deutung der oft hermetischen Gedichte wichtige Hinweise. Aber auch er muß es mit Andeutungen genügen lassen und spricht von Pozzis "sinnschwer aufgeladenen Abbreviaturen". Eine Ausnahme an Luzidität macht das kurz vor Catherines Tod entstandene Gedicht "Nyx" (Nacht), gerichtet "An Louise auch aus Lyon und Italien". Gemeint ist die Lyonerin Louise Labé, deren Sonette Rilke übersetzt hat. Catherine Pozzis Hommage an die Liebes- und Leidensgenossin läßt in den O-Anrufen die Reime ihrer Vorgängerin anklingen und endet in einem wunderbaren "Je ne sais pas": "Weiß nicht warum ich sterbe und ertrinke / Eh ich den ewgen Aufenthalt betrete. / Weiß nicht wer mich als seine Beute griff. / Weiß nicht wer mich als seine Liebe liebt."

HARALD HARTUNG

Catherine Pozzi: "Die sechs Gedichte / Les six poèmes / The six poems." Ins Deutsche übertragen von Friedhelm Kemp, ins Englische von Howard Fine. Mit einem Essay von Friedhelm Kemp. Steidl Verlag, Göttingen 2002. unpaginiert, geb., 27,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Harald Hartung würdigt in seiner Besprechung des dreisprachigen Bandes mit sechs Gedichten das vielfältige Lebenswerk der Lyrikerin, die die Gedichte nach dem Ende ihrer Beziehung zu Paul Valery zwischen 1926 und 1934, ihrem Todesjahr, schrieb. Der Rezensent meint, die Verse seien nicht nur "groß gedacht und hoch stilisiert", sondern demonstrierten mit ihrem "lapidaren Titel" auch den hohen Anspruch der Autorin. Dem Übersetzer ins Deutsche ist Hartung für die Anmerkungen zu den meist "hermetischen" Gedichten dankbar, auch wenn er einräumt, dass auch dieser es bei "Andeutungen" bewenden lassen muss. Schwärmerisch wird Hartung bei dem letzten der sechs Gedichte, das kurz vor dem Tod Pozzis entstanden ist und das, wie er preist, in einem "wunderbaren 'Je ne sais pas' endet".

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