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Hannahs Familie neigt zu Alkoholismus, Selbstmord und abgrundtiefer Häßlichkeit. Vor allem aber neigt sie zu Lügen und Geheimnissen - eine Familientradition mit Folgen... Gewürzt mit einer gehörigen Prise Sarkasmus und Selbstironie, erzählt Hannah ihre Geschichte: die der traurigen, wütenden Mittdreißigerin, die mit Männern kein Glück hat, die des heranwachsenden Mädchens, die des kleinen Kindes.
"So witzig und zugleich böse wie Georgina Hammick hat schon lange niemand mehr von den täglichen Katastrophen erzählt." (Elke Heidenreich)

Produktbeschreibung
Hannahs Familie neigt zu Alkoholismus, Selbstmord und abgrundtiefer Häßlichkeit. Vor allem aber neigt sie zu Lügen und Geheimnissen - eine Familientradition mit Folgen...
Gewürzt mit einer gehörigen Prise Sarkasmus und Selbstironie, erzählt Hannah ihre Geschichte: die der traurigen, wütenden Mittdreißigerin, die mit Männern kein Glück hat, die des heranwachsenden Mädchens, die des kleinen Kindes.

"So witzig und zugleich böse wie Georgina Hammick hat schon lange niemand mehr von den täglichen Katastrophen erzählt." (Elke Heidenreich)
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.02.2002

Das Interessanteste ist in der Mitte
Kein Tanz, nur Stillstand: Georgina Hammick schreibt Episoden

Daß die britische Schriftstellerin Georgina Hammick in Deutschland noch immer als Entdeckung gefeiert werden kann, mag daran liegen, daß sie von Haus aus eine Autorin von Kurzgeschichten und Erzählungen ist. In England hingegen gelangte sie mit den Bänden "People for Lunch" (1987) und "Spoilt" (1992) auf die Bestsellerlisten; bereits vor vier Jahren erschien unter dem Titel "Ganz wild auf den Knaben" eine verdienstvolle Auswahl von immerhin neun dieser meisterhaften Miniaturen in noch dazu hervorragender Übersetzung bei Steidl. Hammick beeindruckte damals durch ihren spöttischen Blick auf die quälerischen Allüren einer konservativen Mittelschicht, durch die im leisen Understatement ihrer Prosa lauernde Schärfe, mit der sie den Figuren mitunter recht schonungslos zu Leibe ging, und machte gespannt auf die deutsche Ausgabe ihres ersten Romans, der in England bereits 1996 erschienen war. Doch die Übersetzung ließ offenbar nicht grundlos auf sich warten: "Das Arizona-Spiel" verdient nur ein bedingtes Lob.

Dabei besitzt der Roman durchaus einige der Vorzüge, die auch die kürzeren Arbeiten der inzwischen zweiundsechzigjährigen Autorin auszeichnen, etwa jene stilistische Noblesse, die im "Arizona-Spiel" freilich der Ich-Erzählerin Hannah Wickham zugeschrieben wird. Hannah ist vierunddreißig Jahre alt, als sie aus ihrem Leben erzählt, hat einen kleinen Sohn, den sie nicht liebt, und eine Vergangenheit, die sie ebenfalls gern verleugnen und vergessen würde: Bei einem Autounfall - im sanften Ätherrausch ihrer frühen Kindheit - kam Hannahs älterer Bruder ums Leben, ihr Vater verschwand nach Australien, ihre Mutter verlor den Verstand und macht der Tochter seitdem als dahindämmernde Insassin einer psychiatrischen Klinik zu schaffen. Georgina Hammick ist ganz offensichtlich keine Erfinderin des Außergewöhnlichen, die privaten Katastrophen ihrer Figuren entstammen allesamt dem familiären Alltag: Im "Arizona-Spiel" wird er zu einer zynischen Charade.

Daß bei den Wickhams ätzender Haß und ähnliche Herzlichkeiten in der Familie liegen, verdeutlicht allen voran Hannahs stiefmütterliche Tante Hope. Sie versucht in das Leben der bei ihr und ihrem Mann Ber aufgewachsenen Nichte hineinzuspielen, als handele es sich dabei um die aussichtslos alberne Posse, die Georgina Hammicks Buch seinen Titel gibt und den Figuren bei Langeweile die Zeit vertreibt.

Tante Hope ist eine Englischlehrerin aus Pech und Schwefel. Mit ihrem Bildungsdünkel tyrannisiert sie nicht nur Hannah und nährt deren Haß: Pedanterie und Rechthaberei - ein von der Autorin äußerst pointiert beschriebenes Hauen und Stechen - lassen auch Hopes Verhältnisse zu Ber und zu ihrer Freundin Jocelyn langsam ins Grausame eskalieren. Nach Onkel Bers Tod - zwar nicht gnadenvoll früh, doch immerhin plötzlich - zieht Tante Hope zusammen mit Jocelyn und der damals zwölfjährigen Hannah nach "Arizona", einem heruntergekommenen und daher billig gekauften Farmhaus im Südwesten Englands. Dort lernt Hannah schließlich selbst, daß nicht nur Liebe, sondern auch Schuld und Angst die Menschen aneinander zu binden vermag. Hammicks Roman ist von einer mitunter erschreckenden Hellsichtigkeit.

Um so mehr muß es enttäuschen, daß die Autorin ein offenbar allzu geringes Vertrauen in die dramatischen Möglichkeiten ihres Sujets, in die Wirkung ihrer sprachlichen Virtuosität, den herrlichen Witz und ihre doch eigentlich ganz hervorragende Beobachtungsgabe gehabt zu haben scheint. Denn das Wunderbare des "Arizona-Spiels" liegt leider ausschließlich im Episodenhaften. Als Roman fehlt es dem Buch an einer überzeugenden Gesamtkonzeption, welche die knapp vierhundert Seiten hätte glücklich zusammenhalten können. Hammick nämlich probiert sich bedauerlicherweise am Trapez einer recht akrobatischen assoziativen Erzählweise und läßt Hannah - einmal hier, einmal da, gestern zwölf, heute wieder fünf - im andauernden Hin und Her durch ihr eigenes Leben springen, ohne den Leser dabei immer im Blick zu behalten und dessen Schwindelgefühle zu erahnen.

"Es bleibt so wenig Raum zum Manövrieren", scheint die Autorin, als wollte sie ihr Verfahren erklären, denn auch mit Tante Hope zu sagen, als sich diese in einem ansonsten eher unmotivierten Gespräch über das Wesen biographischer Darstellungen unterhält, deren vorgelebte Linearität ihr zu anspruchslos scheint und deren zwingendes Ende als zu finster: "Man kann ziemlich sicher sein, daß das Interessanteste sich in der Mitte abspielt - da werden die Berge bezwungen, die Weltmeere umsegelt oder die Bücher geschrieben."

Das Durchbrechen einer geordneten Chronologie - großartig, wenn's gelingt und in der Literatur natürlich nicht selten - isoliert im "Arizona-Spiel" allerdings doch zu viele der einzelnen Episoden, löst sie als separate Kurzgeschichten aus dem Roman heraus und hinterläßt dabei einen Eindruck von Zusammenhanglosigkeit und Unaufgeräumtheit, der Georgina Hammicks unprätentiösem und auf Klarheit bedachten Stil zuwiderläuft. So steht in den dunklen Ecken des Romans manch vergessene Figur und weiß nicht mehr, wohin. In einer von Hammicks Erzählungen würde sie mitreißend tanzen.

THOMAS DAVID

Georgina Hammick: "Das Arizona-Spiel". Roman. Aus dem Englischen von Tamara Willmann. Steidl Verlag, Göttingen 2001. 400 S., geb., 22,50 .

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Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Georgina Hammik ist eine bei uns nahezu unbekannte Autorin, stellt Stefanie Holzer mit Bedauern fest. Aufgefallen sei sie bisher nur durch den Vorabdruck einer Erzählung in der Zeitschrift "Merkur" und durch einen 1997 bei Steidl erschienenen Erzählband. Mit ihrer neuesten Erzählung "Das Arizona-Spiel" greift sie das dominierende Thema ihrer vorangehenden Erzählungen auf. Es lautet "Verlieren und Verlassensein", weiß die Rezensentin. Die Heldin dieser Geschichte hat durch einen tragischen Autounfall alles verloren, und sie schafft es (deshalb?) nicht, sich ihr Leben aufzubauen. Sie gehört zu "jener Sorte Mensch, die - Gott weiß woher - die Gewissheit hat, dass mindestens die Familie, wenn nicht gar die ganze Gesellschaft schuld an der Schieflage der eigenen Existenz ist", formuliert es die Rezensentin. Stefanie Holzner gefällt die Hingabe, mit der Georgina Hammik Menschen erforscht. Als Quintessenz aus dieser Erzählung zieht sie die Einsicht, dass im alltäglichen Miteinander der Menschen ihre Tragödie liege, und auch die Hoffnung.

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