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2 Kundenbewertungen

B Er ist Mitte dreißig, sympathisch, unauffällig; sie sind drei 14jährige Mädchen: S Cora die Ballettänzerin, Angelika die Träumerin, Beatrice die Geschichtenerzählerin - drei Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie mögen es, wenn Patrick sie von Ferne im Freibad beobachtet, lassen sich gerne nachstellen. Sie kokettieren mit dem seltsamen Charmeur und glauben, das riskante Treiben im Griff zu haben. Doch ihr erotisches Abenteuer schlägt um in ein Spiel mit dem Feuer, bei dem Macht und Ohnmacht zunächst nicht klar bestimmbar sind. Als die Mädchen in Patricks Haus zu stöbern beginnen,…mehr

Produktbeschreibung
B Er ist Mitte dreißig, sympathisch, unauffällig; sie sind drei 14jährige Mädchen: S Cora die Ballettänzerin, Angelika die Träumerin, Beatrice die Geschichtenerzählerin - drei Kinder an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sie mögen es, wenn Patrick sie von Ferne im Freibad beobachtet, lassen sich gerne nachstellen. Sie kokettieren mit dem seltsamen Charmeur und glauben, das riskante Treiben im Griff zu haben. Doch ihr erotisches Abenteuer schlägt um in ein Spiel mit dem Feuer, bei dem Macht und Ohnmacht zunächst nicht klar bestimmbar sind. Als die Mädchen in Patricks Haus zu stöbern beginnen, finden sie in seinem Schrank alte Kleider, die ihnen wie angegossen passen. Unversehens sitzen sie fest in einem teuflisch gut gebauten Spinnennetz. Meisterhaft hält Ramona Diefenbach einen schwebenden, geheimnisvollen Ton und erzeugt eine dichte, magische Atmosphäre. Beatrice, Patrick und später eine Nachbarin berichten aus der Rückschau über das Geschehen. Durch das Erzählen aus subjektiven B lickwinkeln fügen sich ganz allmählich die Mosaikstücke einer Geschichte zusammen, die erst am Ende ihr ganzes Ausmaß enthüllt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.09.2001

Hier spricht Nummer zwei
Die düstere Erfüllung: Ramona Diefenbachs Debütroman

Irgendwann in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre verbringen drei junge Mädchen einen Sommer im Freibad draußen vor der Stadt. Dreizehn oder vierzehn mögen sie sein; noch ziehen sich Angelika, Cora und Beatrice in der Kinderkabine um, doch in der Schlange vor dem Kiosk knicken sie schon die Hüfte ab, wie es die großen Fräuleins tun. Etwas freilich unterscheidet das Leben der Freundinnen in diesem Sommer von dem ihrer Altersgenossinnen: Sie werden beobachtet. Mit den Augen eines zweiunddreißigjährigen Versicherungsvertreters, der ihnen Tag um Tag nachschleicht, blicken wir auf die Mädchen.

Abwechselnd mit Beatrice, die die nun einsetzende schreckliche Geschichte der drei Freundinnen bald aufschreiben wird, läßt die Frankfurter Journalistin Ramona Diefenbach in ihrem Debütroman "Das Spiegelhaus" den Junggesellen erzählen. Für Patrick sind die Mädchen "gerade im richtigen Stadium", im Moment des Ausgangs aus der Kindheit, in dem sie ahnen, von etwas abgeschottet gewesen zu sein, das fremd und aufregend auf sie wartet. Leichte Beute für den nüchtern bewundernden Verführer, der uns seine Kalküle und ästhetisch-erotischen Vorlieben freimütig, um nicht zu sagen in jovialem Plauderton, schildert: Binnen kurzem sind die Freundinnen seine willfährigen Geliebten. An wechselnden Tagen besuchen sie ihn zu Hause und unterwerfen sich seinen erotischen Arrangements.

Freilich hat das "richtige Stadium" für Patrick einen bösen zweiten Sinn. Zwanghaft will er die folgsame Mädchenhaftigkeit konservieren. Seit er als Jugendlicher seine Busenfreundin ans Erwachsenwerden verlor und sich grausam an ihr rächte, verfolgt der kindisch gebliebene Triebtäter geduldig und unbeirrt dies eine Ziel, die Wiederholung seiner ganz privaten Urszene. Der Tod der Verführten, die nicht flügge werden dürfen, ist sein eigentliches Begehren. Im "Spiegelhaus" - dem Nachbarhaus, in dem nur die kranke alte Frau Matt lebt, die er pflegt - bereitet der Vertreter einen Kellerraum für die Inszenierung seiner grausamen finalen "Party" vor.

Ist es also das Psychogramm eines Sexualmörders, das Ramona Diefenbach anschaulich machen will? Zunächst einmal legt sie eine falsche Fährte, die zur sinnlichen Welt junger Mädchenblüte zu führen scheint. Wenn Beatrice eine Szene in der Umkleidekabine des Schwimmbads heraufbeschwört, bei der sie und Angelika im Halbdunkel mit stockendem Atem ihrer Gefährtin beim Ausziehen zuschauen, dann ist das Erwachen der Sexualität für einen Moment zu spüren. Aber diese kleine, aufgeladene, mit wenigen Sätzen evozierte Szene findet sich auf Seite dreizehn des Buchs und ist auch schon die letzte mit einer gewissen Strahlkraft. Danach geht es nicht nur für die Mädchen, sondern auch für den Leser bergab.

Gewiß, der Versicherungsvertreter ist nicht Humbert Humbert. Als Nabokov seinen Helden der kleinen Dolores Haze existential-erotisch gebannt beim Tennisspielen zusehen ließ, da wußte der, daß die Begierde nach den allzu jungen Mädchen ohne Hoffnung ist. So mußte er die Welt seiner Glückseligkeit ganz aus Sprache machen: einer hochsinnlichen, worttrunkenen, literarisch anspielungsreichen und zugleich beobachtungsseligen Sprache, der die Beschwörung des zu verlierenden Paradieses Lust und Qual in einem bedeutete. Patrick hingegen ist jener zielorientierte Psychopath, den wir seit Jahr und Tag im Fadenkreuz der Massenmedien erblicken und der seine düstere Erfüllung durchaus in der Welt finden will.

Aber auch diese Figur, auch die mit psychologischer Korona versehene Banalität des Bösen müßten uns natürlich mit der Unbedingtheit und Logik ihrer Welt in Bann schlagen. Statt dessen sind wir mit einer Onkelprosa konfrontiert - "na, das ist eine längere Geschichte", "das ist natürlich Kokolores" -, die jegliches Leseinteresse längst völlig betäubt hat, wenn die durchaus ambitioniert konstruierte Erzählung sich zu ihrer letzten Wendung voranschraubt. Diefenbach hängt ihrem schwarzen Mann literarische Vorlieben um, läßt ihn sich als Regisseur seiner Obsession aufspielen, läßt ihn gar von einer Szene aus Nabokovs "Ada" schwärmen und Lebenserfahrungen austeilen wie die, man solle die Magie des Sex nicht unterschätzen. Selbst in ihrer schwärzesten Variante ist hier aber von dieser Magie so wenig eine Spur wie von Abgrund und Wahn.

Um seiner Beute habhaft zu werden, um seine mörderische Inszenierung zum Erfolg zu führen, darf Patrick sich nicht an seine Vorstellungen verlieren. So ergreift ein nüchtern und umsichtig planender Teil seiner Persönlichkeit - suggestiv "Nr. 2" benannt - von ihm Besitz, wenn es darauf ankommt; aber auch das ist nur behauptet, nicht gestaltet, sonst könnte über diesen Persönlichkeitspart nicht wiederum so gelassen dahingesprochen werden, wann "Teil Nr. 2" etwas veranlaßt oder verhindert hat.

Am Ende wird Patrick die Mädchen überwältigen und in Frau Matts Keller schleppen, um sein Mordfest zu feiern. Die alte Dame hat jedoch eine Rechnung zu begleichen; in einem gothic showdown, der die Grenze zur unfreiwilligen Komik streift, kommt die Geschichte zum Halt. Für eines der Mädchen, Angelika, ist es da schon zu spät. Die Tote am Strick ist der Erzählung inzwischen aber so gleichgültig wie dem Leser. Schließlich wird der Mörder gezwungen, seine ganze Geschichte zu erzählen. Wir hören, behauptet Beatrice, die Stimme eines Irren, der von seinem Planeten spricht. Ach, wäre es doch.

MICHAEL ADRIAN

Ramona Diefenbach: "Das Spiegelhaus". Roman. Steidl Verlag, Göttingen 2001. 140 S., geb., 34,- DM.

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Im Diminutiv lobt Wilfried F. Schoeller das literarische Debüt von Ramona Dieffenbach als "kleines Kunststück" und "Kammerspiel" im "Etüdenformat". Methodisch geschickt arrangiert erzähle die Autorin die Geschichte einer erotischen Verstrickung und wechselseitigen Verführung zwischen drei vierzehnjährigen Mädchen und einem pädophilen Mittdreißiger. Doch nicht die Moral einer solchen Liaison, sondern vielmehr ihre Dynamik vom sommerlichen Techtelmechtel bis zur Schwarzen Messe stehe im Vordergrund. So gelinge es der Autorin auch, die Moralfalle und die Gefahr eines Lolita-Abklatsches zu umschiffen. Wie in einem "Ballett aus Krimifiguren" vollziehe sich das weitere Geschehen, das der Rezensent nicht verraten will. Das Debüt findet er schließlich trotz aller Diminutive "hochelegant".

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