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Im englischsprachigen Raum längst ein Klassiker der politischen Philosophie und ein Schlüsseltext der Liberalismustheorie, ist Judith Shklars 'Liberalismus der Furcht' der Entwurf einer Theorie des Liberalismus, dessen oberstes Prinzip die Vermeidung von Grausamkeit und die Minimierung von Furcht ist.

Produktbeschreibung
Im englischsprachigen Raum längst ein Klassiker der politischen Philosophie und ein Schlüsseltext der Liberalismustheorie, ist Judith Shklars 'Liberalismus der Furcht' der Entwurf einer Theorie des Liberalismus, dessen oberstes Prinzip die Vermeidung von Grausamkeit und die Minimierung von Furcht ist.
Autorenporträt
Judith N. Shklar, 1928 in Riga geboren, lehrte Politikwissenschaften an der Harvard University und starb 1992 in Cambridge, Massachusetts. Die Relevanz ihres Werks findet erst in den letzten Jahren Anerkennung. Ihr Essay Der Liberalismus der Furcht gilt inzwischen als Klassiker der jüngeren politischen Philosophie und als Schlüsseltext der Liberalismustheorie.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.09.2013

Aus Sorge um den Menschen
Das Buch zur Stunde: Endlich kann man den großen Essay „Liberalismus der Furcht“ der Harvard-Politologin Judith N. Shklar auf Deutsch lesen
Das Wort „Liberalismus“ will nicht mehr viel sagen. „Irgendwas mit Freiheit“ verstehen die einen darunter, die anderen vermuten oder befürchten besinnungslosen Glauben an den Markt. Was der FDP in den vergangenen Jahren Liberalismus bedeutete, wusste sie wahrscheinlich selbst nicht. Nun ist sie aus dem Bundestag ausgeschieden. Wer sich nicht in Häme häuslich einrichten mag, wem die politischen Bedingungen für ein Leben in persönlicher Freiheit nicht gleichgültig sind, dem sei ein Essay empfohlen, der vor kurzem in der wunderbaren Reihe „Fröhliche Wissenschaft“ bei Matthes & Seitz erschienen ist: „Der Liberalismus der Furcht“ von Judith N. Shklar, geschrieben 1989.
  Der Versuch, Liberalismus als politische Doktrin zu bestimmen, umfasst nur wenige Seiten und bietet doch das Beste, was ein Zeitgenosse von politischer Philosophie verlangen kann. Keine Weltanschauung, keine Konstruktion bester Welten, keine fußnotengeschützte Besserwisserei, sondern mitreißend vorgetragene Argumente. Sie gehen vom Menschen als fühlendem, leiblichen, immer gefährdeten Wesen aus – und setzen sonst wenig voraus. Diese Lektüre schult die Urteilskraft.
  Judith N. Shklar ist in Deutschland kaum bekannt, obwohl der damals noch muntere Rotbuch Verlag 1992 ihr Buch „Über Ungerechtigkeit. Erkundungen zu einem moralischen Gefühl“ veröffentlichte. Shklar wurde 1928 in eine so gebildete wie wohlhabende jüdische Familie in Riga hineingeboren, also mitten in den „bloodlands“ des 20. Jahrhunderts. Kurz vor dem sowjetischen Einmarsch floh die Familie nach Schweden, dann mit der Transsibirischen Eisenbahn nach Japan, von dort nach Kanada. In Montreal begann sie ihr Studium, ging 1950 nach Harvard, wo ihr eine glänzende akademische Karriere glückte. Shklar, die ob ihres umfassenden Wissens und ihrer scharfen Rhetorik gleichermaßen gefürchtet und geliebt war, starb 1992.
  In „Liberalismus der Furcht“ argumentiert sie minimalistisch: „Jeder erwachsene Mensch sollte in der Lage sein, ohne Furcht und Vorurteil so viele Entscheidungen über so viele Aspekte seines Lebens zu fällen, wie es mit der gleichen Freiheit eines jeden anderen erwachsenen Menschen vereinbar ist.“ Der Liberalismus kenne nur dieses Verbot, „die Freiheit anderer zu beeinträchtigen“. Positive Lehrsätze besitze er nicht. Energisch widerspricht Shklar dem weit verbreiteten Vorurteil, er stünden mit der Moderne im Bunde, mit Verwissenschaftlichung, Säkularisierung, Individualisierung. Nein, die letzten zwei Jahrhunderte waren keine liberalen, Liberalismus in Theorie und Praxis „sehr selten“.
  Die Ansicht, Liberalismus sei die Ideologie des entstehenden Kapitalismus, entspreche also den Interessen der Eigentümer, führt nach Shklar ebenso in die Irre. Sie lässt ihn in den europäischen Religionskriegen entstehen, erwachsen aus den Spannungen zwischen Glauben und Moral. Christen wandten sich von der Politik der Kirchen und Glaubensgemeinschaften ab und verstanden Tolerierung „als Ausdruck christlicher Nächstenliebe“. Der Schrecken angesichts der Grausamkeit gebiert liberal Überzeugungen. Kurzsichtig und wohlstandsverwahrlost muss sein, wer glaubt, dieser Schrecken sei ein vergangener. Auch in dieser Minute wird irgendwo gefoltert, und keiner kann sicher sein, dass die ältesten Rechtsstaaten der Welt ihre Hand dabei nicht mit im Spiel haben.
  Shklars Liberalismus verspricht kein höchstes Gut, sondern geht von „einem summum malum“ aus, dem größten aller möglichen Übel, der Grausamkeit und der Furcht vor ihr. „Systematische Furcht macht Freiheit unmöglich und nichts ist furchterregender als die Erwartung institutionalisierter Grausamkeit.“ Diese moralische Intuition macht den Liberalen. Es ist die Aufgabe liberaler Bürger, „dafür zu sorgen, dass niemand durch auch nur einen einzigen privaten Akteur oder Staatsvertreter eingeschüchtert wird, es sei denn, es geschieht im Rahmen bekannter und anerkannter Rechtsverfahren“.
  Politisch folgt daraus die Forderung nach Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung und eine, so Shklar, monogame Zweckehe zwischen Liberalismus und Demokratie. Daraus folgt aber auch ein nie zu beruhigendes Misstrauen gegenüber dem Staat, der die größte Macht zu Einschüchterung und Grausamkeit besitzt.
  Der Frankfurter Sozialphilosoph Axel Honneth nennt Shklars Liberalismus einen moralpsychologisch fundierten „Liberalismus ,von unten‘“. Ja, denkt der Leser des Vorworts, der fehlt in der deutschen Politik. Dann aber stutzt er, wird doch die liberale Politologin rasch zur „entschiedenen Sozialdemokratin“ erklärt.
  Gewiss lassen sich gerade im „Liberalismus der Furcht“ Gründe finden für eine wohlfahrtsstaatliche Regulierung der Märkte. Ein Liberalismus, der Macht und Ohnmacht, Einschüchterung und Grausamkeiten etwa auf dem Arbeitsmarkt übersieht, ist keiner. In ihren Büchern über Ungerechtigkeit und „American Citizenship. The Quest for Inclusion“ (1991) finden sich Argumente für eine „republikanische Ökonomie“. Wer mit Shklar weit über Shklar hinaus denken will, findet in den ergänzenden Essays des Bandes von Michael Walzer, Seyla Benhabib und Bernard Williams reichlich Anregungen und Zitate.
  Aber: Braucht man einen inzwischen klassischen Text des Liberalismus, um sich sozialdemokratisch oder kommunitaristisch zu erbauen? Für Gemeinschaftssehnsucht und selbst für Hannah Arendts Idealisierung der Polis hatte Shklar vor allem Spott übrig. Und wenn sie über Gerechtigkeit schrieb, dann ging sie von Ungerechtigkeit und Unglück aus und von der Pflicht einer liberalen Bürgerschaft zu helfen. Ihr Liberalismus blieb stets „vollkommen nicht-utopisch“.
  Keine moderne Gesellschaft kann ohne ausgebaute Wohlfahrtsstaatlichkeit funktionieren. Der sogenannte Neoliberalismus, ein staatliches Programm, hat den Wohlfahrtsstaat nur umgebaut, nicht abgeschafft. Vielen erscheint er nun als ein Instrument der Einschüchterung, halb euphemistisch gesagte: der „Aktivierung“. Mit Shklar lassen sich gute Argumente zur besonnenen Kritik des Sozialstaats gewinnen, zu einer Kritik, die nicht kaltherzig ist, aber auch nicht blind für den Paternalismus einer Sozialstaatsverwaltung, durch die Machtunterschiede zementiert werden, Eingeschüchterte nicht mehr zu Wort kommen. Der Staat verfügt auch als Wohlfahrtsstaat „über einzigartige Zwangs- und Überzeugungsmittel“. Dass es nicht ohne ihn geht, ist kein Grund für blindes Vertrauen. Auch der Wohlfahrtsstaat kann Quelle der sozialen Unterdrückung sein, auch er führt in ein Dilemma. Shklars Minimalismus, ihre moralische Intuition, ihr Einfühlungsvermögen, ihre Doktrin der Schadensbegrenzung stehen für einen Liberalismus, auf den nur verzichten kann, wer in Furcht leben und Untertan sein möchte.
JENS BISKY
Hier geht es allein um die
Schwachen und die Mächtigen
      
  
  
Judith N. Shklar: Der Liberalismus der Furcht. Herausgegeben, aus dem Englischen übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Hannes Bajohr. Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2013. 174 Seiten, 14,80 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Felix Lüttge begrüßt es sehr, dass dieser bereits 1989 erschienene philosophische Klassiker nun endlich auch übersetzt vorliegt. Für die Debatte um die Krise des Liberalismus hält er Shklars Begründung des Begriffs politischer Freiheit jedenfalls für gut nutzbar und lesenswert: Bei dem Liberalismus, wie er hier verstanden wird, handelt es sich nicht um eine normative, sondern um eine negative Definition, die also in erster Linie bestimmt, was gesellschaftlich als nicht wünschenswert anzusehen ist, erklärt Lüttge. Dieser in den Auseinandersetzungen der Religionskriege im 16. Jahrhundert begründete Liberalismus, führt der Rezensent aus, macht sich nicht für eine Sache stark, "sondern für die Abwesenheit eines größten Übels". Vor allem einer gewissen Partei, die Lüttge zeiht, aus dem Liberalismus eine "Farce" gemacht zu haben, legt er die Lektüre dieses Buches nahe.

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