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Zum ersten Mal erscheint hier in deutscher Sprache das frühe Hauptwerk von Nicolás Gómez Dávila: NOTAS.
Der Bruder des Autors ließ 1954 in Bogotá dieses Werk als Privatdruck in einer Auflage von einhundert Exemplaren drucken, und erst im Jahre 2004 erschien die erste offizielle spanische Buchausgabe in Kolumbien. Nachdem die späteren Bücher von Gómez Dávila in Deutschland bereits Aufsehen erregten, wird dieses Hauptwerk überraschen: es konzentriert sich in vulkanischen Splittern auf die Sinnlichkeit des Menschen. - Eine stärkende Lektüre.
Aus dem Vorwort von Franco Volpi: Eine
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Produktbeschreibung
Zum ersten Mal erscheint hier in deutscher Sprache das frühe Hauptwerk von Nicolás Gómez Dávila: NOTAS.

Der Bruder des Autors ließ 1954 in Bogotá dieses Werk als Privatdruck in einer Auflage von einhundert Exemplaren drucken, und erst im Jahre 2004 erschien die erste offizielle spanische Buchausgabe in Kolumbien. Nachdem die späteren Bücher von Gómez Dávila in Deutschland bereits Aufsehen erregten, wird dieses Hauptwerk überraschen: es konzentriert sich in vulkanischen Splittern auf die Sinnlichkeit des Menschen. - Eine stärkende Lektüre.

Aus dem Vorwort von Franco Volpi: Eine unverwechselbare und reine Stimme

"Es gibt Schriftsteller, die scheinbar aus dem Nichts auftauchen. Die auf ungeahnte Weise in einem ihnen fremden Umfeld hervortreten, ohne daß sie von etwas oder jemandem vorbereitet wurden, ohne Vorläufer, ohne Begleitumstände oder Erkennungszeichen, mit denen sie sich leichter bestimmen ließen. Sie sind exzentrisch, unbequem und ungewöhnlich, nicht einzuordnen und ebendeshalb unverwechselbar.

Nicolás Gómez Dávila gehört durch die Art, wie er schreibt, und durch das, was er schreibt, rechtmäßig zu ihnen. Sein Werk ist in der Literatur und Ideengeschichte des 20. Jahrhunderts ein eher einzigartiger als sonderbarer Fall: Das in diesem Werk geschaffene Universum, worin Stil und Ideen zu einer festen Einheit verschmelzen, bietet sich als ein geschlossener Raum dar: Um ihn zu betreten, helfen kein rationales Herangehen und keine logische Folgerung. So etwas läßt sich nur erreichen, wenn man sich in ihn hineinversetzt. Das Verständnis ist in diesem Fall tatsächlich eine Frage der Empathie, dass man es vermag, in die Gedankenwelt des Autors einzudringen, indem man Intuitionen und Visionen, Sympathien und Idiosynkrasien, Vorlieben und Anathemata vereint. Glücklicherweise verfügen wir über ein hilfreiches hermeneutisches Instrument, das uns Gómez Dávila hinterlassen hat, ohne eine derartige Absicht damit zu verbinden: ein Band, der in den fünfziger Jahren auf Anregung seines Bruders Ignacio - ebenfalls eines Schriftstellers - unter dem einfachen Titel Notas. Dabei handelt es sich um ein ganz eigentümliches Werk: einen experimentellen Text, der aus Notizen, Maximen, Bemerkungen, Aussprüchen und Meinungsäußerungen besteht. Es erlaubt uns, einen Einblick in die Werkstatt Gómez Dávilas zu erhalten, seine schöpferischen Regungen von Anfang an zu verfolgen, seinen Geist zu verstehen, seine Genialität zu ahnen und den unverwechselbaren Stil zu genießen, der mit blitzartigen sprachlichen und gedanklichen Verkürzungen arbeitet. Im Grunde liefert uns Notas den -theoretischen, poetischen, manchmal auch persönlichen und biographischen - Schlüssel, um die Sichtweise Gómez Dávilas zu ergründen."
Autorenporträt
Nicolás Gómez Dávila (1913-1994) ist neben Gabriel García Márquez der bedeutendste Autor Kolumbiens im 20. Jahrhundert. Er ist ein Selbstdenker, der die fragmentarische Form bevorzugt; seine Bücher erschließen sich nicht linear, sondern in konzentrischen Kreisen. Der aphoristische Stil und die Dichte seiner Gedanken legen den Vergleich mit Pascal und Nietzsche nahe.

geboren 1943, nach zwanzigjähriger Tätigkeit als Dramaturg für den Rundfunk übersetzt er seit 1969 aus dem Spanischen, Französischen und Portugiesischen. Für Matthes & Seitz Berlin übersetzte u.a. "Die Zeit kehrt wieder. Lob der Postmoderne" von Michel Maffesoli sowie "Vom Menschen. Gedanken und Maximen, Portraits und Bonmotsvon Antoine de Rivarol.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.03.2006

Wo zwei sind, ist Verrat
Mit dem Rücken zum Publikum: Nicolás Gómez Dávila in seinen „Notas“
Er wird als ein radikaler Gegen-Aufklärer und Anti-Modernist gepriesen oder geschmäht, der sich selbstbewusst als „Reaktionär" stilisierte, als ein Parteigänger verlorener Sachen. Jeder Enthusiasmus des Fortschritts und der Demokratisierung provozierte ihn zu böswilligen Attacken, die er in scharf geschliffenen Aphorismen, Notizen und Glossen zu Papier brachte, ohne damit öffentliche Wirksamkeit anzustreben. Er verachtete jedes Publikum als amorphe, anonyme Masse, die sich nur in trivialen und vulgären Beschäftigungen verlieren konnte.
Die Rede ist vom kolumbianischen Schriftsteller-Philosophen Nicolás Gómez Dávila, der 1913 in Santafé de Bogotá geboren wurde und dort 1994 starb, zurückgezogen in die Einsamkeit seiner Bücherhöhle, in der er die großen Werke der Vergangenheit gegen eine Gegenwart in Stellung brachte, die er in Agonie erstarren sah. Wie Schrapnells schoss er seine Gedankensplitter gegen alles, was er als abstrakt, alltäglich oder allgemein empfand. Gómez Dávila inszenierte sein Leben, Denken und Schreiben als ein Einsamer, der seine geistige Energie und Ausdauer nur aus seiner eigenen und vollkommen individuellen Existenz bezog.
Das erhellt die Anziehungskraft, die seine Schriften vor allem auf jene Leser ausüben konnten, die sich selbst als Solitäre verstehen, allen voran Ernst Jünger und Botho Strauß. Dabei ist im zerplitterten Aphorismenwerk diesen eigenwilligen Philosophen nur schwer eine zusammenhängende Argumentation, geschweige denn theoretische Linie zu erkennen, dessen Hauptwerk 1977 als „Scholien zu einem impliziten Text“ auf Spanisch erschien. Welches „implizite Werk“ verbirgt sich in den vielfältigen, äußerst verwirrenden Kommentaren, Notizen und Textskizzen, die bewusst jeder systematischen Ordnung widersprechen?
Wie ein Wegweiser durch das stilistische und argumentative Labyrinth seiner späteren Texte lassen sich die „Notas“ von Gómez Dávila lesen, die nun erstmals in deutscher Übersetzung vorliegen. Ursprünglich waren diese „Randbemerkungen“ 1954 nur in 100 Exemplaren im Selbstverlag erschienen, den Freunden des Autors gewidmet und nicht im Handel erhältlich. Gómez Dávila wollte kein Buch publizieren, kein Werk schreiben, kein System formulieren. Seine „Notas“ sollten niemanden etwas lehren, sondern nur sein eigenes Leben in jener Spannung halten, die sich philosophiegeschichtlich im Universalienstreit entzündet und entfaltet hat.
Denn dieser altehrwürdige Widerstreit lieferte ihm den Anstoß zu einem Denken, über dem als Motto seine Feststellung stehen könnte: „Das Universalienproblem ist das einzige wichtige Problem.“ Nun gehört es auch zu Gómez Dávilas „reaktionären“ Einsichten, dass alle echten und ernsthaften Probleme keine Lösung, sondern nur eine Geschichte haben; allen voran Dauerbrenner der europäischen Philosophie: Gibt es, wie Platon glaubte, in der Welt etwas Allgemeines, Identisches oder Abstraktes, das den Begriffen real entspricht, oder sind die Begriffe bloße Namen, um uns in einer Welt orientieren zu können, die selbst nur aus konkreten Einzeldingen in ihrer unübersehbaren Mannigfaltigkeit besteht? Seit Platon befinden sich Begriffsrealisten und Nominalisten, die Gläubigen einer abstrakten Ideenwelt und die Liebhaber lebendiger Vielfalt, in einem unlösbaren Widerstreit.
Dass es sich dabei nicht nur um eine geistreiche metaphysische Auseinandersetzung handelt, zeigte Gómez Dávila auf dramatische Weise. Alles stand bei ihm im Fokus dieses „einzigen wichtigen“ Problems: seine existenzielle Lebensform, seine politische Überzeugung, seine schriftstellerische Aktivität, seine religiöse Haltung. Und nur im Licht dieses Universalienproblems erhellen sich auch die wesentlichen und unverwechselbaren Eigentümlichkeiten dieses Philosophen ohne systematische Argumentation, der seine kurzen Sätze zu einer „pointillistischen Komposition“ fügte, in der seine Ideen nur eine flüchtige und vorübergehende Existenz gewinnen konnten.
Die kalten Leichen der Ideen
Ganz auf Ideen wollte Gómez Dávila dabei zwar nicht verzichten. Aber er weigerte sich, ihre Abstraktheit als wirklich anzuerkennen. Sie erschienen ihm als etwas Implizites und Unsagbares, auf das sich in „Scholien“ und „Randnotizen“ nur andeutungsweise anspielen ließ. Damit musste äußerst zurückhaltend umgegangen werden, wie bereits in den ersten Gedankensplittern der „Notas“ zu lesen ist: „Wenig gibt es, das so schnell wie die Ideen stirbt, und wenige Leichen lassen derart kalt. Nur das konkrete und individuelle Detail vermag die Nachwelt zu unterhalten.“ Gómez Dávila neigte zum Nominalismus. Wie in einer Litanei versuchte er die Individualität, das Einzigartige, das Konkrete und Solitäre zu beschwören. Fasziniert war er von der „malerischen Vielfalt“ alles Lebendigen, von der konkreten augenblicklichen Situation, von unverwechselbaren Personen, vom unmittelbaren Lebensprozess, dem er sein leidenschaftliches Interesse zuwandte, während ihm alles Ähnliche, Identische, Allgemeine und Abstrakte als „abgeschmackt“ widerstrebte. Der „dichte und sinnliche Reichtum der Welt“ war seine große Liebe.
Deshalb setzte er gegen die begrifflichen Abstraktionen des Geistes die Sinnlichkeit und „dunkle Gegenwart des Fleisches der Welt“, das ihm als das mächtigste Anregungsmittel des Lebens erschien. Was als philosophische Stellungnahme im Universalienstreit skizziert wurde, gewann für Gómez Dávila eine ungeheure existenzielle, politische und religiöse Bedeutung. Der gelebte Nominalismus steigerte sich in eine äußerste Individualität, die jeder Gemeinschaft misstraute: „Wo zwei sind, ist Verrat“. Dass in dieser Perspektive der Kommunismus ebenso wie die Demokratie als unhaltbare Mythen eines gemeinsamen Handelns abgelehnt werden mussten, war nur konsequent.
Denn beide nivellierten die mannigfaltigen menschlichen Individualitäten zu bloßen Marionetten oder zu Wählern, deren Stimme nur noch statistisch zählte. Denn auch in der freiheitlichen Demokratie würden sich, Gómez Dávila zufolge, die Menschen als bloße Exempel eines abstrakten Gattungswesens immer ähnlicher werden: „Der Irrtum des demokratischen Denkens: daß es jedem Individuum die Gesamtheit der Eigenschaften zuschreibt, die dem Begriff des Menschen eigentümlich sind.“ Auch die politische Utopie, die Gómez Dávila skizzierte, muss philosophisch gelesen werden, um sie nicht als Parteiprogramm misszuverstehen. Sie ist nur eine Randbemerkung zu seinem impliziten Nominalismus, der alles auf die Karte konkreter Einzigartigkeit setzte, chiffriert in der Figur des „liberalen Aristokraten“.
In ihm sah er ein personales Freiheitsgefühl verkörpert, das nicht auf „trügerischen demokratischen Sehnsüchten beruht, sondern auf dem unerschütterlichen Bewußtsein individueller Würde“. Und ebenso philosophisch konstruiert war schließlich auch sein Gotteskonzept, weil Gómez Dávila nur durch einen äußerst eigenwilligen Gedankenblitz seine Liebe zum sinnlichen Reichtum der Welt und zur Individualität des Menschen mit seinem Christentum verknüpfen konnte, das er als eine Metaphysik des Konkreten verstand: „Gott ist das Wesen, das dem demütigsten und gewöhnlichsten Menschen als eine Person ansieht. Gott ist das Wesen, das nicht mit allgemeinen Ideen denkt.“ Der kolumbianische Reaktionär war kein Anti-Modernist, Gegen-Aufklärer oder Anti-Demokrat aus politischer Überzeugung oder sachhaltiger Einsicht. Sein anti-systematisches Aphorismenwerk war die Konsequenz einer metaphysischen Grundentscheidung. Im Universalienstreit favorisierte er den Nominalismus, aus dem er seine individuellen Schlüsse zog.
Deshalb sind seine Texte keine Programmschriften und bietet seine Philosophie keine „Rezeptsammlung“, sondern ist Ausdruck eines vollkommen individualisierten Lebens, das außerhalb von Gesellschaft und Zeit zu existieren versuchte. So gelesen haben seine „Notas“ von vornherein festgelegt, dass seine Wahrheit absolut „unübertragbar“ war und bleiben sollte. Das sollten seine Kritiker und seine Apologeten gleichermaßen ernstnehmen.
MANFRED GEIER
NICOLÁS GÓMEZ DÁVILA: Notas. Unzeitgemäße Gedanken. Aus dem Spanischen von Ulrich Kunzmann. Mit einem Essay von Martin Mosebach und einem Nachwort von Franco Volpi. Matthes & Seitz, Berlin 2005. 441 S., 34,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Erfreut zeigt sich Manfred Geier von den jetzt erstmals auf deutsch vorliegenden "Notas" des kolumbianischen "Schriftsteller-Philosophen" Nicolas Gamez Davila (1913-1994), die sich seines Erachtens als "Wegweiser durch das stilistische und argumentative Labyrinth seiner späteren Texte" lesen lassen. Er beschreibt Davila als "Parteigänger verlorener Sachen", als radikalen Individualisten, der vehement attackierte, was ihm abstrakt, alltäglich und allgemein erschien. Den gedanklichen Kern der "Notas" sieht Geier in einem extremen Nominalismus, der für Davila nicht lediglich Sache des uralten philosophischen Universalienstreits war, sondern existenzielle Lebensform, politische Überzeugung, schriftstellerische Aktivität, religiöse Haltung. Nur in diesem Lichte sind für Geier die Eigentümlichkeiten Davilas, seine Beschwörung der Individualität, des Einzigartigen, Konkreten und Solitären sowie seine Ablehnung von Gesellschaftsformen wie Kommunismus oder auch Demokratie zu verstehen. Dagegen setze der Autor die Figur des "liberalen Aristokraten", der personales Freiheitsgefühl verkörpere, das nicht auf "trügerischen demokratischen Sehnsüchten beruht, sondern auf dem unerschütterlichen Bewusstsein individueller Würde" (Davila).

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