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Produktdetails
  • Verlag: EOS Verlag
  • Seitenzahl: 495
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 818g
  • ISBN-13: 9783880961357
  • ISBN-10: 3880961352
  • Artikelnr.: 23966585
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.05.2000

Auf Umwegen in den Vatikan
Eine beispielhafte Diplomatenkarriere
HANS-JOACHIM HALLIER: Zwischen Fernost und Vatikan, EOS Verlag, St. Ottilien 1999. 495 Seiten, 38 Mark.
Bei der Lektüre dieses „Lebensberichts aus sechs Jahrzehnten” fragt man sich zuweilen, ob das wirklich alles in dieser Ausführlichkeit für die Öffentlichkeit beschrieben werden musste. Manches allzu Private mag in einer Familienchronik seinen Platz haben, nicht aber in Botschafter-Memoiren. Wer aber genügend Muße mitbringt, wird Zeuge einer bemerkenswerten Nachkriegsbiografie, die nach zielstrebigen Anfängen in eine geradezu musterhafte Diplomatenkarriere einmündet. Wesentliche Stationen im Leben des in Frankfurt am Main aufgewachsenen Autors sind Amerika, das Nato-Hauptquartier (damals noch in Paris), Indonesien, Malaysia, Japan und der Vatikan. Zwischenspiele in Bonn – unter anderem im Ministerbüro zur Zeit der Ostpolitik unter Willy Brandt – sorgten für Bodenhaftung.
Hans-Joachim Hallier war fünfzehn, als der Krieg zu Ende ging. Beim Jurastudium gehörte Walter Hallstein zu seinen Lehrern, bevor Adenauer den späteren Verfechter des Bonner Alleinvertretungsanspruchs als Staatssekretär ins Kanzleramt holte, um das neue Außenamt aufzubauen. 1950 gewann Hallier ein amerikanisches „Umerziehungs”-Stipendium. Als er in Cleveland/Ohio eintraf, tobte in Asien schon der Koreakrieg. Halliers bürgerliche Laufbahn begann 1960 mit dem Eintritt in den Auswärtigen Dienst. Der erste Auslandsposten bei der deutschen Nato-Vertretung in Paris bot ihm eine „gute Einführung in die multilaterale Diplomatie”. Henri Spaak, der temperamentvolle Belgier, war noch Generalsekretär. In Indonesien erlebte der Autor in den 60er Jahren das Ende des Sukarno-Regimes und Anfang der 80er Jahre, nun als Botschafter, Präsident Suhartos „Neue Ordnung”. Den späteren Suharto-Nachfolger Habibie beschreibt Hallier als „wichtigen Gesprächspartner”.
Zwischen den beiden Jakarta-Einsätzen lag die erste Versetzung nach Japan und die Ernennung zum Botschafter in Malaysia. Tokio sei 1966 „noch eine triste Stadt” gewesen, die Architektur „eintönig, einfallslos”, erinnert sich Hallier. Japan empfand er damals als „ein bescheidenes, im Wiederaufbau begriffenes Industrieland. Man fühlte sich weit entfernt vom viel bestaunten, mit Hochachtung kommentierten deutschen Wirtschaftswunder”. 1965 hatte Japan seinen ersten Handelsüberschuss nach dem Krieg erzielt. Tokio diente damals als Beobachtungsposten für China: Dank ähnlicher Schrift berichtete die japanische Presse am schnellsten aus den „Wandzeitungen” von Maos Kulturrevolution. Eine gewisse politische Zusammenarbeit entwickelte sich aus der vergleichbaren Interessenlage Bonns und Tokios als Nichtnuklearmächte bei den Verhandlungen über den Atomsperrvertrag.
Malaysia brachte dem Autor den Karrieresprung zum Botschafter. Beeindruckt war Hallier vom heutigen Regierungschef Mohamad Mahathir. Der habe sich wortreich über seine malaiischen Landsleute beklagt: „keine Pünktlichkeit, keine Arbeitsdisziplin wie bei Euch Deutschen”.
Zu viele Außenminister
„Halten Sie mir die deutsche Wirtschaft zufrieden”, sagte Außenminister Genscher, als er den Autor 1986 als Botschafter nach Japan schickte. „Marktöffnung” hieß die Devise, unter der die Arbeit der Botschaft stand. Bundeswirtschaftsminister waren seit den Tagen von Otto Graf Lambsdorff die häufigsten Japan-Besucher aus der Bonner Kabinettsrunde. Genscher selber kam fast nie nach Tokio, für seinen Geschmack wurden die japanischen Amtskollegen zu häufig ausgewechselt. In Halliers Amtszeit fiel Anfang 1989 der Tod von Kaiser Hirohito, posthum Showa Tenno genannt. „Sein Machtwort hatte im Sommer 1945 nach den Atombomben von Hiroshima und Nagasaki gegen den Widerstand der Generalität den Krieg beendet, der von einer militaristischen politischen Führung 1941 trotz seines Widerstrebens vom Zaun gebrochen worden war”, beschreibt Hallier die Rolle des Tennos im Kriege und wertet ihn damit zu einer Art Friedenskaiser auf. Doch Hirohitos Verhalten war zwiespältiger. Er wurde über den geplanten Überfall auf Pearl Harbor und andere wichtige Militäroperationen vorab ziemlich ausführlich informiert, ohne abzudanken oder sonst erkennbar zu protestieren, und trägt schon allein deshalb zumindest eine Mitschuld an Japans Eroberungskriegen (gegen China übrigens schon seit den 30er Jahren).
Halliers letzter Posten, als Botschafter beim Vatikan, war zugleich schwierig und faszinierend. Ein persönliches Verhältnis zu Papst Johannes Paul II. konnte der Enkel eines protestantischen Pfarrers nie entwickeln, gewann aber nachlesenswerte Einblicke in das Funktionieren der römischen Kurie, einer schwer durchschaubaren Mischung aus Kirchen- und Staatsbetrieb.
GEBHARD HIELSCHER
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einigermaßen kühl wird von Gebhard Hielscher diese Geschichte eines Botschafters nacherzählt. Von Station zu Station - USA, Frankreich, Indonesien, Malaysia, Japan und den Vatikan - folgt er dem Ablauf dieser "bemerkenswerten Nachkriegsbiografie", ohne sich weiter für die Einzelheiten, so scheint es, zu interessieren. Zum Widerspruch fordert ihn einzig eine Bemerkung Halliers über den japanischen Kaiser heraus: dieser werde zum "Friedenskaiser" gemacht, obwohl er "zumindest eine Mitschuld an Japans Eroberungskriegen" in Asien trage. Etwas zu ausführlich, so Hielscher, ist das alles geraten, aber vielleicht hat ihm die Zeitzeugenschaft Halliers einfach nur zu wenig Engagement geboten. Ein Zitat erhellt die Lage: "Halten Sie mir die deutsche Wirtschaft zufrieden", hat der damalige Außenminister Genscher dem nach Japan berufenen Hallier gesagt. Ach richtig, oft ist nur das die Botschaft.

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