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Vom Sterben des Heinrich von Kleist In diesem Jahr erinnert die Literaturszene an den 225. Geburtstag des großen Dramatikers Heinrich von Kleist. Boetius beschreibt die letzten Stunden und den Selbstmord des Dichters und seiner Partnerin Henriette Vogel.
Wie TOD IN WEIMAR, in dem Henning Boetius sich dem Lebensende Goethes näherte, geht TOD AM WANNSEE zunächst von der Faktenlage aus: Kleist "passte sich nicht unter die Menschen". Boetius akzeptiert den Freitod als eine legitime Option des Künstlers. So gelingt ihm ein eindrucksvolles und sensibles Porträt Kleists. Unterstützt wird der Text von zehn faszinierenden Lithographien Johannes Grützkes.…mehr

Produktbeschreibung
Vom Sterben des Heinrich von Kleist
In diesem Jahr erinnert die Literaturszene an den 225. Geburtstag des großen Dramatikers Heinrich von Kleist. Boetius beschreibt die letzten Stunden und den Selbstmord des Dichters und seiner Partnerin Henriette Vogel.
Wie TOD IN WEIMAR, in dem Henning Boetius sich dem Lebensende Goethes näherte, geht TOD AM WANNSEE zunächst von der Faktenlage aus: Kleist "passte sich nicht unter die Menschen". Boetius akzeptiert den Freitod als eine legitime Option des Künstlers. So gelingt ihm ein eindrucksvolles und sensibles Porträt Kleists. Unterstützt wird der Text von zehn faszinierenden Lithographien Johannes Grützkes.
Autorenporträt
Johannes Grützke, geb. 1937, studierte bis 1964 an der Hochschule für Bildende Künste, Berlin. 1973 gründete er gemeinsam mit Manfred Bluth, Matthias Koeppel und Karlheinz Ziegler die 'Schule der neuen Prächtigkeit'. Grützke erhielt zahlreiche Auszeichnungen und wurde 1987 beauftragt, für die Paulskirche ein Wandbild zu erstellen. Das monumentale, 32 m lange Rundbild heißt 'Der Zug der Volksvertreter' und wurde 1991 der Öffentlichkeit vorgestellt. Ende der 80er Jahre entwarf Grützke zahlreiche Bühnenbilder für Inszenierungen Peter Zadeks in Berlin, Hamburg und Wien. Johannes Grützke ist Professor an der Nürnberger Kunstakademie. Er lebt und arbeitet in Berlin und Nürnberg.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.11.2002

Zu den Akten
Henning Boëtius lässt Kleist und
Henriette Vogel in Liebe sterben
Die preußischen Behörden mögen sonst wenig getaugt haben, aber sie wussten doch, was in welchem Falle zu tun war. Sie haben sich nicht überschätzt. Als die Frau des Tagelöhners Riebisch am 21. November 1811 am Kleinen Wannsee zwei Fremde, die sie eben noch bedient hatte, tot vorfand, schickten sie den Hoffiskal Felgentreu und den Kreisphysikus Sternemann, die Begebenheit zu untersuchen. Im Augenblick der Entdeckung saßen die Toten in einer kleinen Grube einander gegenüber. Die Dame hatte die Hände über den Leib gefaltet. „Die Mannsperson saß in einer fast knienden Stellung vor ihr, und hatte den Kopf zur lincken Seite auf eine Pistole gestüzt, deren Mündung gegen den Mund stand, und welche er in den Händen hielt.” Es handelte sich um Heinrich von Kleist, der Henriette Vogel ins Herz und sich in den Mund geschossen hatte.
Die Novemberszene mit letalem Ausgang hat, seit Kleist populär geworden ist, Schriftsteller immer wieder gereizt. Nun liegt eine neue Novelle vor, in der Henning Boëtius erzählt, wie Papa, Ekel, Philosophie und Lebensgier zum Freitod führten. Der Leser tut gut daran, das Aktenmaterial daneben zu legen. Georg Minde-Pouet hat es 1925 publiziert, auf der Website des Instituts für Textkritik ist es bequem zugänglich. Hier erfährt man, wie der Vorfall den Zeitgenossen erschien. Boëtius hingegen schildert, wie er den Ablauf sich denkt. Seine Version wirkt traurig, novemberhaft, künstlerisch. Dennoch verweisen Felgentreu und Sternemann auch diesen Literaten auf die hinteren Plätze. Sie bieten die Sicht mehrerer, recht unterschiedlicher Personen. Boëtius hat sich für den einen Ton und die Innenschau entschieden. Er teilt mit, was Heinrich so dachte, wie Henriette zumute war. Dass er vom Innenleben eines Leutnants, erfahrenen Journalisten und zähen märkischen Junkers etwas versteht, kann er allerdings nicht plausibel machen. Sein Kleist erfüllt uns nicht nur den schlechten Germanistentraum und deklamiert kurz vor den Schüssen Verse aus dem „Prinzen von Homburg”, er spricht überhaupt wie einer, der viele Sitzungen mit einem unbegabten Therapeuten hinter sich hat, und dennoch überspannt geblieben ist: „Mein Vater! Mein Vater? Wer ist das? Doch nicht dieser Weichling, der mich gezeugt hat!” Die überlieferten Zeugnisse lassen übrigens nirgends erkennen, dass Joachim Friedrich für seinen Sohn eine wichtige Rolle spielte. Als Heinrich einmal die Vornamen des Vaters angeben musste, schrieb er die falschen hin.
Der Weltschmerz aus dem Versandhaus, die zusammengeborgten Schlaumeiereien und das Bisschen Sex im Angesicht des Todes, das Boëtius – wohl gegen die Tatsachen – seinem Helden gönnt, können dann doch über Fehler im Kleinen und die berechnende Feigheit dieser Novelle insgesamt nicht täuschen. Der Kriegsrat, den Kleist und die Vogel aus Berlin herbeiriefen, hieß Peguilhen, nicht Perguilhen. Des Dichters Leber war nicht extrem verhärtet, wie nach Boëtius „bei starken Trinkern” üblich, sondern nach Auskunft des ersten Obduktionsprotokolls „sehr groß, jedoch natürlich”. Die Befunde wurden für den abschließenden Bericht manipuliert, damit der Selbstmörder dem damaligen Bild von einem „Sanguino cholericus in Summo gradu”, mit Neiguung zu hypochondrischen Anfällen, entsprach. Kleists Enttäuschung über sein Preußen erspart uns Boëtius ebenso wie den nicht angenehm zu lesenden Obduktionsbefund des Vogelschen Leichnams. Dafür sagen Chirurg und Kreisphysikus hier gern „Donnerwetter”. Wem das zu nichts sagend lebensnah ist, der wird weiterhin Akten lesen oder Kleist. Was sonst?
JENS
BISKY
HENNING BOËTIUS: Tod am Wannsee. Eine Novelle mit 10 Lithographien von Johannes Grützke. Merlin Verlag, Gifkendorf 2002. 122 Seiten, 16 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Eine echte Enttäuschung ist diese Novelle, mit der Henning Boetius versucht, den letzten Stunden vor Heinrich von Kleists und Henriette Vogels Selbstmord eine literarische Form zu geben - für Andreas Nentwich, der hierüber um so trauriger ist als der Autor einmal ein richtig gutes Porträt dieser Art geschrieben hat, über Goethe in seinen letzten Lebenstagen. Diesmal gelingt Boetius aber nicht viel Einfühlung, dem Rezensenten kommt der Autor vor wie ein "nicht ganz sattelfester Prüfling". Aus dieser ungünstigen Ausgangssituation erschafft Boetius einen "Presswürfel-Kleist, der seine furchtbaren Geistesblitze wahllos auf die herumstehende Statisten schleudert". So werden Klischees über das einsame Genie weitergestrickt, die für den Leser wenig Interessantes bringen - und dementsprechend streng ist Nentwich in seinem Fazit der Novelle: "Boetius schreibt auf, was er weiß. Eine Vision von Kleist, ein Leben für ihn hat er nicht."

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