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In seiner beeindruckenden Geschichte der Ethnologie erzählt Werner Petermann mit profunder Kenntnis von den Wegen einer Wissenschaft von ihren Anfängen bis heute, von ihren ideengeschichtlichen Positionen und ihren realpolitischen Verstrickungen. Dabei sieht er die Bedeutung der Ethnologie in der kritischen Mittlerrolle zwischen den Kulturen. Nicht nur Entwicklungspolitiker können darum von ihr lernen, sondern wir alle können es, indem wir das Wissen der Ethnologie als Anregung verstehen, unser Denken und Verhalten im Hinblick auf Andere zu hinterfragen und unseren eigenen Standort im globalen Kontext zu suchen.…mehr

Produktbeschreibung
In seiner beeindruckenden Geschichte der Ethnologie erzählt Werner Petermann mit profunder Kenntnis von den Wegen einer Wissenschaft von ihren Anfängen bis heute, von ihren ideengeschichtlichen Positionen und ihren realpolitischen Verstrickungen. Dabei sieht er die Bedeutung der Ethnologie in der kritischen Mittlerrolle zwischen den Kulturen. Nicht nur Entwicklungspolitiker können darum von ihr lernen, sondern wir alle können es, indem wir das Wissen der Ethnologie als Anregung verstehen, unser Denken und Verhalten im Hinblick auf Andere zu hinterfragen und unseren eigenen Standort im globalen Kontext zu suchen.
Autorenporträt
Werner Petermann, geboren 1947, wuchs in Passau auf. Er studierte Ethnologie, Philosophie und Ägyptologie in München und promovierte zur Kunst afrikanischer Regenmacher. Noch während des Studiums gründete er mit Freunden die ethnologische Zeitschrift Trickster, aus der der gleichnamige Verlag hervorging, der seit 1996 als Edition Trickster im Peter Hammer Verlag weitergeführt wird. Werner Petermann arbeitet als Lektor, Herausgeber, Autor und Übersetzer in München.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.10.2004

Ausfahrt der Neugier in die weite fremde Welt
Ein Buch, das seinesgleichen sucht: Werner Petermann führt kundig, aber etwas zu selbstkritisch durch sein Lieblingsfach Ethnologie

Versteht man unter Ethnologie nicht nur die aus der kolonialen Expansion Europas hervorgegangene Wissenschaft von außereuropäischen Kulturen, sondern jede reflektierende Form der Beschäftigung mit dem kulturell Fremden, dann lassen sich ihre Anfänge schon in den völkerkundlichen Berichten antiker Autoren finden. Es ist diese allgemeinere Bestimmung, der Werner Petermann folgt, wenn er als Ausgangspunkt seiner Geschichte der Ethnologie die griechische Antike wählt. Sein breit angelegtes Werk beginnt mit Hekataios von Milet, der um 500 vor Christus lebte, um die Entwicklung des ethnologischen Denkens bis in die jüngste Gegenwart hinein zu verfolgen.

Fast die Hälfte des Buches ist der Vorgeschichte der wissenschaftlichen Ethnologie gewidmet. Vor allem in diesem ersten Teil breitet der Verfasser ein stupendes Wissen aus. Kein Autor, der sich mit fremden Kulturen beschäftigt hat, wird ausgelassen. Mittelalterliche Mönche, die sich im dreizehnten Jahrhundert an den fernen Hof des Mongolenherrschers Kublai Khan begaben, Marco Polo mit seiner fälschlicherweise als Erfindung angesehenen Reisebeschreibung und der Ritter John Mandeville mit seinen tatsächlich fast nur auf Phantastereien beruhenden Berichten kommen ebenso zu Wort wie die zahlreichen Missionare und Reisenden, die seit der Entdeckung der Neuen Welt zur Erweiterung des Wissens über indigene Kulturen so Entscheidendes beigetragen hatten. Desertierte Soldaten, Abenteurer und andere kulturelle Überläufer wie der deutsche Söldner Hans Staden, der französische Baron de Lahontan oder der erst vor kurzem wiederentdeckte hallensische Jurist Christian Priber, die viele Jahre bei den Indianern gelebt hatten, finden den Platz, der ihnen aufgrund ihrer intimen Kennerschaft indigener Gesellschaften zweifellos gebührt.

Als Vorläufer der Ethnologie werden aber auch fast alle namhaften philosophischen Denker des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts reklamiert, sofern sie sich in ihren Werken zu fernen Kulturen geäußert haben. Und wer hätte dies nicht. Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Diderot und Herder figurieren zu Recht an erster Stelle. Auch Kants und Herders Beiträge zur Anthropologie werden eingehend gewürdigt. Dabei zeigt sich allerdings gerade bei Kant, daß er von den populären Voreingenommenheiten seiner Zeit keineswegs frei war. Und für Hegels empörende Äußerungen über Afrika gilt dies noch entschieden mehr. Daß Comte und Marx begeisterte Leser von völkerkundlichen Abhandlungen waren, ist bekannt. Die Ausführungen von Nietzsche und Dilthey zu den sogenannten Primitiven sind dagegen nur wenigen Experten geläufig. Im offensichtlichen Bestreben, dem Fach eine ehrwürdige Genealogie zu verleihen, hat Werner Petermann alle diese Äußerungen sorgfältig zusammengestellt. Erstaunlich bleibt indes, wie sehr selbst die größten Denker gewöhnlichen Vorurteilen verhaftet blieben, sobald sie den begrenzten eigenen kulturellen Horizont zu überschreiten versuchten.

Der zweite Teil des Buches, der der Geschichte der Ethnologie als etablierter Universitätswissenschaft dient, bewegt sich dagegen eher in den gewohnten Bahnen. Die einzelnen Schulrichtungen, der im späten neunzehnten Jahrhundert dominierende Evolutionismus, die verschiedenen Versionen von Diffusionismus, der Funktionalismus Richard Thurnwalds und Bronislaw Malinowskis, der von Franz Boas begründete amerikanische Kulturrelativismus, die Kulturmorphologie von Leo Frobenius und die jüngeren theoretischen Entwicklungen bis hin zu Lévi-Strauss' Strukturalismus, dem Kulturmaterialismus von Marvin Harris und Clifford Geertz' symbolischer Anthropologie werden ausführlich dargestellt. Petermann beweist dabei ein bemerkenswertes Talent, die jeweiligen theoretischen Grundpositionen knapp und klar darzulegen.

Dafür muß man freilich in Kauf nehmen, daß über der Konzentration auf Einzelwerke und Biographien der rote Faden bisweilen verlorengeht. Auch die Geschichte der völkerkundlichen Institutionen, der Museen, der universitären Institute und ihres jeweiligen historischen Umfelds kommt hin und wieder etwas zu kurz. Das Buch stellt so eher eine chronologisch geordnete Enzyklopädie dar als eine systematisch aufgebaute Wissenschaftsgeschichte, die interne und externe Faktoren gleichermaßen berücksichtigt. Gleichwohl ist es die bisher umfassendste Abhandlung zum Thema, die auch außerhalb des deutschsprachigen Raums kaum ihresgleichen findet.

Bei aller Bewunderung für ein Werk, wie es heute womöglich nur noch ein von den administrativen Belastungen des Wissenschaftsbetriebs entlasteter Privatgelehrter schreiben kann, sei doch eine grundsätzliche kritische Bemerkung erlaubt. Sie betrifft die deutsche Völkerkunde, die zwar eingehend behandelt, aber für das zwanzigste Jahrhundert vor allem unter dem Aspekt ihres politischen Versagens gegenüber dem Nationalsozialismus dargestellt wird. Während die Entwicklung der amerikanischen und selbst der norwegischen Ethnologie bis in die neunziger Jahre hinein verfolgt wird, endet die Behandlung der deutschsprachigen Ethnologie mit dem Werk Wilhelm Emil Mühlmanns, eines der einflußreichsten Ethnologen der Nachkriegszeit, der freilich nach der Aufdeckung seiner nationalsozialistischen Vergangenheit in Mißkredit geraten sollte. Seine Nachfolger aber, von denen viele inzwischen selbst das Pensionsalter erreicht haben, werden nicht mehr erwähnt.

Dabei ist gerade von seinen Schülern seit dem Ende der siebziger Jahre eine grundlegende Erneuerung des Faches ausgegangen. Während einige von ihnen den ethnosoziologischen Ansatz konsequent weiterentwickelten, konnten andere in ihren eher erkenntnistheoretisch und hermeneutisch ausgerichteten Arbeiten viele der Einsichten bereits vorwegnehmen, auf die die von Petermann im Schlußkapitel ausgiebig zitierten Vertreter der zeitgenössischen amerikanischen Kulturanthropologie erst viele Jahre später stoßen sollten. Auch die aus anderen Schulen hervorgegangenen Ethnologen hatten damals auf ihren jeweiligen Gebieten Beachtliches geleistet und zur Neupositionierung des Faches beigetragen.

Die ganze deutschsprachige Szene als einen ",kulturwissenschaftlichen' Fleckerlteppich mit vielen bunten Stellen, aber ohne sinnfällige Strukturen" zu bezeichnen wird dem Aufschwung nicht gerecht, den die Ethnologie bei uns genommen hat und der sich bereits seit Jahrzehnten in der zunehmenden Popularität des Faches, und zwar keineswegs nur bei den Studierenden, niederschlägt. Daß an die Stelle der "großen Schulen" eine Vielzahl methodischer und theoretischer Ansätze getreten ist, hat dem Fach eher gutgetan. Mag man Petermann auch zugute halten, daß er bewußt keine Partei ergreifen wollte, so wird man doch den Verdacht nicht los, daß sich in seiner Geringschätzung der neueren deutschen Ethnologie eine Haltung äußert, die gerade für Ethnologen nicht uncharakteristisch ist. Die Verachtung des Eigenen war für sie schon immer die Kehrseite der Idealisierung des Fremden.

KARL-HEINZ KOHL

Werner Petermann: "Die Geschichte der Ethnologie". Edition Trickster im Peter Hammer Verlag, Wuppertal 2004. 1095 S., geb., 59,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Recht angetan zeigt sich Rezensent Karl-Heinz Kohl von Werner Petermanns "breit angelegtem Werk" über die "Geschichte der Ethnologie", das die Entwicklung des ethnologischen Denkens von der Antike bis in die jüngste Gegenwart hinein verfolgt. Vor allem im ersten, der Vorgeschichte der wissenschaftlichen Ethnologie gewidmeten Teil des Buches breite Petermann ein "stupendes Wissen" aus. Von Marco Polo und John Mandeville bis zu den philosophischen Denker des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts wie Montesquieu, Voltaire, Rousseau, Diderot, Herder, Kant, Comte, Marx, Nietzsche und Dilthey - kein Autor, der sich mit fremden Kulturen beschäftigt habe, fehle. Im zweiten Teil des Buches befasse sich Petermann mit der Geschichte der Ethnologie als etablierter Universitätswissenschaft. Ausführlich stelle er die einzelnen Schulrichtungen dar, vom im späten neunzehnten Jahrhundert dominierenden Evolutionismus über Levi-Strauss' Strukturalismus bis zu Clifford Geertz' symbolischer Anthropologie. Kohl bescheinigt dem Autor ein "bemerkenswertes Talent", die "jeweiligen theoretischen Grundpositionen knapp und klar darzulegen." Allerdings gehe bisweilen der rote Faden verloren, bedauert der Rezensent, der zudem moniert, dass die Behandlung der deutschsprachigen Ethnologie mit dem Werk Wilhelm Emil Mühlmanns endet, einem der einflussreichsten Ethnologen der Nachkriegszeit, der nach der Aufdeckung seiner nationalsozialistischen Vergangenheit in Misskredit geriet.

© Perlentaucher Medien GmbH
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