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Zwei junge Männer stehen an vorderster Front einer überhitzten Konsum- und Leistungswelt - und halten stand, bis die Beschleunigung ihr Leben erfasst, überwuchert: Der idealistische Magnus Taue schreibt für das Kundenblatt eines Ölkonzerns, fühlt sich als Loser und hasst seine Arbeit mit der Wut eines Schläfers. Thorsten Kühnemund, Manager und Macho, leidet insgeheim am erfolgreichen Hochglanzleben voller Druck und Alphatierneurosen, er betäubt sich mit Alkohol, schnellem Sex und Abstürzen im molochartigen Clubbing der Stadt. Aus Schulzeiten bekannt, freunden die beiden sich zögerlich an. Doch…mehr

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Produktbeschreibung
Zwei junge Männer stehen an vorderster Front einer überhitzten Konsum- und Leistungswelt - und halten stand, bis die Beschleunigung ihr Leben erfasst, überwuchert: Der idealistische Magnus Taue schreibt für das Kundenblatt eines Ölkonzerns, fühlt sich als Loser und hasst seine Arbeit mit der Wut eines Schläfers. Thorsten Kühnemund, Manager und Macho, leidet insgeheim am erfolgreichen Hochglanzleben voller Druck und Alphatierneurosen, er betäubt sich mit Alkohol, schnellem Sex und Abstürzen im molochartigen Clubbing der Stadt. Aus Schulzeiten bekannt, freunden die beiden sich zögerlich an. Doch dann brechen die Fassaden ein. Magnus fühlt sich zu Thorstens Freundin Laura hingezogen, und alle drei strudeln ins Haltlose. So beginnt eine Suche nach irgendeiner Wahrheit des Empfindens, Denkens und Tuns - eine Suche im Rausch, Schmerz und Wahn, und in der eigenen Seele ...
Einfühlsam und radikal erforscht Thomas Melle ein sich immer schneller um ein leeres Zentrum drehendes Leben - bis an die Grenzen des Ichs und darüber hinaus. «Sickster» ist ein großes diagnostisches Zeitbild - und das Romandebüt eines Autors, dessen Sprache, so Iris Radisch, «bis ins letzte Komma aufgeladen» ist.
Autorenporträt
Melle, ThomasThomas Melle, 1975 geboren, studierte Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie in Tübingen, Austin (Texas) und Berlin. Er ist Autor vielgespielter Theaterstücke und übersetzte u. a. William T. Vollmanns Roman «Huren für Gloria». Sein Debütroman «Sickster» (2011) war für den Deutschen Buchpreis nominiert und wurde mit dem Franz-Hessel-Preis ausgezeichnet. 2014 folgte der Roman «3000 Euro», der auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis stand. 2015 erhielt Thomas Melle, der in Berlin lebt, den Kunstpreis Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.10.2012

Utopie und Terror

Auf der Flucht aus dem Irrsinn unseres kranken Wirtschaftssystems in die rettende Ruhe der Psychiatrie: Thomas Melle erkennt die Risse in der Gesellschaft, wenn sie noch beinahe unsichtbar sind. Seine "Sickster" sind Helden

Jede Epoche besitzt ihre eigene nihilistische Figur. In unserer Epoche ist es die objektiv wild gewordene Wirt- schaft, gepaart mit einem konservativen Weltbild, nach dem es ohne diese Wirtschaft nicht geht und das immer weiter auf die Hoffnung setzt, dass es so schlimm schon nicht werden wird. Jedenfalls hierzulande bei uns nicht, solange Recht und Staat sich der Sache annehmen und die Wirtschaft floriert. Und damit das so bleiben kann, damit die Wirtschaft weiter florieren kann, müssen wir alle nur immer schneller auf der Stelle treten, sonst kommen die Katastrophen doch noch zu uns.

Das ist die Lage, in die Thomas Melle in seinem Roman seine "Sickster" schickt. "Ein Unternehmen, das täglich Profite braucht wie ein Süchtiger seine Dosis, ist eben auch ein unbelehrbarer Psychopath", fasst Melle die Lage zusammen. Sein Roman ist an dieser Stelle schon sehr weit fortgeschritten, fast am Ende. Zumindest zwei seiner Figuren haben da schon die Erfahrung der Psychiatrie machen können. Und dabei ist die Psychiatrie nicht nur der Ort geblieben, an dem diejenigen abgestellt werden, die dem Tempo einer Gesellschaft nicht mehr folgen können, die ohne universell annehmbare Zukunft auskommt.

Magnus Taue, der Sympath unter den Sickstern, hat in den Raucherräumen der Klinik zu der Kraft gefunden, die ihm draußen fehlte. Er hat eine politische Aktion initiiert, die die Irren für einen kurzen Moment aus der Klinik in den Clinch mit der sogenannten normalen Welt führt. Wer will, darf dabei ruhig an Foucaults Gefängnisinitiativen oder Deleuze/Guattaris Schizoanalyse denken. Magnus Taue und sein Autor Thomas Melle tun es auch. Belesen, wie sie beide sind, können sie auch in Wahn und Schlaf noch zwischen jenen Referenzen hin und her springen, die in den achtziger Jahren das popkulturelle Schreiben inspirierten, bevor es um die Jahrtausendwende mit dem kurzen Frühling der Popliteratur unterging. Und Melle war auf seine Art ein Teil dieses Frühlings. Ich selbst bin ihm nur einmal begegnet, 2000 oder 2001, nachdem er es geschafft hatte, sich in das damals von Sven Lager und Elke Naters streng teilnehmerlimitiert geführte Internetliteratenforum "Am Pool" einzuhacken. Unter fremdem Namen hatte er dort Kommentare eingeschleust, die einen kurzen Moment der Verwirrung erzeugten, da er die damals unter den Teilnehmern so selbstbewusst wiedererkennbar vorgebrachten Einträge nur ganz leicht ins Fremde verschob.

Wenn man "Sickster" mit diesem Wissen liest, merkt man schnell, dass diese Vorgehensweise zur Methode der Aneignung der unüberschaubaren Fluten des Stoffes nicht nur des Internets gehört. Auch im Roman hackt sich Magnus in das Gästebuch einer Tübinger Ernährungsberaterin ein, deren Netzaktivitäten er manisch verfolgt. Das ist aber nur der oberflächliche Akt dieser Form der Weltaneignung. Melle und auch die meisten seiner Figuren verschieben alles oder werden von allem verschoben, auf das sie sich einlassen. Deshalb sind Melles Beschreibungen der Geist- und Körperzustände, die in die Psychiatrie führen, auch keine Adaptationen des Spiels mit dem Irresein, wie es künstlerische Avantgarden seit den Surrealisten betreiben. Es geht bei Melles Sickstern immer auch um Authentizität.

Den Kern seines Themas umreißt er in den hinreißenden ersten Sätzen seines Romans:

"Der Startschuss ist wörtlich zu nehmen: ein ohrenbetäubender Knall. Ihm folgt, feiner als haarfein, ein Riss." Die große, wirklich schwerwiegende Frage ist hier, ist dieser Riss nur ein Wort, oder affiziert der Riss den Körper? Und wenn er den Körper erfasst hat, wächst er sich dann zum Sprung in der Schüssel aus? Der Riss hat nämlich die wunderbare Eigenschaft, dass man ihn nicht sofort bemerkt. Der Riss gehört zu jenen Phänomenen, die auf Taubenfüßen daherkommen, um dann unter der Haut unbemerkt umso größere Veränderungen einzuführen, desto leiser sie sich ankündigen. Und Thomas Melle ist unter den Autoren in der Nachfolge der Popliteratur der Phänomenologe des Risses. Schon deshalb wünscht man, dass er immer weiter schreibt, um in den jeweiligen Gegenwarten der Wahrnehmung und den Folgen des Risses auf der Spur zu bleiben. Es ist eben die haarfeine Verschiebung seiner Sprache, die den Unterschied ausmacht. Wenn Melle seine Leute ins Clubleben abtauchen lässt, dann erleben sie natürlich den gleichen Alkohol-, Sex- und Glücksabsturz, der dazugehört, wenn man es schafft, sich gehen zu lassen. Das ist dann im Detail und im Panoramablick genauso gut wie bei Airen oder Nancy von Bunker. Wird bei Melle aber immer bei irgendeiner Figur in einen inneren Monolog überführt, der sich erst aus der Gesamtschau der Geschichte erschließt. Zu dieser Schau gehört bei den beiden männlichen Figuren, Magnus und Thorsten, die Bonner Canisiusschule, auf die sie beide gingen. Canisius, Clubs und Wirtschaft, heißt es an einer Stelle, seien der Kreis, der die dekadenten, reichen Alkoholiker zusammenhalte in ihrem bis ins Mark reichenden Konservativismus. Die Jesuiten, die die Canisiusschulen betreiben, werden so zum Teil des Systems, dessen Schmierstoff der Alkohol ist und dessen allgemeines Kennzeichen Dekadenz heißt. Das Kapitel, in dem das Abitur in Bonn geschildert wird, wird dazu mit einem Motto von Peaches eingeleitet: "stay in school cuz it's the best".

Die Prüfung für eine erstrangige Intelligenz sei die Fähigkeit, zwei entgegengesetzte Ideen zugleich im Kopf zu haben und doch weiter in Funktion zu bleiben, hat F. Scott Fitzgerald einmal geschrieben. Man kann die Frage, ohne dass daraus eine Leistungsprüfung wird, auf alle Figuren Melles anwenden. Thorsten zum Beispiel, der es als Manager in einem Ölkonzern zu Geld und gegelten Haaren gebracht hat, meint nur zwei entgegengesetzte Ideen in Kopf und Körper zu haben. Tagsüber macht er sich Gedanken, wie man die neue Sortimentanordnung in Tankstellen wirksam in Wort und Bild verkauft, und nachts haut er sich mit Jägermeister, Bier und Wodka, der angeblich keine Fahne macht, die Birne weg. Bei Melle wird der Gedankengang über den Zusammenhang von Produkt, Tankstelle, Marketing und deren genaue Analyse zu so etwas wie einer Fundamentalethik der Wirtschaft: Solange der Laden läuft, kann man viele Leute auch mit dröhnendem Kopf mit allem möglichen sinnlosen Zeug beschäftigen. Schlimm wird das nur für den, der den Weg in diese Geschäftigkeit nicht mehr schafft. Für den, dem langsam alle Ambitionen, aller Ehrgeiz wegstirbt, auch der des persönlichen Stils, der schrittweise in wässrige, immer blassere Regionen absteigt. Dann gibt es Erste Hilfe nur noch beim Arzt. Nach dem Arzt aber ist noch nicht aller Tage Abend. Denn es gibt ja diese Präzisierungen für das Gefühl für einen Aufstand gerade dieser Kranken.

Er werde einmal eine Ästhetik des Fehlers schreiben, heißt es einmal im Roman. Des Fehlers in seiner leichten und schweren Abweichung, in seiner negativen Abgegrenztheit, an der sich das Verfehlte, nicht Erreichte genau ablesen lassen, ob als leise Utopie oder als faktischer Terror, aus dem man sich in den Fehler als letzte Zuflucht gerettet hat. Schöner kann man Melles Arbeit nicht beschreiben.

CORD RIECHELMANN

Thomas Melle: "Sickster". Rowohlt Berlin 2011, 336 Seiten, 19,95 Euro. rororo 2013, 9,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.01.2012

Kollaps der Materie
Was passiert, wenn das Hirn des Hipsters verrücktspielt: Thomas Melles Roman „Sickster“
Das Hirn, so ruft uns dieser Roman gleich zu Beginn ins Gedächtnis, besteht aus zwei Hälften – und ihre Funktionen könnten unterschiedlicher kaum sein. Während links eine „naive Buchhalterin“ für einfache Regeln und Prozesse zuständig ist, beherbergt rechts eine „fiebrige Verschwörungstheoretikerin“ die Welt des Genialen: „Geht ab in Assoziationen und Träumen, arbeitet sprunghaft, spürt Pfade auf, die nicht offen zutage treten, findet Zusammenhänge von Einzeldingen, die beliebig nebeneinander liegen.“ Wenn nun ein körperlicher Impuls – etwa ein Tinnitus – diese hybride Verschränkung von Logik und Chaos stört, gerät das Bewusstsein ins Strudeln. „Zentrifugale Psychose“, „gravitative Instabilität“, ja sogar ein „Kollaps der Materie“ können die Folgen sein. Nicht von ungefähr haben die Beat-Poeten vom „nackten und grenzenlosen Hirn“ gesprochen.
Es ist ein kluger Gedanke, mit dem Thomas Melle sein Romandebüt eröffnet, und ein geschickter Erzählzug obendrein. Denn tatsächlich zeigt uns der 1975 geborene Autor schon auf den ersten Seiten, dass es beim Gehirn ums Ganze geht: Wenn der Verstand sich aushöhlt, wenn die Assoziationen nicht mehr zu bremsen sind, gerät die Welt aus den Fugen. Nichts anderes versucht der Roman in seinen Figuren und Sätzen auszuformen. Zugleich deutet Melle an, was sich mit diesem Gedanken verbinden könnte: Bewusstsein und Welt, Ordnung und Chaos, ja auch Erzählen und Ideensprung, Metapher und Beschreibung, intensives Bild und Ironie lassen sich kaum trennen. Genauer noch: Solche Dualismen könnten künstlich sein, und das eine ist vielleicht immer auch Teil des anderen oder bedingt es, je nach Blickwinkel.
Melle führt uns in die Bewusstseinswelten dreier Figuren. Da ist Thorsten Kühnemund, Manager bei einem Mineralölkonzern und für die Gestaltung von Tankstellenshops zuständig. Ein Schönling, der sich in der Sphäre der Verkaufsfloskeln und des industriellen Designs gut fühlt, sich tagsüber mit Energydrinks aufputscht und abends den Karrieredruck mit Alkoholika und exzessivem Clubbing betäubt. Da ist seine Freundin Laura, die Jura studiert hat und der sich nun die Paragraphen und Ableitungen verschließen, sogar der eigene Körper wird ihr fremd und sie beginnt ihn zu zerstören. Und da ist Magnus Taue, die Hauptfigur – oder sollte man sagen: das eigentliche Hirn des Romans. In seinen Träumen ein erfolgreicher Regisseur, verdient er sein Geld als Journalist für das Magazin jenes Konzerns, bei dem auch Thorsten Kühnemund angestellt ist. Als Jugendlicher war Magnus „eine Art Wissender, halb Autist und halb Tourette“. Ein Tinnitus gleich nach dem Abitur setzt eine handfeste Psychose in Gang.
Der Tinnitus als Schutzwall
Schon in seinem Erzählungsband „Raumforderung“ (2007) hat Thomas Melle gezeigt, dass er ein Faible für literarische Versuchsanordnungen hat. So wie er dort verschiedene Textsorten und Sprechweisen ineinanderschiebt, arbeitet er auch in „Sickster“ mit den Erzählperspektiven, wechselt zwischen Dialog und Tagebuch, Beschreibung und Deutung, Innen- und Außensicht. Und er hat studiert, was Postmoderne und Pop an spielerischen Möglichkeiten hervorgebracht haben, von Zitaten und Mottos bis hin zu Theorieeinsprengseln.
Zu seiner Stärke findet der Roman indes, wo er solche Mittel nicht als Selbstzweck benutzt, sondern sie an die Erfahrungsweisen seiner Hauptfiguren koppelt. Alle drei geraten irgendwann aus ihrer Umlaufbahn. Immer voran: Magnus. In einem hitzigen Berliner Spätsommer wird der „nervöse Supertasker“ von seiner Psychose überrollt. Die Zeichenwelt des Internets wird ihm zur „reinsten Semiotik“ der Dinge – was heißen soll: Alles ist mit Bedeutung aufgeladen, der eigene Wahn-Sinn und der Wahn-Sinn der Welt fallen in eins. Hier erhalten die Ausführungen über Synapsen, Psychosen und Materie plötzlich ihren Sinn. Und hier erscheint plausibel, warum bei Melle aus den „Hipstern“ der Beatniks die versehrten „Sickster“ geworden sind.
Je länger man aber liest, desto öfter drängt sich der Verdacht auf, jene kleine Passage über das Gehirn am Anfang des Romans könnte auch eine Immunisierungsstrategie gegen mögliche Einwände sein. Kritisiert nicht meinen Hang zur Konstruktion, ruft da jemand, denn so arbeitet die linke Hirnhälfte nun einmal. Kritisiert nicht die zunehmenden Brüche und Sprünge, denn das ist die chaotische rechte, befeuert vom Tinnitus. Und kritisiert auch nicht die vielen Sprachhülsen, die sich finden lassen, denn die Figuren denken in Klischees. Kurzum: Werft mir nichts vor, denn es ist ja alles schon mitreflektiert.
Bei aller Liebe zu den gedanklichen und sprachlichen Wagnissen dieses Romans – das ist ein wenig zu einfach. Und es gelingt Melle auch nicht, die Schwachstellen zu kaschieren. Figuren, die umständlich eingeführt werden, um nie wieder in Erscheinung zu treten etwa. Exkurse, in denen der Mitteilungsdrang eines allzu allwissenden Erzählers mit den Perspektiven kollidiert. Eine Neigung zu Effekten und Kippfiguren, die gerade am Ende ungute Blüten treibt. Metaphorische Abstürze wie in der Beschreibung von Clubnächten, wo die Atmosphäre nur deshalb „wabert“ und „funkelt“, weil diese Wörter auf jeder Seite wiederholt werden.
Vor allem aber: Thomas Melles Freude an Querverweisen ist groß, so groß, dass er auch immer wieder in den eigenen Erzählungen auf die Suche geht. Dagegen wäre überhaupt nichts einzuwenden, wenn er Motive oder Sprachteilchen aus „Raumforderung“ tatsächlich fortgeschrieben hätte. Aber viele Passagen sind nach dem Copy-and-Paste-Prinzip einfach aus einem früheren Text in den Roman implantiert worden, Thorsten Kühnemunds Pornophantasien etwa oder seine körperliche Entfremdung gegenüber Laura. Auch die Ausführungen über das Gehirn sind wörtlich aus einer Erzählung übernommen.
Das ist schade, denn so will sich jenes „Umstülpen“ von Text und Welt, das Magnus Taue widerfährt, nicht recht auf den Leser übertragen. Vielmehr hinterlässt Thomas Melles Buch einen Eindruck, der ähnlich gespalten ist wie das Gehirn. Oder in den Worten des Romans: „Sickster“ ist durchmischt „wie Schlammbälle in leichtem Samt, oder wie ein magentafarbener Juwel in Erbrochenem, also das Ätzen im Glänzen und umgekehrt“.
NICO BLEUTGE
THOMAS MELLE: Sickster. Roman. Rowohlt Berlin Verlag, Berlin 2011. 335 Seiten, 19,95 Euro.
Schön sieht es aus, aber arbeitet das Hirn auch zuverlässig, beide Seiten nutzend, Chaos und Ordnung verbindend? Foto: Tom & Dee Ann McCarthy/CORBIS
Thomas Melle mit Zigarette Foto: Carsten Thielker
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nicole Henneberg vergleicht den Furor und die Trauer in Thomas Melles Roman mit denen von Ginsbergs "Howl". So abenteuerlich wie menschlich erscheint ihr die Geschichte um drei hoffnungsvolle, aber chancenlose junge Männer im Berliner "Paradies der Selbstverwirklicher" (chancenlos im Kampf mit der eisigen Gegenwart). Was der Autor hier vor dem Hintergrund der Berliner Nachtwelt und der Tagwelt eines Ölkonzerns mit psychologischer, soziologischer und moralischer Kompetenz auch an politischer Sprengkraft freisetzt, lässt Henneberg staunen. Die Wirklichkeitsnähe macht sie beklommen, die liebevolle, melodische Sprache des Autors sowie das Ende des Romans, das sie uns nicht verraten möchte, lassen sie allerdings hoffen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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