Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 7,21 €
  • Gebundenes Buch

"Auf den Hügeln, rund um die Zentren großer Städte, stößt man merkwürdigerweise oft auf so eine Art städtisches Bergvolk", rauh und unangepaßt. Um dieses Geheimnis zu ergründen, hat sich Daniela Dahn Mitte der achtziger Jahre zu einer Berg-Tour aufgemacht und ist dabei auf Menschen und Orte getroffen, deren Geschichten sich zu einem lebendigen Porträt verdichten. Das Ergebnis ihrer Erkundungen erschien 1987 und wurde in der späten DDR zu einem Kultbuch: "Wann zuvor ging hierzulande solches je in Druck?" fragte der Journalist Christoph Dieckmann begeistert, und der "Tagesspiegel" sekundierte:…mehr

Andere Kunden interessierten sich auch für
Produktbeschreibung
"Auf den Hügeln, rund um die Zentren großer Städte, stößt man merkwürdigerweise oft auf so eine Art städtisches Bergvolk", rauh und unangepaßt. Um dieses Geheimnis zu ergründen, hat sich Daniela Dahn Mitte der achtziger Jahre zu einer Berg-Tour aufgemacht und ist dabei auf Menschen und Orte getroffen, deren Geschichten sich zu einem lebendigen Porträt verdichten. Das Ergebnis ihrer Erkundungen erschien 1987 und wurde in der späten DDR zu einem Kultbuch: "Wann zuvor ging hierzulande solches je in Druck?" fragte der Journalist Christoph Dieckmann begeistert, und der "Tagesspiegel" sekundierte: "Hier schreibt, erzählt, gräbt bis zum Grundwasser des Prenzlauer Berges eine Erzählerin, deren journalistische Neugier sie anfeuert und Literatur schafft."
Sprach man damals über das Buch, so spricht man heute von seiner Autorin, die für ihre erfolgreichen, nach der Wende entstandenen Bücher 1999 mit dem Kurt-Tucholsky-Preis für literarische Publizistik ausgezeichnet worden ist. Literarische Publizistik im besten Sinne ist auch die "Prenzlauer Berg-Tour". Mit dieser Neuausgabe wird sie wieder zugänglich gemacht, ergänzt durch ein Kapitel mit heutigen Momentaufnahmen in Bild und Text - auf den Spuren der alten Tour und "auf der Suche nach der verneuerten Zeit".
Autorenporträt
Dahn, Daniela
Daniela Dahn, geboren in Berlin, studierte Journalistik in Leipzig und war Fernsehjournalistin. 1981 kündigte sie und arbeitet seitdem als freie Schriftstellerin und Publizistin. Sie war Gründungsmitglied des «Demokratischen Aufbruchs» und hatte mehrere Gastdozenturen in den USA und Großbritannien. Sie ist Trägerin unter anderem des des Fontane-Preises, des Kurt-Tucholsky-Preises für literarische Publizistik, der Luise-Schroeder-Medaille der Stadt Berlin und des Ludwig-Börne-Preises. Bei Rowohlt sind bislang elf Essay- und Sachbücher erschienen, zuletzt «Wir sind der Staat!» (2013).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 28.08.2001

Der Sekretär im Schlachthaus
Daniela Dahns „Prenzlauer Berg-Tour” ist neu aufgelegt und stillschweigend korrigiert worden
Die Punks der DDR haben auch das revolutionäre Liedgut liebevoll gepflegt. Ein Refrain etwa, streng nach Brecht, lautete so: „Drum links, zwei, drei,drum links, zwei, drei, wo dein Platz, Genosse, ist, Reih dich ein in die Arschkriecher-Einheitsfront, weil du auch ein Arschkriecher bist.” In Daniela Dahns „Prenzlauer Berg-Tour”, (Rowohlt Berlin, 240Seiten, 29,90 Mark), kann man dieses schöne Beispiel nachlesen. Das Buch sei, so verspricht es der Klappentext eine „unveränderte Neuausgabe”. Wer aber die erste Ausgabe zur Hand nimmt, die 1987 im Mitteldeutschen Verlag und bei Luchterhand erschien, wird die neue Fassung des „Einheitsfrontliedes” dort nicht finden. Statt dessen steht da ein dummer Vers „gegen Reagen (!) und Donald Duck”: „Amis raus aus Deutschland! Und wenn ihr nicht von selber geht, dann schmeißen wir euch raus. Für uns da seid ihr Mörder, und darum, Amis raus!”
Die neue Ausgabe ist auch sonst nicht textgleich mit der von 1987. Auf Nachfragen heißt es im Verlag, die Neuausgabe sei immerhin fast identisch mit der dritten Auflage des Buches, die 1990 herauskam. Zu den unterschiedlichen Fassungen könne man im Augenblick nichts sagen. Man müsse dazu erst mit der Autorin sprechen. Daniela Dahn aber sei zur Zeit im Urlaub, im Ausland, und auch per Handy nicht zu erreichen. Der Spiegel wie der Tagesspiegel haben Daniela Dahn die Abweichungen im Text bereits vorgehalten. Sie habe ihre Biografie ein wenig korrigieren wollen, damit sie politisch mutiger, widerständiger erscheine, als sie es Mitte der achtziger Jahre tatsächlich war. Wenn dies zuträfe, müsste die Autorin als Stümperin gelten. DDR-Freundliches wurde nicht getilgt, die Änderungen sind leicht auszumachen, auch ist völlig Unsinniges darunter. So wird aus Thälmanns Frau Rosa die Revolutionärin Rosa Luxemburg, an die der Arbeiterführer 1935, also 16 Jahre nach deren Ermordung, einen Brief geschrieben haben soll. Fälscht so dumm, wer betrügen will?
Daniela Dahn wurde schon oft Schlimmes zugetraut. Ende 1998, nachdem die PDS sie für das Amt einer Verfassungsrichterin in Brandenburg vorgeschlagen hatte, wurde sie verdächtigt, sich nicht hundertprozentig zur Bundesrepublik und ihrer Verfassung zu bekennen. Damals ist sie oft entstellend zitiert worden. Es schien, als sollte sie für ihre Streitschriften gegen den „Finanzstalinismus” bestraft werden. Dank der Debatte wurde ihr dümmster Satz ihr berühmtester: „Mit Blick auf die von mir erlebte poststalinistische DDR und die finanzstalinistische BRD scheint mir: Die Summe der Repressionen ist immer gleich.”
Ab in die Wissensfabrik
Jetzt ist Dahns bestes Buch in einer Neuausgabe erschienen, die verschweigt, dass es sich um eine nach der Wende korrigierte Fassung handelt. Man muss ihr nicht böse Absicht unterstellen, dennoch sieht der Leser sich von ihr betrogen. In ihrem Nachwort zur Neuausgabe verliert sie über die unterschiedlichen Fassungen des Buches kein Wort, erinnert aber an ihre Schwierigkeiten mit der Zensur. Drei Dutzend Änderungswünsche hätten nach der Abgabe des Manuskripts 1986 das Lektorat, die Außengutachter und die Abteilung Belletristik des Kulturministeriums gefordert. Im Punker-Kapitel, so schreibt sie, habe sie nur einen Refrain geopfert. Dass die „Arschkriecher- Einheitsfront” in der DDR nicht erscheinen durfte, überrascht nicht. Man erfährt in den unaufgeregt erzählten Reportagen auch so vieles, was in der DDR nicht besprochen werden sollte: wie Missliebige mit Hilfe eines nur vorläufigen Ausweises drangsaliert wurden, wie Behörden versagten, Proteste scheiterten, man liest von Gewalt und Wohnungselend und von Ausreiseanträgen. Im Punker-Kapitel steht auch eine Strophe über die Kinder-Aufzucht in der DDR. Sie endet mit den Zeilen: „Und dann geht’s ab in die Wissensfabrik, als geistig Betreuter bleibst du zurück.” Warum sollte Daniela Dahn nachträglich schärferen Formulierungen einfügen?
Gewiss: 1987 wird die Mauer, anders als in der Neuausgabe, nicht als monströses Stadtmöbel bezeichnet. Der Schutzwall heißt schlicht „undekorativer Raumteiler”. 1987 zitierte Daniela Dahn einen Schüleraufsatz, Erinnerungen an das Eintreffen der Russen 1945: „Dann suchten sie sich fünf Frauen aus und gingen mit ihnen in eine der offen stehenden Parterre-Wohnungen”. In der Neuauflage geht der Satz noch weiter „...und vergewaltigten sie dort.” Auch ohne die Fortsetzung konnte bereits 1987 jeder verstehen, wovon die Rede war. Es hat ohnehin etwas Peinigendes, Daniela Dahns Reportagen zu lesen, als lebte man noch unter diktatorischen Verhältnissen und müsse „mutige Stellen” suchen. Ihr Buch erzählt vom Alltag am Prenzlauer Berg, in dem sich schwer kontrollierbare Existenzen, Schwule, Punks, Literaten, eingerichtet hatten, in dem verkommene Wohnungen besetzt wurden, um nur überhaupt eine eigene Wohnung zu ergattern und sich in der Gethsemanekirche die Opposition versammelte.
Obwohl Daniela Dahn auch mit dem Pfarrer dieser Kirche sprach, ist ihrem Buch nicht zu entnehmen, dass es in vorrevolutionären Zeiten spielt. Aber das Klima der Unzufriedenheit ist zu spüren. Etwa im Bericht über den Prozess gegen „Putze”, der beim illegalen Glücksspiel die Bank hielt, sich aus dem Westen einen Porno-Film mitbringen ließ und der Staatsmacht überhaupt durch „asoziales Verhalten” auffiel. Die Sympathie der Autorin ist auf der Seite des Angeklagten, das Urteil folgte in allen Punkten dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Bericht lässt diese borniert und das Urteil ungerecht erscheinen.
Grundsätzliche Opposition gegen die DDR wird man in der „Prenzlauer Berg-Tour” vergeblich suchen. Das Buch gehört zur Reihe der Werke, in denen manchmal die Unerträglichkeiten, vor allem aber die banalen Schwierigkeiten des Lebens im Sozialismus benannt worden sind. Das sorgte für Unruhe. Während der Recherchen lauerte ein Sekretär der SED-Kreisleitung der Autorin im Schlachthof auf. Sie solle, teilte er mit, eine Konzeption abliefern, damit die Kreisleitung entscheiden könne, welche Bürger in das Buch aufgenommen werden dürfen. Als die Autorin störrisch blieb, drohte ihr der Sekretär, den gesamten Stadtbezirk für Recherchen zu sperren. Ihr Verlag rettete das Unternehmen. Daniela Dahn hat die Geschichte 1987 auf dem Schriftstellerkongress erzählt. Damals bedauerte sie es, darüber nicht geschrieben zu haben. Warum tat sie es nicht für die Neuausgabe des Buches, warum erzählte sie nicht dessen Geschichte? Dann wüsste der Leser, woran er ist.
Statt dessen wird er im Nachwort mit Impressionen aus dem Prenzlauer Berg der neunziger Jahre abgespeist. Nein, es ist auch heute nicht alles gut, lautet das Fazit in schwer zu überbietender Schlichtheit. Die Kritiker Dahns werden noch einmal als „Feuilleton-Köter” bezeichnet, denen man Knochen hinwerfen müsse wie einst den „Zensur-Kötern”.
Wer aber zwischen Zensur und öffentlicher Kritik, wie vernichtend und falsch sie auch ausfallen mag, nicht unterscheiden will, dem werden wohl auch die Unterschiede zwischen den Fassungen des eigenen Buches belanglos erscheinen. Diese Bedenkenlosigkeit verträgt sich gut mit der kritischen Attitüde des Nachworts. Beides erzeugt eine Atmosphäre, in der es auf Genauigkeit und Differenzen nicht mehr anzukommen scheint.
Gegen die neuen Vorwürfe dürfte Daniela Dahn selbst das Wort vom Finanzstalinismus nicht helfen, es entstellt ohnehin ein Buch, das man vor fünfzehn Jahren gern gelesen hat.
JENS BISKY
Ein Zimmer mit Aussicht nach Westen, das war die DDR – so weit so gut, wäre da nicht dieser unschöne Raumteiler in der Mitte von Berlin gewesen. Aber vom Helmholtzplatz aus ging der Blick ins Weite.
Foto
aus dem besprochenen Band
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Endlich ein Buch über diesen Berliner Bezirk, das keine Berichte von illegalen Lesungen und Galerieeinweihungen liefert, stellt Sieglinde Geisel angenehm überrascht fest. Was die Berichte aus dem einstigen Arbeiter- und Bohemeviertel so lesenswert mache, seien weniger die Zeitdokumente etwa über die Zeit des Faschismus, meint Geisel - die könne man getrost überblättern. Sie interessieren die Reportagen aus dem sozialistischen Alltagsleben, die im "Rahmen des damals Möglichen" überraschend "unverblümt" daherkommen, auch wenn das Dokumentarische manchmal etwas aufgesetzt wirke. Es sind eben auch Zeitdokumente, aus den 80er Jahren stammend. Geisel kommt auf die kurz aufgeflammte Debatte um die Neuauflage zu sprechen, die ganze 24 zusätzliche Zeilen enthält, die damals von der Zensur gestrichen worden waren. Nicht dass der Verlag es versäumt hat, dies im Vorwort zu vermelden, kreidet Geisel der Autorin an, sondern ihren klagenden Ton im Nachwort, wo sie sich darüber auslässt, wie die damals von ihr Porträtierten - Außenseiter der DDR-Gesellschaft - dem neuen System erst richtig zum Opfer gefallen sind.

© Perlentaucher Medien GmbH
Ein sehr schönes Buch, ein aus allen Rahmen fallendes Berlin-Buch. Der Tagesspiegel