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Die Gezeiten von Liebe und Krieg. Ein abenteuerlicher Roman über einen Kriegsreporter, eine Liebe unter extremen Bedingungen und über die Sucht nach Gefahr. Moritz Martens, einst gefragter Kriegsreporter, bekommt seit Monaten keine Aufträge mehr. Er ist müde geworden, sein Konto ist fast leer, seine Ehe ist schon vor Jahren gescheitert und seine Affären machen ihn nur noch einsamer.Da weht der Zufall eine Frau in Martens' Leben: Die faszinierend fremdländisch wirkende Miriam Khalili. Ihr Vater war einst aus Afghanistan geflohen, sie selbst ist in Berlin aufgewachsen. Miriam erzählt Martens…mehr

Produktbeschreibung
Die Gezeiten von Liebe und Krieg. Ein abenteuerlicher Roman über einen Kriegsreporter, eine Liebe unter extremen Bedingungen und über die Sucht nach Gefahr. Moritz Martens, einst gefragter Kriegsreporter, bekommt seit Monaten keine Aufträge mehr. Er ist müde geworden, sein Konto ist fast leer, seine Ehe ist schon vor Jahren gescheitert und seine Affären machen ihn nur noch einsamer.Da weht der Zufall eine Frau in Martens' Leben: Die faszinierend fremdländisch wirkende Miriam Khalili. Ihr Vater war einst aus Afghanistan geflohen, sie selbst ist in Berlin aufgewachsen. Miriam erzählt Martens eine unglaubliche Geschichte: Sie würde eine junge Afghanin kennen, die als Junge verkleidet seit Monaten mit einer Talibangruppe durch die Berge zieht. Der Anführer der Gruppe ist weit über die Grenzen des Landes hinaus für seine Brutalität und seinen Frauenhass berüchtigt. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis das Mädchen enttarnt wird. Um sich zu retten sei es bereit, für zehntausend Dollar ein Interview zu geben. Miriam könne über einen Kontaktmann ein Treffen an einem geheimen Ort arrangieren.Doch schon in der Transall nach Feyzabad beginnt Martens an der Echtheit der Geschichte zu zweifeln. Ganz offensichtlich war Miriam noch nie zuvor in Afghanistan und verwickelt sich auch sonst immer mehr in Widersprüche. Doch Martens liebt das Unvorhersehbare und lässt sich trotzdem auf das Abenteuer ein.Er kann nicht ahnen, wie sehr das, was ihn in Afghanistan erwartet, sein Leben verändern wird. »Endlich, endlich sind wir im Hier und Heute! Da ist sie ja, die Gegenwart der oft ja nur sogenannten Gegenwartsliteratur.« Richard Kämmerlings (Die Welt) zu einer Vorstufe des Romans
Autorenporträt
Reichlin, LinusLinus Reichlin, geboren 1957, lebt als freier Schriftsteller in Berlin. Für sein Debüt Die Sehnsucht der Atome erhielt er 2009 den Deutschen Krimipreis. Der Roman Der Assistent der Sterne wurde zum "Wissenschaftsbuch des Jahres 2010 (Sparte Unterhaltung)" gewählt. Es folgten die Romane Das Leuchten in der Ferne (2012), In einem anderen Leben (2014), Keiths Probleme im Jenseits (2019) und zuletzt Señor Herreras blühende Intuition (2021).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Im Amtswartezimmer die Traumfrau finden, als Ritter mit ihr in die Ferne reisen und dort schließlich zum ganzen Kerl heranwachsen - um solche Männerfantasien geht es in Linus Reichlins höchst abenteuerlicher Geschichte, schreibt Rezensentin Katharina Granzin, die darin den Stoff mehrerer, wenigstens aber zweier Romane verarbeitet sieht. Wobei es ihr bei aller zugewandter Belustigung schon etwas aufstößt, dass der Mann im Buch - ein eigentlich schon gesetzter Reporter, den überraschende soziale Not auf eine Frau aus Afghanistan treffen lässt, was ihn zu einer Reise in deren Heimatland bringt, wo er von den Taliban als Geißel genommen wird - zum Kerl erst dann werden kann, nachdem die Frau geflissentlich aus der Geschichte subtrahiert wurde. Gut gefällt Granzin Reichlins ökonomisch effiziente Erzählweise, weit weniger gut aber die mangelnde psychologische Glaubwürdigkeit des Texts und die allzu dick aufgetragene "Räuberromantik", wenn der Held mit den Taliban durchs Gebirge wandert. Und trotz glänzender Recherche nervt sie schließlich auch der touristische Gestus gegenüber Afghanistan.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.04.2013

Der Kurier des Wahren
Linus Reichlin erzählt vom Dilemma eines Kriegsreporters in Afghanistan
Ein Journalistenleben kann elend, zumindest aber unfassbar trist enden, wenn man jenseits der fünfzig ist und die großen Aufträge an die Jüngeren mit den cooleren Themen gehen. Dass die Menschen den Bildern im Internet und im Fernsehen mehr vertrauen als der Magie der Sprache, kommt depressionsfördernd hinzu. Moritz Martens führt in Linus Reichlins neuem Roman „Das Leuchten in der Ferne“ so ein im Stadium der ausklingenden Beachtung angelangtes Journalistenleben.
  Martens war über viele Jahre hinweg Kriegsberichterstatter, er hat sich in Ruanda von jungen Hutu-Burschen schildern lassen, wie anstrengend es ist, jeden Tag eine Handvoll Menschen umzubringen; Irak, Bosnien, Kolumbien – Martens reiste dorthin, wo die anderen nicht hingingen, und was er aufschrieb, waren Geschichten, welche die Wirklichkeit des Krieges in ihrer Vertracktheit und Perfidie schilderten. Zum Beispiel Martens Reportage über einen deutschen Soldaten in Afghanistan, der nach seiner Entlassung aus dem Dienst an den Verhältnissen krank wurde – nicht an den Verhältnissen am Hindukusch, sondern an denen in seinem Häuschen in Rankwitz, wo es um Belanglosigkeiten des Alltags ging und nicht um Leben und Tod, wie der Soldat es braucht.
  Linus Reichlin hat einen Roman über einen Reporter geschrieben, der an die Subjektivität glaubt, an das Erleben, und dem das Distanz-Getue der Journalismus-Schulen gegen den Strich geht. Martens will in den Schrecken, die er beschreibt, aufgehen, es soll ihm etwas geschehen, wenn er das Geschehen beschreibt. Auf dem Bürgeramt in Berlin gibt Moritz Martens einer jungen Mutter, Miriam Khalili, seine Wartemarke, damit sie mit ihrem Sohn schneller an die Reihe kommt. Es entwickelt sich ein Gespräch, Miriam lädt Martens zu sich ein und erzählt ihm von einer Bacha Posh, einem Mädchen, das in den afghanischen Bergen mit einer Meute Taliban umherzieht und sich als Junge ausgibt. Für ein Interview verlange das Mädchen 10 000 Euro, Martens trifft noch in der Nacht den Chefredakteur seines Blattes und verkauft ihm – dass so etwas heute noch so einfach geht bei der Summe – die Geschichte.
  Martens fährt mit Miriam nach Afghanistan, in die Provinz Badakhshan, wo er das Mädchen treffen soll. Miriam begleitet ihn, sie will die Fotografien zur Reportage machen; aber im Laufe der Reise mehren sich Martens Zweifel an der Professionalität seiner Begleiterin. Miriam besitzt überhaupt keine Kamera, und mit der Zeit stellt sich heraus, dass ihre Mission in dem von deutschen Soldaten kontrollierten Gebiet eine andere ist: Sie will mit Martens Hilfe ihren Ex-Mann, den Vater ihres Sohnes, aus den Händen der Taliban befreien. Die Übergabe gelingt, aber Martens wird selbst zur Geisel der afghanischen Kämpfertruppe; während der Flucht durch die Berge wird er Teil der hierarchischen Männerwelt und erlebt, wie sich innerhalb des Bündnisses Stärke und Führungskraft abnutzen und wie mühsam es ist, die Würde der Tradition, die angeblich nicht verhandelbare Religiosität gegen die Wirklichkeit zu verteidigen.
  Ein paar aufgeregte Stimmchen haben Linus Reichlin zum Vorwurf gemacht, dass er selbst nicht in Afghanistan war und folglich unrechtmäßig Wirklichkeit suggeriere. Das ist, mit Verlaub, ziemlicher Blödsinn, denn es geht in diesem – gekonnt gebauten und spannenden – Roman ja gerade um den elenden Kampf mit dem, was im Journalismus als Wirklichkeitserfahrung verkauft wird und deshalb auf Teufel komm raus beides leisten muss: einerseits den Schrecken erfahrbar machen, zum anderen die Distanz zum Schrecken wahren. Ein Spiel, das Martens nicht mitmacht: „Er hatte sich seinem Entsetzen gestellt und sich nicht auf seine Position als neutraler Beobachter zurückgezogen.“
  Denn neutral kann, das ist Reichlins bittere und zugleich tröstliche Moral, kann nur einer sein, den das Leben weitgehend unbehelligt ließ. Moritz Martens ist das nicht. Er nimmt sein beschädigtes Leben mit in ein zerstörtes Land. Sein Schuldgefühl gegenüber seiner Tochter Nives zum Beispiel, um die er sich kaum gekümmert hat und die nun mit distanzierter Sympathie für den Vater als Juristin in Zürich für Ernst&Young arbeitet. Und dann die Beziehung mit Nina, die für einen Lebensmittelkonzern arbeitet und die mit der unpraktischen, resignativen Art von Martens wenig anzufangen weiß. Linus Reichlin ist übrigens klug genug, nicht der Versuchung zu erliegen, Nina als glatt gestrichene Karriere-Tusse zu zeichnen. Er beschreibt sie als eine Frau, die sich weniger Illusionen vom Leben macht als Moritz. „Du bist Journalist, du lebst von der Übertreibung. Ich von der Untertreibung“, sagt sie einmal.
  Spätestens als Moritz Martens mit den Kriegern der Taliban durch die Berge Badakhshans zieht, weiß er, dass er ein Teil dieses Kriegerhaufens ist. Er hat zugesehen, wie Menschen andere Menschen töten, und vielleicht, er weiß es nicht sicher, hat er während eines Afghanistan-Aufenthaltes einige Jahre zuvor in Quatliam auch eine Frau getötet.
  Und er weiß, dass seine Reportagereisen Fluchtbewegungen sind: Er kann dem zivilen Leben nur vergleichsweise primitive Vorzüge abgewinnen. Nicht die Erinnerung an das Glück mit einer Frau oder einem Kind stärkt ihn in den bitteren Momenten der Geiselhaft, sondern die Beschwörung kulinarischer Sensationen, Geschmackserlebnisse mit Kombinationen von erlesenem Käse, Süßem, Wein und Zigaretten; die immer wieder vergegenwärtigten Rilke-Gedichte lassen ahnen, dass hier einer aus seinem Schreibformalismus ausbrechen will und sich nach einer anderen Sprache sehnt.
  „Das Leuchten in der Ferne“ lässt gelegentlich an Nicolas Borns Roman „Die Fälschung“ denken, der Geschichte des Reporters Laschen, der Mitte der Siebzigerjahre in den vom Bürgerkrieg zerstörten Libanon reist und seinen Auftrag verflucht, die Leser mit täglich frischen Ereignissen zu versorgen. Laschen möchte wie Martens, Teil des Geschehens sein, er möchte aber, seinerseits deutlich entseelter als Reichlins Protagonist, auch im Krieg verwundet werden, möglicherweise sogar sterben, um den höchsten Grad an Teilhabe zu erreichen. Beide Texte erzählen von den zivilisatorischen Brüchen ihrer jeweiligen Epochen, Borns Roman von den kaum überschaubaren Stellvertreterkriegen der Siebziger, Reichlins Buch vom Scheitern der militärischen Friedenseinsätze des Westens.
  Die Schwächen des Romans treten dort zutage, wo Reichlin die Fadheit des übersatten Westens allzu holzschnittartig mit der Armut in Entwicklungsländern abgleicht – natürlich gibt es hierzulande alles und zu viel von allem. Zivilisation gegen Barbarei, das ist die Schieflage der Welt, man muss das nicht mehr explizit beklagen.
HILMAR KLUTE
Linus Reichlin: Das Leuchten in der Ferne. Roman. Verlag Galiani, Berlin 2013. 320 S., 19,99 Euro.
So weit er auch reisen mag,
seinem persönlichen Krisengebiet
entkommt der Journalist nicht
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 24.05.2013

Nicht zu wissen, was als nächstes passiert

Das ist große Literatur, und auch noch spannend erzählt: Linus Reichlins Roman "Das Leuchten in der Ferne" über die wilde Welt der Mudschahedin rückt Afghanistan in neues Licht.

Die deutsche Präsenz am Hindukusch sorgt für einen gleichmäßigen Nachrichtenstrom, der nur bei Attentaten oder Opfern unter Bundeswehrsoldaten Wellen schlägt und über die Ufer tritt. Die Verlautbarungen des Auswärtigen Amtes, des Verteidigungsministeriums oder der Agenturen sind dann stets um Nüchternheit, Sachlichkeit und Objektivität bemüht. Reportagen von Kriegsberichterstattern hingegen sind Nahaufnahmen - exemplarisch, subjektiv, manchmal verstörend konkret. Kaum jemand wird bezweifeln, dass sie in Krisengebieten eine wichtige Aufgabe bei der Beschaffung und Überprüfung von Informationen erfüllen. Doch was geht in solchen Leuten vor, die weit ins feindliche Terrain vordringen, Stimmen und Bilder vor Ort einholen und offiziellen Berichten mutig entgegenstellen - die für eine Geschichte letztlich ihr Leben riskieren?

Linus Reichlins Roman "Das Leuchten in der Ferne" bietet einen Einblick in diese besonders rauhe, entbehrungsreiche und riskante Sparte des Journalismus. Reichlin dokumentiert nicht, sondern erzählt. Er kleidet sorgfältig recherchiertes Material in eine fiktive Geschichte, die gerade deshalb der Wirklichkeit ein Stück näher rückt, weil sie diese an äußerer Schlüssigkeit, innerer Stimmigkeit und poetischer Unausweichlichkeit noch übertrifft. Es gibt wenig Literatur, die bestechender den Satz des Aristoteles beweisen könnte, dass Poesie der Geschichtsschreibung überlegen sei, da sie das Besondere ins Allgemeine aufhebe. Zudem können nur wenige Bücher es an Spannung mit diesem aufnehmen.

Moritz Martens war als Kriegsreporter schon fast überall - Ruanda, Irak, Bosnien, Kolumbien, Afghanistan. Inzwischen ist er über als fünfzig, als Gourmet und Weinliebhaber etwas fülliger und als Journalist gerade nicht mehr so gefragt. Durch einen Zufall gerät er in Berlin an eine alleinerziehende Frau mit afghanischem Vater und deutsch-jüdischer Mutter, die ihm eine sensationelle Geschichte anbietet: Sie wisse von einer Bacha Posh, also einem Mädchen im Gewand eines Jungen, die sich unentdeckt unter die Taliban gemischt habe. Nur so könne sie die bis zur Pubertät tolerierte Verkleidung beibehalten. Die Entdeckung ihrer wahren Identität würde den Tod bedeuten - in einer Gesellschaft, in der Männer alles und Frauen weniger als nichts zählen. Die Geschichte stimmt, doch die für eine Reportage geforderte Summe von zehntausend Dollar soll nicht einem Freikauf der Bacha Posh, sondern einem anderen Zweck dienen.

Miriam Khalili, so heißt die junge Berlinerin, gibt sich nur zum Schein als Fotografin aus und setzt auch sonst alle Reize ein, um Moritz Martens und seine Zeitung für die gemeinsame Reportage in den afghanischen Bergen zu gewinnen. Dass mit ihr manches nicht stimmt, wird bereits auf dem Flug nach Mazar-i Sharif und endgültig im Bundeswehrlager Feisabad deutlich. Doch Martens steckt eine Lüge nach der anderen weg, weil er sich zunehmend heftig in diese Frau verliebt; vor allem aber wegen des drängenden Verlangens nach erneuter "Auswilderung", nach dem leitmotivisch wiederholten Reiz, "nicht zu wissen, was als Nächstes passiert". Dieser Mann ist ein professioneller Abenteurer, nicht tollkühn, aber ständig auf der Suche nach Unvorhersehbarem. Er flieht die Gewöhnlichkeit, unterhält zu Hause keine Beziehung von übertriebener Verbindlichkeit, ist - ohne falsche Romantik - von faszinierter Neugierde für die archaische Gesetzeskultur der Paschtunen erfüllt.

Diesen Moritz Martens verwickelt Miriam in eine ebenso schwierige wie bizarre Geiselbefreiung: Ihr getrennt lebender früherer Mann Evren wurde verschleppt, als er Miriams verstorbenen Vater, der nicht bei seiner Frau auf dem jüdischen Friedhof in Berlin beerdigt werden konnte, in dessen afghanischen Heimatort überführte. Der Vater hatte einst seinen eigenen Bruder für die Vergewaltigung seiner ersten Frau getötet und war nach Deutschland geflohen. Sein erster Sohn, Miriams Halbbruder und inzwischen Talib, nimmt Evren gefangen und verstößt damit gegen die Gastfreundschaft, das höchste Stammesgesetz der Paschtunen, und die Familienehre. Miriam wiederum will Evren freikaufen, nicht aus Liebe, sondern um ihrem eigenen Sohn den Vater zurückzugeben. Dass bei der fast scheiternden Aktion ausgerechnet Martens zurückgelassen wird, der völlig unbeteiligt an dieser verflochtenen Familientragödie und gerade deshalb des Verrats verdächtig ist, dann monatelang bis zum Brechen aller physischen und psychischen Kräfte von den Taliban durch die Berge getrieben wird, gehört zu den paradoxen Höhepunkten dieses an existentiellen Dilemmata reichen Buches.

Für die atemlos vorwärts strebende Spannung sorgt nicht nur die präzis kalkulierte Geschichte, sondern die Erzählweise. Von den ersten Seiten an wechseln beständig innere und äußere Perspektive. Der Leser geht mit Martens durch eine Hölle aus Hunger und Kälte, Gedanken und Gefühlen. Er begreift hautnah die richtige Einsicht, dass es "keinen unbeteiligten Beobachter" geben kann. Dass selbst die aufgedrängte Zeugenschaft an einer Steinigung kein Zufall oder bloßes Schicksal ist, sondern dass der Zuschauer in seiner noch so machtlosen Position zu einer Art Mitschuldigem wird. Es sind genau solche Passagen, die eine Reflexion über die geschilderte Wirklichkeit hinaus ermöglichen. Passagen, die dieses Buch zu einem Stück großer Literatur machen und die einem noch lange nachgehen. Was hier erzählt wird, kann man so schnell nicht wieder vergessen.

ALEXANDER KOSENINA

Linus Reichlin: "Das Leuchten in der Ferne". Roman.

Galiani Verlag, Berlin 2013. 320 S., geb., 19,99 [Euro].

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