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Während Marie Bilanzen erstellt, träumt sie davon, so gut auszusehen wie Brigitte Bardot und einen Mann zu finden, der so zärtlich küsst wie Elvis. Als sie 1960 Peter kennenlernt, scheint sich ihre Sehnsucht zu erfüllen. Wie alle Piloten der Bundeswehr hat Peter den Wunsch, einmal den Starfighter zu fliegen: "Liebe deine Maschine mehr als dein Mädchen, denn von deinem Flugzeug hängt dein Leben ab, von einer Frau nur das Glück." Die Mahnung seines Fluglehrers kommt ihm in den Sinn, als ein guter Kamerad bei einem Flug tödlich verunglückt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Peter Marie bald…mehr

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Produktbeschreibung
Während Marie Bilanzen erstellt, träumt sie davon, so gut auszusehen wie Brigitte Bardot und einen Mann zu finden, der so zärtlich küsst wie Elvis. Als sie 1960 Peter kennenlernt, scheint sich ihre Sehnsucht zu erfüllen. Wie alle Piloten der Bundeswehr hat Peter den Wunsch, einmal den Starfighter zu fliegen: "Liebe deine Maschine mehr als dein Mädchen, denn von deinem Flugzeug hängt dein Leben ab, von einer Frau nur das Glück." Die Mahnung seines Fluglehrers kommt ihm in den Sinn, als ein guter Kamerad bei einem Flug tödlich verunglückt. Vielleicht ist es kein Zufall, dass Peter Marie bald darauf einen Heiratsantrag macht? Jochen Rack zeichnet in seinem brisanten Fliegerroman, der zu-gleich eine fesselnde Liebes- und Familiengeschichte erzählt, ein plastisches Gemälde der 50er und frühen 60er Jahre mit ihrem autoritären Adenauer-Komplex, den Sehnsuchtsträumen von schnellen Autos, Rock n Roll, weißen Hochzeiten und Italienreisen.
Autorenporträt
Jochen Rack, geboren 1963, studierte Philosophie und Germanistik. Er lebt als freier Autor und Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks in München.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 15.09.2010

Papierflieger
Jochen Rack hat einen Roman über das Schicksal von Luftwaffenpiloten der Nachkriegszeit geschrieben – und das seines Vaters
Von Sabine Reithmaier
München – „Die Trauer meiner Mutter war die Urzelle.“ Der Beweggrund Jochen Racks, den Roman „Menschliches Versagen“ zu schreiben, ist ein sehr persönlicher. Sein Vater, der Luftwaffenpilot Hans-Jochen Rack, stürzte im September 1962 bei einem Manöver mit einer Fiat G-91 ab. Er war einer der vielen jungen Piloten, die während der eiligen Wiederaufstellung der Luftwaffe in den sechziger Jahren ums Leben kamen. Der Sohn wurde vier Monate nach dem Absturz geboren.
Immer stand das Bild des Vaters im Zimmer, und die Mutter wies ihn ständig auf den unbekannten Mann, diesen Toten, hin. „War ein Trauma für mich.“ Aber auf die Frage, wie der Vater gestorben, was konkret passiert war, gab es keine Antworten. „Niemand konnte es mir erzählen.“ Also recherchierte Rack, im Hauptberuf Journalist, die Familiengeschichte, entdeckte die Akten der Flugunfalluntersuchungen im Archiv des „Generals Flugsicherheit“ in Köln-Wahn, fand dort die Unterlagen zum Absturz des Vaters und beschloss, die Geschichte aufzuschreiben, auch weil „die Gesellschaft die Piloten längst vergessen hat“.
In dieser Ansicht bestätigte ihn im Vorjahr ein Besuch im neu erbauten Ehrenmal der Bundeswehr in Berlin. In jener Einrichtung soll aller Bundeswehrangehörigen namentlich gedacht werden, die ihr Leben „in Ausübung ihrer Dienstpflichten“ verloren haben. Rack entdeckte, dass sein Vater fehlte. „Und vermutlich ist er da nicht der Einzige.“ Inzwischen kennt er mehrere Geschichten, die der seinen verblüffend ähneln. Immer litten die Angehörigen unter der fehlenden Information, doch nur die wenigsten stellten Nachforschungen an, gäben sich lieber Verschwörungstheorien hin, als im Archiv die Akten anzufordern.
Warum arbeitet er die Geschichte als Roman auf? Rack überlegt nur kurz. „Ich will innere Perspektiven darstellen, möchte erklären, warum die jungen Männer unbedingt Piloten werden wollten, einen Familienkosmos entwerfen.“ Der Roman setzt mit der Schilderung der Absturzstelle ein. Zwischen die amtlichen Verlautbarungen blendet Rack die Sichtweisen seiner Hauptfiguren ein und erzählt die Liebesgeschichte zwischen Peter und Marie. Ersterer lässt sich gerade in Fürstenfeldbruck und Erding zum Jetpiloten ausbilden, fährt – meistens zu schnell – eine Borgward Isabella und möchte irgendwann einmal einen Starfighter fliegen. Marie arbeitet als Buchhalterin bei einem Münchner Steuerberater, denkt viel über ihr Aussehen nach, langweilt sich bei politischen Themen und achtet ständig darauf, ihre Strümpfe nicht zu zerreißen – „Nylons sind teuer“.
Rack beschreibt viele Kleinigkeiten, auch wunderbar nervige Familientreffen, und gerade die nebensächlichen Details machen die sechziger Jahre lebendig, eine Zeit, in der die Welten von Mann und Frau noch stark auseinanderklaffen. Angst ist den Frauen vorbehalten. Die Männer und speziell die Piloten bewältigen die permanente Anspannung mit ständigen Witzeleien, obwohl ihnen sehr bewusst ist, dass vieles an ihren Maschinen nicht wirklich funktioniert und das hochgelobte Aufklärungsgeschwader 53 eigentlich erst auf dem Papier existiert. „Wenn die Russen wirklich kommen, werden die Papierflieger sie kaum aufhalten“, denkt Peter, und sein Freund Willi bezeichnet sich und seine Kollegen als „Versuchskaninchen“.
„Menschliches Versagen“ sei der Grund für den Absturz gewesen, zitiert Rack zum Schluss den Untersuchungsbericht der Flugsicherheit. Und erst da wird klar, wie doppeldeutig und zutiefst ironisch der Romantitel zu verstehen ist.
Jochen Rack, Menschliches Versagen, Ars Vivendi, 278 Seiten, 16,90 Euro. Rack liest an diesem Mittwoch, 19.30 Uhr, Buchhandlung Moths, Rumfordstr. 48, am 7. Oktober um 19.30 Uhr in Kulmbach, Buchhandlung Friedrich, Grabenstr. 4, und am 12. Oktober, 20 Uhr in Fürstenfeldbruck, Stadtbibliothek .
Vater und Sohn: Luftwaffenpilot Hans-Jochen Rack, der 1962 abstürzte, und Jochen Rack, der darüber einen Roman geschrieben hat. Fotos: oh
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.12.2010

Hans-Jochen Rack
* 31. Juli 1938 in Dresden † 11. September 1962 in Rieblingen

Jochen Racks Roman "Menschliches Versagen" trifft den tragischen Ton des deutschen Wirtschaftswunderlands

Von Hans-Ulrich Gumbrecht

Die Tradition des literarischen Realismus seit der Antike, so hat es Erich Auerbach festgestellt, soll sich entwickelt haben aus einer Konvergenz von Erzählungen, die Tragödien des Alltags vergegenwärtigen, mit einem unprätentiösen, ja manchmal vielleicht sogar ungelenken Schreibstil, den die lateinischen Rhetoriker "sermo humilis" (bescheidene Rede) nannten. Mit dieser robusten Formel ist der Literaturwissenschaftler Auerbach unter seinen Kollegen und sogar beim gebildeten Publikum berühmt geworden. Im Vergleich zu der dabei ins Spiel gebrachten Stillage, deren Herkunft und Modifikationen er im Detail dokumentiert, lässt Auerbach den Begriff der Tragödie eher unbestimmt. "Tragisch" ist für ihn zerstörendes Schicksal, das heißt all das, was unvorhersehbar, unabwendbar, unumkehrbar und unsagbar schmerzlich in die Existenz der Menschen eindringt, ohne die Möglichkeit, andere Menschen oder gar die Götter für erlittene Verluste zur Verantwortung zu ziehen.

Jochen Rack, ein Radiojournalist aus München, hat die tragische Liebesgeschichte seiner Eltern aus den frühen sechziger Jahren aufgeschrieben; "Menschliches Versagen" hat er den Roman genannt, mit dem er das Schicksal seiner Familie aus dem Schatten der Geschichte ins Licht der Aktualität holt. Jochen Rack wurde 1963 geboren, ein paar Monate nachdem sein Vater Hans-Jochen Rack, ein vierundzwanzigjähriger Pilot der Bundeswehr, im Tiefflug bei einem Manöver in der Nähe von Augsburg einen Hochspannungsmast gerammt hatte und beim Aufprall seines Jets sofort starb. Hans-Jochen Rack hatte zwar eine italienische Maschine namens "Gina" gesteuert und nicht einen der bis heute sprichwörtlichen "Starfighter", doch er gehört zu den mehreren hundert jungen Männern, deren Unfalltod die Historiker bis heute mit den "Starfightern" assoziieren und als Folge einer überhasteten Aufrüstung abgebucht haben. Auf dem neuen Berliner Ehrenmal für alle Bundeswehrangehörigen, die "in Ausübung ihrer Dienstpflichten" gestorben sind, fehlte sein Name zunächst.

Der Tod des Hans-Jochen Rack (der im Roman Peter heißt) schlug wie ein Blitz in eine Idylle der deutschen Wirtschaftswunderwelt ein, die bescheidener nicht hätte sein können - und vom Autor in faszinierender Unmittelbarkeit heraufbeschworen wird. Anfang zwanzig ist Marie, die gerade zur Pilotenfrau gewordene Braut, sie arbeitet bei einem Münchner Steuerberatungsbüro, möchte aussehen wie Brigitte Bardot und gesteht ihrem Freund, als sie schwanger wird und die beiden "heiraten müssen", wie man damals sagte, dass sie das Kind nicht stillen will, weil sie Angst vor einem "Hängebusen" habe - mehr noch als vor einem Contergan-Kind. Maries Vater ist Feuerwehrmann beim Erdinger Stützpunkt der Luftwaffe, spielt Schafkopf und lässt gerne die Toilettentür offen. Die Eltern des schneidigen Piloten waren, im Roman jedenfalls, aus Dresden in den Westen nach Nürnberg gekommen, und der nie ganz in Katastrophen umschlagende Alkoholismus des Vaters, der auch eine Vorliebe für "Schlachtschüsseln" hat, erklärt seine Scheidung von der Mutter ebenso wie eine Erziehung, in der Schläge für den Sohn die Regel waren.

Peter schafft das Abitur nicht und ist deshalb besonders stolz darauf, es als Unteroffizier bis zum Jetpiloten gebracht zu haben. Statt über die begrenzten militärischen Karrierechancen zu grübeln, macht er mit seiner gelben Borgward Isabella Landstraßen und Bundesautobahnen unsicher, hört Elvis im Autoradio (aber eher die langsameren Sachen) und beeindruckt Marie mit gutem Aussehen und Gleichgültigkeit gegenüber Geld, wenn er sie einlädt. Natürlich geht die kurze Hochzeitsreise nach Italien, an den Gardasee und zum Schiefen Turm von Pisa, inklusive Andenkenfoto.

Wo ein romantisch verbildeter Leser womöglich zärtliche Gespräche erwartet, "überfällt" Peter, der Pilot, seine frühschwangere Frau "mit Liebe", worüber die aber gar nicht enttäuscht sein kann, weil dies und "sonst gar nichts" die "wahre Liebe" ihrer Zeit war. Alles verläuft normal, etwas leer vielleicht für unsere heutigen Erwartungen, und weder die Protagonisten noch der Erzähler neigen dazu, auf gelegentliche Peinlichkeiten und Frustrationen mit Vorwürfen oder Verschwörungsthesen zu reagieren.

Was den Autor-Erzähler angeht, so unterbietet er manchmal das nach Auerbach anzuvisierende Niveau stilistischer Schlichtheit. Vor allem die Träume seiner Helden und ihre Gespräche inszeniert er in einer Sprache, die an Fortsetzungs- und Groschenromane erinnert, wie man sie damals hätte lesen können: "'Na, wie läuft denn dein Lehrgang?' will Peters Vater wissen, als sie an einem von Libellen umschwirrten Karpfenteich vorbeikommen. 'Hattest du schon Prüfungen?' 'Die Academics habe ich auf Anhieb bestanden und vor einem Monat auf der T-33 meinen ersten Soloflug absolviert.'" So hat damals niemand gesprochen, schon gar nicht ein aus Sachsen zugereister Vater mit seinem in Franken aufgewachsenen Sohn. Und die potentiell wohlmeinende Vermutung, dass es sich um einen Kunstgriff in der literarischen Tradition erlebter Rede handeln könnte, wenn Peter und ein Pilotenkollege in den Worten schmalziger Romanhelden Marie und ihre Schwester zu einem Glas Sekt überreden ("Wir laden euch ein", sagt Peter, "nicht wahr, Willi?"), will sich auch nicht recht mit dem Text reimen. Selbst eine halboffiziell-abgegriffene Spruchweisheit der Bundesluftwaffe erfindet der Autor Rack und legt sie seinem Protagonisten in den Mund: "Liebe deine Maschine mehr als dein Mädchen, denn von deinem Flugzeug hängt dein Leben ab, von deiner Frau nur dein Glück."

Aber die gelegentlichen Ungeschicklichkeiten des Autors und Sohnes schlagen in großes Pathos um vor dem Hintergrund jener Erzählschnitte, mit denen er gegen Ende, sozusagen "im vierten Akt" des Romans, den tragischen Moment aus dem Leben seiner Eltern gegenwärtig macht, der ja zugleich der tragische Angelpunkt seines eigenen Lebens werden sollte. Peter gesteht Marie, dass sich der Umzug aus der Wohnung ihrer Eltern in die eigene Wohnung um einen Tag verzögern wird, und die beiden geraten darüber in einen kleinen unnötigen ersten Ehestreit, bevor er sich halb versöhnt verabschiedet. Peter schläft schlecht im Fliegerhorst, startet am nächsten Morgen zu einem Manöverflug und bemerkt beim Abheben ein leichtes Ruckeln im Triebwerk, das er aber längst vergessen hat, als im Tiefflug plötzlich ein Hochspannungsmast vor ihm auftaucht. Auch Marie schläft schlecht, isst mit ihrer Mutter trockenen Marmorkuchen zum Frühstück und nimmt das Schwangerenprivileg in Anspruch, sich noch einmal hinzulegen. "Als sie wieder aufwacht, hört sie ihre Mutter rufen: 'Marie, da ist jemand für dich an der Tür.'" Die Todesnachricht kommt. Marie glaubt, dass sie ihr Kind verlieren muss, doch ein Fliegerarzt verabreicht ihr vorsorglich eine Injektion: "Die Spritze enthalte ein Beruhigungsmittel, sagt der Arzt aus weiter Entfernung - und Marie sieht sich am Küchentisch sitzen, während die drei Soldaten auf ihre Mutter einreden, hört nicht, was sie sagen, weil eine Stimme in ihrem Kopf immer nur den einen Satz wiederholt: Peter ist tot –."

Es folgen, weiter aus Maries Perspektive, die wie unbeteiligt bleibt, das Geschäft, wo sie Trauerkleider kauft, die Trauerfeier mit militärischen Ehren, die Beerdigung in Nürnberg, Weihnachten, Neujahr, "schlimmer kann das nächste Jahr nicht werden", und die Geburt von Peters und Maries gesundem Jungen. Als Zugabe werden Todesanzeigen zitiert, Unfallprotokolle der Bundeswehr, offizielle Hypothesen über die Unfallursache, mit dem Verlegenheitsschluss, dass es sich wohl um menschliches Versagen gehandelt habe, bis hin zu einer späten und einmaligen Überweisung von 12000 D-Mark auf das Konto der Witwe. Dies alles, selbst der Bericht von einem "Stromausfall", der am Unglückstag "fast die ganze schwäbische Großindustrie" traf, ist so banal wie die Schlager von Rex Gildo, wie Sekt mit Orangensaft und wie eine Hochzeitsreise an den Gardasee in der Borgward Isabella - vor der Faktizität des Obduktionsbefunds, mit dem der Sohn des Piloten den letzten Teil des Romans seiner Eltern einleitet: "1. Schädelzertrümmerung mit Verlust von Gehirnmasse und Augen, Gesichtsschädel klaffend offen. 2. Multiple Frakturen an den Extremitäten, größtenteils offen, Brustkorb stumpf eingedrückt, Rücken und Sternum frakturiert. 3. Eröffnung der Bauchhöhle bis zur Innenseite beider Oberschenkel reichend. Austritt von Baucheingeweiden." Seit langem hat mich kein Text so mitgenommen (im doppelten Sinne des Worts) wie dieser von Jochen Rack. Sicher spielt es eine Rolle zu wissen, dass hier der nachgeborene Sohn des zertrümmerten Helden schreibt - vor allem angesichts der Spuren von Pietät und seiner verzweifelten Zärtlichkeit. Warum sonst sollte Rack die Namen seiner Eltern verändert haben, wo er doch seine Nähe gar nicht verbergen will, und warum flicht er die Geschichte von dem Ehering ein, den sein Vater am Abend vor dem Unglücksflug nicht entdecken kann und der dann an der Hand seiner Leiche aufblitzt? Ein paar Mal erwähnt Jochen Rack auf den Schlussseiten den "leeren blauen Himmel", der sich über den bayerischen Orten der Tragödie wölbt. Anders als das Schicksal in den klassischen Tragödien, deren aristokratische Helden spektakulär und fast narzisstisch aus der Höhe ihres Heldentums stürzen, hat das Schicksal dumpfe Töne, wenn es in die leere Banalität des Lebens einschlägt - und wirkt umso ungerechter.

Jedenfalls hätten es so etwa die existentialistischen Philosophen gesehen, deren Bücher alle Intellektuellen mit Leidenschaft lasen in jenen Jahren, als Erich Auerbach seine These von den "Tragödien des Alltags" als Kern des literarischen Realismus formulierte und Hans-Jochen Racks Leben an einem Hochspannungsmast endete.

Jochen Rack: "Menschliches Versagen", Roman. Verlag Ars Vivendi, Cadolzburg 2010. 278 S., geb., 16,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nur eine einzige Kritik bringt diese Ausgabe von Bilder und Zeiten, das erweckt den Eindruck, als würde diesem Buch eines unbekannten Autors aus einem kleine Verlag ganz besonderes Gewicht beigemessen. Die Rezension füllt die Seite nicht ganz aus, schwimmt gewissermaßen in einem neckisch als Todesanzeige gestaltetem Layout. Verfasst hat die Kritik der Komparatist Hans Ulrich Gumbrecht. "Seit langem hat mich kein Text so mitgenommen", schreibt er, und man versucht nachzuvollziehen, warum das so ist. Jochen Rack erzählt in "Menschliches Versagen" die Geschichte seines Vaters, der einige Monate vor der Geburt des Autors mit einem Bundeswehrjet in einen Hochspannungsmast raste. Die Rekonstruktion der bescheidenen Geschichte dieses jungen bundesrepublikanischen Mannes scheint für Gumbrecht starke auratische Qualitäten zu haben. Mehrfach betont er, wie einfach, ja manchmal sogar unbeholfen Rack die für ihn so tragische Geschichte erzählt. Vielleicht ist es sogar der Mangel an literarischer Stilisierung, der Gumbrecht so bewegt, er führt jedenfalls Erich Auerbach an, dessen Realismusbegriff er auf diesen Roman anwendet: Realismus vergegenwärtige demnach Tragödien des Alltags in einem einfachen, ja ungelenken Stil.

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