12,90 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Broschiertes Buch

Leere und Langeweile prägen das bürgerliche Leben, das Elisabeth nach der Hochzeit mit einem gut situierten Mann in München führt. Auch die Geburt eines Kindes kann den Drang der jungen Frau nach Aufbruch und Abenteuer nicht schmälern und so stürzt sie sich in eine verhängnisvolle Affäre mit einem Legationsrat.

Produktbeschreibung
Leere und Langeweile prägen das bürgerliche Leben, das Elisabeth nach der Hochzeit mit einem gut situierten Mann in München führt. Auch die Geburt eines Kindes kann den Drang der jungen Frau nach Aufbruch und Abenteuer nicht schmälern und so stürzt sie sich in eine verhängnisvolle Affäre mit einem Legationsrat.
Autorenporträt
Geboren 1864 in München, verbringt Carry Brachvogel hier mit wenigen Unterbrechungen ihr ganzes Leben. Mehr als 40 Werke werden von ihr veröffentlicht und sie zählt damals zu den renommiertesten Schriftstellerinnen Deutschlands. Ihr literarischer Salon in München ist bis in die 1930er-Jahre ein Ort des kulturellen und politischen Gedankenaustauschs. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wird die Jüdin Carry Brachvogel beruflich isoliert und schließlich 1942 in das KZ Theresienstadt deportiert, wo sie kurz darauf verstirbt.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 10.06.2014

Wie eine Lilie auf dem Feld
Carry Brachvogels Debütroman aus dem Jahr 1895 über ein Münchner Frauenschicksal ist wieder da
Exzentrisch, geistreich, selbstbewusst und autonom. So könnte man die 1864 in München geborene Autorin und Frauenrechtlerin Carry Brachvogel charakterisieren. Und das ist durchaus ungewöhnlich für eine Frau um die Jahrhundertwende in München. Zu dieser Zeit begannen die Frauen des Bürgertums gerade erst, sich ihren Platz in der Gesellschaft – jenseits von Herd und Heim – zu erkämpfen.
  Elisabeth, der Protagonistin von Brachvogels 1895 erschienenem Debütroman „Alltagsmenschen“, fehlen all diese schillernden Attribute. Sie ist „ein junges Mädchen der Münchener zweiten Gesellschaft“. Für eine Heirat mit Zutritt am Hofe hat es nicht gereicht. „Und nun wollte sie . . . eben nur noch glänzend versorgt sein, und auf halbem Wege begegnete ihr Fritz Becker, dessen eigene berechnende Wünsche den ihrigen zum verwechseln ähnlich sahen“.
  Auf Spannung oder Romantik zielt dieser Beziehungsroman also ganz und gar nicht ab. Zurückhaltend, aber messerscharf analysiert Carry Brachvogel Elisabeths kleine Welt. Ihre Ehe und die geifernde Gesellschaft, die sie umgibt. Ihr Mann Fritz scheint glücklich zu sein. Tagsüber verfolgt er als dritter Staatsanwalt seine überschaubare Karriere, die Abende verbringt er mit seiner Frau, seinem hübschen Spielzeug. Es ist ein überschaubares Glück. Mehr erwartet er nicht.
  Doch Elisabeth teilt dieses Glücksgefühl nicht. Sie führt ein „Lilienaufdemfelddasein“. Zuweilen befällt sie ein Grauen, so viele Tage gleiten an ihr vorüber, „an denen sie nichts geleistet hatte. Sie wäre gern ein Mann gewesen, der nutzbringend leben und arbeiten, all seine Kräfte freudig und befriedigend bethätigen könnte.“ Früher hatte sie sich als Jeanne d’Arc gesehen. „Jede Frau erlebt ihren Roman“, sagt ihre Mutter, und da ahnt Elisabeth schon, dass ihre eigene Story recht alltäglich enden könnte. „Bis dass der Tod euch scheidet klingt da fast wie eine Drohung.“
  „Alltagsmenschen“ ist die Geschichte einer alltäglichen Ehe. Und doch kein bisschen fad. Carry Brachvogel, die sich in der bürgerlichen Frauenbewegung engagierte, sieht Elisabeth in die Seele, legt sie auf die Couch und erforscht Gedanken, die einem Menschen zu peinlich sind, um sie auszusprechen, und die gleichzeitig für die starre, von Rollenbildern beschränkte Gesellschaft stehen. Sie kritisiert und entlarvt diese Gesellschaft durch deren realistische Darstellung.
  Es sind die Münchner, die Carry Brachvogel hier beschreibt. Das langweilige Paar wohnt in Schwabing, das doch eigentlich das Zentrum der Bohème war. Zum Eklat kommt es schließlich im Restaurant „Maximilian“, und tags darauf findet in Großhesselohe ein Pistolenduell statt. Das ist gar nicht mal so weit entfernt von der späteren Bussi-Bussi-Society, wie sie etwa in Helmut Dietls „Kir Royal“ porträtiert wird.
  Schließlich bricht Elisabeth aus. Doch sie wird nicht zur Jeanne d’Arc, sie handelt nicht geistreich und selbstbestimmt, sondern folgt wieder dem damals üblichen Schema. Plötzlich scheint ihr Wert zu steigen, im Glanz der Augen eines Liebhabers findet sie Bestätigung, auch vor der Gesellschaft. Max ist Geheimer Legationsrat und das „enfant cheri“ des Ministers. Gut aussehend, reich und unverheiratet. Dass auch er ein Alltagsmensch ist, wird Elisabeth noch herausfinden: „Er war kein Star, aber ein Trabant, den jede, die selbst ein Stern sein wollte, an ihre Bahn zu fesseln trachtete.“ Sie begegnen sich auf einem Ball und werden bald zum Dreigestirn. Frau, Gatte und Geliebter.
  Immer wieder unterstreicht Brachvogel die spießige Beschränktheit ihrer Figuren. In freundlichem Ton zwar, doch in der Sache durchaus böse. „Er war eben auch da vollkommen Durchschnittsmensch“, kommentiert sie etwa Fritz’ naive Reaktion auf die vielsagenden Blicke, die die Schwabinger Gesellschaft wechselt, während sie die sich anbahnende Liebelei interessiert verfolgt, ja befördert und manipuliert. Um des puren diabolischen Vergnügens willen. Und Max, der Liebhaber, sieht sich schon bald selbstquälerisch als „Gartenlaubenfamilienvater, dem man Leibgerichte kocht.“
  Doch was macht ein Leben zu einem erfüllten? Sich einzurichten auf einem Weg, der bis zum Tod vorgespurt ist, ohne Wagnis, ohne Entwicklung? Aber auch ohne Gefahr? Elisabeth gelingt es nicht, aus sich selbst heraus zu wachsen. Sie stellt die Regeln der Gesellschaft keine Sekunde lang infrage. Das, was der charakterstarken Carry Brachvogel gelang, vermag sie nicht. Die Autorin veröffentlichte zwei Jahre nach dem plötzlichen Unfalltod ihres Mannes als alleinerziehende Mutter zweier Kinder diesen Debütroman. Sie weigerte sich, eine Versorgungsehe einzugehen, und blieb zeitlebens unabhängig. Als Autorin, Feuilletonistin und Frauenrechtlerin war sie bald in ganz Deutschland bekannt. Umso erstaunlicher ist es, dass diese interessante Münchner Persönlichkeit nach ihrem Tod 1942 im Konzentrationslager Theresienstadt in Vergessenheit geriet.
  Die Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen, die Carry Brachvogels Werk in Zusammenarbeit mit dem Literaturarchiv Monacensia neu herausgibt, ordnet in ihrem ausführlichen Nachwort das Wirken Carry Brachvogels kulturhistorisch und biografisch ein und macht die Brüche, die auch in diesem Roman stecken, sichtbar.
  „Alltagsmenschen“ ist kein gängiger Liebesroman, sondern vielmehr eine unterhaltsame Warnung: Sei nicht mittelmäßig! Überschreite deine Grenzen! Das scheint Carry Brachvogel ihrem Leser zwischen den Zeilen entgegenzurufen. Und trotzdem stehen ihre Figuren für sich, sodass man dieses Buch wahlweise als schicksalshaften Ehebruchroman lesen kann oder als Weckruf für das eigene Alltagsleben. Doch so richtig klar wird das erst mit dem Hintergrundwissen über die bewegte Biografie der Autorin.
  Am Ende ist Fritz, der naive Gemahl, derjenige, der gegen die gesellschaftlichen Vorgaben handelt. Zu einer starken Persönlichkeit macht ihn das trotzdem nicht. Er denkt kurz an Tolstois Karenin, der seiner schuldigen Gattin vergibt, und fühlt „kein Zeug zum Karenin in sich“.
Die größte Krise seines Lebens bewältigt er nur zu einem Teil. Der andere Teil geht mit seinen engherzigen, verletzten Gefühlen unter. In einem Vortrag über die
moderne Frau sagte Carry Brachvogel 1911: „Modern sein heißt für die Frau ein eigenes Gesetz in der Brust tragen, dessen Erfüllung ihr vielleicht nicht banales Glück, gewiss aber das höchste Glück der Erdenkinder gewährt: die Persönlichkeit.“
MICHAELA METZ
Das Buch ist eine deutliche
Warnung: Sei nicht mittelmäßig!
Überschreite deine Grenzen!
            
  
  
  
  
Carry Brachvogel:
Alltagsmenschen. Roman. Allitera Verlag, München 2013. 176 Seiten,
12,90 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Rezensentin Michaela Metz freut sich über die Neuauflage von Carry Brachvogels Debütroman "Alltagsmenschen" aus dem Jahr 1895. Sie folgt hier Elisabeth, einer jungen Frau der Münchner Gesellschaft, deren Schicksal deshalb so besonders ist, weil es im Gegensatz zu klassischen Ehebruch-Romanen ganz gewöhnlich erscheint. Metz liest hier keinen Beziehungsroman voller Spannung und Romantik, sondern vielmehr das ganz alltägliche Beziehungsdrama einer Frau der Münchner Bohème, die vom Zutritt zum Hofe durch eine Hochzeit träumt, schließlich aber doch nur in einem "Lilienaufdemfelddasein" eine von Berechnung getragenen Ehe mit einem durchschnittlich erfolgreichen Staatsanwalt führt. Die Kritikerin bewundert Brachvogels Vermögen, noch den peinlichsten Gedanken ihrer Figuren zu analysieren und deren Schicksale mit einer gekonnten Mischung aus Freundlichkeit und Boshaftigkeit zu schildern. Mit viel Lob erwähnt sie darüber hinaus das Nachwort der Literaturwissenschaftlerin Ingvild Richardsen.

© Perlentaucher Medien GmbH