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1Drachensaat
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.12.2008

Gehört und gelesen
Hörbuch: „Kasperl und das Löffelkraut”
Man kann sie mögen oder blöd finden, die Kasperlgeschichten vom Doktor Döblinger. Wem aber der Humor und das Niederbairische von Richard Oehmann und Josef Parzefall liegen, dem wird diese Kindergeschichte sehr gefallen. Es spielen auch diesmal mit: Der Seppl, der ein rechter Seppl ist und sich einen argen Schluckauf holt. Und der Kasperl, der die Großmutter mit Schnaps austrickst und den Schnackler von seinem besten Freund mit Löffelkraut kurieren will. Klar, dass die beiden gegen allerlei Bösewichter bestehen müssen. Auch klar, dass am Ende alles gut wird, und die alberne Fee Endorfine (gesprochen von Luise Kinseher) das Kraut rausrücken muss. Sehr bayerisch, sehr lustig. (Rec-Star, 60 Minuten, 12,95 Euro) bub/Foto: oh
Hörbuch: „Irmis Ehre”
Im friedlichen Bruck am Inn schwimmt eine Leiche im Fluss, die Spur des Verbrechens führt ins Münchner Rotlichtmilieu. Was die titelgebende Ehre der frisch verheirateten Irmi mit dem Mord zu tun hat, das ermitteln in diesem „Radio Tatort” die Jungpolizisten Rudi Egger (Florian Karlheim, bekannt aus „München 7”) und Senta Pollinger (wunderbar: Brigitte Hobmeier) mit Köpfchen, bayerischer Metaphysik und in schönster Mundart. (Der Hörverlag, 54 Minuten, 14,95 Euro) nbk/Foto: R. Schmeken
Hörbuch: „Der Nachterzähler”
Jeden Monat wächst in ihm eine neue Geschichte. Die muss raus, immer bei Vollmond. Dann strömen neugierige Zuhörer zu dem Haus mit den bunten Teppichen, in dem der „Nachterzähler” wohnt. Wer ihm, dem blinden Zauberer zuhöre, sehe die ganze Welt, erzählt Cordula Carla Gerndt einleitend in der neuen Ausgabe der „Edition Geschichtenerzähler”. Sie selbst ist eine begnadete Erzählerin. Ihre klare Stimme erzeugt auf unaufgeregte Weise Spannung. Sechs Vollmond-Geschichten legt sie dem „Nachterzähler” in den Mund: Reisen für die ganze Familie zwischen Tag und Nacht, in ferne Gegenden. (Horncastle Verlag, 40 Minuten, 12,95 Euro) bub/ Foto: oh
A. Neumeister: „Könnte Köln sein”
Auf dem Weg durch Megacities und den stillen Wahnsinn der Vorstädte: Der Münchner Autor Andreas Neumeister nennt seine musikalischen Umkreisungen und Anflüge „Roman”. Doch in Wahrheit folgt „Könnte Köln sein. Städte. Baustellen” immer dem einen Text-Beat: „könnte Köln sein / dürfte Düsseldorf sein / müsste München sein”. Neumeister präsentiert Städte in der Möglichkeitsform und zwischendurch auch Kritisches aus der Baugeschichte der „Hauptstadt der Bewegungslosigkeit”, um in der nächsten Passage gleich wieder aufzubrechen: „wesentlich dekadenter: in zur Musik passende Stadtteile fahren”. Immerhin sei „Mjunik” groß genug, um den Schauplätzen seiner Klischees ausweichen zu können, konstatiert er und geht doch nie in die Tiefe. Denn da taucht am Horizont schon Milwaukee auf – oder Rom oder Tiflis? So wird „Könnte Köln sein” zur flirrenden City-Hopper-Ode an die Flüchtigkeit. (Suhrkamp, 276 Seiten, 16,80 Euro) kh/Foto: M. Fengel
Jan Weiler: „Drachensaat”
Fünf Verrückte wollen die Welt verbessern. Rührend, wie diese Ansammlung von gescheiterten Narzissten, die sich in einer psychiatrischen Privatklinik treffen, daran geht, die verlorene Moral der Konsumgesellschaft zu retten. Sind sie wahnsinnig oder nur Opfer einer Mediendiktatur, die jede Privatsphäre raubt und gleichzeitig zu grenzenloser Vereinsamung führt? Jan Weiler, der mit Büchern über seinen italienischen Schwiegervater („Antonio im Wunderland”) einen festen Platz auf den Bestsellerlisten gebucht hat, legt mit „Drachensaat” einen zeitkritischen Roman vor. Spannend, amüsant, aktuell, sprachlich differenziert, und trotz manch plakativer Bilder im Hintergrund sehr philosophisch: Für die sensiblen Spinner gibt es partout kein Entrinnen aus der Medienmaschinerie. (Kindler, 400 Seiten, 19,90 Euro) mse/Foto: S. Schleyer
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Die "Drachensaat" geht auf, versichert Rezensentin Felicitas von Lovenberg voller Begeisterung über Jan Weilers neuen Roman, der zugleich auch in einer Hörspielversion erscheint. Diese findet Lovenberg sogar noch gelungener als die Romanvorlage, weil die Protagonisten dieser Satire auf ihrem Husarenritt durch die deutsche Mediengesellschaft reeller und glaubwürdiger wirkten. Wie wir lesen, geht es um eine Gruppe von Menschen unterschiedlichster Provenienz, denen in ihrem alltäglichen Irrsinn einfach irgendwann die Sicherungen durchgebrannt sind. Ihr etwas zweifelhafter Therapeut erklärt sie flugs zur Speerspitze des gesellschaftlichen Fortschritts und stachelt sie solange auf, bis sie einen Bankdirektor entführen, um mit ihm im Fernsehen über Gerechtigkeit diskutieren zu dürfen. Ätzend findet Lovenberg diese Mediensatire und sehr raffiniert, wie Weiler seine Helden auf dem schmalen Grat zwischen Wahnsinn und Normalität balancieren lässt.

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