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Von Willy Brandt stammt die Mahnung an seine Partei, sie habe "auf der Höhe der Zeit" zu sein, wenn Gutes bewirkt werden soll. In diesen Monaten diskutiert die SPD ihr neues Grundsatzprogramm. Es wird das erste Grundsatzprogramm der deutschen Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert sein, verfasst in einer Zeit äußerst dynamischer ökonomischer und sozialer Veränderungen. Gemeinsam mit über 60 Autorinnen und Autoren wollen die drei Herausgeber deshalb definieren, welche Schlüsse heute aus Willy Brandts Hinweis zu ziehen sind: Was muss die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert leisten? Welche Ziele…mehr

Produktbeschreibung
Von Willy Brandt stammt die Mahnung an seine Partei, sie habe "auf der Höhe der Zeit" zu sein, wenn Gutes bewirkt werden soll. In diesen Monaten diskutiert die SPD ihr neues Grundsatzprogramm. Es wird das erste Grundsatzprogramm der deutschen Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert sein, verfasst in einer Zeit äußerst dynamischer ökonomischer und sozialer Veränderungen. Gemeinsam mit über 60 Autorinnen und Autoren wollen die drei Herausgeber deshalb definieren, welche Schlüsse heute aus Willy Brandts Hinweis zu ziehen sind: Was muss die Sozialdemokratie im 21. Jahrhundert leisten? Welche Ziele soll sie verfolgen? Welche Perspektiven und Hoffnungen kann sie - und nur sie - den Menschen vermitteln?
Autorenporträt
Peer Steinbrück, geboren 1947 in Hamburg, ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Der Diplomvolkswirt hatte viele Ämter inne, bevor er von 2005 bis 2009 als Bundesminister der Finanzen und als stellvertretender Vorsitzender der SPD tätig war. Unter anderem leitete er das Büro des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, war erst Staatssekretär, dann Wirtschaftsminister Schleswig-Holsteins. In Nordrhein-Westfalen war er 1998 bis 2000 Wirtschaftsminister, 2000 bis 2002 Finanzminister, 2000 bis 2005 Mitglied des Landtags und von 2002 bis 2005 Ministerpräsident. 2011 wurde Peer Steinbrück mit dem "Cicero-Rednerpreis" ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2007

Aufmarsch der Gladiatoren
Das publizistische Vorgeplänkel um das "Hamburger Programm" der SPD

Für den Verlag muss es eine echte Herausforderung gewesen sein, in einem halben Jahr drei Sammelbände zur Programmatik der Sozialdemokratie vorzulegen, in denen insgesamt gut 150 Autoren unterzubringen waren. Die Zeit drängte: Mit dem "Bremer Entwurf", den der SPD-Vorstand im Januar 2007 zur Diskussion stellte, hatte der Parteivorsitzende Kurt Beck "das Jahr des Dialogs" eröffnet; enden soll es aber schon im Oktober mit der Verabschiedung des "Hamburger Programms". In diesem sehr kurzen Jahr mussten alle noch einmal zu Wort kommen. Daraus wurde eine Materialschlacht, in der auch der Feldherr Beck schwerlich die Übersicht behalten haben kann. Die Fragen, die sich ihm gegenwärtig stellen, sind jedenfalls dieselben wie im Januar: Wie lassen sich Gegner und Befürworter der Schröderschen Agendapolitik unter einen Hut bringen? Wie verträgt sich der "demokratische Sozialismus" der Linken mit der "sozialen Demokratie" der Pragmatiker?

In dem von Kurt Beck und seinem Generalsekretär Hubertus Heil herausgegebenen Band werden diese Fragen nicht einmal aufgeworfen, geschweige denn beantwortet. Er enthält Beiträge von 62 befreundeten Wissenschaftlern, Verbandsfunktionären und namhaften Parteimitgliedern. Das Themenspektrum umfasst historische Abhandlungen, Selbstvergewisserungen über die Grundwerte der SPD, Auseinandersetzungen mit den Standardthemen Globalisierung, Sozialstaat, Ökologie, Demographie, Kultur und Friedenspolitik sowie die Zukunft der SPD als Volkspartei. Die Herausgeber selbst enthalten sich jeder Festlegung, die über flügelübergreifend akzeptierte Forderungen - Mindestlohn, gleiche Bildungschancen, Bändigung des globalen Finanzkapitalismus - hinausginge. Ihr Beitrag besteht vor allem in der Verbreitung einer optimistischen Grundstimmung, wonach nur die Sozialdemokratie adäquate Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit bereithalte. Immerhin ist in ihrem Schaufenster fast das ganze Spektrum der SPD zu bewundern: von den Parteilinken Albers und Nahles bis zu den Schröderianern Steinbrück und Steinmeier. Es fehlt nur der Lafontainianer Ottmar Schreiner.

Mehr als ein Schönheitsfehler ist freilich, dass dieser Band schon bei seiner Veröffentlichung im Februar nurmehr historischen Wert hatte, weil sich die Autoren nicht einmal auf den "Bremer Entwurf" beziehen konnten, der erst nach der Drucklegung vorgestellt wurde. Es handelt sich überwiegend um freihändig abgegebene Statements einschlägig ausgewiesener Fachleute: Gewerkschafter schreiben über Gewerkschaftspolitik, Soziologen über die Gesellschaft, Umweltpolitiker über Umweltpolitik. Hier und da finden sich auch kontroverse Standpunkte, zum Beispiel pro und kontra liberale Finanzpolitik. Insgesamt fehlt dem "Lesebuch" nicht nur der aktuelle Bezugspunkt, sondern auch eine gewisse profilschärfende Verbindlichkeit.

Zum eigentlichen Aufmarsch der Gladiatoren in der Programmdebatte wurde deshalb erst das Erscheinen der beiden folgenden Bände. Andrea Nahles und Detlev Albers nahmen im März den "Bremer Entwurf" mit ihren "linken Programmbausteinen" aufs Korn. Mit einem fast doppelt so dicken Sammelband holte das Trio Platzeck, Steinbrück und Steinmeier im August zum Gegenschlag aus. Auf diese Publikation reagierte Andrea Nahles vor allem deshalb so ungnädig, weil sie den Eindruck erweckt, als sei die Linke in der SPD marginalisiert. Tatsächlich finden sich dort einträchtig vereint Schröderianer, Seeheimer und Netzwerker, die gemeinsam wohl eine Mehrheit in der SPD bilden, sich aber nicht in allen Fragen einig sind, vor allem nicht in Personalfragen. Überdies bringt dieser Band fünf amtierende Bundesminister und einen Ministerpräsidenten auf die Waage, wogegen die Linke nur eine Heidemarie Wieczorek-Zeul aufzubieten hat. Nur Müntefering, der sich neuerdings als "Stubenältester der SPD-Minister" bezeichnet, hielt sich aus diesem publizistischen Positionskampf heraus.

Der Mitte-rechts-SPD hat ihr scheinbares Übergewicht aber wieder nichts genutzt, wie der Verlauf der Debatte im "Jahr des Dialogs" gezeigt hat. Trug der "Bremer Entwurf" noch deutlich ihre Handschrift, so hat sich die Programmkommission in der überarbeiteten Fassung, die nun für Hamburg vorliegt, in geradezu devoter Weise zu eigen gemacht, was bei Nahles/Albers daran kritisiert wird. Das Leitbild der Schröderianer, der "vorsorgende Sozialstaat", wurde zugunsten des Ausbaus kollektiver sozialer Sicherungssysteme wieder zum Teilaspekt herabgestuft. Der Begriff "demokratischer Sozialismus", der durch "soziale Demokratie" abgelöst werden sollte, wurde in allen Ehren und mit ausdrücklichem Bezug auf die marxistischen Wurzeln der SPD wiederaufgenommen. Auch in der Akzentuierung des Klimaschutzes als Politikbereich, dem sich Wirtschaft und Gesellschaft unterzuordnen haben, folgt der Hamburger Entwurf nun den "Linken Programmbausteinen".

Wer nach dem Kontrastmittel sucht, das die beiden Flügel kenntlich macht, findet sie in zwei einleitenden Sätzen. Hermann Scheer und Andrea Ypsilanti definieren Politik von links als "die Überwindung von Widerständen gegenüber einem angestrebten Ziel". Die Mitte-rechts-SPD hingegen dürfte sich mit Becks Devise identifizieren: "Der Sinn aller Politik liegt für uns darin, das Leben der Menschen zu verbessern." Nach wie vor steht also Utopie gegen Pragmatismus, "Weltdemokratie" (Christoph Zöpel) gegen "neue Entspannungspolitik" (Frank-Walter Steinmeier), "Energie-Revolution" (Marco Bülow) gegen "Neudefinition des technischen Fortschritts" (Sigmar Gabriel).

Der stärkere Utopiegehalt in den Zielbeschreibungen ist das eine Merkmal der Linken, das andere ist ein forscherer Ton. Andrea Nahles schlägt ihn schon in der Einleitung an: Den "Bremer Entwurf", heißt es da, kennzeichne "eine imponierende Blässe der Gegnerbeschreibung in Ökonomie und Politik". Dem setzen die Autoren ihres Buchs ein paar kräftig gezeichnete Feindbilder entgegen: den globalen Finanzkapitalismus mit allen seinen Auswüchsen, die "Global Players" der Weltproduktion und die Oligopole in der Energiewirtschaft. Das sind die Gegner, die es zu überwinden gilt. Mehr gegen innerparteiliche Gegner richten sich die Konzepte zur Etablierung eines "lebenslangen Rechtsanspruchs auf Weiterbildung und Qualifizierung", zum Ausbau der sozialen Sicherungssysteme oder zur Abschaffung der Wehrpflicht, um nur einige Themen zu nennen.

Das mit der "Blässe der Gegnerbeschreibung" hat das gegnerische Trio nicht lange auf sich sitzenlassen. Gleich in der Einleitung wird dieser Vorwurf mehrfach widerlegt: "Hier die liberalen Verfechter ungezügelter Märkte, dort die orthodoxen Linken alter Schule, denen Märkte per se mindestens verdächtig sind." In der Mitte sehen Platzeck/Steinmeier/Steinbrück eine SPD, die "das verlässlichste Navigationssystem für politisches Handeln" besitze, die sozialdemokratischen Grundwerte. Der Grundton dieses Bands ist der Stolz auf Leistungen der Vergangenheit und die Zuversicht, dass der Sozialdemokratie auch das 21. Jahrhundert gehöre werde, wenn sie sich nur nicht zu ängstlich an die Errungenschaften der Vergangenheit klammere. Die SPD müsse technikfreundlicher, marktfreundlicher und aufgeschlossener gegenüber den Herausforderungen der Gegenwart werden. Sie müsse sie pragmatisch gestalten, nicht bekämpfen. Der Gewerkschaftsführer Schmoldt darf sogar am Tabu des Atomausstiegs rütteln.

Während die einen gebieterisch fordern, den Vorrang der Politik vor der Wirtschaft wiederherzustellen, setzen die anderen mehr auf Freiheit, Chancen und individuelle Verantwortung. Auf Willy Brandt berufen sich alle. Aber nicht einmal in dem, was der große Vorsitzende gesagt hat, stimmen die Flügel überein. Nahles zitiert ihn mit den Worten: "Nichts kommt von selbst, und jede Zeit verlangt ihre eigenen Antworten." - "Nichts kommt von selbst und nur wenig ist von Dauer", heißt es in der Gegenschrift. Für die Delegierten des Parteitags bleibt noch einiges zu klären.

STEFAN DIETRICH

Kurt Beck/Hubertus Heil (Herausgeber): Soziale Demokratie im 21. Jahrhundert. Lesebuch zur Programmdebatte der SPD. Verlag Vorwärts Buch, Berlin 2007. 361 S., 14,80 [Euro].

Detlev Albers/Andrea Nahles (Herausgeber): Linke Programmbausteine. Denkanstöße zum Hamburger Programm der SPD. Verlag Vorwärts Buch, Berlin 2007. 180 S., 14,80 [Euro].

Matthias Platzeck/Frank Walter Steinmeier/Peer Steinbrück (Herausgeber): Auf der Höhe der Zeit. Soziale Demokratie und Fortschritt im 21. Jahrhundert. Verlag Vorwärts Buch, Berlin 2007. 341 S., 14,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Rezensent Stefan Dietrich sieht in diesem von Matthias Platzeck, Frank Walter Steinmeier und Peer Steinbrück herausgegebenen Sammelband zur Programmatik der SPD die Positionen der Mitte-rechts-SPD, von Schröderianern, Seeheimern und Netzwerkern dokumentiert. Als Grundton dieses Bands, der u.a. Beiträge von fünf amtierenden Bundesministern und einem Ministerpräsidenten enthält, macht der den "Stolz auf Leistungen der Vergangenheit" ausfindig sowie die Zuversicht, der Sozialdemokratie werde auch das 21. Jahrhundert gehören, "wenn sie sich nur nicht zu ängstlich an die Errungenschaften der Vergangenheit klammere". Von den in dem Band formulierten Forderungen für die SPD nennt er mehr Technikfreundlichkeit, Marktfreundlichkeit und Pragmatismus sowie die Akzentuierung von mehr Freiheit und mehr individueller Verantwortung.

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