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Immer wieder stößt der Glaube an Gott in den Medien auf heftige Kritik. Gleichzeitig scheint der Atheismus in der westlichen Welt auf dem Vormarsch zu sein. Einer der führenden Vertreter der gegenwärtigen Atheismus-Bewegung ist Richard Dawkins. Mit seinem Buch Der Gotteswahn hat er einen weltweiten Bestseller geschrieben, der vielfach die öffentliche Meinung mitbestimmt.Doch wie ernst sollte man Richard Dawkins Thesen nehmen? Die Autoren unterziehen sie einer gründlichen Prüfung. Ist der Glaube wirklich intellektueller Unsinn? Hat die Wissenschaft Gott tatsächlich entlarvt? Wo liegen die…mehr

Produktbeschreibung
Immer wieder stößt der Glaube an Gott in den Medien auf heftige Kritik. Gleichzeitig scheint der Atheismus in der westlichen Welt auf dem Vormarsch zu sein. Einer der führenden Vertreter der gegenwärtigen Atheismus-Bewegung ist Richard Dawkins. Mit seinem Buch Der Gotteswahn hat er einen weltweiten Bestseller geschrieben, der vielfach die öffentliche Meinung mitbestimmt.Doch wie ernst sollte man Richard Dawkins Thesen nehmen? Die Autoren unterziehen sie einer gründlichen Prüfung. Ist der Glaube wirklich intellektueller Unsinn? Hat die Wissenschaft Gott tatsächlich entlarvt? Wo liegen die Wurzeln des christlichen Glaubens? Ist Religion böse? Mit diesem Buch halten Sie einen kritischen Zugang zu Der Gotteswahn und dem atheistischen Fundamentalismus in Händen.
Autorenporträt
Alister McGrath ist Dekan des theologischen Seminars Wycliffe Hall an der Oxford University, wo er auch Geschichte der Theologie lehrt. Er studierte an den Universitäten von Oxford und Cambridge und war längere Zeit anglikanischer Pfarrer in Nottingham, ehe er als Professor an die Universität zurückkehrte.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.03.2008

Warum der neue Atheismus unsere Kultur verflacht
Alister McGrath antwortet auf die Religionskritik von Richard Dawkins / Von Henning Ritter

Als der junge Mann im brasilianischen Urwald gestanden hatte, war er überzeugt gewesen, "dass in der Brust eines Menschen mehr als nur der Atem seines Körpers ist". Eine echte Erleuchtung scheint dies aber nicht gewesen zu sein. Denn als Charles Darwin Jahre später sein wegweisendes Buch über den "Ursprung der Arten" veröffentlichte, war er, wie Janet Browne in ihrer Darwin-Biographie schildert, religiös unschlüssig. Er hatte sich immerhin ein Stück seines Kinderglaubens bewahrt, das ihm erlaubte, sich als Theisten zu bezeichnen. Einen Aufsatz seines amerikanischen Mitstreiters Asa Gray über die Vereinbarkeit von Evolution und Religion lobte Darwin als "den bei weitem besten theistischen Essay". Das konnte es also geben: eine theistisch gestimmte Biologie auf dem Niveau der Erkenntnisse Darwins. Ihn beschäftigte damals die Frage, ob die Baupläne der Natur einen Architekten erforderten, das Design einen Designer. Er war ratlos und meinte: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Welt, wie wir sie sehen, das Ergebnis von Zufällen ist. Aber andererseits kann ich nicht jedes Einzelding als Resultat eines Entwurfs ansehen." Ihn verwirrte die religiöse Sicht dieser Dinge.

Darwin wollte, wie er versicherte, nicht als Atheist darüber schreiben, sah sich aber außerstande, überall Absichten und Wohlwollen zu entdecken. Es gab Erscheinungen in der Natur, die ihm unvereinbar zu sein schienen mit dem Glauben an einen wohlwollenden Schöpfer. Da war zum Beispiel die Schlupfwespe, die ihre Eier in lebende Schmetterlinge legte, oder die Katzen, die mit Mäusen spielten. Und auf der anderen Seite gab es erstaunliche Phänomene wie das Auge, die den Gedanken an eine planmäßige Entwicklung zwingend aufzudrängen schienen, die sich aber tatsächlich ohne die Annahme eines Schöpfers erklären ließen. Über solche Fragen nachzudenken kam ihm vor, als wollte ein Hund Newtons Hirn ergründen. Hin und hergerissen zwischen Absicht und Zufall, verlor Darwin seinen Glauben. Hielt er sich anfangs noch für einen Theisten, bezeichnete er sich später als Agnostiker.

In seiner Autobiographie, die erst nach seinem Tod veröffentlicht werden sollte, wurde er deutlicher: Hier bestritt er ausdrücklich, dass ein vernünftiger Mensch an Wunder glauben könne, leugnete die Möglichkeit eines rationalen Beweises für die Existenz Gottes und bestritt den Offenbarungscharakter der christlichen Religion. Ihr Gott sei im Übrigen grausam, so dass niemand wünschen könne, dass das Christentum wahr wäre. Je mehr Antworten die Biologie lieferte, desto mehr entfernte sich Darwin von der Religion. Seine kluge und fromme Ehefrau Emma drängte ihren Sohn Francis, als dieser die postume Ausgabe der Autobiographie vorbereitete, wenigstens den Satz zu streichen, dass religiöser Glaube kaum mehr sei als ererbter Instinkt, wie die Angst des Affen vor der Schlange. Der Gedanke, erklärte sie, sei ihr schmerzlich, dass alle Moral durch Evolution zustande kommen sollte. Den Abschnitt seiner Autobiographie über die Religion beschloss Darwin mit den Sätzen: "Ich kann nicht den Anspruch erheben, das geringste Licht auf solch abstruse Probleme zu werfen. Das Mysterium des Anfangs aller Dinge ist für uns unlösbar; und ich jedenfalls muss mich damit abfinden, ein Agnostiker zu bleiben."

So lautete Darwins Vermächtnis in der Frage, die jüngst wieder zu lebhaften Diskussionen geführt hat. Man hätte meinen können, dass mit Darwins Äußerungen über Religion und Evolutionsbiologie genug gesagt ist. Doch das Buch des Biologen Richard Dawkins "Der Gotteswahn" und das Pamphlet "Gott ist kein Hirte" des Journalisten Christopher Hitschens haben ein so großes Echo gefunden, als wäre der Streit zwischen Biologie und Religion zum ersten Mal ausgebrochen. Herausgefordert durch die sogenannte Wiederkehr der Religion mit Gotteskriegern, Kreationisten und Fundamentalisten aller Art, schlug Dawkins christentumsfeindliche Töne an, wie sie von Seiten der Wissenschaft lange nicht mehr zu hören waren. Manche Rezensenten mutete dies wie eine Wiederkehr der Schlacht an, die zwischen Atheismus und Christentum im neunzehnten Jahrhundert ausgefochten wurde, als die Wissenschaft die Entscheidung zwischen Vernunft und Glaube auf dem Feld der Empirie herbeiführen wollte. Stattdessen war aber von einem "neuen Atheismus" die Rede.

Neu ist sicherlich, dass seit der Zeit Darwins die Entchristlichung der Gesellschaft weiter fortgeschritten ist, wenn auch nicht mit solcher Rasanz, wie man es im neunzehnten Jahrhundert vorherzusehen meinte. So hatte der Basler Theologe Franz Overbeck mit der ihm eigenen Redlichkeit festgestellt: "In der menschlichen Gesellschaft ist das Christentum augenscheinlich zu seinem Ende gelangt." Es sei damit seiner eigenen Eschatologie zuvorgekommen. Und Overbeck wusste auch von Gesprächen am Tisch des preußischen Kultusministers, wo man die Frage diskutierte, ob das Christentum noch zwanzig oder fünfzig Jahre dauern werde.

Gewiss waren atheistische Bekenntnisse, wie Dawkins sie mit wissenschaftlicher Autorität und mit energischem Pochen auf ihre Rationalität vorträgt, lange nicht mehr zu hören. Er wünscht sich eine Welt herbei, in der mit dem Glauben an Gott auch all jene Erscheinungen ein für alle Mal verschwunden wären, die die Welt in Unruhe und Chaos stürzen. Statt den Feind im Glauben an Gott zu erkennen, hat die Wissenschaft offenbar ihre religionsfeindliche Leidenschaft verloren, die sie noch im neunzehnten Jahrhundert umtrieb. Es gibt sogar von Albert Einstein oft zitierte Sätze, die als symptomatisch für einen solchen Sinneswandel angesehen werden können. Ohne ein konfessionelles Bekenntnis abzulegen, wollte der große Physiker eine Art Religionsfrieden ausrufen, indem er sie mit der Vernunft versöhnt sah: "Das Wissen um die Existenz des für uns Undurchdringlichen, der Manifestationen tiefster Vernunft und leuchtendster Schönheit, die unserer Vernunft nur in ihren primitivsten Formen zugänglich sind, dies Wissen und Fühlen macht wahre Religiosität aus; in diesem Sinn und nur in diesem gehöre ich zu den tief religiösen Menschen." Solche Bekenntnisse konnten zweifellos als Grundlage eines Gesprächs zwischen Wissenschaftlern unterschiedlichster persönlicher Überzeugung dienen, die eine Verständigung über die Welträtsel suchten.

Die Sorge, dass eine solche Verständigung zwischen Wissenschaft und Religion durch atheistische Propaganda ausgetrocknet werden könnte, dürfte den Anstoß zu dem Buch "Der Atheismus-Wahn" gegeben haben, das der anglikanische Theologe und Biologe Alister McGrath als Antwort auf Dawkins vorlegt. Es will eine pünktliche Berichtigung und Widerlegung einer Reihe von Thesen von Richard Dawkins sein und hält sich dafür strikt an die üblichen Regeln wissenschaftlichen Argumentierens. Im Unterschied zu seinem Kontrahenten, der mit allen Mitteln der rohen Polemik arbeitet, bemüht McGrath sích um die Einhaltung des Schicklichen. Auch seiner theologischen und religionsgeschichtlichen Irrtümer und Vorurteile nimmt er sich behutsam an, als befände man sich unter Gentlemen in einem Colloquium von Naturwissenschaftlern und Theologen. Freilich ist dies eine Gesellschaft, die Dawkins um keinen Preis aufsuchen würde, ist es doch seine These, dass es zwischen diesen Fakultäten keine vernünftige Gemeinsamkeit geben kann. Mit einem gewissen Stolz verweist McGrath dagegen mehrfach auf eine Statistik, die sein eigenes Anliegen, Glauben und Wissenschaft zu verbinden, in Zahlen fasst: Gegenwärtig seien es vierzig Prozent der Naturwissenschaftler, die sich selbst als religiös bekennen.

Was McGrath gegen Dawkins vorbringt, läuft letztlich auf die These hinaus, dass religiöse Überzeugungen - soweit man es nicht mit Fundamentalisten oder Kreationisten zu tun habe - in der heutigen Kultur des Westens mit Wissenschaft konfliktlos verträglich seien. Darüber hinaus sieht er es als eine gelegentlich schon verwirklichte, aber weiterzuentwickelnde Zukunftsaufgabe an, die "letzten Fragen" zwischen Theologie und Naturwissenschaften nicht bloß im Sinne eines Überzeugungskompromisses zwischen Glauben und Vernunft auszuhandeln, sondern als Bestandteil rationaler Forschung. Man sieht hier eine Spielart "dritter Kultur" sich abzeichnen, die den aggressiven Atheismus à la Dawkins herausfordern soll.

Es geht also um Kultur, wie auch der sogenannte neue Atheismus sich als kulturelle Auseinandersetzung, ja als Kulturkampf versteht. Der Atheismus als konsequente Vernunftposition nimmt den vom "Gotteswahn" infizierten Teil der Bevölkerung ins Visier, der für umso gefährlicher gehalten wird, weil er sich auf kulturelle Traditionen berufen kann. Mit der Autorität der Biologie macht sich Dawkins anheischig, die Krankheit, die er diagnostiziert hat, auch zu heilen: durch kulturelle Stigmatisierung. Hier treten zum hinlänglich bekannten Atheismus neue Züge hinzu. Der Biologe, der einen Schlüssel auch zur kulturellen Evolution zu besitzen glaubt, erklärt die religiösen Phänomene, die seiner Utopie der Friedlichkeit der Kultur im Wege stehen, für evolutionäre Fehlentwicklungen, für eine Krankheit der Kultur, die sich, angesteckt durch das Gottesvirus, ausgebreitet habe.

Dieser Kulturkampf erhält den entscheidenden Impuls aus der Biologie, zu deren Wortführer sich Dawkins selbst ernannt hat. Sein Ziel ist es, eine evolutionäre Erklärung der Kultur vorzulegen. Deren Schlüsselbegriff ist das "Mem", das er schon 1979 in seinem Bestseller über das "egoistische Gen" eingeführt hat. Es ist für ihn und eine wachsende Schar von Mem-Forschern das Passepartout für die Analyse kultureller Prozesse. Mit der Erfindung dieses Informations-Gens kann Dawkins sich durchaus in einer ähnlichen Lage wie Darwin sehen, als er die entscheidende Lücke seiner Theorie der Evolution, die er ohne Kenntnis des Vererbungsmechanismus entworfen und bis ins Detail durchgeführt hatte, schließen musste, um zu zeigen, wie die evolutionär gesicherten Variationen an die jeweils folgende Generation gelangen konnten. Darwin versuchte, diese empfindliche Lücke in einer Tour de force zu schließen, indem er die Existenz unsichtbarer Kügelchen annahm, die er "globuli" nannte und über deren Eigenschaften er höchst genaue Angaben machte. Durch die Genetik ist diese Darwinsche Fiktion überflüssig, aber auch in ihrer Phantastik erkennbar geworden. Dieses Theoriestück Darwins wird heute aus verständlichen Gründen meist gnädig übergangen.

Das unglückliche Schicksal, das diese Konstruktion ereilte, hat Dawkins freilich nicht gehindert, einen ähnlichen Weg noch zu gehen, indem er als Träger der kulturellen Vererbung die "Meme" einführte und ihnen die Weitergabe der Erfahrungen der Menschheit übertrug - ohne den geringsten Anhaltspunkt für die Existenz eines solchen Grundelements der Kultur und der evolutionären Mechanismen seiner Wirksamkeit aufweisen zu können. Wie Darwins "globuli" - das Einzige, was ihm gründlich missriet - sind auch die Meme so etwas wie Fähnchen auf einer Generalstabskarte: Sie bezeichnen die vorgeschobenen Stellungen, die erreicht werden sollen. Diesmal ist es das Feld der Kultur, das zur Darwinisierung ansteht: "Darwinizing Culture" lautet denn auch das Programm der von Dawkins ins Leben gerufenen Forschungsrichtung. Sie soll den Mechanismus kultureller Vererbung entschlüsseln

Dass dieses Programm in den Kulturwissenschaften bereitwillig aufgegriffen wurde, belegt seinen zeitgemäßen Charme: Während bisher auch Biologen glaubten, dass die Kultur, anders als das biologische Erbe, durch Lernen und Tradition übermittelt wird, lautet die neue Lehre, dass die Entwicklung der Kultur auf Mechanismen von derselben Art beruhe wie die biologische Evolution. An die Stelle der "globuli" Darwins treten dabei die nicht minder phantastischen Gebilde der Meme oder Memplexe. Gott oder die romantische Liebe werden zu einem informationellen Geschehen, das sich nach Regeln vollzieht, die denen der biologischen Auslese analog sein sollen. Die polemische Pointe von Dawkins, dass Gott sozusagen ein pathologisches Mem, ein ansteckendes Virus sei, das seine Funktion für die Evolution verloren habe, ist allerdings nicht mehr als Wunsch.

Die so dringend herbeigewünschte Folge ist denn auch schnell bei der Hand: Wie Gott in Darwins Evolution schließlich zum Fremdkörper geworden war, soll er es nun auch in der Kultur werden, in der die Religionen, unabhängig von dem, was man glaubte, bisher fest verankert zu sein schienen. McGrath hat diese Stoßrichtung des "neuen Atheismus" nicht übersehen und, ohne viele Umstände zu machen, die "Meme" seines Oxforder Kollegen Richard Dawkins in Bausch und Bogen verworfen.

Der neue Atheismus ist also nicht nur ein Angriff auf die Religion, wie es bei seinen Vorgängern seit je der Fall war, sondern eine entschlossene Verflachung der Kultur. Keinen Gedanken verschwenden die neuen Kulturpolizisten daran, dass sie kein kompaktes und homogenes Gebilde ist, sondern sich aus einer Vielzahl unterschiedlicher Traditionen und Überlieferungstechniken zusammensetzt, die zu einem beachtlichen Teil von Religionen erfunden und für deren Überlieferungsbedürfnisse entwickelt wurden: Rituale, Zeremonien, Gebete, heilige Texte, Bücher und so fort.

Auf einigen Seiten am Schluss seiner Auseinandersetzung mit Dawkins gibt McGrath die Umrisszeichnung der Religion Jesu, der er sich selbst als anglikanisch Glaubender zurechnet und die sein Gegner Dawkins mit "nervtötenden antireligiösen Tiraden" überzogen habe. Zu den Grundelementen der Religion Jesu gehört für McGrath die Erweiterung des alttestamentlichen Gebots "Liebe deinen Nächsten" um die Feindesliebe. Von Dawkins nicht einmal erwähnt, stehe sie "genau im Zentrum der christlichen Ethik". Zwar habe sich Jesus als Jude primär um Juden gekümmert, aber daneben habe er sich an Gruppen gewandt, die McGrath als "Outlaws" bezeichnet und die den Keim der Einbeziehung der römisch-griechischen Heiden in die christliche Gemeinde bildeten. Dass die christliche Lehre ein über die Sippengemeinschaft erweitertes Ethos schuf, ist oft hervorgehoben worden. Max Weber war es, der auch den Preis dieses neuen Ethos nannte: "Den Verbänden der Sippe, der Blutsbrüder und des Stammes fügt die Gemeindereligiosität als Stätte der Nothilfepflicht den Gemeindegenossen hinzu. Oder vielmehr, sie setzt ihn an die Stelle der Sippengenossen: Wer nicht Vater und Mutter verlassen kann, kann nicht Jünger Jesu sein." Daraus erwachse dann das Gebot der Brüderlichkeit.

Es ist sofort einsichtig, dass diese Ersetzungs- und Erweiterungsvorgänge es sind, die eine heutige Plausibilisierung des Christentums tragen können. Denn nach diesem Muster, den das Christentum besonders wirkungsvoll durchsetzte, hat sich seit dem achtzehnten Jahrhundert ein säkulares Ethos herausgebildet, das meist als humanitäres Ethos bezeichnet wird: eine philanthropische Moral, für die der Nächste der Fernste und sogar die abstrakte Menschheit sein kann. Dieses Ethos kann wie eine Verweltlichung der christlichen Lehre erscheinen, von der es sich freilich in seinen Begründungen deutlich absetzt: als säkulare Moral oder als Menschheitsreligion. Wenn man hierin das Fundament gegenwärtiger zivilisierter Moral sieht, wie es auch McGrath' Annäherung oder gar Identifizierung des Christentums suggeriert, so ist doch festzuhalten, dass eine solche Aktualisierung des Christentums ihre Plausibilität nicht nur aus dessen ursprünglicher Lehre, sondern im selben Atemzug aus einer ihm gegenüber selbständigen kulturellen Entwicklung der westlichen Gesellschaften gewinnt.

Religionsphilosophie, die auf Aktualität abhebt, wäre demnach immer zugleich Kulturphilosophie. Freilich kann sich diese nicht auf elementare Mechanismen kultureller Evolution - schon gar nicht auf der schmalen Basis von Memen - berufen, sondern muss die höchst verflochtenen Beziehungen von religiösen Bewegungen und allgemeinen kulturellen Entwicklungen ins Auge fassen. Das gilt für die Explikation des christlichen Religionsverständnisses nicht weniger als für den groben Keil des "neuen Atheismus". Dieser würde dann auch entdecken, wie alt er in Wahrheit ist - so alt wie die Religionskritik, die bei Xenophanes mit dem Satz beginnt, dass die Götter der Ochsen Ochsen wären.

Alister McGrath (mit Joanna Collicutt McGrath): "Der Atheismus-Wahn". Eine Antwort auf Richard Dawkins und den atheistischen Fundamentalismus. Aus dem Englischen von Rabea Rentschler. Gerth Medien, Asslar 2007. 149 S., geb, 9,95 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Positiv überrascht zeigt sich Rezensent Robert Misik von diesem "Gottes-Pamphlet" des Oxforder Theologieprofessors. Da es nämlich auf den ersten Blick recht knallig als Antwort auf Richard Dawkins? Thesen zum "atheistischen Fundamentalismus" daherkomme, sei er zunächst skeptisch gewesen, schreibt der Rezensent. Doch Alister McGrath präsentiere sich als "bedächtiger, kluger Gläubiger", der seine Religiosität vernünftig zu begründen versuche. Ganz unpolemisch und geschickt sieht der Rezensent McGrath auch auf Dawkins? argumentative Schwachstellen reagieren und fühlt sich vom "milden Christenton", in dem das Buch verfasst ist, auch insgesamt sehr angezogen.

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