Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 21,00 €
  • Gebundenes Buch

Selten schreibt sich ein Autor mit nur einem Roman, wenigen Erzählungen und literaturkritischen Anmerkungen in die Weltliteratur. Dem aus sizilianischem Hochadel stammenden Fürsten von Lampedusa gelang es. Der Ruhm stellte sich allerdings erst nach seinem Tode ein. Zu Lebzeiten war die Literatur kaum mehr als ein Rettungsanker, an dem er Halt suchte und fand. Lesender Müßiggang war für ihn nicht aller Laster, sondern aller literarischer Tugend Anfang. Lektüre wurde zum Lebensersatz. Erst in seinen letzten Jahren wagte er den Sprung zur Selbstverwirklichung als Schriftsteller. »Wie ist es…mehr

Produktbeschreibung
Selten schreibt sich ein Autor mit nur einem Roman, wenigen Erzählungen und literaturkritischen Anmerkungen in die Weltliteratur. Dem aus sizilianischem Hochadel stammenden Fürsten von Lampedusa gelang es. Der Ruhm stellte sich allerdings erst nach seinem Tode ein. Zu Lebzeiten war die Literatur kaum mehr als ein Rettungsanker, an dem er Halt suchte und fand. Lesender Müßiggang war für ihn nicht aller Laster, sondern aller literarischer Tugend Anfang. Lektüre wurde zum Lebensersatz. Erst in seinen letzten Jahren wagte er den Sprung zur Selbstverwirklichung als Schriftsteller. »Wie ist es möglich, wie ist es möglich, dass ein versteckter Aristokrat, der in der Welt, in der er sich befand, nicht leben konnte, stattdessen mit übermenschlicher Kraft zu träumen wusste?«, fragt sich der Nobelpreisträger für Literatur Mario Vargas Llosa. Diese Biographie beantwortet die Frage aus dem Kontext der Lebensumstände, insbesondere im Spiegel der bisher unveröffentlichten Korrespondenz. Sie gewährt nicht zuletzt Einblicke in die Ehe mit der aus Lettland stammenden Psychoanalytikerin Alexandra Baronesse Wolff-Stomersee, die – ähnlich wie Sofja Tolstoja – zur »Amme des Talents ihres Mannes« wurde. Der »Gattopardo« ist wegen seiner Vielseitigkeit und Dank der Verfilmung durch Luchino Visconti nach wie vor ein Bestseller. Auch in der »Sirene « zeigt sich der Erzähler Giuseppe Tomasi als Meister. Das Allgemeingültige und Zeitlose seines Werkes folgt vor allem aus seiner Auseinandersetzung mit dem ewigen Thema des Wandels: Soll man sich anpassen, oder aufbegehren, sich öffnen oder verschließen, Schicksalsschläge einfach hinnehmen, mit der Zeit gehen, oder sich am Gestrigen festklammern, überleben oder untergehen? Die berühmte Maxime, dass sich Alles ändern muss, wenn es so bleiben soll, wie es ist, hat viele Facetten. In ihnen spiegelt sich das Leben eines Außenseiters und früher Unzeitgemäßen, der sich heute noch auf der Höhe der Zeit und im Mainstream befindet. Dr. Jochen Trebesch, geb. 1944, Mitglied des P.E.N, Botschafter a.D., Abitur an der Deutschen Schule in Rom, Studium der Rechtswissenschaften und Geschichte in Bonn, Berlin und an der Georgetown University in Washington D.C., u.a. Verfasser der Reihe »Diener zweier Herren«, Essays über Diplomaten-Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Lebt in Berlin und Rom.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.01.2013

Sizilianischer Fürst liebt baltische Baronin

Alessandra Wolff von Stomersee war die Frau, die den "Leoparden" rettete: Jochen Trebesch über die schwierige Ehe des Giuseppe Tomasi di Lampedusa.

Es war eine der bizarrsten Ehen im europäischen Adel, die 1932 in der Russischen Orthodoxen Kathedrale zu Riga nach dem Ritus der Ostkirche, der die Braut angehörte, zwischen dem 1896 geborenen sizilianischen Fürsten Giuseppe Tomasi di Lampedusa und der deutschbaltischen Baronin Alessandra Wolff von Stomersee geschlossen wurde. Nur der Beharrlichkeit dieser Frau ist es zu verdanken, dass das von ihrem Gatten hinterlassene Manuskript des berühmten "Gattopardo"-Romans (auf Deutsch "Der Leopard"), mit dessen Ablehnung sich einige prominente Verlage blamiert hatten, schließlich doch noch bei Feltrinelli zum Druck angenommen wurde.

Begegnet war sich das spätere Ehepaar schon 1925 in London auf einem Empfang, den Tomasis Onkel in seiner Funktion als italienischer Botschafter gegeben hatte. Dieser Diplomat wiederum war der zweite Ehemann von Alessandras Mutter, Alice Barbi, einer von Johannes Brahms verehrten Sängerin aus Modena. Alessandra und Giuseppe gaben ihre eigene Eheschließung der jeweiligen Verwandtschaft erst als fait accompli bekannt. Denn die geschiedene Frau, zudem nur halbe Italienerin, war inakzeptabel. Alessandra war nicht katholisch, als geborene Baronesse dem Hochadel der Tomasi di Lampedusa nicht ebenbürtig und wegen ihrer neumodischen psychoanalytischen Interessen verdächtig.

Ein Zusammenleben im Palast der Schwiegereltern in Palermo war für Alessandra bald so unerträglich wie ein dauerhafter Wechsel ins kalte Livland für den südländischen Fürsten. So lebte das Paar Jahre hindurch getrennt und tauschte, wie Jochen Trebesch in seiner gerade erschienenen Biographie Tomasi de Lampedusas schreibt, "mehr Briefe als Zärtlichkeiten" aus.

Als Kind hatte Giuseppe nicht gern mit anderen Kindern gespielt, sondern war lieber allein oder mit seinem Hund zusammen. Früh erwachte sein Interesse für Literatur und Geschichte. Bibliotheken übten größten Reiz auf den jungen Mann aus und wurden zur Quelle seiner stupenden Belesenheit und Kreativität, führten ihn aber auch, wie Trebesch schreibt, auf "eine falsche Fährte: Literatur für Leben zu halten, Lesen mit Lebenserfahrung zu verwechseln".

Der Militärdienst im Jahre 1917 hätte ihm vielleicht die Möglichkeit bieten können, selbständig zu werden, endete aber nach einer leichten Verwundung in österreichischer Gefangenschaft, aus der Tomasi entkommen konnte. Standesübliche Reisen durch die europäischen Hauptstädte waren danach eher Flucht vor sich selbst als Wege zu sich selbst. Erst als es ihm allmählich gelang, durch eigene schriftstellerische und literaturkritische Arbeiten die rezeptive Phantasie des Lesers auch produktiv werden zu lassen, befreite er sich vom Spleen des Dandys. In seinen zahlreichen Briefen finden sich scharfzüngige Bemerkungen und böse Scherze, die nicht nur Tomasis Umgang mit Verwandten und sich selbst, sondern auch mit Dritten kennzeichneten. Das gilt besonders für den sizilianischen Adel, den er als einen "Käfig voller dreist die Rotschattierungen ihres Hinterteils zeigenden Affen und Katzen" verspottete, "die sich als Königstiger aufspielen". Nicht ohne Grund unterschrieb er seine Briefe mit "das Monster".

Dieselbe Schärfe der Beobachtung, freilich in gezügelter Formulierung, prägt den "Leopard". In dem Roman, der die italienische Geschichte von der Landung Garibaldis in Sizilien 1860 bis ins Jahr 1910 deutet, erkennt der Fürst Salina als einziger Angehöriger des alten Adels die Notwendigkeit, die Rolle des aufsteigenden Bürgertums anzuerkennen, entscheidet sich aber bewusst dagegen, in der neuen Ordnung eine Aufgabe zu übernehmen. Trebesch schaltet in die Biographie auch eine umsichtige Interpretation des Romans ein, zu dessen Bekanntheit die ins Üppige gesteigerte Verfilmung Luchino Viscontis von 1963 entscheidend beigetragen hat.

Mit Recht rückt Trebesch aber vor allem die schwierige Ehe mit Alessandra ins Zentrum seiner Biographie. Trotz seiner spürbaren Sympathie für die beiden Hauptfiguren bewahrt er die kritische Distanz des Historikers, unterdrückt auch problematische Details nicht, wie etwa die übersteigerte Liebe zu Hunden, die beide Ehepartner höher schätzten als Menschen, und verschweigt nicht die Nöte, als Tomasi seine Frau mit einer Gonorrhöe angesteckt hatte, deren Therapie heimlich und unzulänglich erfolgte.

Wenn sie nicht gerade ihren Depressionen anheimgefallen war, hatte Alessandra den kraftvolleren Part in der Beziehung inne. Sie sorgte auch dafür, dass Tomasi in seinen letzten Lebensjahren einen Kreis wissensdurstiger junger Männer unterrichten konnte, darunter seinen späteren Adoptivsohn und verdienten Nachlassverwalter, den Musikwissenschaftler Gioacchino Lanza Tomasi.

Der Autor des erfreulich klar geschriebenen Buches war lange Jahre im diplomatischen Dienst. Das mag hilfreich dabei gewesen sein, neben den italienischen Quellen auch das reiche Material im Lettischen Hauptstaatsarchiv zu Riga auszuwerten. Er zeichnet die wunderbar melancholische Geschichte einer den Alten Kontinent von Süd nach Nord überspannenden Beziehung nach, die seit dem Tod des 1957 verstorbenen Fürsten auch ein Symbol für das Ende des alten Europa geworden ist, in dem der Adel seine bestimmende Funktion auch in so stark durch ihn geprägten Territorien wie Sizilien und dem Baltikum an neue Kräfte hat abgeben müssen.

HANS-ALBRECHT KOCH

Jochen Trebesch: "Giuseppe Tomasi di Lampedusa". Leben und Werk des letzten Gattopardo.

Nora Verlagsgemeinschaft, Berlin 2012. 504 S., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Deutlich und klar geschrieben findet Hans-Albrecht Koch diese Biografie über Giuseppe Tomasi von Jochen Trebesch. Dass der Autor in seine detailreichen, im Mittelpunkt des Buches stehenden Ausführungen über Tomasis Ehe mit der deutschbaltischen Baronin Alessandra Wolff von Stomersee und ihre symbolträchtige Deutung als alteuropäische Allianz, eine umsichtige Interpretation von Tomasis Roman "Der Leopard" einfließen lässt, findet Koch gerechtfertigt. Und auch dass Trebesch Sympathie für Lampedusa und seine Gattin spüren lässt und dennoch nicht die kritische Distanz zu seinem Sujet verliert, gefällt dem Rezensenten an dieser leicht melancholischen Lebensgeschichte.

© Perlentaucher Medien GmbH