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Bummelstudent Fang hat in Europa reichlich westliche Lebensart gelernt, die er nun nach China importiert. Beim Versuch, erotisch und beruflich Fuß zu fassen, gerät er in die Fallstricke einer Gesellschaft im Übergang, bei der sich traditionelle chinesische und moderne westliche Vorstellungen in tragikomischem Konflikt befinden. Der Klassiker der modernen chinesischen Literatur aus aktuellem Anlass nun wieder auf deutsch. Erstmals 1946 als Fortsetzungsroman in China erschienen und während der Kulturrevolution verboten, erlangte das Buch nach seiner Neuauflage 1980 Weltruhm. Seither gilt dieser…mehr

Produktbeschreibung
Bummelstudent Fang hat in Europa reichlich westliche Lebensart gelernt, die er nun nach China importiert. Beim Versuch, erotisch und beruflich Fuß zu fassen, gerät er in die Fallstricke einer Gesellschaft im Übergang, bei der sich traditionelle chinesische und moderne westliche Vorstellungen in tragikomischem Konflikt befinden. Der Klassiker der modernen chinesischen Literatur aus aktuellem Anlass nun wieder auf deutsch. Erstmals 1946 als Fortsetzungsroman in China erschienen und während der Kulturrevolution verboten, erlangte das Buch nach seiner Neuauflage 1980 Weltruhm. Seither gilt dieser brillante, witzige, vor Bildern und Metaphern überbordende Schelmenroman als ein Schlüsselwerk zum Verständnis der chinesischen Gesellschaft.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.02.2009

Die Freude des begnadigten Verbrechers
Montaignes Weisheit im China der späten dreißiger Jahre: Qian Zhongshus Roman „Die umzingelte Festung”
Qian Zhongshus Roman „Die umzingelte Festung”, eines der großen Bücher der chinesischen Literatur des zwanzigsten Jahrhunderts, erschien 1946 als Fortsetzungsroman in einer Zeitschrift, 1947 in Shanghai als Buch und wurde dann drei Jahrzehnte wegen seiner nachteiligen Wirkung auf die chinesische Jugend nicht nachgedruckt. 1980 begann dann das zweite Leben dieses Romans. Der „Verlag für Volksliteratur” brachte die „Umzingelte Festung” mit großem Erfolg neu heraus, Übersetzungen in alle großen Sprachen folgten (die deutsche Übersetzung erschien 1988), und Qian Zhongshu, der Dichter, Essayist und berühmteste Literaturhistoriker seines Landes, zählte zu den Kandidaten für den Nobelpreis.
1998 ist Qian in hohem Alter in Peking gestorben, eine literarische Institution, die trotz oder wegen ihres Ruhms die Öffentlichkeit scheute. In einem Telefongespräch, so berichtet die Übersetzerin Monika Motsch in ihrem Nachwort, habe Qian einer englischen Wissenschaftlerin von einem Besuch bei ihm mit der Begründung abgeraten, „wenn einem ein Ei geschmeckt habe, müsse man nicht unbedingt die Henne besuchen”.
Die titelgebende Metapher geht zurück auf Montaigne („forteresse assiégée”), ist aber schon als arabisches Sprichwort und wahrscheinlich auch anderenorts überliefert. Die Ehe, so die gemeinsame Erkenntnis der Weltkulturen, ist eine umzingelte Festung: „Die Belagerer wollen hinein, die Eingeschlossenen ausbrechen.” Dieses zeitlose Tragikomödien-Grundmuster erfährt bei Qian Zhongshu eine Zuspitzung auf die chinesischen Verhältnisse des Jahres 1937, in dem China infolge der japanischen Okkupation und innerer Unruhen auch politisch eine umzingelte Festung ist.
Man hat dem Autor später vorgeworfen, sein Roman schildere die politischen Verhältnisse mit sträflicher Nonchalance; er festige nicht die Moral der chinesischen Jugend im Kampf gegen den Aggressor. Eben dies macht die „Umzingelte Festung” heute lesenswert. Ferner von politischer, gesellschaftskritischer oder auch nur interkultureller Erbauung kann man sich eine literarische Position nicht denken. Die Figuren, denen wir in Qian Zhongshus Eheanbahnungs- und Campus-Roman begegnen, sind satirische Charaktere: faul, charmant, hinterhältig, dumm, böse, witzig. „In meinem Buch”, schreibt Qian in seiner Vorbemerkung, „wollte ich gewisse Gesellschaftskreise und Menschentypen im heutigen China beschreiben. Dabei habe ich nicht vergessen, dass sie eben nur zum Typus Mensch gehören, das heißt die Urinstinkte von ungefiederten zweibeinigen Tieren haben.”
Heimkehr mit gekauftem Titel
Als junger Mann war Qian zum Studium nach Europa gegangen. Mit einem Stipendium erwarb er in Oxford einen akademischen Grad und lebte danach mit seiner Frau, einer Romanistin, in Paris, ehe er nach China zurückkehrte, um dort Anglistik zu lehren. Eben um diese Themen – das Auslandsstudium, die Ehe und die Rückkehr an eine chinesische Universität – geht es in der „Umzingelten Festung”. Auf dem Schiff nach Hause begegnen wir, im Kreise anderer akademischer Heimkehrer(innen), Fang Hongjian, der, anders als sein Erfinder, die Zeit in England, Frankreich und Deutschland, vor allem zum Bummeln und Wichtigtun genutzt hat. Außer einem gekauften Titel einer fiktiven Universität ist bei seinem Unternehmungen nichts Zählbares herausgesprungen.
Aber das ficht Fang, diesen herrlich nichtsnutzigen, aber niemals auf den Mund gefallenen Helden nicht an; ihn interessieren ohnehin nur die Damen an Bord, namentlich Fräulein Su und Fräulein Bao. Eigentlich steht er, Fang, selbst schon mit einem Bein in der umzingelten Festung. Daheim hatte er nämlich einer Tochter aus befreundetem Hause die Ehe versprochen, aber dann erreicht ihn ein Brief eines Vaters mit der Nachricht, die Braut sei an Typhus verstorben. „Fang Hongjian las den Brief mit der Freude eines begnadigten Verbrechers”, heißt es.
Aber auch die plötzliche Freiheit macht ihn nicht froh. In Berlin hat Fang Hongjian die Vorlesungen des berühmten Eduard Spranger über den „Eros” gehört und dabei begriffen, dass „Liebe und Sex zwei ungleiche Zwillinge sind”. Nun soll er in China nach alter Väter Sitte heiraten beziehungsweise verheiratet werden. Von dieser Art kognitiver und vor allem emotionaler Dissonanz handelt Qians Roman durchgehend, und weil es zwischen diesen Lebensordnungen keine Vermittlung gibt und geben kann, bleibt nur die Satire.
Die Handlung dieses immerhin 540 Seiten starken Romans ist überschaubar. Fang Hongjian kehrt nach China zurück, setzt sein Techtelmechtel mit Fräulein Su fort, verliebt sich dann aber ebenso erfolglos in deren Cousine Fräulein Tang und wird dann auf eine Professur (oder eher eine Assistenzprofessur oder eher ein Lektorat) für Logik (ein Fach, das ihm neu ist) an eine neu gegründete Universität im Landesinnern berufen. Auf der Reise dorthin lernt Fang Fräulein Sun kennen, die ebenfalls zur Dozentin berufen wurde, und nach langen Wirren und Intrigen, erotischer wie auch akademischer Natur, treffen wir Fang und seine Ehefrau Sun am Ende in Shanghai an, wo sich Fang wieder mal um eine Arbeitsstelle bemüht (die Universität im Landesinnern hat ihn gefeuert).
Für die Ehe der beiden darf gelten, was Montaignes Sentenz sagt: ist man drinnen, möchte man wieder raus. Aber weil das nicht so einfach ist, arrangiert man sich und entdeckt die Vorzüge der Festungshaft. Für Fang stellt sich das so dar: „Während, ganz abgesehen von Eltern und Brüdern, sogar Freunde die Beziehungen abbrechen und Bedienstete streiken, gleicht die eigene Frau dem großen Windsack in Homers Epos, der alle Stürme in sich aufnimmt – denn eine Scheidung ist nicht leicht.”
Der große Windsack: Qians Roman ist voll von witzigen und exquisiten Metaphern, die er aus seiner stupenden Kenntnis der Weltliteratur schöpft, wie überhaupt die „Umzingelte Festung” ein großes Dokument literarischer Weltklugheit ist, das auf den heutigen Leser taufrisch wirkt wie am ersten Tag. CHRISTOPH BARTMANN
QIAN ZHONGSHU: Die umzingelte Festung. Roman. Aus dem Chinesischen von Monika Motsch und Jerome Shih. Mit einem Nachwort und Erläuterungen von Monika Motsch. Schirmer Graf Verlag, München 2008. 542 S., 25, 80 Euro.
Banken, Hotelpaläste und junge Heimkehrer aus Europa und Amerika, nicht alle mit regulären Abschlüssen: Shanghai in den 1930er Jahren Foto: Getty Images
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2009

Ein herrlicher Nichtsnutz

Wer hier eindringt, sitzt in der Falle: Qian Zhongshu zählt zu den bedeutendsten Literaten der chinesischen Moderne. Jetzt ist sein Roman "Die umzingelte Festung", ein lange verbotenes Schlüsselwerk, in einer neuen Übersetzung zu entdecken.

Qian Zhongshu (1910 bis 1998) gilt als einer der größten chinesischen Literaten der Moderne. Die französische Zeitung "Le Monde" schlug ihn bereits mehrfach für den Nobelpreis vor. Nun bietet sich die Möglichkeit, eines seiner bedeutendsten Werke in einer sehr guten, überarbeiteten Übersetzung von Monika Motsch zu lesen: "Die umzingelte Festung". Der Roman hat eine lange Geschichte: Bereits 1946 erschien er in Fortsetzungen in einer Schanghaier Zeitschrift, 1947 dann erstmals in Buchform. Doch die wechselvolle chinesische Geschichte brachte es mit sich, dass Qian Schreibverbot erhielt. Während der Kulturrevolution wurde er in ein Umerziehungslager gesteckt und seine Werke nicht mehr aufgelegt. Erst im Zuge seiner Rehabilitierung 1976 wurde "Die umzingelte Festung" einer breiten Öffentlichkeit wieder zugänglich. Im Westen wird "Die umzingelte Festung" als bester chinesischer Roman des zwanzigsten Jahrhunderts gepriesen - als Klassiker und Schlüssel zum Verständnis der chinesischen Gesellschaft.

Es ist das Jahr 1937, der zweite Chinesisch-Japanische Krieg ist gerade ausgebrochen, und die japanische Armee rückt nach China vor, als der 27 Jahre alte Fang Hongjian von seinem Auslandsstudium nach China zurückkehrt. Aus traditionellem Elternhaus stammend, wurde Fang von seinem Vater hinaus in die Welt geschickt, auf dass der Sprössling europäische Doktorwürden erlange. Der genoss in Paris, London und Berlin allerdings mehr das süße Leben, denn sich ernsthaften Studien zu widmen. Die eigene Schmach vor Augen, kauft er sich einen Doktortitel.

Fang ist bei seiner Rückkehr nach China voller Erwartungen: Mit seinen Auslandserfahrungen wähnt er sich auf direktem Weg in die chinesische Elite, doch der näher rückende Krieg treibt Fang ins Landesinnere - in die Provinz, wo China noch unberührt von äußeren Einflüssen ist. Die Reise entwickelt sich für Fang zu einem schmerzhaften Niedergang in Etappen. Privat durchlebt er erotische Enttäuschungen, und auch seiner beruflichen Karriere ist kein besseres Schicksal vergönnt.

Die Irrungen und Wirrungen des so unheldischen Helden bilden den Haupthandlungsstrang des Romans. Zurück in der Heimat, wirkt Fang wie ein Getriebener. Er ist zwischen die Welten geraten, verheddert sich ein ums andere Mal zwischen den traditionellen chinesischen Gepflogenheiten und seinem eigenen Anspruch, europäische Modernität zu verkörpern. Doch Fang, der herrliche Nichtsnutz, ist nicht auf den Mund gefallen. Er entwindet sich den peinlichen Situationen und bleibt bei all seinen Verfehlungen ungemein sympathisch.

"Die umzingelte Festung" zeichnet ein Porträt der chinesischen Gesellschaft im Umbruch. Es ist ein Hin und Her, ein Lavieren zwischen Tradition und Moderne, zwischen China und dem europäischen Ausland. Doch Qian beschwört kein Zusammenstoßen, nicht den heutzutage allzu häufig zitierten "Kampf der Kulturen". Die Figuren vollziehen vielmehr einen Drahtseilakt zwischen chinesischer Tradition und europäischer Moderne, es ist ein ständiges Ausbalancieren.

Selbst der Titel spiegelt die chinesisch-europäische Melange wider: Aus chinesischer Sicht ist die umzingelte Festung das eigene Land, belagert von japanischen Aggressoren, die das Land bestürmen. Der europäische Blick jedoch erkennt im Titel zuallererst Montaignes Metapher, die Ehe gleiche einer "forteresse assiégée", in die die Belagerer hinein- und die Eingeschlossenen hinauswollen.

So ergeht es auch Fang, seine Ehe entwickelt sich zur postulierten "umzingelten Festung" - von außen schön und erstrebenswert. Fang will hinein, entwickelt Gefühle aber nur für Frauen, die ihm mit Ignoranz und Überheblichkeit begegnen. Dann beginnt er, um ihre Aufmerksamkeit zu werben, sie zu belagern. Endlich in die Ehe-Festung eingedrungen, fühlt er sich eingeschlossen. Doch Fang sieht das so: "Während, ganz abgesehen von Eltern und Brüdern, sogar Freunde die Beziehungen abbrechen und Bedienstete streiken, gleicht die eigene Frau dem großen Windsack in Homers Epos, der alle Stürme in sich aufnimmt - denn eine Scheidung ist nicht leicht." Die "umzingelte Festung" entwickelt sich so zum Symbol für das gesamte Leben - beruflich und privat. Dinge, die er begehrt, nach denen er mit all seiner Energie strebt, werden just im Moment des Besitzens fade und schal.

Qian hat "Die umzingelte Festung" nicht aus einem speziellen politischen Blickwinkel heraus geschrieben. Der frühere Vorwurf, er übergehe den japanischen Angriff mit Nonchalance und untergrabe so die Moral der chinesischen Jugend gegen den Aggressor, ist aus heutiger Sicht dem Roman sehr zuträglich. Weder der japanische Angriff, bis heute Ursache zahlreicher Ressentiments, noch die Dichotomie zwischen chinesischer Tradition und europäischer Moderne werden bewertet.

Die Handlung des Romans ist überschaubar. Doch ist er zugleich gespickt mit unzähligen witzigen, exquisiten Metaphern. Qian Zhongshu, bekannt für sein fotografisches Gedächtnis, schöpft dabei aus dem Fundus der Weltliteratur. Er selbst erlangte in Oxford akademische Würden und unterrichtete später in Kunming, Schanghai und Peking westliche Literatur. Die moderne chinesische Literatur hat zahlreiche Diamanten in ihrer Schatulle: Qian Zhongshus "Umzingelte Festung" ist ohne Zweifel einer der schöneren.

MICHAEL MÜLLER

Qian Zhongshu: "Die umzingelte Festung". Roman. Aus dem Chinesischen von Monika Motsch und Jerome Shih. Verlag Schirmer Graf, München 2008. 542 S., geb., 25,80 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Michael Müller stellt uns Qian Zhongshu als bedeutendsten Schriftsteller der chinesischen Moderne vor und preist seinen 1946 zunächst in Fortsetzungen erschienenen und nun in einer überarbeiteten Übersetzung vorliegenden Roman "Die umzingelte Festung" als eines seiner wichtigsten Bücher. Darin schildert der Autor das Schicksal des Taugenichts Fang, der mit einem gekauften Doktortitel aus dem westlichen Ausland 1937 zu Beginn des zweiten Chinesisch-Japanischen Krieges in seine Heimat zurückkehrt und dort eine Reihe von privaten und beruflichen Rückschlägen hinnehmen muss. Der Titel knüpft nicht nur an Montaignes Bild der Ehe an, die für den Außenstehenden erstrebenswert ist, und für den Verheirateten zum Gefängnis wird. Man brachte die "umzingelte Festung" in China natürlich auch mit der japanischen Bedrohung in Verbindung. Im Roman aber wird die Metapher zum "Symbol für das gesamte Leben", wie der Rezensent erklärt. Dass Zhongshu mit dem Buch nicht politische Stellung bezog, wurde dem lange verbotenen, im Umerziehungslager internierten und erst 1976 rehabilitierten Autor als moralische Verderbung der chinesischen Jugend angelastet, heute macht dieser Umstand den Roman umso lesenswerter, meint Müller.

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