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Bevor Sybille Bedford nach Kriegsende die Rückkehr in die Alte Welt plant, will sie noch etwas mehr von der Neuen sehen. Ihre Reise nach Mexiko mit ihrer Freundin ist ganz spontan; was sie sehen, hören und schmecken, wenn sie treffen und was sie Aufregendes erleben in diesem schönen, rauhen Land, erzählt Sybille Bedford mit der für sie typischen Frische und mit feinem Humor.

Produktbeschreibung
Bevor Sybille Bedford nach Kriegsende die Rückkehr in die Alte Welt plant, will sie noch etwas mehr von der Neuen sehen. Ihre Reise nach Mexiko mit ihrer Freundin ist ganz spontan; was sie sehen, hören und schmecken, wenn sie treffen und was sie Aufregendes erleben in diesem schönen, rauhen Land, erzählt Sybille Bedford mit der für sie typischen Frische und mit feinem Humor.
Autorenporträt
Sybille Bedford, geb. 1911 in Berlin als Tochter des Barons von Schoenebeck und seiner englischen Gattin, wuchs in Deutschland, England, Italien und Frankreich auf. Als junges Mädchen lebte sie mit ihrer Mutter und derem zweiten, italienischen Ehemann an der Cote d'Azur, dem Zufluchtsort für viele europäische Künstler und Intellektuelle der Zeit. Alle ihre Romane und Reiseerzählungen schöpfen aus dem reichen biographischen Hintergrund. Sybille Bedford hat außerdem viele Jahre als Gerichtsreporterin berühmten Prozessen beigewohnt und darüber für 'Esquire' und 'Life' berichtet. Die Autorin ist am 17. Februar 2006 in London gestorben. Ihre Autobiographie, mit dem Titel 'Quicksands' 2005 in den USA und in England erschienen, wurde von der angelsächsischen Presse enthusiastisch gefeiert.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.11.2007

Das schlechte Gewissen der Sonnenseitenbewohner
Sybille Bedford reist durch Mexiko / Von Ingeborg Harms

Sybille Bedford wurde in Berlin geboren, hatte für die Deutschen aber nicht viel übrig. Nachdem ihr Vater, Baron von Schoenebeck, gestorben war, verbrachte sie ihre Jugend im Schlepptau ihrer reisefreudigen britischen Mutter und kam dabei mit zahlreichen Künstlern wie dem Science-Fiction-Autor Aldous Huxley in Kontakt. Als sie sich Ende der vierziger Jahre nach Mexiko aufmachte, hatte sie von der Zukunft allerdings fürs Erste genug. Sie wählte ein Land "mit einer langen, hässlichen Geschichte und so wenig Gegenwartsgeschichte wie möglich".

Europa war zu diesem Zeitpunkt unter den Folgen radikaler Zukunftsvisionen zusammengebrochen und sein Selbstbewusstsein stark erschüttert. Bedfords Mexiko-Buch handelt auch von der Suche nach einer alternativen Kultur und nach Lebensformen, die frei vom giftigen Ehrgeiz der Moderne sind. Fasziniert studiert sie die indianische Urbevölkerung, ihr Laissez-faire, ihre Bedürfnislosigkeit und ihre religiösen Verstiegenheiten.

Man kommt in Mexiko damals noch weitgehend ohne Geld aus, und wenn es einmal nötig ist, "setzt sich der Betreffende hin und verwendet ein, zwei Tage darauf, eine Decke zu weben", dann legt er die Hände wieder in den Schoß und "sieht den Pflanzen beim Wachsen zu". Als Bedford und ihre Begleiterin der Einladung Don Otavios auf seine Hazienda am Chapalasee folgen, machen sie es den Indios nach. "Man tut alles für uns", schreibt sie von diesem "halkyonisch schönen Leben" unter Paradiesvögeln, Kamelien und Rosen, "wir sind wie heilige Tiere." Siebzehn Dienstboten lesen ihr jeden Wunsch von den Lippen ab, doch Otavio selbst kommt nur zu höflichen Kurzbesuchen und Bridgepartien vorbei; als Residuum spanischer Feudalstrukturen versteht er sich auf die Stilisierung der Muße.

Trotz aller englischen Lebensart wird es Bedford im Paradies bald zu viel. Mit britischem Instinkt für die unentweihte Idylle scheut sie keine Mühen und geht jeder Empfehlung in alten Baedekern nach. Sie begibt sich auf abenteuerliche Ausflüge mit episch verspäteten Zügen, Überlandbussen und unzuverlässigen Privatfahrzeugen, die im Dschungel elendig scheitern. Ihr Fatalismus ist bewundernswert. In der Not nähert sich ihre Weltläufigkeit überraschend der Gottergebenheit der indianischen Ureinwohner an. "Wenn sie nur über ihre Stunden der Trägheit und der Einsamkeit sprechen und enthüllen könnten, ob in ihrem starren Blick Leere oder Vision ist."

Auch wenn "Zu Besuch bei Don Otavio" das erste Buch der Vierzigjährigen ist, gehören zu seiner rhetorischen Ausstattung doch schon alle Tonlagen, die es nach dem Ende der Illusionen in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts braucht: Sarkasmus, trockener Humor, Understatement und eine lustvolle Abgeklärtheit, die an der Absurdität der Situationen wächst. Nach einem besonders opferreichen Reisetag sind ihre Nerven aus übergroßer Müdigkeit "dem unmittelbaren Kontakt mit der Welt ausgesetzt". Der schweifende Geist nimmt "alles klar, doch leer" auf und absorbiert die Schönheit "durch Osmose".

Der Autorin gelingt es in ihrem Mexiko-Buch immer wieder, die Mentalität des Landes osmotisch zu transkribieren. Es ist eine Art von zweiter Naivität, die man im Englischen mit dem Ausdruck "tongue in cheek" bezeichnet, durch die sie sich vor jedem überstürzten Urteil schützt. Gerade ihre Gelassenheit ist ein ideales Medium für das latent Bedrohliche der südamerikanischen Kultur. Deren aus Hitze, Dürre und katholischem Inquisitionsgeist geborene Todesaffinität offenbart sich in Schokoladentotenköpfen, die zu Allerheiligen in den Konditoreiauslagen liegen, im ungesicherten Fahrstuhlschacht, der abrupt am Ende eines Hotelflurs gähnt, und in einem Restaurant, das geöffnet ist, obwohl der Besitzer im Sterben liegt und die Kellner den Rosenkranz beten. Phänomene dieser Art bereiten uns geradezu novellistisch auf den lakonisch erzählten Höhepunkt ihrer morbideren Erlebnisse vor: Als ein betrunkener Passagier sich bei seinen Mitreisenden unbeliebt macht, werfen die ihn kurzerhand aus dem fahrenden Bus. Während die Erzählerin fassungslos das Opfer betrachtet, das verkrümmt in seinem Blut liegt, ertönt im Bus nur schallendes Gelächter.

Die Kehrseite der an Weisheit grenzenden mexikanischen Indifferenz sind, wie Bedford bemerkt, Grausamkeit und Gefühlsarmut. Spätestens hier beginnt man zu ahnen, dass sie an ihrem Reiseland weniger die exotische Fremde als das Vexierbild ihrer Heimat interessiert. Im Gleichmut der zu allen Zeiten von der Geschichte Verratenen spiegelt sich die Betäubung derer, die 1945 ans Ende der Geschichte gekommen sind. Im Aufflackern sadistischer Impulse wiederum, wie sie die Busepisode demonstriert, glaubt Bedford die "asketische Strenge eines emporgestiegenen maurischen Preußen" auszumachen.

Doch schon die preußisch strengen Spanier trafen in Mexiko auf einen verwandten Geist: "Wären die Nazis nicht so billig, nicht so ohne jeden Geschmack, wäre ihr Hang zur Selbstdramatisierung nicht so wagnerianisch gewesen - so hätten sie gebaut", schreibt Bedford über die Tempelruinen von Mitla. In Puebla besucht sie ein katholisches Kloster, das nach dem Reformgesetz von 1857 "in den Untergrund" ging. Dreiundachtzig Jahre lang frönten die Nonnen hinter Wänden und in lichtlosen Kammern heimlich weiter ihrer Ordenspraxis - ein "Schauplatz unfassbarer menschlicher Glaubensstärke", schreibt die Autorin und überlässt dem Leser Assoziationen, die die Verfolgten des NS-Regimes betreffen.

Erst vor diesem Hintergrund gewinnt die Euphorie ihre ganze Bedeutung, die Sybille Bedford in der Höhenluft von Mexiko-Stadt erfasst. Es ergeht ihr "wie dem Fremden auf der Party, dem an der Tür ein übergroßes Glas Champagner gereicht worden ist, man treibt in unsicherer Seligkeit die Straßen dahin". Es mag der Atmosphäre zuzuschreiben sein, dass "Zu Besuch bei Don Otavio" so aphoristisch und pointenreich ist. Dem Einfluss des schwerelosen Klimas verdankt die Autorin eine rauschhafte Nüchternheit, die ihre Notizen noch geistreicher macht. Ihre Beobachtungsschärfe verfällt in ein Stakkato atemloser Auflistungen, komponiert mit souverän aquarellierender Feder Gesprächs-Pastiches und stenographiert Ereignisse, die sich nach langer Ruhe entladen.

Don Otavio ist nicht viel mehr als ein McGuffin in ihrem impressionistischen Reiseroman. Doch er spielt eine donquichotteske Rolle in dem einzigen Handlungsstrang, zu dem dieses sinnliche Buch sich aufrafft und der mit dem Plan zu tun hat, die entlegene Hazienda in ein Grandhotel zu verwandeln. Der Leser steht hier von Anfang an auf der Seite der allwissenden Erzählerin, die den Ausgang ahnt und sich nicht die Mühe macht, von den drohenden Touristenscharen alarmiert zu sein. Ihr sanft ironischer Ton lässt keinen Zweifel, dass ihre patriarchalisch-britische Seelenruhe dem Patriarchen Don Otavio noch immer überlegen ist. Postkoloniale Hauteur ist das feinste Parfum, das zwischen den Seiten versprüht wird.

Damit einher geht das mäßig schlechte Gewissen derer, die auf der Sonnenseite einer zum Stillstand gekommenen Geschichte gelandet sind. Dem Land fehlt die Mittelschicht, konstatiert Sybille Bedford, und damit das Agens geistigen Lebens. Ein Manko, das Mexiko zum idealen Ausflugsort für pflegebedürftige Liberale macht. Wie nah der Erzählerin ihre Erlebnisse gehen, unterstreicht eine schwere Virenerkrankung, die sie in Don Otavios Obhut übersteht. Man kann die mexikanische Reise der geborenen Berlinerin auch als eine subtile Form des Exorzismus lesen. Das Ergebnis der Rosskur ist ein hedonistisches Nirwana. "Wir waren niemals so frei gewesen", schreibt sie über die Tage am Chapalasee, "alles andere blieb zwischen diesen Vögeln, Früchten und Blumen in der Schwebe - Sorge, Geld, Liebe; die Geschicke von Freunden, die trübselige Politik, vielleicht wir selbst."

Sybille Bedford: "Zu Besuch bei Don Otavio".

Eine mexikanische Reise. Aus dem Englischen übersetzt von Christine Spiel. Mit einem Vorwort von Bruce Chatwin. SchirmerGraf Verlag, München 2007. 430 S., geb., 24,80 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Begeistert hat Rezensentin Susanne Mayer dieses erste bedeutende und "beglückende" Reisebuch von Sybille Bedford von 1953 wieder gelesen, das aus Sicht der Rezensentin der Grundstein für ihre nächsten Romane war. Bedford verarbeite hier Postkarten an Freunde ebenso, wie Reiseeindrücke und Erinnerungen - und zwar mit einer Lässig- und Leichtigkeit, die die Rezensentin auch ein halbes Jahrhundert später noch zum Schweben bringen. Manche Kapitel seien Monologe, andere entfalten wieder ein atemberaubendes impressionistisches Erzähltempo. Es gebe "wundervolle Porträts", zum Beispiel des titelgebenden Gastgebers Don Otavio. Und werde packend über Landschaft, Architektur und Menschen erzählt, und zwar mit ausgesprochen "amüsiertem Übermut", der sichtlich ansteckend auf die Rezensentin wirkt.

© Perlentaucher Medien GmbH