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Bücher über Kunst werden heute gerne reich illustriert. Dieser Brauch ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Welche Reproduktionsverfahren man bevorzugte, wie Bilder und Texte zueinander fanden, wie mit Abbildungen argumentiert wurde, ist Thema dieser Publikation. Untersucht wurden wissenschaftliche wie populäre Werke zur Kunstgeschichte, bescheidene wie technisch anspruchsvolle und teure Reproduktions- und Druckverfahren vom Kupferstich über Lithografie, Holz- und Stahlstich bis zur Rasterfotografie. An Beispielen aus dem Bereich der Überblicksdarstellung, der Baumonografie und des…mehr

Produktbeschreibung
Bücher über Kunst werden heute gerne reich illustriert. Dieser Brauch ist das Ergebnis einer langen Entwicklung. Welche Reproduktionsverfahren man bevorzugte, wie Bilder und Texte zueinander fanden, wie mit Abbildungen argumentiert wurde, ist Thema dieser Publikation. Untersucht wurden wissenschaftliche wie populäre Werke zur Kunstgeschichte, bescheidene wie technisch anspruchsvolle und teure Reproduktions- und Druckverfahren vom Kupferstich über Lithografie, Holz- und Stahlstich bis zur Rasterfotografie. An Beispielen aus dem Bereich der Überblicksdarstellung, der Baumonografie und des Galeriewerks entsteht so ein Gesamtbild der kunsthistorischen Buchproduktion von der Mitte des 18. bis in die ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts.
Autorenporträt
Katharina Krause ist Professorin an der Philipps-Universität Marburg. Forschungsschwerpunkt sind die Bildkünste in Süddeutschland (15./16. Jh.) sowie französische Kunst und Architektur vom 16. bis zum 19. Jahrhundert.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 29.11.2005

Das Ende der Beschreibung
Wir kennen immer mehr Bilder, die wir nicht kennen: Ein Buch über die parasitäre Geschichte der Kunst-Abbildung
Lord Duveen, der legendäre Kunsthändler, welcher die amerikanischen Milliardäre mit Gemälden italienischer Meister ausstattete, sandte Henry Ford ein Album mit Fotografien der schönsten Werke in seinem Lager und hoffte auf ein großes Geschäft. Ford dankte ihm für das kostbare Geschenk und schrieb: Da er nun diese ausgezeichneten Abbildungen besitze, erübrige sich der Erwerb der Originale. Diese Anekdote erhellt nicht nur den sprichwörtlichen Geiz des Autofabrikanten, sondern auch den naiven Glauben, dass die Reproduktion eines Gemäldes als vollgültiger Ersatz des Originals dienen könne. Dieser Glaube war und ist weit verbreitet. In Abbildungen wurden die berühmtesten Werke zum Hausschatz des bürgerlichen Kunstfreundes, der sich einen originalen Raffael oder Rembrandt nicht leisten konnte.
Seit Erfindung der ersten Printmedien für Reproduktionen des Holzschnitts und des Kupferstichs sind die Kunstwerke ihrer Singularität beraubt und führen ein zweites, vagierendes Dasein in den mit Ehrgeiz und Geschäftssinn vertriebenen Abbildungen. Nicht feiner, aber immer täuschender wurden die Techniken der Reproduktion; dem Stich folgte die Lithografie, bald die Chromolithografie, und seit Erfindung der Fotografie wurde das Vertrauen in das „Quid pro Quo” der Abbildung vollends zum positivistischen Aberglauben. Weniger in den Originalen als in den Reproduktionen sind die Kunstwerke in der Erinnerung der Gebildeten präsent. Die Kunstreise wird zur Wiedersehensfreude darüber, dass die Originale wirklich so aussehen, wie man sie so oft schon erblickt hat. Ein berühmtes grafisches Kabinett - die Wiener Albertina - hat vor einiger Zeit Faksimiles ausgestellt im seligen Vertrauen darauf, dass die Besucher diese für Originale halten würden. Henry Ford war kein einsamer Banause.
Vor siebzig Jahren hat Walter Benjamin seinen berühmten, nostalgisch-melancholischen Text „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” geschrieben. Für ihn war das Problem zwischen Original und Reproduktion noch der Auraverlust gewesen. Mittlerweile hat uns das Geschäft mit der visuellen Publicity sensibel gemacht für die Manipulierbarkeit von Bildern. Die Abbildungen, so lernen wir, haben ihre eigene, von Interessen geleitete Stilgeschichte. Sie spiegeln nicht die Originale, sondern parasitieren von ihnen, richten diese zu für den eigenen Geschmack und den Markt.
Auch die Kunstgelehrten können die Öffentlichkeit nur noch erreichen, wenn sie sich an diesem Prozess beteiligen. Sie werben um das Kunstverständnis ihrer Leser nicht nur durch Beschreibungen, sondern über die Abbildungen, welche ihre Texte zieren. Aber worüber schreiben sie? Über die fernen Originale oder über die Reproduktion auf der nächsten Seite? In der Nachbarschaft der Medien haben wir bei der Antwort auf diese Frage die Unschuld verloren: Die Geschichte der kunsthistorischen Interpretationen ist nicht von der Geschichte der Abbildungen zu trennen.
Diesen Fragen widmet sich das im traditionsreichen Seemann-Verlag erschienene Buch: „Bilderlust und Lesefrüchte”. Es ist ein stattlicher Folioband, reich illustriert mit bedachtsam ausgewählten Abbildungen aus älteren Kunstbüchern. Diese Bilder sind nicht Zierde, sondern Diskussionsthema. Es soll demonstriert werden, „wie Lithographien, Holz- und Stahlstiche, wie Fotos den Blick auf die Kunstgeschichte konditionieren.” Welche wechselnden Techniken, welche Marktstrategien, welche pädagogischen Interessen steuerten Auswahl und Inszenierung der Illustrationen? Die Spanne der Beispiele reicht vom teuren französischen Prachtband über die Kunst der Renaissance bis zum preiswerten „Blauen Buch” über „Deutsche Dome”, das ein ganzes Volk für seine monumentale Vergangenheit begeistern will.
Vor allem wird gefragt: Wie beziehen sich Bilder und Texte aufeinander? Die bilderlose Beschreibung von Kunstwerken hat eine ehrwürdige, bis ins Altertum zurückreichende Tradition. Zu dieser Tradition treten die sprechenden Bilder des illustrierten Kunstbuchs in Konkurrenz. Vielfach haben sich Kunsthistoriker zunächst gesperrt und der Illustration den Zutritt in den reinen Tempel ihrer Schriften verweigert. Aber dagegen standen die wirtschaftlichen Interessen der Verlage, die Repräsentationsbedürfnisse der Institutionen und die Wünsche des genießenden Publikums. 1897 schrieb Heinrich Wölfflin an Jacob Burckhardt: „Die Leute wollen ja eigentlich doch nur Photographien erklärt haben.” Heute kann man von Verlegern hören: Wir wollen ein Kunstbuch, das einem Film gleicht, und brauchen dazu untermalende Worte. Die Ekphrasis wird vom Markt verjagt, die Bilder reißen dem Beschreibenden die Feder aus der Hand.
Doch mit solchen Anzüglichkeiten haben wir zeitlich vorgegriffen. In dem Buch geht es um die Beispiele bis 1920. Die Gliederung ist einfach. Am Anfang stehen drei Essays. Ihnen folgt als „pièce de resistance” der Katalog mit 69 Nummern, der Entfaltung und Wandel des illustrierten Kunstbuches von den „Receuils” der Sammler bis zu den Publikationen der kunsthistorischen Professoren ausbreitet. Von den Essays ist jener über die „Technik des Abbildes”, der sich mit drucktechnischen Verfahren befasst, am gelungensten. Die beiden anderen kämpfen mit der Schwierigkeit, ein technisches Problem mit der Ideengeschichte zu verbinden, und überheben sich dabei. Aber das ist im Lande Hegels ein kunsthistorisches vitium originis.
Der Pionierleistung des Buches tut das keinen Abbruch. Der Katalog (der eine vor einiger Zeit in Mainz gezeigte Ausstellung begleitet) enthält in drei Teilen - Überblickswerke, Baumonografien, Galeriewerke - eine bisher nirgendwo greifbare Fülle von Auskünften zu den Kunstverlagen, den Techniken des Abbildungsdrucks, den Reibungen zwischen Bebilderung und Beschreibung.
Der Ritt ins Ungewisse
In der Zeit der großen Umwälzungen um 1800, die so viele Kunstwerke zerstörten, preist Seroux d’Agincourt den Stich als „diese wunderbare Erfindung, der die Erzeugnisse der Kunst ihre Unsterblichkeit verdanken”. Die Abbildung rette, was sonst ohne Spur vergehen würde. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an legt sich der Geist der Wissenschaftlichkeit auf die Kunst. Nun soll die Abbildung im Kunstbuch das Auge des Liebhabers nicht mehr zerstreuen, sondern Formen dokumentieren.
So notierte der französische Fotograf Charles Nègre 1853: „Ich habe versucht, den malerischen Anblick mit dem Studium der Details zu verbinden, nach welchem die Archäologen verlangen”, und der preußische Kunsthistoriker Franz Kugler schreibt 1857, die Lithografie habe der Phantasie noch Spielraum gelassen. „Die Photographie mit ihrer stoischen Strenge ist das eigentliche Mittel der wissenschaftlich historischen Darstellung”. Im Zeichen des beginnenden Positivismus gehen exakte Deskription und angeblich teilnahmslose Abbildung eine pathoslose Verbindung ein. Doch die spätere Entwicklung straft die Unschuld der Fotografie im Kunstbuch Lügen; es entstehen neue Allianzen zwischen theatralischem Lichtbild und schlieriger Ekphrasis. In einem Buch über den Bamberger Dom schreibt der Fotograf Walter Hege 1927: „In magischer Schönheit reitet der Reiter ins Bild”, der Kunsthistoriker Wilhelm Pinder raunt vom „Führer ins Ungewisse”.
Ein neues Kapitel der Rezeptionsgeschichte ist aufgeschlagen. Nicht nur in den Worten der Forscher und Kitharöden, auch im schillernden Spiegel der Abbildungen geistert das Nachleben der Kunstwerke.
WILLIBALD SAUERLÄNDER
KATHARINA KRAUSE, KLAUS NIEHR, EVA-MARIA HANEBUTT-BENZ (Hrsg.): Bilderlust und Lesefrüchte. Das illustrierte Kunstbuch von 1750 bis 1920. E. A. Seemann, Leipzig 2005. 384 Seiten, 39,90 Euro.
Zweimal die Heilige Elisabeth von Hans Holbein dem Älteren: in der Münchner Alten Pinakothek (links) und als Lithographie in Johann Christian von Mannlichs Galeriewerk der wittelsbachischen Gemäldesammlungen, das 1817/1821 in zwei Bänden erschien.
Fotos: Bridgeman Art Library (links); aus d. besprochenen Band
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Nicht feiner, aber immer täuschender" sind die Techniken der Reproduktion geworden, instruiert uns der Kunsthistoriker Willibald Sauerländer, und vor allem immer verbreiteter. Auch die "Geschichte der kunsthistorischen Interpretationen" meint Sauerländer von der Geschichte der Abbildungen nicht mehr trennen zu können. Denn worauf beziehen sich Texte in Kunstbänden: auf die Originale oder die die abgebildeten Reproduktionen? Dass sich der Band "Bilderlust und Lesefrüchte" dieser Fragen annimmt, hält Sauerländer für eine echte Pionierleistung. Anhand verschiedener Beispiele (vom französischen Prachtband über die Renaissance bis zu den "Blauen Bücher") geht er den Fragen nach, "welche Techniken, welche Marktstrategien, welche pädagogischen Interessen" zeichnen für Auswahl und "Inszenierung der Illustration" verantwortlich. Als Beispiel für eine "neue Allianz zwischen theatralischem Lichtbild und schlieriger Ekphrasis" nennt er etwa Abbildungen vom Bamberger Reiter. Der Band beschränkt sich auf die Zeit bis 1920, informiert Sauerländer noch, seine drei Essays überheben sich vielleicht ein wenig, haben in der Sicht des Rezensenten jedoch ein neues Kapitel in der Rezeptionsgeschichte aufgeschlagen.

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