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Bis nach Chile und in die trockenste Wüste der Welt - eine junge Frau macht sich auf den Weg, sich von allem zu befreien. Ein außergewöhnlicher Roman voller skurriler Gestalten; eine Geschichte über das Fremdsein, das Befremden und die Freundschaft.

Produktbeschreibung
Bis nach Chile und in die trockenste Wüste der Welt - eine junge Frau macht sich auf den Weg, sich von allem zu befreien. Ein außergewöhnlicher Roman voller skurriler Gestalten; eine Geschichte über das Fremdsein, das Befremden und die Freundschaft.
Autorenporträt
Schröder, BrittaBritta Schröder, geboren 1971 in Ratingen, Studium der Kunstgeschichte, Archäologie und italienischen Literatur. Veröffentlichungen über moderne und zeitgenössische Kunst. Sie lebt in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.10.2012

Mimose,
messerscharf
Britta Schröder erzählt glasklar
von einem unklaren Dasein
Die junge Frau, Venia, kam eines Tages aus der Universität zurück und sprach nicht mehr. Kommilitoninnen berichten, sie habe einen Satz angefangen: „Je mehr ich dazulerne, desto weniger. . . “ Seitdem schweigt sie. Wäre der Satz vollendbar, gäbe es möglicherweise diesen Roman nicht. Denn genau um das „desto weniger“ kreist das schmale Debüt von Britta Schröder – um einen Zustand zwischen Apathie und Aggression, zwischen Aufgabe und Selbstermunterung; um verschiedene Stufen von Paralyse und Daseinsverweigerung, die in den unterschiedlichen Figuren gespiegelt werden. Und letztendlich um die Abspaltung des erzählenden Ichs von der Welt, was keineswegs bedeutet, dass „Zwölfender“, so der Titel, in einer Art von innerer Gegenbewegung ein Sinnsucher-Buch wäre.
  Es scheint vielmehr, als habe Britta Schröder eine Darstellungsmöglichkeit für ein unstetes Bewusstsein gefunden, in dem das übliche Reiz-Reaktions-Schema durcheinandergeraten ist; ein Bewusstsein, dass für sich selbst permanent Bedeutung und Sinn schaffen muss, um beides umgehend wieder aufzulösen. „Ich versuche“, so sagt es die Ich-Erzählerin zu den beiden Brüdern der verstummten Frau, „mich zu vergessen. Erst erinnern, dann vergessen.“
  Das Handlungsgerüst, das Schröder um ihre Protagonistin herum aufbaut, mag sich durchaus noch als realistisch beschreiben lassen: Am Beginn steht ein Besuch beim Vater. Die Beziehung ist offenbar problematisch; nach Jahren des Schweigens (auch hier also) bringt die Ich-Erzählerin sogar einen Blumenstrauß mit, von der Tankstelle, wohlgemerkt. Doch etwas läuft schief, „schwer zu sagen, was mich härter traf: seine oder meine Verachtung“. Schließlich nimmt die Tochter ein Küchenmesser und rammt, nein: schiebt es dem Vater in den Leib. Nicht einmal vier Seiten braucht Britta Schröder für diese Szene, und doch steckt so viel darin.
  Die Sprache von „Zwölfender“ ist knapp, sparsam und zweifellos bis in jedes Wort hinein durchgearbeitet. Nach ihrer Tat ruft die junge Frau, von der man nebenher erfährt, dass sie Restauratorin ist, einen Krankenwagen und geht auf Reisen: Erst Florida, dann Südamerika. Sie macht Bekanntschaften, sie passieren ihr so einfach; streng genommen ist sie ein Medium, durch das die Dinge und die Menschen hindurchfließen.
  Der Text hat etwas schwer Greifbares, Schwebendes, das noch durch die Träume der Erzählerin unterfüttert wird, die geprägt sind von surrealen Motiven. Wo die Träume sind, ist auch der Tod stets nicht weit. Während eines Bades im Meer, das beinahe mit dem Ertrinken endet, steigt die Imagination eines Theatersaals empor, aus dem erwartungsvolle Gesichter in Richtung Bühne blicken. Der Reiz der Grenzerfahrung ist einer der Antriebe: Drei Tage lang durchwandert die Ich-Erzählerin die Atacamawüste, die trockenste Wüste der Welt. Doch die Gore-Tex- und Wanderschuh-Lebenstauglichkeit, die die gut gelaunten Trekkingführer ausstrahlen, eine allgemeine Existenzimprägniertheit, geht ihr völlig ab. Hier konfrontiert sich ein Ich mit Situationen, denen es nach den Maßstäben der Normalität nicht gewachsen ist. Das ist keine Spielerei.
  „Zwölfender“ erzählt in einem glasklaren Ton von einem unklaren Dasein. Dass dieses Dasein sich selbst und uns bis zum Ende rätselhaft bleibt, ist nur konsequent – je mehr man darüber erfährt, desto weniger
. . .
CHRISTOPH SCHRÖDER
  
Britta Schröder: Zwölfender. Roman. Verlag Weissbooks, Frankfurt am Main 2012. 156 Seiten, 16,90 Euro.
Unter vollimprägnierten Egos
ist da ein wundes Ich
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Nadya Hartmann empfiehlt uns den Debütroman von Britta Schröder als souveräne Erzählung eines psychologischen Befreiungsversuches. Die Protagonistin, eine Restauratorin, erfahren wir, löst sich aus "vernarbter" Vaterliebe und aus eigenen Blockierungen, Eitelkeit, Einsamkeit. Dafür, dass der Prozess der Selbstfindung als Roman gelingt, sorgt laut Hartmann der Rückgriff auf Sartre sowie eine uneitle Sprache und die Kunst der Einfühlung, die die Autorin in Hartmanns Augen beherrscht.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.12.2012

Eitle Krücke
Mit der Hand denken: Britta Schröders Romandebüt

Ich habe die wichtigsten Dinge im Leben greifend begriffen", sagt die Ich-Erzählerin gleich zu Beginn des Romans. Hände spielen eine wichtige Rolle in Britta Schröders Debüt. Es sind Hände, die Holzscheite wiegen, Gips anrühren und die zähe Geschmeidigkeit von Silikon prüfen. Die Protagonistin ist Restauratorin, und so viel wir über ihre Liebe zum Handwerk erfahren, so blass und namenlos bleibt sie als Person. Ihre Hände dagegen werden minutiös beschrieben. Sie sind ihr Werkzeug und der Zugang zu einer Welt, die ihrem Griff abhandenkommt. Ihre Hände fassen zu, "als gäb es keinen Zweifel". Diese Kraft ist ihr unheimlich, so wie die Welt ihr unheimlich ist. Es ist ein Roman über das Loslassen, der danach fragt, wie man die Welt und sich selbst darin zu fassen bekommt. Ein Blick auf die junge Gegenwartsliteratur und man mutmaßt, dass die Wahrscheinlichkeit einer gelungenen Selbstfindung der Figuren proportional zum Alter des Autors sinkt. Britta Schröder ist 1971 geboren, das lässt hoffen.

Und manchmal scheint es tatsächlich so, als neige die Erzählerin zur Tatkraft. Zugegeben, sie würde niemals auf den Tisch hauen, da ein surrender Schmerz ihr eine Narbe an der rechten Hand in Erinnerung riefe. Und doch beginnt der Roman mit einer Tat, deren Ausführung entschiedener nicht sein könnte. Nach Jahren des Schweigens sucht sie ihren Vater auf, der sich nach einem Streit von ihr abgewandt hatte. Seine Eitelkeit nagt an ihr, die Gleichgültigkeit derer, die wir bereit sind zu lieben, ist unerträglich. Natürlich geht das Treffen nicht gut aus. Aber dass es so katastrophal endet, erwartet der Leser nicht. "Ich versuchte, den Mann vor mir von meiner Geschichte zu trennen. Es glückte mir nicht, er war mir zu ähnlich." Weniger sie selbst als vielmehr ihre Hände scheinen entschlossen, und die junge Frau sticht dem Vater ein Messer in den Bauch. Ihr Kommentar: "Ich sah, dass er am Leben nicht hing." Hinter seiner Eitelkeit liegt nur Leere.

Ablehnung ist eine Wunde, die nur schwer heilt, und Verarbeitung und Verdrängung sind einander ähnlicher, als man meint. Und denken ist ohnehin nicht das, was die Protagonistin will. Im fremden Chile möchte sie "vergessen. Erst erinnern, dann vergessen." Dort angekommen, teilt sie ihre Fremdheit mit verschrobenen Sonderlingen: Merce geht auf einer Krücke und hält die Menschen mit seiner Tobsucht auf Abstand, Venia hat aufgehört zu sprechen und treibt ihre Familie in stille Verzweiflung. Wenn nichts mehr verlässlich scheint, definiert man sich durch die eigene Verlassenheit. Dass in der Demonstration der eigenen Isolation jedoch viel Eitelkeit liegt, schwant auch der Erzählerin. Sie erinnert sich an Nächte allein in Bars, an denen sie ihre Einsamkeit "herzeigte". "Verdächtig eitel", komme ihr das im Nachhinein vor, "kokett, irgendwie, und undankbar. Denn ich war nicht allein."

Im Gespräch mit Merce wirft sie schließlich die Frage auf, ob wir nicht vielleicht doch die seien, für die man uns halte. "Unser Sein erleidet einen kläglichen Abfluss ins Tun", winkt er trotzig ab, "niemand ist mit sich identisch." Man meint, Sartre bitter auflachen zu hören. Und auch der Erzählerin kommen Zweifel: "Was wir tun und sagen, wie wir sprechen, uns bewegen und Entscheidungen treffen. - All das formt doch ein Bild, das Aufschluss gibt?"

Wenn die Identitätssuche zu einem Kreisen um sich selbst gerät und die Identifikation mit Idealen an einer vernarbten Vaterliebe scheitert, muss früher oder später eine Entscheidung fallen. Ein Befreiungsakt der Protagonistin besteht zunächst darin, alles wegzuwerfen, nur noch das Nötigste zu besitzen. Die Bürde der Freiheit steht auch im Zentrum der existentialistischen Philosophie. Der Mensch ist nicht nur frei zu entscheiden, er ist auch dazu verpflichtet. Die Existenz geht der Essenz voraus, der Mensch entwirft sich selbst und trägt die Verantwortung für sein Handeln. Sartre schreibt: "Und wenn wir sagen, dass der Mensch für sich selbst verantwortlich ist, so wollen wir nicht sagen, dass der Mensch gerade eben nur für seine Individualität verantwortlich ist, sondern dass er verantwortlich ist für alle Menschen." Wie nun sieht der Selbstentwurf der Erzählerin aus?

"Man muss sich einfach verlassen", denkt sie bei einem Trip durch die Wüste. Und so verscheucht sie die Erkenntnis, dass ihre selbstgewählte Isolation nicht nur eitel, sondern auch verletzend für diejenigen ist, die sich um sie bemühen. In einem zweiten Erzählstrang entgleitet sie der Welt durch ihren Kleiderschrank. Sie wählt denselben Weg wie Merce, dessen Invalidität auch nur Show ist. Die Krücke ist sein Vorwand, keinen Schritt voranzukommen. Er umklammert sie wie die Einsamkeit, die sich "als das Einzige erwies, das Merce an sich zuverlässig wiedererkannte".

Die Autorin Britta Schröder beherrscht die Kunst der Einfühlung, und das Metier ihrer Hauptfigur ist auch ihres. Behutsam wie eine Restauratorin legt sie die Eitelkeit hinter der Einsamkeit bloß. Dass der Erzählung trotz allem etwas Handfestes innewohnt, mag an der erfrischend uneitlen Sprache liegen. Das Debüt von Britta Schröder zeichnet aus, was der Protagonistin fehlt: Souveränität.

NADYA HARTMANN

Britta Schröder: "Zwölfender".

Roman.

Weissbooks Verlag, Frankfurt am Main 2012. 156 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Rezensent Christoph Schröder sieht in Britta Schröders Debütroman "Zwölfender" die sehr gelungene Darstellung eines "unsteten Bewusstseins", das nicht nur für sich selbst, sondern auch für die Leser ein Rätsel bleibt. Das nacherzählbare Erzählgerüst gibt der Rezensent als die Geschichte einer jungen Frau wieder, die ihren Vater mit dem Messer attackiert, sich dann auf ausgedehnte Reisen begibt, bei denen sie auf extreme Landschaften und viele Menschen trifft. Der schmale Roman mischt surreale Motive mit einer geschliffen klaren Sprache, die diese schwierige Existenz faszinierend darstellt, ohne dass sie ihrer Rätsel enthoben würde, lobt Schröder, der sich davon offensichtlich hat beeindrucken lassen.

© Perlentaucher Medien GmbH