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Seit jeher ist nicht nur das Leben in den Anderswelten der Utopie, sondern auch das Leben in ersten und letzten Räumen Thema der Literatur. Ob wir in Arkadien, in Faery oder Narnia unterwegs sind; ob auf Bauernhöfen, im Gebirge oder auf dem Gottesacker; ob allein oder in Begleitung, ob mit Menschen oder Tieren: Die Frage nach dem Jenseits und den Wegen dorthin bestimmt Schreibweisen und Lebensformen in Texten der Renaissance wie im 21. Jahrhundert. Dieses Buch zeigt, welche Räume für letzte Dinge gesucht und erfunden und wie ihr Schrecken und ihre Schönheit figuriert worden sind. Verena O.…mehr

Produktbeschreibung
Seit jeher ist nicht nur das Leben in den Anderswelten der Utopie, sondern auch das Leben in ersten und letzten Räumen Thema der Literatur. Ob wir in Arkadien, in Faery oder Narnia unterwegs sind; ob auf Bauernhöfen, im Gebirge oder auf dem Gottesacker; ob allein oder in Begleitung, ob mit Menschen oder Tieren: Die Frage nach dem Jenseits und den Wegen dorthin bestimmt Schreibweisen und Lebensformen in Texten der Renaissance wie im 21. Jahrhundert. Dieses Buch zeigt, welche Räume für letzte Dinge gesucht und erfunden und wie ihr Schrecken und ihre Schönheit figuriert worden sind. Verena O. Lobsien entwirft Grundzüge einer Topopoetik und Jenseitästhetik von Thomas Morus bis W.G.Sebald. Sie erkundet ihre Spielarten und Texten von Edmund Spenser, C.S. Lewis, John Bunyan, Sibylle Lewitscharoff, Philip Sidney, C.F. Ramuz, Felicitas Hoppe und anderen.
Autorenporträt
Verena O. Lobsien, ist Professorin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie lehrt und forscht zu Themen der Englischen und der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft. Von ihr erschienen u.a. "Skeptische Phantasie" (1999), "Die unsichtbare Imagination" (mit Eckhard Lobsien, 2003) und "Transparency and Dissimulation" (2010).
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Der Arbeit fehlt zwar die ganz große Synthese, laut Mark-Georg Dehrmann kommt das Buch von Verena O. Lobsien aber auch ganz gut ohne aus. Was Literatur sein kann, erfährt der Rezensent immerhin anhand der enthaltenen Einzelinterpretationen und mutigen Parallellektüren von Texten aus ganz verschiedenen Zeiten (so von Lewitscharoffs "Blumenberg" und Spensers "The Faerie Queen"), unter dem Gesichtspunkt des Jenseitsbegriffs. Von der Renaissance bis heute spannt die Autorin den roten Faden, dringt laut Dehrmann aber vor allem tief in die einzelnen Werke vor. Wenn das immerhin mögliche Ziel einer Poetik des Jeinseitigen dabei ein bisschen auf der Strecke bleibt und die Autorin stattdessen Motive und Strukturen aufzeigt, so zeigt sich der Rezensent dennoch beglückt und inspiriert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2012

Das Dort und
das Hier
Verena O. Lobsiens Studie
zur „Jenseitsästhetik“
Jenseits – der Begriff verweist nicht nur vom „Hier“ auf ein „Dort“. Er gibt zugleich zu verstehen, dass jenes Dort an einem abgetrennten Ort liegt. Zwischen ihm und uns liegt eine Grenze, und sie wird nicht leicht zu übersteigen sein. Ein Jenseits lässt sich erhoffen, man kann über es reflektieren, es imaginieren. Dies wird jedoch immer in Begriffen und Formen geschehen, die dem „Hier“ entnommen, an das ‚Diesseits‘ gebunden sind.
  Jenseitiges ist nicht nur die Angelegenheit von Religion und Philosophie. Eminent gehört es auch der Literatur an. Wie dort dieses Jenseits erscheint, ist die Frage, die Verena Lobsien in ihrer umfangreichen Studie „Jenseitsästhetik“ stellt. Denn statt durch begriffliche Spekulation bringt die Literatur ihre Jenseitswelten ästhetisch, also in wahrnehmbarer Form zur Erscheinung. Sie imaginiert, und damit verkörpert sie das, worüber sie nachdenkt. Sie macht, wie Lobsien pointiert formuliert, das Nichterscheinende in der Welt des Erscheinenden erfahrbar.
  Diese Erfahrung ist nicht identisch mit dem festen, unerschütterlichen Glauben der Religion. Denn was die Literatur vergegenwärtigt, bleibt ein „als ob“. Um mit der berühmten Formulierung des englischen Romantikers S. T. Coleridge zu sprechen: Wenn der Leser seinen Unglauben gegenüber dem literarisch Erfundenen willentlich zurückstellt, dann lässt er sich auf die Erfahrungsmöglichkeiten der Fiktion ein. Aber Imaginationen bleiben sie doch.
  Ein literarisches Jenseits erscheint daher besonders für den modernen Leser attraktiv: Es bleibt gleichsam diesseits der Wahrheitsansprüche von Religionen und Philosophien. Daher kann die Literatur offener über das Trost- und Orientierungsbedürfnis des Menschen in einer kontingenten Welt nachdenken. Weil sie ästhetische Erfahrung bietet, kann sie aber zugleich auf undogmatische Weise Trost und Orientierung vermitteln.
  Von diesem Gesichtspunkt aus blickt Lobsien auf Werke von der Renaissance bis in die Gegenwart. Ihr erstes Beispiel zeigt, dass sie „Jenseits“ in einem weiteren Sinne versteht als dem engen, christlichen eines Lebensraums nach dem Tode. Die „Utopia“ des Thomas Morus vom Beginn des 16. Jahrhunderts war insgesamt modellbildend für die Imagination von Räumen, die der gegenwärtigen Welt als Idealmodell entgegengestellt wurden. Neben dem utopischen Ort analysiert Lobsien auch den pastoralen Raum, den Theokrit und Vergil zum Bild eines naturverbundenen Lebens im goldenen Zeitalter gemacht hatten. Philip Sydney greift dieses Modell im 16. Jahrhundert auf, der Schweizer Charles-Ferdinand Ramuz im zwanzigsten, Felicitas Hoppe in unserer unmittelbaren Gegenwart.
  Als Jenseitswelten analysiert Lobsien das allegorische Land der Feen, das Edmund Spenser in seinem ausufernden elisabethanischen Epos „The Faerie Queene“ entwirft, und die christlich-heilsgeschichtliche Gegenwelt Narnia im modernen Romanzyklus von C. S. Lewis. Den allegorischen Weg in ein gleichfalls allegorisches Jerusalem skizziert sie in einer Deutung von John Bunyans „The Pilgrim’s Progress“. Eine glänzende Interpretation schließlich widmet Lobsien einem der faszinierendsten deutschen Gegenwartsromane: Sibylle Lewitscharoffs „Blumenberg“.
  So geht dieses Buch zwar vom Stichwort der Jenseitsästhetik aus. Statt ideen- und literaturgeschichtliche Überblicke zu bieten, dringt es aber tief in die Werke ein. Der systematische Ertrag der Studie gerät dabei etwas ins Hintertreffen, zumal das Buch ihn erst ganz am Ende in einem recht knappen Abschlusskapitel zusammenträgt. Manches, das Lobsien als Eigenschaft der Jenseitsästhetik beschreibt, lässt sich für größere Teile epischer Kunst in Anspruch nehmen – so etwa der Entwurf einer fiktionalen Welt, die in einem gewissen Spannungsverhältnis zur realen steht und damit die Reflexion über sie stimuliert. Anderes wieder erweist sich als roter Faden, der zumindest einige der besprochenen Werke zusammenhält, so etwa die Verwendung von Allegorien. Das Buch entfaltet nicht so sehr eine modellhafte Poetik. Es deckt vielmehr ein Geflecht von Strukturen und Motiven auf, lässt Familienähnlichkeiten sichtbar werden.
  In diesem Verzicht auf die große Synthese liegt aber auch ein Gewinn. Mit Freude versenkt man sich in die engagierten Interpretationen. Sie belegen schlagend, dass sich diese komplexen Texte nicht so einfach über einen Kamm scheren lassen. Wenn die überraschend kombinierten Werke immer wieder miteinander kommunizieren, vermitteln sie eine der schönsten Grunderfahrungen, die die Literatur bereithält. Sinn erschließt sich dem geduldigen, genauen Leser, der sich auf die einzelnen Werke einlässt. Und Sinn entsteht dann, wenn man den Mut hat, beispielsweise Lewitscharoffs „Blumenberg“ Seite an Seite mit Spensers gut vierhundert Jahre altem Epos zu lesen. Wer sich von der Literatur Orientierung und vielleicht auch Trost verspricht, tut gut daran, sich eigene Wege durch ihre vielfältigen Länder zu bahnen. Wie das gehen kann, führt diese Studie vor.
MARK-GEORG DEHRMANN
  
Verena O. Lobsien: Jenseitsästhetik. Literarische Räume letzter Dinge. Berlin University Press, Berlin 2012. 437 Seiten, 34,90 Euro.
Statt durch begriffliche
Spekulation führt die Literatur
das Jenseits ästhetisch vor Augen
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