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Werner Stiller alias Doppelagent "Schakal"
Es war die größte Niederlage des Ministeriums für Staatssicherheit: Im Januar 1979 wechselte Oberleutnant Werner Stiller die Seiten. Der Agentenführer von Markus Wolfs Auslandsaufklärung floh mit einem Koffer brisanter Unterlagen in den Westen und enttarnte 70 DDR-Spione. Der Verratsfall löste hektische Ermittlungen im MfS aus. Erich Mielke wollte Stiller um jeden Preis finden, ihn zurückholen oder vor Ort hinrichten lassen. Der Bundesnachrichtendienst schützte seine Quelle rund um die Uhr, übergab Stiller aber schließlich an die CIA, da er in…mehr

Produktbeschreibung
Werner Stiller alias Doppelagent "Schakal"
Es war die größte Niederlage des Ministeriums für Staatssicherheit: Im Januar 1979 wechselte Oberleutnant Werner Stiller die Seiten. Der Agentenführer von Markus Wolfs Auslandsaufklärung floh mit einem Koffer brisanter Unterlagen in den Westen und enttarnte 70 DDR-Spione. Der Verratsfall löste hektische Ermittlungen im MfS aus. Erich Mielke wollte Stiller um jeden Preis finden, ihn zurückholen oder vor Ort hinrichten lassen. Der Bundesnachrichtendienst schützte seine Quelle rund um die Uhr, übergab Stiller aber schließlich an die CIA, da er in Europa nicht mehr sicher war. In den USA erhielt er eine neue Identität, arbeitete als Peter Fischer bei Banken in New York, London und Frankfurt. Er verdiente Millionen und verlor sie wieder. Werner Stiller berichtet erstmals freimütig über sein gefährliches Leben in der Welt der Geheimdienste von Ost und West. Er ist einer der wenigen, die die verschiedenen Dienste von innen kennen und miteinander vergleichen können.
Autorenporträt
Werner Stiller: Jahrgang 1947; Physikstudium in Leipzig; ab 1972 hauptamtlicher Mitarbeiter bei der Auslandsspionage des MfS; 1976 Oberleutnant; ab 1978 Doppelagent für den Bundesnachrichtendienst (BND); 1979 Flucht in die Bundesrepublik; ab 1981 Wirtschaftsstudium in St. Louis, USA; 1983-90 Investmentbanker bei Goldman Sachs in New York und London. Lebt seit Ende der 1990er Jahre als Privatinvestor in Budapest.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 05.10.2010

„Wir alle spielen unsere Spiele“
Er verhalf dem Bundesnachrichtendienst zu einem großen Erfolg: Der Überläufer Werner Stiller enttarnte Markus Wolf, den legendären Leiter der HVA.
Seine ersten Memoiren, so Stiller, seien Desinformation gewesen. Jetzt erzählt er, wie es angeblich wirklich gewesen ist  Von Hans Leyendecker
Vor achtzehn Jahren wurde der frühere ostdeutsche Agent und Überläufer Werner Stiller vom Spiegel gefragt, wann er zum ersten Mal mit dem Bundesnachrichtendienst (BND) Kontakt gehabt habe. „Das behalte ich für mich“, sagte Stiller und fügte hinzu: „Ein Schlapphut nimmt seinen Schlapphut nie ab.“
In dem fischigen Gewerbe, das von Legenden lebt und in dem Begriffe oft eine schillernde Vieldeutigkeit haben, bedeutet das Wort „nie“ also nicht wie im allgemeinen Sprachgebrauch: zu keiner Zeit, um keinen Preis. Im Geheimdienstmilieu kommt es nur auf den richtigen Zeitpunkt und auf den richtigen Preis an.
Wie es damals mit dem BND wirklich war, wie Stiller im Januar 1979 zu den Westdeutschen überlief und der Stasi die schwerste Niederlage im deutsch-deutschen Agentenkrieg zufügte und warum er in der DDR zum Staatsfeind Nummer eins wurde, erzählt der heute 63 Jahre alte Stiller in seinem Buch „Der Agent: Mein Leben in drei Geheimdiensten“. Mit Hilfe der Birthler-Behörde und dank der Recherche von Mitarbeitern des Berliner Stasimuseums standen ihm dabei rund 1800 Seiten Dokumente zur Verfügung.
Eigentlich gibt Spionagestoff viele Jahre nach Ende des Kalten Krieges kaum noch Bestseller her. Das Publikum übt Abstinenz, weil die damalige Paranoia und der damit verbundene Showdown der Sicherheitskräfte im Westen und im Osten mittlerweile selbst dem Fachpersonal fremd geworden sind. Stillers Buch ist dennoch lesenswert, weil sein Abgang damals echte Geheimdienstgeschichte schrieb und einigen in Ost-Berlin schlaflose Nächte bescherte.
Stasi-Chef Erich Mielke, ein fürchterlicher Kleinbürger, bekam einen Tobsuchtsanfall. Die Jagd nach dem Verräter Stiller, der intern die Decknamen „Schakal“ und „Pirat“ erhielt, dauerte viele Jahre und blieb erfolglos. In der DDR hätte ihm die Todesstrafe gedroht.
Bevor Stiller vor 31 Jahren in den Westen wechselte, galt das riesige Ministerium für Staatssicherheit (MfS), das nach eigener Definition Schwert und Schild der Partei war, auch im Weltmaßstab der Branche als ungewöhnlich erfolgreich. Die Ausspitzelung der Bundesrepublik durch Spione der Elitetruppe Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) war fast total. Überall hatte Ost-Berlin seine Agenten, es gab kaum eine Regierung, kaum eine Branche, die nicht ausgespäht wurde. Auch die westdeutschen Nachrichtendienste waren unterwandert und sogar im Kanzleramt oder im Allerheiligsten der Nato in Brüssel hatte Ost-Berlin seine Spione platziert. Normalerweise war das MfS, dessen Auslandsarm die HVA war, sogar über Ermittlungen der westdeutschen Spionageabwehr bestens im Bild. Den Krieg im Dunkeln, so schien es, hatte Ost-Berlin haushoch gewonnen.
Nachdem sich Stiller abgesetzt hatte, wurden aber in der Bundesrepublik Dutzende Spione der HVA festgenommen, und Ost-Berlin musste zahlreiche Agenten zurückrufen. Der Überläufer erkannte auf einem in Stockholm aufgenommenen Foto den legendären Leiter der HVA, Markus „Mischa“ Wolf, der schätzungsweise 4200 Auslandsagenten dirigierte und bis dahin als Mann ohne Gesicht galt. Damit war Wolf enttarnt.
Der Apparat der HVA war nach Stillers Abgang zutiefst verunsichert. Wem konnte man noch vertrauen, und welcher Agent im Westen konnte sich noch sicher sein, nicht von einem weiteren Überläufer enttarnt zu werden?
Der Fall des Werner Stiller galt denn auch viele Jahre lang als einer der ganz großen Erfolge des BND im stillen Wettkampf der Dienste. In Stillers erstem Buch „Im Zentrum der Spionage“, das 1986 erschien, hieß es noch, der westdeutsche Auslandsnachrichtendienst habe den Kontakt zu ihm hergestellt, und der frühere Oberleutnant habe jahrelang in der Truppe von Markus Wolf als Maulwurf gearbeitet. Alles erfunden, alles Desinformation! Der BND habe ihm bei dem ersten Werk die Feder geführt, beichtet Stiller jetzt: „Die westlichen Sicherheitsdienste hatten damals ein Interesse daran, das Ministerium für Staatssicherheit möglichst nachhaltig zu verunsichern, weshalb eine langjährige Doppelagententätigkeit vorgetäuscht wurde.“
Wahr sei hingegen, dass er vier Jahre lang vergeblich versucht habe, mit Pullach in Verbindung zu kommen. Zeitweise habe er sich gefragt, „ob ich es auf der anderen Seite wirklich mit Vollprofis zu tun habe“. Nachdem er den Kontakt mit dem westdeutschen Auslandsnachrichtendienst geradezu erzwungen habe, sei „aus übergroßer Vorsicht“ von den Pullachern „eine Dummheit nach der anderen“ gemacht worden: Deckadressen im Westen, die er erhielt, waren nicht echt, sondern nur Nachsendeadressen, die nicht taugten. Kuriere zum Abholen wichtiger Unterlagen wurden nicht geschickt, die toten Briefkästen waren feucht und rochen streng, und als Versteck für Geheimdienstmaterial sei ihm ein Zug empfohlen worden, der auf dem Gebiet der DDR nicht gehalten habe.
Die vom BND für die Ausschleusung gelieferten Papiere seien als lausige Fälschungen leicht erkennbar gewesen. Er habe sich nur mit einem von ihm selbst gefälschten Dienstauftrag absetzen können. Die Jäger waren ihm da schon auf den Fersen, und nur weil die Stasi nicht über die bei hohem Schnee notwendigen Winterreifen verfügte, sei ihm die Flucht in den Westen noch gelungen. Alles in allem habe auf ihn der BND „wie ein umständlicher Beamtenapparat gewirkt“. Die Leute von der CIA, die er später kennenlernte, hätten „bei weitem professioneller und zielstrebiger gearbeitet“.
In dieser seltsamen Welt, die zwischen Größenwahn und Wirklichkeit irrlichtert, gibt aber auch der Ex-Agent Stiller ein paar Rätsel auf. So ist der Untertitel des Buches mit den drei Geheimdiensten nicht ganz korrekt. Gearbeitet hat er eigentlich nur für die HVA; für den BND und die CIA war er nach seinem Abgang aus Ost-Berlin eine sehr wichtige Quelle, die abgeschöpft werden konnte, mehr aber nicht.
Richtig erkennbar wird in dem Buch sein Motiv für den Verrat nicht. „Mit den Jahren war mir das System regelrecht zuwider geworden“, schreibt Stiller zwar, aber es scheint auch eine ganze Menge Abenteuerlust im Spiel gewesen zu sein. Stiller, der in den achtziger Jahren ein Wirtschaftsstudium in den USA absolvierte, später als Investmentbanker bei Goldman Sachs und Lehman Brothers arbeitete und seit Mitte der neunziger Jahre nach eigener Darstellung als „Geschäftsmann und Privatinvestor in Budapest“ lebt, war ein geldgieriger Zocker, ein Hasardeur, und sexwütig war er auch. Vor sieben Jahren rechnete seine 1971 geborene Tochter Edina Stiller in einem Buch über zurückgelassene Agentenkinder mit ihrem Vater ab: „Ja, er war ein klassischer Verräter, und ich glaube, dass mein Vater das Leid, das er dadurch für viele beschworen hat, bis heute nicht wirklich begriffen hat.“
Das würde dem Genre entsprechen. In Graham Greenes Roman „Der menschliche Faktor“ doziert der Chef des englischen Secret Service über das Gewerbe: „Wir alle spielen unsere Spiele – es ist wichtig, kein Spiel zu ernst zu nehmen, sonst verliert man es.“
An der geheimen Front tummelten sich, früher zumindest, viele Egomanen und auch Abenteurer, die vor allem sich selbst ernst nahmen. „Inzwischen ist wieder eine neue Frau in mein Leben getreten“, beginnt Stiller den Schlussabsatz seines Buches, und er kann es sich „gut vorstellen“, einmal „auf einem anderen Kontinent zu leben. Das Abenteuer geht weiter“.
Werner Stiller
Der Agent
Mein Leben in drei Geheimdiensten. Chr. Links Verlag, Berlin 2010.
258 Seiten, 19,90 Euro.
Den BND schätzt Stiller nicht:
Der habe eine Dummheit
nach der anderen gemacht
Was macht der Spion, wenn der Kurier nicht auftaucht? Das ist eine Frage, die in „Der dritte Mann“ nicht vorkommt. Foto: Getty Images
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.01.2011

Der Übertritt des Aufklärers
Glücksfall für den BND - Werner Stillers Erinnerungen lesen sich wie ein Krimi

Seinen Übertritt von Ost nach West vollzog Werner Stiller, Oberleutnant in der Hauptverwaltung Aufklärung der DDR-Staatssicherheit, am 18. Januar 1979 im geteilten Berlin. Das Risiko, das der "Verräter" eingegangen war, hätte bei seinem Scheitern den Tod bedeutet. Fast wäre es dazu gekommen, denn ihm gelang der Seitenwechsel quasi in letzter Stunde. Die Stasi-Spionageabwehr war ihm auf die Spur gekommen - offensichtlich infolge unprofessionellen Vorgehens des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der konspirativen Kommunikation. Wenige Tage später konnte auch seine Freundin, eine Kellnerin im Interhotel "Panorama" in Oberhof, über Warschau und Helsinki fliehen. Ihr Bruder im Westen hatte den Kontakt zum BND geknüpft. Seine Frau und zwei Kinder ließ er in Ost-Berlin zurück.

Als Stiller sieben Jahre später über seinen Übertritt ein Buch vorlegte, "Im Zentrum der Spionage", kolportierte er die Legende, "über Jahre als Top-Agent für den Bundesnachrichtendienst tätig" gewesen zu sein. In seinem neuen Buch nun bekennt er, seine Kontakte zum BND seinerzeit "auf Wunsch der Pullacher Kollegen" verfälscht zu haben. "Heute, 20 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, kann ich erzählen, wie es wirklich war. Die Initiative ging nämlich von mir aus und nicht vom BND." Tatsächlich spionierte Stiller nur rund acht Monate für die Zentrale im Isartal. Aber er bewies gleichwohl Kaltblütigkeit und Mut. Sein Motiv wurzelte allerdings nicht in widerständiger Gesinnung. Abenteurertum war im Spiel und die Spekulation auf eine Perspektive im Westen. "Mit Pullachs Hilfe wollte ich die HV A von Innen aushöhlen, Substantielles an die andere Seite liefern."

Ganz so kam es hernach zwar nicht, doch fraglos hat er der Stasi-Spionage nachhaltig geschadet. Ohne Skrupel verriet er Namen und Strukturen der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HV A), ihre Arbeitsmethoden, Schwerpunkte und Schwachstellen. Ein Glücksfall für den BND, dem er Tausende Blatt geheimer Akten und Materiallisten übergab. Er sorgte für ein Dutzend Festnahmen "im Operationsgebiet" und zwang andere "Kundschafter an der geheimen Front" zum Rückzug in die DDR. Schwer wog auch der psychologische Schaden, den er verursacht hatte: die Verunsicherung hauptamtlicher und inoffizieller MfS-Mitarbeiter. Fortan wucherte intern das Misstrauen. Immerhin war mit Stiller ein scheinbar zuverlässiger Kader verlorengegangen, der seine Sozialisation im DDR-Sozialismus erlebt, der Abitur gemacht und Physik studiert hatte, der noch während des Studiums Genosse der SED und MfS-Spitzel (IM "Stahlmann") geworden war. 1972 trat er in die HV A ein - Sektor Wissenschaft und Technik -, Dienstrang Leutnant, später Oberleutnant. Und er wurde Sekretär der Abteilungsparteiorganisation.

Und dieser Mann läuft zum "Klassenfeind" über? Für Tschekisten wie Erich Mielke und Markus Wolf schier unbegreiflich. Während die Stasi-Fahndung nach ihm ebenso intensiv wie erfolglos lief, ermöglichte der BND ihm mit Hilfe der CIA im Herbst 1980 die Ausreise in die Vereinigten Staaten. Nach einem Studium in St. Louis (Business Administration) arbeitete Klaus-Peter Fischer, so seine neue Identität, als Banker und Börsenmakler in New York und London. Im Jahr 1990 sah er Deutschland wieder. Heute lebt er in Ungarn.

Das intelligent verfasste Buch liest sich spannend wie ein Krimi. Der Autor, etwas selbstgefällig, bietet Einblicke in den Alltag der Stasi-Spionage aus der Erfahrung eines Führungsoffiziers. Besonders interessant sind dokumentierte MfS-Operativ- und Ermittlungsakten zum Fall Stiller, der unter der vielsagenden Deckbezeichnung "Schakal" bearbeitet wurde.

KARL WILHELM FRICKE

Werner Stiller: Der Agent. Mein Leben in drei Geheimdiensten. Ch. Links Verlag, Berlin 2010. 252 S., 19,90 [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Umfassend informiert uns der merklich beflügelte Hans Leyendecker über eine abermalige deutsch-deutsche Agentengeschichte aus dem Kalten Krieg: Sein Name ist Stiller, Werner Stiller. Ein Spion der gerne bei nicht weniger als drei Geheimdiensten, einem grundsätzlich "fischigen Gewerbe" wie der Rezensent leicht zweideutig anmerkt, in Lohn und Brot gestanden hätte. Letztlich blieb es dann doch nur bei seinem angestammten Verein, der Hauptverwaltung Aufklärung (HVA) in Ost-Berlin, stellt der Rezensent klar. Mit Rückgriff auf 1800 Dokumente hat der Ex-Agent nun aufgezeichnet, "wie es damals mit dem BND wirklich war". Zusammengefasst lief Werner Stiller Anfang des Jahres 1979 nach Westdeutschland über, die Motive bleiben für Leyendecker unklar, deutlich wird aber, dass er ein "geldgieriger Zocker, ein Hasardeur" und "sexwütig" war. Stiller fügte dem Ministerium für Staatssicherheit, insbesondere dem Manager der Auslandsagenten namens Markus Wolff nachhaltig schweren Schaden zu. Der BND hingegen triumphierte. Lesenswert findet Leyendecker die Bekenntnisse Stillers, "weil sein Abgang damals echte Geheimdienstgeschichte schrieb".

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