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Ruanda und Burundi sind ein kolonialgeschichtlicher Sonderfall. Sie fielen dem Deutschen Reich im Zuge der Aufteilung Afrikas in europäische Einflussgebiete auf der »Kongo-Konferenz« 1884/85 zu. Anders als in den übrigen Teilen Deutsch-Ostafrikas blieben die Bewohner des Hochplateaus zunächst von der deutschen Kolonialherrschaft unberührt. Erst 1898 wurde ein deutscher Militärposten in Ruanda errichtet. Im Unterschied zu ihren anderen Kolonien setzten die Deutschen hier auf Kooperation und etablierten ein Residentursystem zur Ausübung einer »indirekten Herrschaft«. Das Buch beschreibt die…mehr

Produktbeschreibung
Ruanda und Burundi sind ein kolonialgeschichtlicher Sonderfall. Sie fielen dem Deutschen Reich im Zuge der Aufteilung Afrikas in europäische Einflussgebiete auf der »Kongo-Konferenz« 1884/85 zu. Anders als in den übrigen Teilen Deutsch-Ostafrikas blieben die Bewohner des Hochplateaus zunächst von der deutschen Kolonialherrschaft unberührt. Erst 1898 wurde ein deutscher Militärposten in Ruanda errichtet. Im Unterschied zu ihren anderen Kolonien setzten die Deutschen hier auf Kooperation und etablierten ein Residentursystem zur Ausübung einer »indirekten Herrschaft«. Das Buch beschreibt die Kolonialherrschaft von den Anfängen bis zum Rückzug der Deutschen 1916. Abgerundet wird die Darstellung durch einen Essay, der einen Bogen schlägt über die belgischen Mandatsjahre, die UN-Treuhandverwaltung bis zur Gründung selbständiger Staaten. Diskutiert wird auch, inwieweit der Völkermord 1994 auf die Kolonialpolitik zurückgeführt werden kann.
Autorenporträt
Helmut Strizek, Jahrgang 1942, studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Französisch. 1980-83 war er bei der Delegation der Europäischen Gemeinschaft in Ruanda vertreten und zwischen 1987 und 1989 zuständig für die Projektbearbeitung der Länder Ruanda und Burundi im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). 1996 promovierte er an der Universität Hamburg über Ruanda und Burundi.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.12.2006

Ungenaue Karten
Kolonien Ruanda und Burundi

"Ein Land, wo Milch und Honig fließt, wo Vieh- und Bienenzucht blüht und der kultivierte Boden reiche Erträge bringt. Ein Bergland, dicht bewohnt, von hoher landschaftlicher Schönheit, mit unvergleichlich frischem und gesundem Klima." Herzog Adolf Friedrich von Mecklenburg war begeistert, als er 1907 eine Forschungsexpedition in das weitgehend unbekannte Ruanda führte. Noch heute zieht das Land deutsche Beamte, die dort Dienst taten, in seinen Bann. Der frühere Botschafter in Kigali, Reinhard Bindseil, hat zahlreiche Untersuchungen zur deutschen Kolonialherrschaft in Ruanda verfaßt. Eine neue Studie gibt es nun von Helmut Strizek, der im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit für Projekte in Ruanda und Burundi verantwortlich war.

Beide Königreiche gelangten eher zufällig unter deutsche Herrschaft. Auf der Berliner Kongo-Konferenz 1884/1885 regelten die Mächte Europas ihre kolonialen Ansprüche in Afrika. Dank ungenauer Karten fiel das Gebiet zwischen Belgisch-Kongo und Deutsch-Ostafrika an das Deutsche Reich, das erst Jahre später begann, diese "geschenkten Kolonien" in Besitz zu nehmen. Materialgesättigt schildert Strizek auf der Basis der einschlägigen Literatur die Erkundungsmissionen seit 1894 und den dann folgenden Aufbau der eher indirekten deutschen Kolonialverwaltung. Knapp besetzte Residenturen nutzten die überlieferten Strukturen aus vorkolonialer Zeit. Die sozialen Spannungen zwischen den Ackerbau treibenden Hutu und den herrschenden Tutsi, deren Reichtum auf Rinderherden gründete, stellt Strizek eindringlich dar. Sie wirkten unvermindert fort bis zu den wechselseitigen Völkermorden an den Hutu 1972 und an den Tutsi 1994.

Das nüchterne Resümee der deutschen Herrschaft lautet: In Ruanda führten die Deutschen den Kaffeeanbau ein, für Jahrzehnte wichtigstes Exportmittel und Devisenbringer; in Burundi gab es "außer einigen Gebäuden, einigen Krankenstationen und einigen Grundschulen . . . nichts zu erwähnen". 1916 endete die deutsche Herrschaft mit dem Sieg Belgiens, das dann als Mandat des Völkerbundes und seit 1947 als UN-Treuhandgebiet die Verantwortung für beide Länder bis zu deren Unabhängigkeit 1962 übernahm. Die sich in vielen Details verlierende Darstellung hätte ein strafferes Lektorat verdient. Prägnant ist der Essay über Ruanda und Burundi vom Ende der deutschen Kolonialzeit bis zur Gegenwart.

HANS JOCHEN PRETSCH

Helmut Strizek: Geschenkte Kolonien. Ruanda und Burundi unter deutscher Herrschaft. Mit einem Essay über die Entwicklung bis zur Gegenwart. Ch. Links Verlag, Berlin 2006. 224 S., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 04.09.2006

Sie waren wahrlich nicht pingelig
Vorgeschichte des Völkermords von 1994: Helmut Strizek über die deutsche Kolonialherrschaft in Ruanda und Burundi
Der afrikanische Kleinstaat Ruanda, kaum so groß wie Brandenburg, hat einen festen Platz in den Geschichtsbüchern, seit dort 1994 innerhalb von drei Monaten mehr als 800 000 Angehörige der Tutsi-Minderheit und politisch gemäßigte Hutu massakriert wurden. Der Völkermord geschah nicht aus heiterem Himmel. Immer wieder kam es zu Pogromen gegen Tutsi, seit die Hutu-Mehrheit Ende der fünfziger Jahre die dominierenden Tutsi von der Macht verdrängt hatte. Und bereits in den 1930er Jahren hatte die damalige belgische Kolonialverwaltung verfügt, in jedem Ausweis sei zu vermerken, ob sein Besitzer Hutu, Tutsi oder Twa sei. 1994 genügte dann ein Blick auf die Identitätskarte oder ins Behördenverzeichnis, um die Tutsi herauszufinden.
Will man den Ursachen des Völkermordes auf den Grund gehen, muss man allerdings weiter zurückgehen. Das tut Helmut Strizek, der als Beamter mehrmals in Ruanda eingesetzt war. Auch wenn sein Buch die nicht einmal zwei Jahrzehnte währende deutsche Herrschaft zum Thema hat, liefert es zugleich wichtige Bausteine einer Erklärung für den Genozid.
Auf der Berliner Kongo-Konferenz von 1884/85 teilten die europäischen Mächte Afrika unter sich auf, die Grenzen legten sie mit dem Lineal fest. Ein Areal östlich des Kivu- und Tanganjika-Sees blieb dabei unbeachtet. Erst in den 1890er Jahren übernahm Deutschland das an Deutsch-Ostafrika grenzende Hügelland. Mit möglichst geringem Aufwand, offenbar dem englischen Vorbild der „indirect rule” nachempfunden, verwaltete das Kaiserreich die „geschenkten Kolonien”, die in Deutschland bis heute vergessene Kolonien sind.
Mission und Massaker
Mit großem Eifer stürzten sich christliche Missionare auf die neuen deutschen Untertanen, die allerdings vom Gott der Europäer nichts wissen wollten. In den jahrhundertealten Reichen Ruanda und Urundi waren die Könige zugleich gottähnliche Oberhäupter, eine wichtige Rolle am Hof spielte die Königinmutter. Die Herrscher stützten sich auf Adlige, die sich Tutsi nannten und über große Rinderherden verfügten. Der König von Ruanda regierte mit großer Prachtentfaltung. Die Bevölkerungsmehrheit war abhängig, lebte vom Ackerbau und bezeichnete sich als Hutu. Bis heute ist unklar, ob die Hutu-Tutsi-Trennung auch einen ethnischen Hintergrund hat, oder ob es sich allein um eine tiefe soziale Spaltung handelt.
Strizek zeichnet ein anschauliches Bild der alten Königreiche und der Missionierungsversuche vor allem durch die katholischen Weißen Väter, die im Kielwasser der Kolonialherren und an den Tutsi-Königshöfen als Kirche der Mächtigen Erfolg suchten. Die Darstellung leidet allerdings bisweilen unter ermüdender Faktenfülle sowie unter stilistischen Missgriffen. Zum Einsatz militärischer Gewalt heißt es, „die jungen Leutnants . . . verfügten über große Machtbefugnisse und waren – wie die Rheinländer zu sagen pflegen – wahrlich nicht ,pingelig‘ bei deren Ausübung”; an anderer Stelle ließen die Deutschen „die Gewehre sprechen”. Der Autor hat da möglicherweise zu eng an seinen Quellen formuliert.
Mit dem Ende deutscher Kolonialherrschaft 1916 endet Strizeks eigentliches Thema, aber sinnvollerweise spannt er kurz einen Bogen bis in die Gegenwart. Er beschreibt die Kehrtwende der katholischen Kirche, die sich in den fünfziger Jahren in Ruanda als Volkskirche der Hutu profilierte, und zwar so konsequent, dass sie die Gewalt der neuen Hutu-Machthaber gegen die Tutsi in den folgenden Jahrzehnten ignorierte. Strizek erwähnt die Versuche von Ruandas entmachteten Tutsi-Herren, vom Ausland aus, auch mit Waffengewalt, wieder Einfluss zu gewinnen, und er weist hin auf den hierzulande kaum bekannten Massenmord durch Tutsi, bei dem 1972 in Burundi nahezu alle gut ausgebildeten Hutu ums Leben kamen. Bei dem Bestreben, die Hutu-Opfer sichtbar zu machen, vergaloppiert sich Strizek allerdings, wenn er den Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 als Begleiterscheinung des Einmarsches der Tutsi-Exilarmee darstellt. Wenn Strizek meint, dass Winkelzüge und Gewaltakte der Tutsi-Exilanten im Angesicht des Völkermordes bisher zu wenig Beachtung fanden, muss er darüber schreiben, aber er darf dabei nicht die Gewalt der Hutu verharmlosen.
GABY MAYR
HELMUT STRIZEK: Geschenkte Kolonien. Ruanda und Burundi unter deutscher Herrschaft. Verlag Ch. Links, Berlin 2006. 224 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Um den Völkermord an den Tutsi in Ruanda und Burundi von 1994 begreifbar zu machen, hilft es, die Studie von Helmut Strizek über die Zeit deutscher Kolonialherrschaft im 19. Jahrhundert zu lesen, meint Gaby Mayr. Darin werde die Vorgeschichte des bis heute andauernden Konflikts zwischen der Tutsi-Minderheit und den Hutu dargelegt und zudem eine eindrückliche Schilderung der früheren Machtverhältnisse in dem afrikanischen Land geboten, wobei das Thema des Buches sinnvoller Weise bis in die Gegenwart ausgeweitet wird. Lediglich die große Faktendichte überfordert manchmal und auch auf stilistischem Gebiet hat der Autor nicht immer ein glückliches Händchen, merkt Mayer an, die aber ansonsten zufrieden wirkt. Zu bemängeln hat sie allerdings, dass der Autor in seinem verständlichen Bemühen, die großen Opfer der Hutu im 19. Jahrhundert darzustellen, die Tendenz aufweise, die Gewalt an den Tutsi von 1994 zu "verharmlosen".

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