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Während für die einen die Revolution von 1989 noch lange nicht abgeschlossen ist und sie provokant die Frage stellen, was wohl mehr wert sei, die seitdem neu gewonnene Freiheit oder ein sicherer Arbeitsplatz, sehen die anderen alle politische Ziele des damaligen Umbruchs als errreicht an. Im zehnten Jahr der deutschen Einheit haben 14 herausragende Vertreter der Bürgerrechtsbewegung anläßlich einer Vortragsreihe an der Technischen Universität Chemnitz Bilanz gezogen. Betont werden die neuen Möglichkeiten seit dem Sturz der SED-Diktatur, doch zugleich wird auch das Erreichte problematisiert.…mehr

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Produktbeschreibung
Während für die einen die Revolution von 1989 noch lange nicht abgeschlossen ist und sie provokant die Frage stellen, was wohl mehr wert sei, die seitdem neu gewonnene Freiheit oder ein sicherer Arbeitsplatz, sehen die anderen alle politische Ziele des damaligen Umbruchs als errreicht an. Im zehnten Jahr der deutschen Einheit haben 14 herausragende Vertreter der Bürgerrechtsbewegung anläßlich einer Vortragsreihe an der Technischen Universität Chemnitz Bilanz gezogen. Betont werden die neuen Möglichkeiten seit dem Sturz der SED-Diktatur, doch zugleich wird auch das Erreichte problematisiert. Manch einer spürt den Widerspruch zwischen Idee und Wirklichkeit auch heute noch. Ihre höchst bedenkenswerten Redebeiträge sind in dem vorliegenden Band versammelt. Zudem hat der Herausgeber allen Protagonisten von damals, die heute unterschiedliche Ziele innerhalb des demokratischen Spektrums verfechten, ein ausführliches Porträt gewidmet und ihren Werdegang nachgezeichnet. Die im Anhang dokumenti erten Pressereaktionen zeigen, daß die unkonventionellen Denkansätze der Bürgerrechtler auch in der Gegenwart vielfältigen Stoff zur Diskussion bieten. Mit Beiträgen von Jens Reich, Konrad Weiß, Marianne Birthler, Günter Nooke, Wolfgang Templin, Markus Meckel, Freya Klier, Ehrhart Neubert, Vera Lengsfeld, Rainer Eppelmann, Edelbert Richter, Ulrike Poppe, Friedrich Schorlemmer, Joachim Gauck
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ganz spannend findet der Rezensent Rainer Hoffmann die Erinnerungen von DDR-Bürgerrechtlern an den Umbruch und schätzt sie auch als historische Quellen: "Bei den Beiträgen handelt es sich nicht um unverbindlich-anekdotisches Geplauder, sondern um ebenso lebendige wie genaue `Bilanzen`". Diese insgesamt 14 Erinnerungsprotokolle sind in einem akademischen Kontext entstanden, die Vorträge gingen aus einer Ringvorlesung an der Uni Chemnitz zum 10-Jahrestag des Mauerfalls hervor. Ihre Sicht auf die Ereignisse beschreiben unter anderem Joachim Gauck und Günther Nooke. Oft geht es nicht nur um die Wendezeit, sondern auch um das Leben in der DDR und um die bundesrepublikanische Gegenwart, bilanziert der Rezensent.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 17.10.2001

Dankbare Ankunft im vereinigten Deutschland
Von Marianne Birthler bis Konrad Weiß: Vierzehn Bürgerrechtler ziehen Bilanz

Eckhard Jesse (Herausgeber): Eine Revolution und ihre Folgen. 14 Bürgerrechtler ziehen Bilanz. Ch. Links Verlag, Berlin 2000. 328 Seiten, 38,- Mark.

"1990 ist, trotz aller Erinnerungsfeiern, ein vergessenes Jahr in der deutschen Geschichte", behauptet Konrad Weiß. Nach nur zehn Jahren ist das eine kühne, aber wohl berechtigte Feststellung. Wie ein melancholischer roter Faden zieht sie sich durch die ansonsten sehr verschiedenen Betrachtungen ehemaliger Exponenten der friedlichen Revolution in der DDR. Sie ist erwachsen aus der Erfahrung, daß der unbändige demokratische Gestaltungswille der Menschen in der DDR im Laufe des Jahres 1990 durch den - ungeahnte Dynamik erlangenden - Wiedervereinigungsprozeß überlagert, domestiziert, ja mitunter auch gedemütigt und erstickt wurde. So gedenken wir am 3. Oktober des blutleeren Rechtsaktes des "Beitritts" der DDR zur Bundesrepublik 1990, nicht des 3. Oktobers 1989, an dem sich circa 2000 Menschen am Dresdner Hauptbahnhof wegen der zu erwartenden Durchreise der Prager Botschaftsflüchtlinge versammelten. Dieser Tag kann mit gutem Grund als Beginn der friedlichen Revolution angesehen werden.

Der Herausgeber läßt 14 Akteure der Revolution in der DDR zu Wort kommen: Jens Reich, Konrad Weiß, Marianne Birthler, Vera Lengsfeld, Günter Nooke, Wolfgang Templin, Markus Meckel, Erhart Neubert, Freya Klier, Rainer Eppelmann, Edelbert Richter, Ulrike Poppe, Friedrich Schorlemmer und Joachim Gauck. Inhaltlich überrascht die Spannungsweite und der Facettenreichtum der einzelnen Beiträge. Da ist der abgeklärte, geradezu weise Rückblick eines Jens Reich, der ohne Bitterkeit das Ergebnis des nachrevolutionären demokratischen Prozesses akzeptiert. Da sind die poetisch schönen Passagen eines Konrad Weiß, dessen unbestechlicher Gerechtigkeitssinn über alle vordergründige Parteipolitik hinausragt. Da ist die anrührende Geschichte, die Freya Klier von ihrem Bruder erzählt, den die politische Justiz der DDR in den Selbstmord trieb. Da sind die kaum sonst berichteten, historisch aufschlußreichen Details des Wiedervereinigungsprozesses, die Markus Meckel aus seiner Zeit als einziger aus einer freien Wahl hervorgegangener Außenminister der DDR berichtet und die dazu beitrugen, daß er "den Weg in die Einheit als selbstbestimmten Weg der Ostdeutschen" beschreiben kann. Da ist das etwas eitle, auf Effekt bedachte Wortgeklingel eines Friedrich Schorlemmer, dem abzuspüren ist, daß ihm die Erfahrung politischer Verantwortung fehlt.

Bestechend und originär lesen sich die Essaycharakter tragenden Analysen des Wiedervereinigungsprozesses von Wolfgang Templin und Edelbert Richter. Templin weist darauf hin, daß es zahlreiche internationale Stimmen gab, die davor warnten, den hochdestruktiven Charakter kommunistischer Systeme schönzureden und vor den Realitäten der östlichen Diktaturen zu kapitulieren. So wurde auch vor 1989 in der Bundesrepublik übersehen, daß es einerseits der SED gelungen war, tief in die Gesellschaft hinein gestaltend und prägend zu wirken.

"Neuvereinigung"

Andererseits mußte der DDR zwar der Anschluß an die industrielle und technologische Moderne mißlingen, die aber in anderer Weise eine relativ moderne Gesellschaft geworden war, "in der trotz des Gleichschaltungsdrucks der Diktatur soziale und biographisch-individuelle Ausdifferenzierungsprozesse vorher ungeahnten Ausmaßes stattgefunden haben". Sein Fazit lautet: "Es fehlte grundlegend an der altbundesdeutschen Bereitschaft, die Tatsache zu akzeptieren, daß nach Jahrzehnten der Teilung und einer wie auch immer problematischen, aber mindestens seit den sechziger Jahren gewachsenen eigenen gesellschaftlichen Identität in der DDR der gewollte Vereinigungsprozeß staatlich zwar eine Wiedervereinigung bedeutete, gesellschaftlich jedoch nur als Neuvereinigung gelingen konnte."

Edelbert Richter stellt Revolution und Wiedervereinigung in einen größeren zivilisationshistorischen Zusammenhang. Er bezweifelt, daß die wesentliche Ursache für das Ende des Ostblocks in der Entspannungspolitik der sechziger und siebziger Jahre gelegen habe. Zwar habe die KSZE-Schlußakte von Helsinki Zugeständnisse des Ostens in Menschenrechtsfragen gebracht, zugleich aber die definitive Anerkennung des Machtbereiches der Sowjetunion durch den Westen bedeutet. Der Ostblock habe sich in den siebziger Jahren machtpolitisch deutlich in der Offensive befunden. Die Sowjetunion habe sich auf dem Höhepunkt ihrer militärischen Macht und ihres Einflusses in der Welt bewegt. Dies habe die bis dahin wohl massivste Infragestellung der westlichen Kultur bedeutet, verstärkt durch das zunehmende Selbstbewußtsein der Entwicklungsländer und die Umweltkrise.

Auf diese Herausforderungen habe der Westen, insbesondere die Vereinigten Staaten als Führungsmacht, nicht mehr kompromißbereit, sondern mit Härte reagiert: sozialökonomisch durch die neoliberale Abkehr vom Wohlfahrtsstaat und die Hinwendung zur Eigendynamik des Marktes; außen- und sicherheitspolitisch durch gewaltige Rüstungsanstrengungen; entwicklungspolitisch durch den Abbruch des Dialogs über eine neue Weltwirtschaftsordnung; umweltpolitisch durch den Schritt von der Kritik am Industrialismus zu seiner erneuten Stimulierung.

Dadurch sei der Westen nicht nur aus der Defensive herausgekommen, sondern es habe sich mit dieser neoliberalen Wende ein Epochenwechsel vollzogen, der die Revolution erst ermöglicht habe. Richters Resümee lautet: "Die Revolution von 1989 war nicht der Sieg des Westens in seiner ganzen Vielfalt, sondern in seiner einseitig neoliberalen Ausrichtung." Man müsse sich fragen, "ob es sich überhaupt zuerst um einen Sieg der Demokratie oder nicht vielmehr um einen der wirtschaftlichen (und militärischen) Macht gehandelt hat". Und er schließt die Überlegung an, der Westen müsse aufpassen, daß es ihm nicht ähnlich ergehe wie dem sowjetischen System: daß er mit der Vollendung seiner Macht zugleich deren Grundlage untergrabe. Vor dem Hintergrund der Terroranschläge vom 11. September 2001 erhalten Richters Thesen eine besondere Brisanz.

Alle 14 Referenten sind dankbar, im vereinigten Deutschland angekommen zu sein, auch wenn 1989 ihr Ziel nicht die Wiedervereinigung war. Niemand wünscht sich die DDR zurück, aber ihre rückblickende Beurteilung fällt ebenso unterschiedlich aus wie die Haltung zum Umgang mit ihrem Erbe. Während Freya Klier die Lebenslügen der DDR schonungslos entlarvt, meint Friedrich Schorlemmer gegen die Bezeichnung der DDR als "zweite deutsche Diktatur" angehen zu müssen, da er - politisch korrekt - eine Gleichsetzung der DDR mit dem Naziregime befürchtet, wo allenfalls der Vergleich beabsichtigt ist.

Noch schärfer, ja schier unversöhnlich sind die Differenzen in der Haltung gegenüber der SED-Fortsetzungspartei PDS. Günter Nooke und Konrad Weiß teilen die Auffassung des Rezensenten, daß es das größte und folgenreichste Versäumnis der Revolution war, daß die SED-PDS nicht zur Auflösung gezwungen wurde.

Herausgeber Eckhard Jesse ist es mit diesem Buch gelungen, die Erfahrungen der Revolutionäre von damals für das Verständnis des Innenzustandes unseres Vaterlandes heute fruchtbar zu machen.

STEFFEN HEITMANN

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Bei den Beiträgen fasziniert die Offenheit, mit welcher alle über sich, über ihre Hoffnungen und Ziele im Herbst 1989, über ihre Illusionen in der Machtfrage, über Selbsttäuschungen und Enttäuschungen schreiben." (Das Parlament, 8./15.9.00)

"Für den in der deutschen Geschichte einmaligen Prozeß der Wiedervereinigung stellt dieser Sammelband mit seinen bisweilen spannend zu lesenden zeitgeschichtlichen Selbstauskünften, gegenwartskritischen Anstößen und biografischen Abrissen des Herausgebers eine Fundgrube dar." (Rheinischer Merkur, 38/2000)

"Es war eine kluge Idee von Eckhard Jesse, die im Rahmen einer Ringvorlesung an der TU Chemnitz gehaltenen Vorträge von 14 ehemaligen DDR-Bürgerrechtlern als Buch herauszugeben. Die Texte zum Generalthema"Revolution in der DDR - zehn Jahre danach"lohnen die Lektüre. Eine diffenrenzierende Einleitung erschließt sie - und ein interessanter Überblick des Herausgebers über oppositionelle Bestrebungen in der DDR der achtziger Jahre mit aktueller Biographie, ergänzt durch Kurzporträts der 14 Autorinnen und Autoren, schließt das Ganze ab." (Gegen Vergessen, September 2000)

"Die Gedankengänge sämtlicher Aufsätze belegen, dass durch die Bürgerrechtler in allen Parteien ein Element in die politische Kultur gekommen ist, das die grassierende Lagermentalität zurückdrängt. Nonkonformismus überlagert Schubladendenken, und schon allein deshalb ist der sehr gut konzipierte Sammelband lesenswert." (Darmstädter Echo, 9.10.00)

"Ein interessantes und quicklebendiges deutsches Geschichtsbuch - mit brisantem Bezug zur Gegenwart." (Badische Zeitung, 30.9.00)

"Herausgeber Eckhard Jesse ist es mit diesem Buch gelungen, die Erfahrungen der Revolutionäre von damals für das Verständnis des Innenzustandes unseres Vaterlandes heute fruchtbar zu machen." (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.10.)
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