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Bei einem Abendessen in einem Lokal in Madrid stellt Carlos seinen Freunden Marta und Santiago eine peinliche Frage: Könnt ihr mir Geld leihen? Er bekommt ein beachtliches Darlehen. Aber niemand ahnt, welche Konsequenzen dies haben wird. Das lange gewachsene Vertrauen zwischen den drei politischen Weggefährten weicht schon bald unbekannten Ängsten. Die Risikobereitschaft von einst ist vergessen, statt dessen zählen nun materielle Sicherheiten. Und alle drei müssen sich auf unterschiedliche Weise die Frage stellen: Woran haben wir geglaubt - und was ist davon übrig geblieben? Mit viel…mehr

Produktbeschreibung
Bei einem Abendessen in einem Lokal in Madrid stellt Carlos seinen Freunden Marta und Santiago eine peinliche Frage: Könnt ihr mir Geld leihen? Er bekommt ein beachtliches Darlehen. Aber niemand ahnt, welche Konsequenzen dies haben wird. Das lange gewachsene Vertrauen zwischen den drei politischen Weggefährten weicht schon bald unbekannten Ängsten. Die Risikobereitschaft von einst ist vergessen, statt dessen zählen nun materielle Sicherheiten. Und alle drei müssen sich auf unterschiedliche Weise die Frage stellen: Woran haben wir geglaubt - und was ist davon übrig geblieben? Mit viel Atmosphäre entwirft Gopegui das Bild einer modernen europäischen Gesellschaft, in der die ehemals linke Studentenszene die gehobenen Positionen besetzt hat. Subtil und schonungslos zugleich ist ihre Auseinandersetzung mit einstigen Idealen, erkauften Kompromissen und vom Erfolg diktierten Ansprüchen, raffiniert erzählt und stilistisch virtuos.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.09.2001

Revolutionäre a. D.
Drei Menschen, viele Probleme: Belén Gopegui kennt die Theorie

Die spanische Autorin Belén Gopegui war fünf Jahre alt, als die Studenten in Europa auf die Straße gingen. Demos, Sit-ins, Kommunen und jene Endlosdiskussionen um Herrschaftsverhältnisse, Autonomie und die Selbstverwirklichung des Individuums kennt sie also nur vom Hörensagen. Warum sie gleichwohl einen Roman geschrieben hat über Menschen, deren Selbstverständnis von Erfahrungen geprägt ist, die nicht die ihren sind, leuchtet allerdings auch nach der Lektüre des Buches nicht ganz ein.

Sie, oder genauer: der Erzähler des Romans, so schreibt die Autorin in ihrem Nachwort, habe "einige Mechanismen" aufzeigen wollen, "die die hypothetische Freiheit des Subjekts beschneiden". Diesen theoretischen Ansatz kleidet Belén Gopegui in eine Geschichte: Drei Freunde, zwei Männer und eine Frau, politische Weggefährten jener wilden Jahre, die es alle zu etwas Ansehen und Besitz gebracht haben, treffen sich zu einem gemeinsamen Essen, in dessen Verlauf der eine von ihnen, Carlos, die beiden anderen um ein Darlehen für seine marode Firma bittet. Damit wird der Beziehung der drei ein Element hinzugefügt, das darin bis dahin keine Rolle spielte: Geld. Und dieser Gedanke an Besitz und materielle Sicherheit verändert künftig das Verhältnis der drei jungen Menschen zueinander und zu ihren jeweiligen Partnern wie ein Katalysator, der einer chemischen Verbindung beigemischt wird. Von diesen Veränderungen erzählt Belén Gopeguis Roman.

Die Idee ist bestechend und könnte der klassischen Novellentheorie entnommen sein: das Borgen einer Summe als ungeheure Begebenheit, die einen ganzen Kosmos in Mitleidenschaft zieht. Nur ist "Die Eroberung der Luft" keine Novelle, sondern ein Roman, ein umfangreicher, ein ausufernder noch dazu. Belén Gopegui erzählt vielstimmig und auf verschiedenen Ebenen. Sie hat keinen Protagonisten, sondern deren drei, und sie versucht sich an einer kollektiven Erzählweise, die den Leser zwingt, fortwährend den Blickwinkel zu wechseln und sich in immer wieder andere Familienverhältnisse und Bewußtseinslagen hineinzuversetzen. "Sie konnten nicht schlafen", lautet der erste Satz des Romans. Dieses "sie" hat seine Tücken: Es erschwert die Orientierung. Denn Carlos, Marta und Santiago sind drei Individuen, die bei aller Verbundenheit ihr jeweils eigenes Beziehungsnetz und ihre unterschiedlichen Geschichten haben. Gemeinsam ist ihnen vor allem die Erinnerung an längst vergangene Zeiten. Gemeinsam ist ihnen auch die Irritation, die das Darlehensgeschäft in ihr Leben gebracht hat. Sonst haben sie im Grunde wenig Berührungspunkte. Die Gemeinschaft, die sie einst bildeten, hat sich längst aufgelöst. Der Rest ist Nostalgie.

Hier nun beißt sich das Interesse der Autorin fest. Es geht ihr nicht ums Heute, sondern darum, was aus den Ideen von einst, den hochfahrenden Plänen, kühnen Utopien und weltverändernden Träumen, im Heute geworden ist. Die Bilanz fällt düster aus. Alle drei müssen sich im Verlauf des Romans eingestehen, daß sie sich untreu geworden sind, daß sie ihre hehren Ziele, ihre erhabenen Ideale verraten haben. Die Macht des Faktischen war stärker als die revolutionäre Theorie. Der Traum von Freiheit und Anarchie ist untergegangen in der Sorge um Besitz, Karriere und die eigene Familie. Zurückgeblieben ist der schale Geschmack des Verrats.

Das müßte uns eigentlich interessieren. Erfahrungen wie diese sind keinem fremd. Doch Belén Gopegui gelingt es nicht, dieses Interesse über 390 Seiten hinweg wachzuhalten. Das liegt vor allem an ihrem unseligen Hang zum Theoretisieren und Philosophieren. Kaum haben sich in diesem Buch zwei oder drei der Protagonisten zusammengesetzt, fangen sie an zu reflektieren und zu reden. Endlos fließt der Diskurs dahin, staubtrocken, papieren und in hölzern anmutender Übersetzung reihen die Erörterungen sich aneinander, die Gedanken drehen sich in ermüdender Monotonie um den immer gleichen Punkt: Man war ausgezogen, die Welt zu verändern, und ist doch nur bei seinem eigenen kleinen Ego angelangt. Selbst wer die Scham kennt, die mit dieser Einsicht verbunden ist, verliert über kurz oder lang die Lust, den kopflastigen Reflexionen über Seiten und Seiten hinweg zu folgen. Dem Roman fehlt die Bodenhaftung, den Figuren das Fleisch am Knochen, und auch die paar sattsam bekannten Beziehungskisten täuschen nicht darüber hinweg, daß die Autorin mit Theorie mehr anzufangen weiß als mit so platten Dingen wie Anschauung und Erfahrung. Für einen guten Roman sind diese beiden aber leider unentbehrlich.

KLARA OBERMÜLLER

Belén Gopegui: "Die Eroberung der Luft". Roman. Aus dem Spanischen übersetzt von Peter Schwaar. Pendo Verlag, Zürich 2001. 389 S., geb., 44,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Lucia Mancioppi gibt eine sehr detaillierte Inhaltsangabe des Romans. Uns genügt allerdings folgender Passus voll und ganz: "In dem Roman ... wird viel geraucht, debattiert, sinniert, über Gott und die Welt. Beziehungen gehen in die Binsen, alte Identitäten verloren, derweil Gewissheiten und Glaubwürdigkeiten ins Zwielicht geraten." Ins Zwielicht! Na, muss ja gut sein. Allein Mancioppi ist nicht glücklich. Die Geschichte zieht, schon, doch die Autorin ist leider von pädagogischen Ambitionen beseelt, wie die Rezensentin auch prompt im Nachwort bestätigt bekommt: Es gehe ihr darum, schreibt da die Autorin, Mechanismen aufzuzeigen, die die hypothetische Freiheit des Subjekts beschneiden. Hm. Die Romanfiguren könnten ein Lied davon singen, denkt sich Mancioppi und bedauert's: "So wird aus der Geschichte persönlicher Konflikte eine Fallstudie."

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